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Once upon a time in Germany - RONCO: Ein deutscher Western

Once upon a time in Germany RONCO: Ein deutscher WesternOnce upon a time in Germany
RONCO: Ein deutscher Western

Der Artikel über die deutsche Westernserie 'Ronco' und Dietmar Kuegler wurde 2018 in englischer Sprache in der Fachpublikation Hot Lead – Issue 2: The Art of the Western veröffentlicht, ein Sonderband der Reihe The Paperback Fanatic, herausgegeben von Justin Marriott in Großbritannien, erhältlich als PoD.

Das ist die deutsche Fassung.

Dietmar KueglerDer Artikel ist für ein ausländisches Publikum geschrieben worden, dem der deutsche Heftroman in Form und Geschichte fremd ist. Darum sind einige oft rudimentäre Erläuterungen enthalten, die für deutsche Leser überflüssig sind. Für die Authentizität sind sie in der Übersetzung so belassen worden.

Es gab eine Zeit, in der war der Western in Deutschland ein allseits beliebtes und erfolgreiches Genre. Nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 80er Jahre war er überall präsent - im Kino, im Fernsehen, in Bibliotheken und auf dem boomenden Pulp-Markt. Ganze Generationen von Jungen waren mit Karl May und seinen Wildwest-Abenteuergeschichten aufgewachsen, der edle Apache Winnetou und sein deutscher Blutsbruder Old Shatterhand waren ein Begriff.

Der Western hatte Tradition. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg gab es lange Zeit Westernhefte, die von deutschen Autoren geschrieben wurden. Da gab es 'Billy Jenkins' (1934-1939), 'Buffalo Bill' (1930-1933) oder 'Texas Jack' (1906-1911). 'Billy Jenkins' kehrte nach dem Krieg 1949 zurück und wurde bis 1969 veröffentlicht. Die meisten Heftroman-Verlage hatten einige Westernserien in ihrem Programm. Es war ein florierendes Geschäft. Aber es waren hauptsächlich Reihen mit Einzel-Abenteuern. Jede Woche gab es einen neuen Helden und eine neue Geschichte aus dem alten Westen mit seinen Cowboys und Indianern.

Dann kam Django und der 'Italo-Western'. Er war auf der Leinwand so erfolgreich, dass die Verleiher oft die Namen anderer Filme und Figuren in 'Django' änderten, um das Publikum ins Kino zu locken. 'Django' wurde zum Markennamen und zum Synonym für den neuen Western voller Gewalt. Die alte Hollywood-Kost mit ihrer Moral und ihrer starren Law and Order-Mentalität kam aus der Mode.

Kurt BernhardtKurt Bernhardt vom Pabel/Moewig Verlag, der schon für Erfolgsgeschichten wie die SF-Serie 'Perry Rhodan' verantwortlich zeichnete, war immer auf der Suche nach neuen Trends. Nach der Übernahme der ehemaligen Konkurrenten Moewig und Pabel durch die Heinrich Bauer Gruppe wurde die Western-Abteilung kreativ überarbeitet, alte wöchentlich erscheinende Reihen wie der 'Pabel Western' und der 'Moewig Western' wurden eingestellt, neue Titel entstanden. Ende 1971/1972 hatte Pabel/Moewig 5 wöchentliche Western am Kiosk – 'Star Western', 'Colt Western', 'Sheriff Western', 'Marshal Western' und 'Ronco'. Der handelsübliche Heftroman hatte und hat einen Umfang von 65 Seiten, der Text ist in zwei Spalten pro Seite angeordnet. Hatte man zuvor die Verwendung von Filmfotos als Titelbilder bereits größtenteils abgeschafft, legten die Verlage nun mehr Wert auf Produktidentität, damit der Leser das Angebot von den Konkurrenzreihen unterscheiden konnte. In vielerlei Hinsicht war dies der Beginn eines neuen Zeitalters einprägsamer Titelbild-Kunst.

