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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Nur ein dreckiger Bastard (Ronco 153)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Nur ein dreckiger Bastard«
Ronco 153 von Ken Conagher (Wilhelm Kopp)

Und da ist er jetzt doch noch… Was ich schon für meinen Dan-Oakland-Test erhofft oder vermutet hatte, nämlich eine zumindest teilweise auf Exposés basierende, fortführende Handlung über mehrere Hefte hinweg kriege ich bei »RONCO« auf dem Silbertablett serviert, sobald ich die ersten Seiten verfrühstückt habe.

Und da ist er jetzt doch noch… Was ich schon für meinen Dan-Oakland-Test erhofft oder vermutet hatte, nämlich eine zumindest teilweise auf Exposés basierende, fortführende Handlung über mehrere Hefte hinweg kriege ich bei „RONCO“ auf dem Silbertablett serviert, sobald ich die ersten Seiten verfrühstückt habe.

Das kann bei mir spontane Begeisterung auslösen, wenn anderswo vermutlich rumgemosert worden wäre, dass man ja keinen abgeschlossenen Roman, sondern nur eine Fortsetzungsgeschichte aus einer losen Reihe von Heften präsentiert bekommen würde.

Aber da ich mich Mehrteilern schon früh verschrieben hatte – wären es noch die goldenen 30er Jahre des Kinos, ich säße vermutlich wöchentlich im Kino für eine weitere Folge von „Flash Gordon“ oder den später bei „Western von Gestern“ genossenen Zorro-Mehrteilern und Fuzzy-Abenteuern (ich bin mir bewusst, dass das nicht unbedingt Serials waren, allein die ursprüngliche Präsentation bei mir zählt).

Hier also eine Serie – von der ich vorab zu meiner Schande so gut wie gar nichts wusste – die mit halbwegs fortlaufender Handlung 493 Romane alt geworden ist und eigentlich nur an finanziellen Fehlkalkulationen des Pabelverlags dahin siechte bzw. einen überschnellen Tod starb.

Als jemand, der immer noch an dem damals nicht aufgelösten Mythor-Serienfinale leidet, hat man da natürlich so seinen gewissen Spaß!

Also mal sehen, was in den 70ern auf dem Romanheftsektor in Richtung Italo-Western so möglich war – dreckige Kerle, fiese Fressen, hohe Todesquoten.

Hier gibts obendrauf sogar noch eine besondere Motivation, die Rehabilitierung der Hauptfigur und natürlich die Rache an den Hintermännern eines bewusst provozierten Indianermassakers an Siedlern, hinter denen skrupellose Geschäftemacher und einige korrupte Armeeoffiziere steckten.

Das Ganze ist zur Serienhandlung zwar schon zehn Jahre her, aber Ronco reitet immer noch, hatte die Schuldigen schon bei der Kimme und die wanden sich vor Gericht wieder raus.

Zweimal hat der „Held“ schon das Todesurteil über sich ergehen lassen, um dann zu fliehen, das härtet natürlich enorm ab, selbst für Geächtete.

Also folgen wir dem Rächer, wie er durch den Westen zieht und das zieht natürlich begeisterte Verkäufe nach sich, da man unbedingt wissen will, wie es weitergeht. (In diesem Sinne bekräftige ich nochmals, was an banalen Einzelromanen, bspw bei John Sinclair irgendwann so öde wurde: die Stagnation bei der Figurenentwicklung und der mangelnde Wille zum übergreifenden roten Faden, der allmählich oder zumindest über lange Zeit sehr, sehr dünn wurde.)

„Ronco“ war damals beeindruckend erfolgreich zu seiner Zeit (1972-1981) und überlebte inhaltlich so das Auslaufen der Almeria- und Cinecittawestern bei weitem, wenn auch nach 225 Romanen es dann endlich mal gut war mit der Rachegeschichte und man sich neue Schwierigkeiten und neue Jobs für den Helden einfallen lassen musste, um die Story am Laufen zu halten.

