Neuer Wein und restaurierte Schläuche? - Europas neuer Grusel-Anlauf
Neuer Wein und restaurierte Schläuche?
Europas neuer Grusel-Anlauf
Hans-Georg Franciskowsky, seines Zeichens der Hausautor Europas sollte die Hörspiele schreiben und tat das auch. Die folgende Reihe war sehr erfolgreich. Immerhin 18 Folgen wurden zwischen 1981 und 1982 auf den Markt gebracht.
Doch Erfolg damals und Erfolg heute sind zweierlei. Die grandiosen Verkaufszahlen konnten irgendwann nicht mehr gesteigert werden, oder anders gesagt: Die Erwartungen, die immer weiter gestiegen waren, welche den Gesamtumsatz betrafen, fanden keine Erfüllung. Die Verkaufszahlen blieben irgendwann hinter diesen Erwartungen zurück und EUROPA, die geschäftsmäßig knallhart kalkulierten, stellten die Serie ein. Eigentlich auf ihrem Höhepunkt.
Denn diese Reihe, die mit eher seichten Gruselgeschichten anfing, fand sich in Ihrer Schlussphase wieder, in immer besseren und ausgepfeilteren Stories um das Grauen. Mutationen, wissenschaftliche Experimente mit dem menschlichen Ich, Zombies und Weltraummonster kamen dazu. Gerade diese letzte Staffel ist ziemlich vergriffen und so muss man heute lange nach den Original-Hörspielen aus den 80er-Jahren suchen - wenn man eine Folge jenseits der Nr. 15 ergattern möchte. Das zeigt, dass spätere Folgen in geringeren Auflagen produziert wurden. EUROPA begründete den Rückgang der Verkaufszahlen einmal mit dem aufkommenden Boom von Computerspielen und Computern, die nun für jedermann erschwinglich, viele Haushalte bereicherten. Kinder saßen nun seltener vor dem Kassettenrecorder und dafür mehr vor dem Bildschirm. EUROPA steuerte seinerzeit gekonnt und intelligent gegen diesen Kurs. Man machte mehr Hörspiele für ältere Jugendliche und für Erwachsene.
Es folgten Adaptionen von Edgar Wallace, der Bestseller-Romanserie (in der u.a. Werke von Johannes M. Simmel zur Vertonung kamen), sogar eine DALLAS-Hörspielreihe gab es. Dann folgte die Heftromanschiene: Perry Rhodan und Larry Brent, Macabros und der Dämonenkiller. Knallharter Horror sollte die Hörer wieder dazu bringen Kassetten zu kaufen. Das Vinylgeschäft hatte EUROPA im Hörspielsektor längst eingestellt. Und das obwohl die CD noch nicht verbreitet war. Der Erfolg gab dem Label Recht. Larry Brent, Wallace und Co. schlugen ein wie eine Bombe. Die Verkaufszahlen gerade von Larry Brent bescherten dem Label hohe Auflagen. Die schnelle Produktions-Schlagzahl neuer Folgen belegte das. Doch schnell war das gute Geschäft dahin, als der Jugendschutz auf die Horror-Hörspiele aufmerksam wurde. Besorgte Eltern hatten diesen kontaktiert und es kam zur Indizierung einer Larry Brent-Folge. Die Geschichte ist bekannt. EUROPA fürchtete um seinen guten Ruf als Kinder- und Jugendhörspiellabel und stellte sein Erwachsenen-Programm komplett ein. Obwohl gerade die frühen 80er-Jahre die produktivsten für das Label gewesen zu sein schienen, kam nun eine Kehrtwende.
Neben den Drei ??? und TKKG, den beiden Flaggschiffen des Labels, konzentrierte man sich nunmehr auf die Kleinsten unter den Kleinen. Kleinkinderhörspiele waren über viele Jahre hinweg beinahe das einzige Betätigungsfeld von EUROPA. Wären da nicht immer wieder zaghafte Versuche nach etwas Neuem gewesen. Mit Knight Rider und dem A-Team z.B. adaptierte man zumindest bekannte TV-Serien. Von 12 James Bond-Filmen gab es O-Ton-Hörspiele und mit Nightmare on Elm Street wagte man sich 1990 sogar wieder an eine Gruselserie, die eben jene Filmreihe in Hörspielform adaptierte. Doch mehr als 6 Folgen gab es nicht, da auch hier wieder ein Aufschrei besorgter Eltern weitere Folgen verhinderte. Der Ruf war wichtiger. Doch der Grusel lies EUROPA nie völlig los. Während die legendäre Gruselserie schon 1988 eine teilweise Wiederauflage mit neuer Musik und neuem Outfit feierte, schickte man sich im Jahr 1999 an, sämtliche Klassiker der 89er-Jahre nochmal zu bringen.
Auch Larry Brent und Macabros und den Dämonenkiller. Das Ergebnis war ernüchternd, da auf Grund von Musik-Rechtsstreitigkeiten die alte Musik entfernt werden musste und diese im Falle von Larry Brent und Macabros sogar überspielt werden musste. Damit war die Nostalgiefreude getrübt, nun doch nicht die alten Klassiker im Original auf CD in Händen zu halten. Denn die neue Musik war zum Teil sehr schlecht überspielt und auch unpassend. EUROPA, einst Qualitätslabel hatte seine besten Zeiten hinter sich gelassen. Nur die klassische Gruselserie von H.G. Francis litt weniger unter der neuen Musik, da es hier noch Masterbänder gab, die man gut bearbeiten konnte. Dieses Rohmaterial ohne Musik fehlte bei anderen Serien.