Dennoch fehlte etwas. Der Inhalt selbst hatte sich nicht verändert. 'Star', 'Colt', 'Marshal' und 'Sheriff' waren allesamt Einzelromane, eine Mischung aus oft gekürzten Übersetzungen und Originalmaterial deutscher Autoren. Aber den Lesern gefielen Fortsetzungsgeschichten und feste Helden. Warum also nicht den Erfolg einer Serie wie 'Perry Rhodan' mit dem 'Italo-Western' kombinieren und etwas Neues und Modernes schaffen? Chefredakteur Kurt Bernhardt und Verlagsleiter Werner Müller-Reymann entwickelten das Konzept für einen neuen Titel. "In der Tradition des Italo-Westerns", wie es in der Werbung hieß, sollte es ein Serien-Western werden, produziert wie 'Perry Rhodan'. Wie bei den täglichen Seifenopern des Fernsehens in einer längst vergangenen Zeit entwarf ein Autor die Handlungsstränge und ein ausführliches Exposé der einzelnen Romane, oft bis hin zu den Kapitelwechseln, die dann von anderen Autoren verfasst wurden. In Zusammenarbeit mit Hans Gamber, einem Journalisten und Schriftsteller, der merkwürdigerweise nicht aus dem Westernbereich kam, schufen Bernhardt und Müller-Reymann 'Ronco - der Geächtete'.

Aus dramaturgischen Gründen begann die Geschichte mitten in der Handlung. Der erste Roman stellte Ronco vor, einen gejagten Mann, auf den ein Kopfgeld ausgesetzt war. Zehn Jahren zuvor - später wird das Jahr 1866 genannt - war er als Armee-Scout im Westen tätig. Ein Wagenzug mit 200 Zivilisten unter seiner Verantwortung - hauptsächlich Frauen und Kinder - wird von Apachen überfallen und im Halcon Canyon massakriert. Der Überfall ist - wie sich in späteren Romanen herausstellt - das Werk von Waffenschmugglern, und Ronco ist der Sündenbock. Seitdem ist er auf der Flucht und versucht verzweifelt, seine Unschuld zu beweisen und die wirklich Verantwortlichen vor Gericht zu bringen.

Von Wölfen gejagt'Von Wölfen gejagt', so der Titel der Nr. 1, wurde im April 1972 veröffentlicht. Während das Konzept an sich kaum neu war - man fragt sich, inwieweit sich die Macher von amerikanischen TV-Serien wie 'Branded' oder 'Hondo' inspirieren ließen -, war es das Konzept einer fortlaufenden Westernserie als Heftroman.

Ein wichtiges Verkaufsargument war das Titelbild. Bernhardt wollte den Künstler Günther König, der sich bereits als zuverlässiger Produzent von Westernmotiven etabliert hatte. Eines seiner Markenzeichen war das Gesicht im Hintergrund. Außerdem arbeitete Günther mit Standfotos aus Westernfilmen als Vorlage, die den Fans des Genres sofortige Identifikation boten. In den folgenden neun Jahren schuf Günther 798 Titelbilder für 'Ronco' und seine Ableger.

Seine Technik ist vom ersten Roman an erkennbar. Das Cover ist einem Filmplakat von 'Once upon a Time in the West' nachempfunden. Der Held Ronco ist im Hintergrund des Bildes zu sehen, während das Motiv eine Szene mit Henry Fonda ist - hier geht es um das ikonische Bild, nicht um den Schauspieler oder den Film. Roncos Aussehen war eine Mischung aus Clint Eastwood und Terrence Hill, der in Deutschland sehr erfolgreich war. Im Vergleich zu den Romanen der Konkurrenz waren diese Cover ein echter Hingucker. Sie vermittelten zumindest das 'Italo-Feeling', auch wenn die Romane dies nicht leisten konnten.

