Die Geburtsstunde des Zombiefilms - »Die Nacht der lebenden Toten« (2)
Die Geburtsstunde des Zombiefilms
»Die Nacht der lebenden Toten«
Für nur rund 120.000 Dollar hatte Romero „Die Nacht der lebenden Toten“ 1967/68 mit einem weitgehend aus Freunden und Bekannten bestehenden Cast und Crew in Pennsylvania realisiert – und bei seinem Kinostart dann rund 30 Millionen Dollar eingespielt. Romero hatte mit dem Film das Genre des Zombiefilms revolutioniert, nachdem die Untoten bislang lediglich in voodoo-lastigen Gruselfilmen wie „White Zombie“ mit Bela Lugosi vorgekommen waren. Bei Romero indes wurden sie zu einer allumfassenden Seuche, die die gesamte Erdbevölkerung in Angst und Schrecken versetzte und der man nur mit massivem Widerstand und äußerster Brutalität zu Leibe rücken konnte. Romero hatte Zombies in der Mitte der Gesellschaft ankommen lassen, im Hier und Heute. Und dass dieses Konzept aufging, muss man mehr als 50 Jahre später nicht mehr unter Beweis stellen. Serien wie „The Walking Dead“ oder „iZombie“ erfreuen sich auch heute noch großer Popularität, und zahlreiche der hier vorkommenden Genregesetzmäßigkeiten sind auf George A. Romeros Klassiker zurückzuführen. Er ließ dem Film bis zu seinem Tod insgesamt noch fünf Fortsetzungen folgen („Zombie“, „Zombie 2 – Das letzte Kapitel“, „Land of the Dead“, „Diary of the Dead“ und „Survival of the Dead“), von denen sich etliche ebenfalls großer Beliebtheit erfreuen und als Sozioparabeln in die Filmgeschichte eingegangen sind.
Barbara (Judith O’Dea) und ihr Bruder Johnny (Russell Streiner) sind mehrere Stunden zum Grab ihres Vaters gefahren, um dort ein Gedenkkreuz mit einigen Blumen niederzulegen. Johnny ist ein wenig genervt und hält den damit verbundenen Aufwand für unangemessen, als noch auf dem Friedhof ein alter, lethargisch wirkender Mann plötzlich über die beiden herfällt. Barbara kann sich gerade noch mit dem Auto in Sicherheit bringen und sucht Schutz in einem nahegelegenen Haus. Dort stolpert sie schon bald über die Leiche der Besitzerin. Auch Ben (Duane Jones) verschanzt sich in dem Haus und weiß, dass der Alte auf dem Friedhof kein Einzelfall war. Ihm sind schon einige dieser stummen Kreaturen begegnet, die mordlüstern umherstreifen und lediglich vor Feuer zurückzuschrecken scheinen. Barbara und Ben sind nicht die Einzigen, die im Haus Schutz gesucht haben, wie sich herausstellt. Denn im Keller haben sich noch Harry (Karl Hardman) und Helen Cooper (Marilyn Eastman) mit ihrer Tochter und das junge Paar Tom (Keith Wayne) und Judy (Judith Ridley) verschanzt. Während die Gruppe noch darüber diskutiert, ob sie im Keller oder im Erdgeschoss des Hauses sicherer sind, empfangen die Schutzsuchenden über Radio und Fernsehen die Neuigkeiten, dass die Untoten allerorten für Panik sorgen und bereits etliche Todesopfer gefordert haben. Werden die neuen Toten nicht verbrannt, verwandeln sie sich ebenfalls in kürzester Zeit in blutdürstige Zombies.
Der in Schwarz-Weiß gedrehte Film verströmt auch heute noch eine sehr unheimliche, spannungsgeladene Atmosphäre. Das liegt zuallererst an George A. Romeros durchdachter, stilsicherer Inszenierung und einer äußerst dynamischen Kameraführung, die den Zuschauer direkt am Geschehen teilhaben lässt. Die Charaktere handeln auf überlegt-nüchterne Weise, was die Story selbst sehr glaubwürdig und nachvollziehbar macht. Von den Monstern, die keineswegs nur langsam herumschlurfen, geht eine große Gefahr aus, die durch deren Brutalität beim Verspeisen ihrer Opfer noch unterstrichen wird. Ein äußerst nihilistischer Horrorfilm, der Menschen in einer Ausnahmesituation auf nervenzerrende Weise in Szene setzt und damit eine Flut an Nachahmern über Jahrzehnte hinweg beeinflusste.
