Eine Geisterbahnfahrt für 99 Cent - »ES, Kapitel 2«
Eine Geisterbahnfahrt für 99 Cent
»ES, Kapitel 2«
Als Mike Hanlon auf den Brückenpfeilern die in Blut geschriebenen Worte „Come home“ entdeckt, greift er zum Telefon. (1)
Wer ES sagt muss auch ES 2 sagen. Somit war es für mich keine Frage nach der Neuverfilmung des ersten Teils auch den zweiten zu schauen. Ich ging dafür aber nicht mehr ins Kino, sondern wartete den Stream ab. Und was ich da am letzten Wochenende sah, überzeugte mich zuzugreifen. 99 Cent sollte der einmalige Steam kosten. Ein Angebot und ein Preis bei dem man nichts falsch machen kann. Also zugegriffen. Günstiger geht’s nimmer.
Der erste Teil hinterließ ja schon ein recht zwiespältiges Gefühl bei mir. Aber als Anhänger des feinen Horrors ist man nicht abgeneigt, gegenüber neuen Stoffen. Stephen King hatte in seinem Roman damals schon selbst eine Art Fortsetzung angefügt, indem er die Kinder in der Geschichte heranwachsen ließ und diese nochmals gegen ES antreten ließ. In dem zweiten Kinofilm, in dem wieder der Argentinier Andy Muschietti Regie führte, wirkt ES allerdings noch bedrohlicher und auch schaudererregender als im ersten Teil. Dort wirkte er manchmal gar unfreiwillig komisch. Aber dort kämpfte ES gegen Kinder und nun gegen Erwachsene.
Letztlich geht es darum, dass die Kinder von damals sich nach 27 Jahren wieder treffen um erneut gegen ES anzutreten. Es ist eigentlich in meinen Augen nichts weiter als ein Aufguss der ersten Geschichte. Ansonsten ist nämlich vieles gleich. Die Protagonisten werden von ihren Ängsten und Visionen heimgesucht und von ES in den verschiedensten und absurdesten Gestalten. Dabei ließ man offenbar mehr Phantasie spielen, als Stephen King sie jemals zu Papier brachte.
Satte 170 Minuten ist der Film lang, 25 Minuten mehr als Teil 1. Und doch ist er wesentlich inhaltsloser. Trotz guter Bilder und brillanter Effekte fehlt es der Geschichte an Substanz. Es ist eine Geisterbahnfahrt für den Zuschauer, nicht mehr.
Selbst das Finale ist praktisch wie im ersten Teil und war so auch vollkommen erwartbar. Die Protagonisten kämpfen in der Kanalisation gegen das Unwesen. Das geht selbstverständlich nicht ohne Blessuren aus.
Dennoch ist alles recht vorhersehbar. Fast alles. Ein Redakteur des Tagesspiegel hat es in seiner Kritik recht treffend bemerkt:
Eigentlich fehlt nur ein Ansager, der sagt "Bitte erschrecken Sie in 3,2,1…" (2)
Denn natürlich setzt der Film auf Schreck- und Schockeffekte, die man hätte sparsamer dosieren können um wirklich zu überzeugen. Dann wäre der Film eventuell auch um einige Minuten kürzer gewesen. Wie man so eine Geschichte, dazu noch einen zweiten Teil auf drei Stunden erzählen kann ist die größte Kunst dieser Produktion und mir wahrlich schleierhaft.
Über jeden Zweifel erhaben sind aber die darstellerischen Leistungen. Auch eine Lanze für die deutsche Synchronisation muss hier gebrochen werden.
Einen kleinen Cameo-Auftritt als Händler eines Ladens hat Stephen King selbst.
Was auch dem zweiten Teil fehlt, ist trotz der Länge eine Erklärung zu den Ursprüngen von ES. Zwar gibt es Andeutungen, aber eben nur diese. Was so schwer daran ist bei 170 Minuten in einem Film etwas sinnig und ausführlich erklärend zu schildern ist ein weiteres Rätsel. Aber vielleicht interessiert das ja niemanden. Gute Geschichten bestehen heut ja aus Effekten und bunten Bildern, statt aus Handlung und einem guten Anfang und einem guten Ende. Das ist leider häufig zu beobachten.
ES-Kapitel 2
(1) Inhaltsangabe (Auszug aus der Wikipedia)
(2) Tagesspiegel, Rezension von 2019
Kommentare
"Was auch dem zweiten Teil fehlt, ist trotz der Länge eine Erklärung zu den Ursprüngen von ES. Zwra gibt es Andeutungen, aber eben nur diese. Was so schwer daran ist bei 270 Minuten in einem Film etwas sinnig und ausführlich erklärend zu schildern ist ein weiteres Rätsel."
Nun ja, etwas mehr als eine "Andeutung" war es schon, denn der Zuschauer weiß eigentlich durch die im Film aufgeführte Überlieferung der Indianer, dass dieses Wesen mit der Bezeichnung ES nicht von dieser Welt stammt. Also quasi eine Art kosmischer Schrecken ist, wie er auch seitens Lovecraft hätte stammen können. Und ich glaube, nicht jedes Mysterium muss "ausführlich" innerhalb einer Handlung behandelt werden. Da darf ruhig auch einiges der Fantasie des Zuschauers überlassen bleiben. Zumal ja auch dort, wo ES herkommt, noch so einiges andere existieren könnte, was genauso oder gar noch schlimmer wäre, wenn es ebenfalls den Weg auf unsere Welt finden würde.
Also die unten im Artikel abgebildete BD wie auch das Filmplakat oben beziehen sich nur auf den Film "ES - Kapitel 2", wobei die Spielzeit, also Filmlänge hier eher aufgerundet scheint, denn der zweite Teil selbst wird auf der BD mit einer Spieldauer von 169 Minuten angegeben. Das heißt, es dürfte sich also hier um die Normalfassung von "Kapitel 2" handeln, die mir deckungsgleich auch als BD vorliegt.
Beide Filme, also "ES" und "ES - Kapitel 2" haben daher (sofern beide Filme als BD vorliegen) eine Gesamtspieldauer von insgesamt 304 Minuten (also Gesamthandlung).
Die BD-Fassung (also Blu-ray) von "ES - Kapitel 2" kommt dabei mit einer zweiten BD daher, auf der jedoch nur das Bonusmaterial ("Specials") enthalten sind. Es handelt sich also hier nicht um eine Zusammenfassung beider Filme.
Ich bitte um Vergebung und Gande - jetzt stimmt es.