Wie alle Hefte, die Minderjährigen zugänglich waren, wurde auch der Western von den Jugendbehörden kontrolliert, die sich Sorgen über die Auswirkungen einer ständigen Kost von Gewalt, Sex und fragwürdigem Sozialverhalten auf junge, beeinflussbare Gemüter machten. Während der 'Italo-Western' bei seinem erwachsenen Publikum Anklang fand, wurden seine brutale Gewalt und die oft nihilistische Botschaft heftig kritisiert. Bei den Filmen hatte dies zur Folge, dass viele Schnitte vorgenommen werden mussten, um überhaupt die Erwachsenenalterfreigabe zu erhalten; in einigen Fällen kamen die Westernfilme sogar auf den Index. Aber für die Unterhaltungsliteratur, die an jedem Kiosk an der Ecke erhältlich war und meistens als Schund betrachtet wurde, gab es andere Risiken. Wurde eine Heftroman-Publikation von den zuständigen Bundesbehördengremien als jugendgefährdend eingestuft - das ist der Kern der Sache, die Realität ist etwas komplizierter -, durfte sie nicht mehr am Kiosk an Minderjährige verkauft werden. Da der frei zugängliche öffentliche Handel die einzige Verkaufsstelle für Heftromane war, musste das Produkt eingestellt werden. Im Falle des Heftromans geschah dies nur zweimal in den 70er Jahren, aber für den Verlag war das teuer und geschäftsschädigend.

Einen 'Italo-Western' für einen Markt zu schreiben, auf dem alle klassischen Motive des Genres im Grunde ein klassisches No-Go waren, war also knifflig. Um die Erwartungen der Leser zu erfüllen, musste der Held der 'Man With No Name' oder 'Django' sein. Gleichzeitig durfte er aber auch nicht der Anti-Held der Filme sein. Die Figur musste ein wirklich harter Kerl sein, der geborene Kämpfer und tödlich mit dem Colt. Aber er durfte nicht rücksichtslos sein oder der amoralischen Gier frönen, die die Helden des Italo-Westerns so oft antrieb. Und unter keinen Umständen konnte er ein kaltblütiger Killer sein. Also gab es für Ronco keinen Sarg mit Maschinengewehr.

Mr. Frost - schnell wie der BlitzDie Serie lief gut an, aber der richtige Erfolg ließ auf sich warten. Unter der Leitung von Hans Gamber, der nur die Exposés entwickelte, aber keinen Roman schrieb, mangelte es der Handlung an einem klaren Ziel; er etablierte zwar die Charaktere, aber es fehlte der erzählerische Schwung. Gamber verließ die Serie nach den ersten 15 oder 20 Romanen, da sind sich die Quellen nicht einig. Der Lektor der Serie Rainer Delfs, selbst ein erfahrener Westernautor, entschied sich als Nachfolger für Gamber für einen Newcomer, der der Serie den kommerziellen Erfolg bringen sollte. Die Rede ist von Dietmar Kuegler, der damals 21 Jahre alt war. Zunächst wurde er nur Teil des Autorenteams; sein erster veröffentlichter 'Ronco' war die Nr. 12 mit dem schönen Titel 'Mr. Frost - schnell wie der Blitz' unter dem Pseudonym John Grey.

Sein erstes Westernheft hatte Kuegler bereits im Alter von 17 Jahren geschrieben und veröffentlicht; von Kindesbeinen an interessierte er sich nicht nur für das Genre Western, sondern war auch von der Geschichte der amerikanischen Pioniere fasziniert. Mit 23 Jahren veröffentlichte er sein erstes Sachbuch. 'Sie starben in den Stiefeln - Revolvermänner des Wilden Westens' wurde 1976 veröffentlicht und blieb fast 30 Jahre lang lieferbar. Später stellte er die Romanproduktion ein und gründete den 'Verlag für Amerikanistik', der wissenschaftliche Werke über die amerikanische Geschichte der Pioniere und der Ureinwohner herausgibt, darüber hinaus veröffentlicht er das 'Magazin für Amerikanistik', das viermal im Jahr erscheint und sich mit dem historischen Westen auseinandersetzt.

In Kueglers Frühwerk ist sein Schreibstil bereits deutlich erkennbar. Ein geschicktes Gespür für Charaktere und ein Gespür für realistische Handlungen, die schon in seinen ersten Romanen auf historischer Authentizität beruhen. Er konnte schnell schreiben - eine Voraussetzung für alle Heftromanautoren - und produzierte manchmal bis zu 4 Romane im Monat. Als er die Chance bekam, die Leitung der Serie zu übernehmen, ergriff er sie. In den nächsten neun Jahren, bis zur Einstellung der Serie, entwickelte er die allgemeine Richtung der Handlung, verfasste die Exposés und schrieb Romane. Wie er einmal in einem Interview sagte, wollte er gute, konsistente und spannende Erzählungen mit Figuren schreiben, mit denen sich die Leser identifizieren konnten. Diese Western sollten in erster Linie der Unterhaltung dienen, aber sie sollten auch authentisch sein. All das ist ihm gelungen.