Bei einem Schwarz-Weiß-Film scheiden sich bekanntlich die Geister, inwiefern hier eine Veröffentlichung in 4KUHD sinnvoll ist. Die von Arthaus/StudioCanal vorgelegte limitierte Steelbook-Edition umfasst neben der 4KUHD-Disc auch noch zwei BluRays, von denen eine ausschließlich Bonusmaterial beinhaltet. Der in 4K restaurierte Film bietet in der Tat ein beeindruckend scharfes Bild (im Vollbildformat 1,37:1), das keine Wünsche mehr offenlässt. Der Ton (Deutsch, Englisch und Französisch in PCM 2.0 Mono, optional mit deutschen und französischen Untertiteln) ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Im Laufe der Jahre entstanden von „Die Nacht der lebenden Toten“ nicht weniger als vier deutsche Synchronfassungen (eine davon erst im vergangenen Jahr für eine billige BluRay-Veröffentlichung des Films). Hier hat man dankenswerterweise die erste deutsche Fassung aufgespielt, die zum deutschen Kinostart 1971 entstand. Da der Film damals um rund drei Minuten gekürzt war (in erster Linie allerdings Dialogpassagen), liegen diese Stellen hier nun im Original mit deutschen Untertiteln vor. Zu den zahlreichen Extras gehören die Dokumentation „Raising the Dead“ (36 Minuten), die alternative Schnittfassung „Night of Anubis“ mit einer Einführung des Produzenten Russell Streiner, das Dailies Reel „Dead Relics“ mit einer Einführung von Sound Designer Gary Streiner (22 Minuten), die Feauturettes “Light in the Darkness: The Impact of Night of the Living Dead“ (24 Minuten), „Walking Like The Dead“ (13 Minuten), „Tones of Terror“ (11 Minuten) und „Venus Probe“ (3 Minuten), der Video-Essay “Limitations Into Virtues“ von Tony Zhou und Taylor Ramos (12 Minuten), das Interview „Learning from Scratch“ mit Co-Autor John A. Russo (12 Minuten) sowie ein neuer deutscher Trailer zum Film.
Kommentare
Ich hatte das gruselige Vergnügen Mitte der 90er in einer Retrospektive des AFI eine 35mm Originalkopie von NIGHT OF THE LIVING DEAD zu sehen. Ziemlich zerkratzte Kopie, aber es war schon ein Erlebnis.
Jetzt ist ja der Film inhaltlich und technisch wahrlich nur noch für cinephile Nerds interessant. Deswegen sehe ich die 4K Restaurierung mit gemischten Gefühlen. Der Film wurde ja in der Best of Cinema-Reihe in dieser restaurierten Fassung erst neulich wieder im Kino gezeigt, und musste mir nach fast 30 Jahren natürlich wieder einmal das Vergnügen gönnen. Persönlich ist mir das Bild zu glatt, viel zu sauber. Romero hatte ja finanziell bedingt Eastman-Kodak-Material benutzt, was wesentlich grobkörniger ist als andere Filme.
Die Bearbeitung hat den 16mm-Look weitgehend ausgebügelt, was ich als cinephiler Nerd sehr schade finde.
Aber für interessierte Quereinsteiger scheint ja die Box alle Fassungen zu beinhalten, wo sich jeder selbst ein Bild (Kalauer beabsichtigt) davon machen kann.
Wo man natürlich seinen Hut ziehen muss, ist die Tatsache, dass der Film ohne nennenswertes Budget quasi wie ein Fan-Projekt entstanden ist und sich trotzdem mit so manchen anderen Horrorfilmen seiner Zeit durchaus mehr als nur messen lassen kann. Wirklich wild bin ich deshalb aber nun nicht auf eine 4KUHD-Fassung die dann, wie @Mainstream schon zu recht kritisiert, leider zu glatt gebügelt aussieht. Von daher bin ich mit meiner damals schon recht günstigen DVD-Fassung (lag knapp an die 5,- Euro ohne Versand) durchaus sehr zufrieden, zumal das körnigere Bild neben der schlichten s/w-Fassung erst so wirklich dieses nostalgische Flair einfängt, was den Film ebenfalls zu etwas ganz besonderem macht. Aber gut, die jüngere Generation mag es vielleicht optisch eher etwas glatter wie einen Kinderpopo, um es mal so salopp zu bezeichnen.