Da es aber wohl eingestreut reichlich Sonderbände mit Jugendabenteuern des guten Ronco gab, die mehr indianerlastig waren, war für Abwechslung gesorgt – ja selbst der Halbapachen-Sidekick Lobo (dem ich dann die nächste Runde widme) bekam eine noch sehr erfolgreiche eigene Serie mit mehr als 200 Romanen.

Was macht man also, wenn man praktisch in jede Serie wie in einen Topf mit dem Probierlöffel (oder dem dicken Finger, natürlich vorher gewaschen) hineingeht: man greift sich – unwissentlich – einen Roman mitten in dem ursprünglichen Block, praktisch nach knapp zwei Dritteln des ursprünglichen Konflikts.

Aber was solls, ganz so schwer kann es doch nicht werden…

Nur ein dreckiger Bastard»Wenn man einer Frau ein Kompliment sagte, was passierte dann? Kriegte man eine gelangt, oder wie?«
Glühend heißer Wüstensand…

...von wegen!

Wir befinden uns in den Medina Mountains, die sich – wie eine Google-Recherche ergab, irgendwo im zentnerhoch verschneiten Wyoming befindet, wo ein Ölboom in dem Kaff „Camp Verde“ ausgebrochen ist. Zum Rasieren kommt hier keiner und man muss sich das alles so vorstellen wie das Pre-Pre-Prequel zu „Dallas“, nur dass sich die Ewings ein Vierteljahr nicht mehr gewaschen haben.

Der wegen akuter Naturzerstörung schon arg gefrustete Pelztierjäger und Rauhbär Gilbert McKenna muss bei seiner nächtlichen Ankunft in Camp Verde mitansehen, wie zwei Männer einen Toten aus dem Saloon schleppen und in ein nahes Bohrloch werfen. Anschließend beobachtet er noch, wie fünf weitere Männer einen sich heftig wehrenden Anderen (es handelt sich um Lobo) überwältigen und k.o. schlagen.

Weil er sehr geradeaus und ordentlich gestrickt ist, marschiert McKenna nach der Bergung des Toten mit der Neuigkeit zu Marshal Hank Cramer, der leider ein stinkiger Saufbold ist und es mit dem Gesetz nicht so genau nimmt, steht er doch in Lohn und Schnaps beim lokalen Tycoon Mike Fleming. Cramer wimmelt den Jäger ab, der daraufhin wieder zu seiner Berghütte aufbricht.

Anschließend läuft der Gesetzeshüter sofort petzen, denn er weiß, dass der Tote ein Mormone namens Noah Rusk war, der Rache für seine Frau und seinen Sohn nehmen wollte, die von Burt Mulford und John Nye, den Handlangern eines gewissen Mahon Tabor – seines Zeichens einer der von Ronco verfolgten Verschwörer.

Fleming, der mit Tabor gute Geschäfte machen will, stört das Aufsehen natürlich ungemein und beauftragt seine rechte Hand, Pad Tolbert damit, den Toten in eine leer stehende Hütte zu schaffen und diese dann abzufackeln.

Gesagt, getan und obwohl das viel Aufsehen verursacht, kann niemand mehr den Toten identifizieren.

Jetzt aber zum Titelhelden, denn Ronco hält sich in der Nähe in einer Höhle mit dem jungen angeschossenen Colin Walker (Schulterdurchschuss) und Laura Rusk (Noah Rusks Tochter) versteckt. Rusk ist gegen den Rat Roncos losgezogen und hatte Lobo als Verstärkung dabei, aber das hat ja wohl nicht sonderlich gut funktioniert, auch wenn Ronco das noch nicht weiß.

Eine kurze Abwesenheit Roncos nutzt Walker, der den Geächteten wie die Öffentlichkeit für den Verantwortlichen für das Indianermassaker vor 10 Jahren hält (Mom ging dabei drauf!), um an eine Waffe zu kommen, doch Ronco kann ihn mit Lauras Hilfe überwältigen und ihm dann seine wahre Backstory anvertrauen, die darauf hinausführt, Mahon Tabor in die Hände zu bekommen, der für die wirklichen Schuldigen, die Hilton-Company arbeitet.