LoboEine der ersten erfolgreichen Ideen war die Einführung einer neuen Figur, die an Roncos Seite ritt. In Nr. 36 wurde der Mann namens 'Lobo' eingeführt, ein Halbblut oder Bastard, wie er von anderen genannt wurde, die typische Figur des einsamen Wolfs, der ewige Außenseiter, der von Rot und Weiß gehasst und gefürchtet wird. Der Charles Bronson für Hill/Eastwood. Günther König ließ sich für die Titelbilder von Charles Bronsons Konterfei inspirieren, und Lobo wurde in den Romanen im Grunde auch wie Bronson beschrieben. Die Leser liebten den wortkargen und tödlichen Revolverhelden, der die Regeln ein wenig mehr beugen konnte als sein Mitstreiter Ronco.

Dietmar Kuegler war von Anfang an nicht sonderlich von der 'Italo'-Idee angetan, da sein Interesse der amerikanischen Geschichte galt. Also führte er 1974 mit Heft 100 ein neues Konzept ein. Von nun an war jeder fünfte Roman ein Auszug aus Roncos fiktivem Tagebuch - eine Serie in der Serie. Sie erhielt sogar eine eigene Nummerierung auf dem Titelbild. Geschrieben in der ersten Person wird die Geschichte von Roncos Jugend Form erzählt. Als Baby verwaist und von Mönchen in New Mexico im Jahr 1848 aufgezogen, wird Ronco später von Apachen entführt und muss sich von klein auf allein durchschlagen. Diese Romane nutzten dabei den vielschichtigen historischen Hintergrund der damaligen Zeit. Es gab Geschichten über die Sklaverei, den Pony-Express, den Amerikanischen Bürgerkrieg, den Goldrausch und die Indianerkriege. Ronco war der ewige Außenseiter ohne Heimat oder Wurzeln, der ständig ums Überleben kämpfen musste. In späteren Romanen bot sich Kuegler, der mindestens 30 der 60 Tagebuch-Romane schrieb, die Gelegenheit, die Geschichte vom Halcon-Canyon-Massaker zu erzählen, dem nie in Einzelheiten thematisierten Aufhänger der Serie.

Tödiche TrümfeUnter Kueglers Leitung wurde die Serie zu einer der kommerziell erfolgreichsten deutschen Westernserien ihrer Zeit. 1975 waren die Verkaufszahlen so gut, dass der Verlag eine wöchentliche Neuauflage startete. Die Figur Lobo wurde so beliebt, dass Kuegler eine Spin-Off-Serie entwickeln konnte. 1976 kam der erste Roman von 'Lobo - der Einzelgänger' mit dem Titel 'Der Bastard' in die Kioske. Als Kontrastprogramm zu 'Ronco' brachte 'Lobo' von Anfang in sich abgeschlossene Geschichten, die größtenteils von den Autoren der Mutterserie geschrieben wurden. Sie war auch recht erfolgreich, sodass Pabel 1977 eine zusätzliche monatliche Lobo-Taschenbuchserie startete, ebenfalls aus der Feder des bewährten Autorenteams. Sie gab Kuegler die Gelegenheit, noch mehr historische Themen in seine Romane einzubauen, wobei er sich besonders auf das tragische Schicksal und den Genozid an den Ureinwohnern konzentrierte.

Kuegler gestaltete auch die Leserbriefseite der Serie, ein beliebtes Element der meisten Pabelserien. Zusätzlich zu den Leserbriefen führte Kuegler eine Geschichtskolumne ein. Anfangs noch inspiriert durch Leserfragen zu berühmten Geschichten aus dem Wilden Westen wie z.B. der Schießerei am O.K. Coral, entwickelte sie sich zu regelmäßigen Artikeln über alles, was mit dem Westen zu tun hatte, von den Waffen bis zur Geschichte dieser Epoche.