2003 gab es sogar nochmal 4 neue Folgen von Larry Brent, weil eben diese Serie sich dennoch auch bei der Wiederauflage am besten verkaufte. Doch die Fortsetzung war wieder ernüchternd. Der alte Charme konnte nicht mehr hergestellt werden. Ein wichtiger Hauptsprecher war inzwischen verstorben und die neuen Umsetzungen wirkten (wahrscheinlich auch unter dem Einfluss früher Erfahrungen mit dem Jugendschutz) verkrampft und wie eine Zangengeburt. Hinzu kam, dass einige Skripte noch teilweise aus den 80er-Jahren stammten (offenbar gab es damals bereits Planungen für eine Weiterführung), aber diese wurden schlecht oder gar nicht bearbeitet. Somit endete auch hier 2003 der Versuch erneut im Erwachsenen-Segment Fuß zu fassen.
Inzwischen sind wieder 16 Jahre vergangen und EUROPA versucht es erneut mit einer Gruselserie. Diesmal scheint man es richtig machen zu wollen. Auch wenn die Cover zunächst nichts Gutes verheißen. Kennern wirken sie zu verspielt und Comichaft. Dennoch orientiert man sich an der klassischen sogenannten Neon-Gruselserie von H.G. Francis. Man verwendet grelle Farben und alle zwei Folgen wechselt sich die Grundfarbe des Covers von Gelb auf Blau ab. Früher war es Grün und Pink. Auch mit der Laufzeit will man offenbar punkten und überfordert den Hörer nicht mit 70-80 Minuten. Man liefert stattdessen gut 50 Minuten ab. Damit ist auch eine Rückkehr auf Vinyl möglich ohne die Anzahl der Datenträger auf 2 zu erhöhen. Man nutzt damit geschickt den Vinyl-Boom, von dem man auch bei den Drei??? profitiert. Dass die MC derweil ausstirbt und stattdessen Vinyl zurückkehrt ist ein Umstand an dem sich die Geister derweil noch scheiden. Aber seltsamerweise arbeitet die Vinyl-Pressung derzeit auf Hochtouren, während MCs immer mehr eingestampft werden.
Dabei ist ein Kassetten-Player noch eher in einem Haushalt anzutreffen, als ein Plattenspieler. Doch zurück zur neuen Gruselserie, die sowohl als LP und CD aber auch als Download vorkommen soll. Letzteres ist aber beinahe schon Pflicht, da es das wohl einträglichste Geschäft ist. Das erklärt wiederum den Vinyl-Boom. Mit der Platte hat man etwas physisches in der Hand. Etwas zum Anfassen und es ist besonders und anders als die CD oder die MC. Was sonst sollte der Datenträger gegenüber dem Download bieten. Die Nachfrage ist rückläufig - deswegen scheint die Rückkehr zum Vinyl als Sammlergrund ein Ausweg.
Und so eine Gruselserie im alten Stil ist ein zusätzlicher Anreiz. Die Kassettenkinder schlagen wieder zu. Eben jene, die auch z. T. schon Stammkunden der Drei??? sind. Dabei scheiden sich schon jetzt die Geister. Die einen sehen in der neuen Gruselserie gar keine Rückkehr zu den Glanzzeiten des Hörspiels. Sie vergleichen eher die EUROPA-Produktionen der letzten Jahre und kommen zu dem Schluss, dass die Qualität seit dem Weggang von Herrn Franciskowsky und dem Musiker Herr Bohn bei EUROPA stark nachgelassen habe. Der neue Autor André Minninger schreibe zudem zu sperrig und zu verschachtelte Skripts, denen man schwer folgen kann. Da dieser auch die Geschichten der neuen Gruselserie verfasst, sieht man darin kein positives Omen. Man übersieht allerdings Minningers Affinität zum Horror-Genre. Man vergisst seine Liebe zur alten Neon-Serie und man übersieht auch, dass er 1990 recht hörbare Produkte in dem Genre zu Tage brachte. Nämlich die Nightmare on Elm-Street-Serie. Auch ein Larry Brent-Hörspiel entsprang 2003 seiner Feder. Er hat bewiesen in diesem Bereich punkten zu können. Deswegen heißt es abwarten und so gibt es Andere die gerade dies predigen. Zumal die Sprecherliste ebenfalls eine Rückbesinnung auf die alten Zeiten vermuten lässt. Reinhild Schneider, Rüdiger Schulzki, Michael Deffert, Sascha Draeger, Judy Winter sind fünf Sprecher in den zwei ersten Folgen der neuen Serie, die alle schon vor mehr als 35 Jahren für die Neon-Serie gesprochen haben.
Ab März hört auch der Zauberspiegel gut zu - und wir werden berichten.
Quellen: Diverse Interviews mit H-G Franciskowsky, Heikedine Körting, Konrad Halver u.a., Eigene Beobachtung
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