In Camp Verde ist man inzwischen auf die Superidee gekommen, dass man das Feuerchen samt Toten ja am besten Lobo anhängen könnte, der aber wider Erwarten nicht gelyncht werden soll, sondern einen Prozess zu erwarten hat. Deswegen steckt man ihn in einen arg zugigen Käfig und hängt ihn über einen Abgrund (dort bleibt er dann auch während des ganzen Romans).

Tabor hat derweil bei Fleming einen geradezu erpresserischen Deal ausgehandelt, der aber gut für beider Brieftaschen ist, allerdings ist der Nordausgang des Tals verschüttet und muss erst noch freigeschaufelt werden, was zwei, drei Tage dauern kann.

Gleichzeitig will Walker jetzt nicht mehr Ronco ans Leder, sondern Tabor. Er sattelt trotz sehnsüchtiger Blicke von Laura sein Pferd und lässt sich auch von Ronco nicht aufhalten. Der folgt ihm jedoch mit einigem Abstand (und Laura).

Derweil hat Fleming zwei Männer auf McKenna angesetzt, die den alten Mann umlegen sollen, aber weil die Kugeln statt in den Rücken in dessen hartes Tragegestell für Jagdbeute gehen, kann sich McKenna in seiner Hütte verbarrikadieren.

Das daraufhin den ganzen Tag andauernde Schussgefecht wird schließlich von Ronco und Laura gehört, die ihre Verfolgung unterbrechen und sich der Hütte nähern. Dabei kann Ronco einen der Angreifer erschießen und den anderen verwunden – leider kann der Mann fliehen.

Ronco erzählt dort, was mit den Rusks vorgefallen war und erfährt von McKenna um das Schicksal Rusks und Lobos. Dass Rusk tot ist, wird Laura aber noch verschwiegen und Ronco lässt sie in der Obhut des älteren Mannes.

Der verwundete Attentäter hat es inzwischen wieder bis ins Camp geschafft und erstattet Fleming Bericht, inclusive einer Beschreibung Roncos, woraufhin bei Tabor das Herz in die Hose rutscht. Als er Fleming verlässt, erkennt der inzwischen auch eingetroffene Colin Walker seine Chance, tritt auf der Straße dazu und schießt Tabor eine Kugel in die Brust. Dann muss er fliehen.

Von nun an geht der Autorität im Städtchen der Arsch auf Grundeis. Fleming muss den schwer verletzten Tabor versorgen, dessen Ableben ihm sicherlich Probleme bereitet. Während der übliche volltrunkene Arzt die Operation durchführt, machen Tabors Handlanger die Hausbar leer.

Nun kommt auch Ronco in die Stadt, der nicht genau weiß, was vorgefallen ist. Er erkennt jedoch Walkers Pferd und nimmt es an sich, womit er sich jedoch leider zur Zielscheibe der Suchenden macht.
 
Stunden später wird Tabor nach der OP wieder wach und gerät in Todesangst vor der Verwundung und noch mehr vor Ronco, weswegen er so schnell wie möglich raus aus der Stadt will.

Am nächsten Morgen wird Ronco wegen des Pferdes zur Zielscheibe und muss mehrfach flüchten, bis er Unterschlupf bei einem Store-Besitzer namens Frank Locklin findet, dem die neue Konkurrenz ein Dorn im Auge ist. Der will ihn im Austausch gegen die Bekämpfung Flemings unterstützen.

Tabor treibt am nächsten Tag in Todesangst seine Leute dazu an, die Stadt per Pferdefuhrwerk zu verlassen, doch am Nordausgang wird der Wagen beinahe verschüttet. Der Handlanger Nye, der noch durchkommt, solche Hilfe antelegraphieren, während Tabor zurück in das Camp gebracht wird.

Walker wird aufgegriffen und Ronco muss sich jetzt überlegen , wie er Walker und Lobo befreit, während vier weitere Männer Talbots McKenna überwältigen und sich an Laura vergehen wollen…

»Stumme Püppchen mag ich gar nicht. Ich mag‘s gern laut!«
Ja, und so endet mein erstes Abenteuer mit einem klassischen Cliffhanger von altem Schrot und Korn mit einer Vierfachvergewaltigung im Ansatz und einer sehr beengten Ausgangssituation für den Helden und wer da nicht nach Fortsetzung in einer Woche schreit, der hat kein Herz für dreckige Western.