Tödiche TrümfeZu Beginn bestand das Autorenteam hauptsächlich aus alten Profis. Das änderte sich im Laufe der Jahre ein wenig, als neues Blut hinzukam. Neben Kuegler, der 59 Romane der Serie verfasste, gab es noch Wilhelm Kopp. Kopp wurde später der Chefautor der Serie 'Seewölfe', deren Geschichte bereits im 'Paperback Fanatic 38' erzählt wurde. Als Ken Conagher begann er mit Nr. 20 und steuerte 58 Romane bei. Walter Appel alias Earl Warren schrieb 53 Romane. Appel wurde ein sehr produktiver Heftroman-Autor für alle Verlage und alle Genres; der Name Earl Warren wurde vor allem für die Horrorserien ein Begriff. Bodo Baumann arbeitete als Übersetzer und Redakteur im SF-Bereich, bevor er sich auf das Schreiben konzentrierte. Als Jim Elliot schrieb er 64 Romane, dazu kamen 21 Romane für 'Lobo' und 14 Romane für die Taschenbücher. Und dann war da noch der gebürtige Schweizer Werner Egli. Egli hatte ebenfalls als Westernautor begonnen. Wie Kuegler bereiste er später ausgiebig die USA und lebte in Tucson, Arizona. Nach dem Untergang des Heftromans schrieb er unter eigenem Namen viele Jugendbücher mit Westernthemen, was ihm einige Literaturpreise einbrachte. Sein Pseudonym war Lee Roy Jordan. Während er nur 6 'Ronco' verfasste, schrieb er 37 Romane von 'Lobo' und 4 Taschenbücher. Im Laufe der Jahre haben noch viele andere Autoren an der Serie mitgewirkt, von denen viele bis heute unbekannt geblieben sind, da sie unter Pabels Hauspseudonym 'Everett Jones' schrieben.

Aber worum geht es bei der Serie eigentlich genau? Die Geschichte von Roncos Jagd nach dem Beweis für seine Unschuld ist ein klassisches Westernthema, eine Geschichte von zwei Männern, die es mit unmöglichen Herausforderungen  aufnehmen, und von Gerechtigkeit. In den frühen 1880er Jahren finden Ronco und Lobo heraus, dass der eigentliche Verantwortliche für das Massaker im Halcon Canyon ein Mann namens Andrew Hilton ist, der Besitzer der Hilton Overland Company, des größten Frachtunternehmens nach Wells Fargo. Er lebt in Texas und ist umgeben von schillernden Charakteren wie seinem japanischen Diener Marido, einem Samurai, und ist ein skrupelloser Geschäftsmann, der viele schmutzige Geschäfte mit korrupten hohen Armeebeamten und Politikern betreibt.

Der weisse ApacheNach vielen Kämpfen mit Hilton und seinen Auftragskillern verliebt sich Ronco in Hiltons Tochter Linda. Sie haben einen Sohn. Während sich diese Geschichte im ganzen Westen abspielt, wird Ronco ständig von den Behörden und Kopfgeldjägern gejagt. Kuegler hat die Serie meist in kurze Abschnitte gegliedert: Vier Romane erzählen eine Geschichte, die in die nächste übergeht, oft unterbrochen durch die Tagebuchromane. Damit es für die Leser nicht langweilig wurde, haben es Ronco und Lobo zwischendurch mit typischen Western-Handlungen wie Weidekriege, Kämpfe mit Indianern oder Waffenschmugglern zu tun, während der Kampf gegen Hilton in den Hintergrund trat. Im Laufe der Zeit gab es einige einfallsreiche Handlungen, oft um schillernde Figuren und Schurken wie den bereits erwähnten Samurai Marido oder den Revolvermann Saint, einen Satanisten. Ein ständig präsentes Motiv war der ewige Kampf gegen Vorurteile und Rassismus. Ronco und Lobo waren die gehassten Außenseiter auf der Flucht - der eine ein verachteter Verbrecher, der angeblich die eigenen Leute an die so genannten Wilden verraten hat; der andere ein Mischling -, die trotzdem nicht bei Ungerechtigkeit wegsehen. Sie werden angeschossen, verprügelt, gefoltert und dem Tod überlassen, und doch überleben sie, um für Gerechtigkeit zu sorgen. Geleitet von ihrem untrüglichen moralischen Kompass waren ihre Siege oft nur von kurzer Dauer, was der Serie einen Vorteil verschaffte, der anderen Western fehlte. Sie war zwar nicht der gewalttätige Italo-Western mit seiner Anti-Establishment-Thematik, aber dennoch war sie weit entfernt von der simplen Schwarz-Weiß-Verherrlichung des amerikanischen Westens, die der deutsche Western so fest etabliert hatte.
 
