Ein Film mit ordentlich Diskussionspotenzial - »The Innocents«
Ein Film mit ordentlich Diskussionspotenzial
»The Innocents«
Kinder können in Horror-Filmen durchaus eine ambivalente Rolle spielen: Wenn sich nicht gerade selbst zur Sichel greifen (wie in der „Children of the Corn“-Reihe) oder die Ausgeburt Satans sind („Die Omen“-Filmreihe), so werden Kinder gerne als Einfallstor für böse Kräfte verwendet oder Dämonen ergreifen von ihnen Besitz – „Poltergeist“, „Insidious“ und „Conjuring“ lassen grüßen. In diesen Fällen sind Kinder meistens eher passive Akteure im Geschehen und oftmals in der Opferrolle vorzufinden. Einen neuen Ansatz wählten Regisseur David Yarovesky und Produzent James Gunn für den äußerst sehenswerten Horror-Superhelden-Streifen „Brightburn – Son of Darkness“ von 2019: In diesem wird das Prinzip des guten Superhelden auf links gedreht, indem ein junger Bub mit übernatürlichen Kräften ausgestattet wird und diese eben nicht für das Gute einsetzt, sondern für Schrecken und Terror sorgt.
Genau an diese Tradition knüpft Eskil Vogt mit seinem Film „The Innocents“ an: Darin entwicklen Kinder im Volkschulalter übernatürliche Kräfte und stellen damit zunächst allerhand Schabernack an: Wenn Regenwürmer zertreten oder Ameisenhügel bewusst mit einem Stein zerstört werden, so mag man das noch als kindlichen Übermut abtun, spätestens wenn die Kinder eine Katze zu Tode foltern, bekommt man als Zuseher allerdings ein mulmiges Gefühl und die recht drastisch dargestellte Szenen schnürt einem geradezu den Atem zu. Doch bald richtet sich die Zerstörungswut der Kinder nicht nur mehr auf das Tierreich, sondern auch Mitmenschen werden ins Visier genommen – dabei nutzt Regisseur die moralische Zwickmühle, in der sich das Publikum befindet, sehr gekonnt für seine Inszenierung aus: Auf der einen Seite sind die vollführten Taten abstoßend und in jeder Hinsicht moralisch verwerflich, auf der anderen Seite handelt es sich bei den Übeltätern um Kinder, die noch keine zehn Jahre alt sind.
Damit dieser Zwiespalt auch tatsächlich funktioniert und die intendierte Wirkung beim Publikum hervorruft, braucht es neben einer fokussierten Inszenierung vor allem passende Darstellerinnen und Darsteller und hier bewies das Casting für „The Innocents“ ein wahrhaft glückliches Händchen, denn die Jungdarsteller Rakel Lenora Fløttum (Ida), Alva Brynsmo Ramstad (Anna), Mina Yasmin Bremseth Asheim (Aisha) und Sam Ashraf (Ben) agieren absolut phänomenal und vermögen es trotz ihres jungen Alters darstellerische Akzente zu setzen und ihren Rollen eine angemessene Tiefe zu verleihen.
Alle vier ein absoluter Glücksgriff! Dies kann auch immerhin in Ansätzen über den größten Schwachpunkt von „The Innocents“ hinwegtrösten, denn mit knapp zwei Stunden ist der Film schlicht zu lang ausgefallen, die grundsätzlich sehr interessante Prämisse trägt nicht die gesamte Laufzeit, wodurch sich gerade das Finale doch etwas zieht.
Fazit:
Nach dem kontroversen Filmerlebnis „The Innocents“ erscheinen einem die etwaigen Verfehlungen des eigenen Nachwuchses vergleichsweise harmlos. „Chronicle“ trifft „Brightburn“ mit einer Prise „Firestarter“ nur nochmal eine deutliche Spur grimmiger: Eskil Vogts „The Innocents“ weiß durch seine spannende (und durchaus kontroverse) Prämisse, die unaufgeregte Inszenierung sowie die ausgezeichneten Jungdarstellerinnen und Jungdarsteller zu überzeugen, ist aber unterm Strich etwas zu lang geraten.
Kommentare
Definitiv einer der aufwühlensten Horrorthriller der letzten Jahre. So etwas kann nur aus Skandinavien kommen.
Und sein Ende ist einfach phänomenal (habe gerade wieder Gänsehaut).