Ich gebe es gern zu: hier stimmt ausnahmsweise mal alles. Wilhelm Kopp, der hinter dem Pseudonym Ken Conagher steht, war so eine Art Mann-für-alles bei Ronco (und später ein versierter Schreiber bei den „Seewölfen“), der nicht nur diverse Romane verfasste, sondern auch der richtigen und sehr starken Sprache mächtig war.

Rund und sicher rollt der Text vor den Augen des Lesers ab und man fühlt, wie gefestigt Kopp da als Autor rangegangen ist. Auch die Exposé-Redaktion ist aller Ehren wert, denn hier stören keine idiotisch agierenden Figuren oder total überzeichneten Typen, sondern die Befehlsketten und Charaktere sind farbig und treffend beschrieben, rauh, dreckig und nur mühsam kontrolliert, aber ohne den – wie bei Dan Oakland – brennenden Wunsch, alle drei Absätze eine nette oder weniger nette Leiche zu hinterlassen. Und billige Witzchen (außer etwas Slapstick, wieder bei dem Arzt) sind auch nicht drin, da ist Walkers Ungelenkheit bezüglich Frauen schon das Amüsanteste am ganzen Roman.

Zwar sieht sich der Autor, trotz eines Ronco-Vorstellungstextes am Beginn jedes Romans, dennoch genötigt, innerhalb der Geschichte alles bisher Geschehene noch einmal gerafft zu rekapitulieren, aber das ist im Kontext der Story auch wirklich angemessen und hilft Neueinsteigern, den roten Faden in die Hände zu nehmen.

Das Fehlen von sprachlichen Fehlern und die fast völlige Vermeidung von überflüssigen Füllern (allenfalls der besoffene Arzt ist ein ziemlich albernes Klischee und tritt auch so auf), bei gleichzeitiger straffer Formulierung und einer relativ farbigen Beschreibung aller Um- und Gegenstände, macht diesen Ronco-Roman ungemein angenehm und spannend zu lesen – tatsächlich hab ich ihn in 90 Minuten in einem durchgezogen, ohne eine leicht angespannte Pause machen zu müssen, weil stilistisch oder inhaltlich irgend etwas stört.

Das sagt natürlich noch nichts über die anderen Autoren aus, aber wenn dieser Roman auch nur halbwegs richtungsweisend für den Rest ist, dann sollte ich da verschiedentlich noch mehrfach meine Nase hinein halten.
Leider kriegt Lobo hier außer einem Kurzauftritt nicht viel zu tun, aber dafür bekommt er als Nächstes in dieser Rubrik einen Auftritt und da darf er dann ohne den „Blonden“ agieren.

Dass der Fokus nur bedingt auf der Hauptfigur liegt und sogar die Bösen eine gewisse Tiefe in der Schilderung erreichen, hält dann auch die ewigen Protagonisten frischer als in anderen Serien, wo man nach vier oder fünf Romanen meist nicht mehr überrascht werden kann (als Vergleich verweise ich etwa auf Tony Ballard, der wirklich nur fünf oder sechs Charakterzüge oder Angewohnheiten hatte, die wirklich in jedem Roman rekapituliert wurden).

So macht Western auch ohne stetes Bleigewitter und Sterben-wie-die-Fliegen Laune und ich freue mich jetzt schon auf weitere Versuche, wobei Oakland trotz eines ganz anderen Ansatzes ebenfalls hoch lesbar war.

Die zynische Haltung gegenüber der Moderne, bzw. der einrückenden Zivilisation mit ihrer Gier-Maxime und ihrer Mischung aus Kapitalismus und Opportunismus haben beide Serien aber gemeinsam und plädieren für einen sehr individuellen und nachdenklichen Umgang mit der Welt und den Mitmenschen – ein Zug, den man sicherlich nicht in jeder Serie fand.

In jeder Hinsicht empfehlenswert!

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Kommentare  

#1 Andreas Decker 2017-12-06 16:34
W.Kopp war schon ein sehr guter und sorgfältiger Autor.

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