Aber die Geschichte des gejagten Geächteten konnte nicht ewig dauern, wenn die Autoren zumindest den Anschein eines gewissen Realismus wahren wollten. So triumphiert Ronco nach harten Kämpfen und dem Tod seiner Frau durch Revolverhelden schließlich über seinen Erzfeind Hilton und wird rehabilitiert. 1978 wurde die Serie mit der Nr. 316 in 'Ronco - Der Texas Ranger' umbenannt.

Doch der Richtungswechsel erwies sich als unpopulär. Den Lesern gefiel es nicht, dass der Serie nun eine starke Hintergrundgeschichte fehlte, dass es bei den Romanen nur noch um eine kurze Mission nach der anderen ging. Außerdem vermissten sie die Kameradschaft des Teams Ronco und Lobo. Das Halbblut war zu Beginn von 'Texas Ranger' aus der Serie geschrieben worden, außerdem hatte 'Roncos Tagebuch' nun im Grunde den Anfang der Originalserie erreicht. Nachdem die entscheidenden Geschichten über den Hinterhalt am Halcon Canyon erzählt worden waren, war hier der junge Ronco wieder als Geächteter auf der Flucht. Zweifellos waren diese Romane anspruchsvoller geschrieben, als das noch 1972 der Fall war. Auch konnten die Autoren historisches Material wie den mexikanischen Bürgerkrieg von 1867 als Hintergrund für ein paar Abenteuer verwenden. Aber es war offensichtlich, dass sich diese Romane nur noch wiederholten.

Pony ExpreßDie Redaktion und Kuegler nahmen die Beschwerden ernst. Ronco versuchte, sich neu zu erfinden. Desillusioniert von den Rangers gibt der Held sein Abzeichen zurück und zieht mit seinem Sohn nach Arizona, wo er als Agent für Wells Fargo arbeitet. Ab Nr. 400 hieß die Serie 'Ronco - der Mann von Wells Fargo'. Lobo war wieder da, ebenso wie einige der Schurken aus den Hilton-Tagen, aber 'Roncos Tagebuch' war verschwunden. Nur der Ich-Erzähler des Tagebuchs wurde beibehalten, eine weitere Neuerung waren Karten, die die Schauplätze der Romane illustrierten.  

Einige Leser hatten sich auch darüber beschwert, dass die Geschichten viel harmloser geworden waren. Es stimmt, dass der Heftroman Ende der 70er Jahre, als die Beschwerden über Gewalt, vor allem im damals boomenden Horrorgenre, neue Höhen erreichten, einige harte Zeiten durchlebte. Nach der Absetzung einer von Pabels Horrorserien waren die Nachbeben in allen Spannungsromanen des Verlags zu spüren. Selbstzensur war das Gebot der Stunde. Pabel schränkte die Gewaltdarstellungen (wie auch die Sexszenen, so harmlos sie auch zu der Zeit gewesen sein mögen; 'Ronco' erschien lange vor dem Aufkommen des so genannten 'Adult-Western' mit seinen deutlicheren Sexszenen) in seinen Produkten ein. Nun war der deutsche Heftroman-Western grundsätzlich nicht einmal annähernd so gewalttätig wie seine zeitgenössischen amerikanischen oder britischen Gegenstücke. Aber nachdem sich die Debatte beruhigt hatte, wurden Übersetzungen von Romanen wie John Benteens 'Fargo' und 'Sundance' stark bearbeitet; in einigen extremen Fällen wie George Gilmans 'Edge' - die Serie wurde von ihrem Verleger Bastei in 'John Flint' umbenannt und es erschienen nur eine Handvoll der ersten Nummern in zwei der Western-Reihen - wurden ganze Kapitel umgeschrieben. 'Ronco' und 'Lobo' waren nie übermäßig gewalttätig gewesen, schreckten aber auch nicht vor manchmal harten Beschreibungen oder Situationen zurück. Die Autoren waren der Meinung, dass sie sich innerhalb der Grenzen des Genres und der historischen Epoche bewegten, wenn sie Schießereien und Action nicht verharmlosten.

Dennoch musste der Verlag auf den Druck reagieren. Die Ronco-Neuauflage wurde bearbeitet und die Handlung abgemildert, ein Roman über einen Killer mit einer Peitsche wurde sogar von Grund auf neu geschrieben. Auch die erste Auflage war handlungsärmer als zuvor. Das war natürlich auch eine natürliche Entwicklung der Figur als Vater, die bei den Lesern nicht immer gut ankam.

Aber das war nicht das einzige Problem. Die Zeiten und der Geschmack änderten sich. Anfang der 80er Jahre gingen auf dem einst so einträglichen Heftroman-Markt die Absatzzahlen zurück. Darüber hinaus verlor das Publikum das Interesse am Westerngenre in jeder Form. Pabel/Moewig zahlte höhere Honorare für die Autoren als andere Verlage. Darum waren einige Produktionen immer kostenintensiver geworden, während die Umsätze andererseits zurückgingen. Andere Segmente der großen Verlagsgruppe hatten Verluste, die das ganze Unternehmen betrafen. Der Befehl kam von ganz oben. Die nicht mehr so rentablen Serien mussten gehen. 1981 stellte Pabel/Moewig 'Ronco' und 'Lobo' abrupt ein. Die Leser erhielten nur einen kurzen Hinweis auf der Leserbriefseite des letzten Romans. 'Ronco' endete mit Heft Nr. 493, 'Lobo' endete mit Nr. 253. Die restlichen Western-Reihen folgten.

Einige Jahre später versuchte der Verlag 1984, den Western, den einige Konkurrenten noch immer im Programm hatten, neu zu starten. Wieder handelte es sich um eine Heftromanreihe. Doch diesmal ging Dietmar Kuegler allein an den Start. Der Autorenname wurde zum Programm: der 'John Gray Western' veröffentlichte neue und nachgedruckte Einzelromane des Autors. Warum der Name von 'Grey' in 'Gray' geändert wurde, gehört zu den Kuriositäten der Branche, an deren Grund sich niemand mehr so recht erinnern kann. Nach 94 Heften wurde die Serie abrupt eingestellt, als der Verlag das Programm erneut reduzieren musste.

Kuegler, der sich in der Zwischenzeit auf seine Sachbücher konzentriert hatte, hörte auf, Heftromane zu schreiben. Heute kümmert er sich um seinen Verlag, außerdem organisiert er Studienreisen für kleine Gruppen in die USA, um die Stätten des alten Westens zu besuchen.

'Ronco' ist bei seinen Fans in bester Erinnerung geblieben. Die Serie ist eine der Säulen des 'Goldenen Zeitalter des Heftromans'. Sie war erfolgreich, weil sie es wagte, ein wenig anders zu sein als alle anderen Western auf dem Markt.

Besonderen Dank an Zauberspiegel-online.de und seine vielen Beiträge zu dieser Serie.

Kommentare  

#1 Rüdiger 2022-12-26 13:29
Ich habe eine Sammlung der neu aufgelegten Ronco-Taschenbücher, von Dietmar Kuegler handsigniert, und werde sie in Ehren halten.
#2 Ganthet 2022-12-28 10:07
Immer wenn ich Artikel wie diesen lese, bedauere ich, dass die Serie nicht erhältlich ist.
#3 Rüdiger 2022-12-28 11:30
die Tagebücher gibt's.
#4 Rüdiger 2022-12-28 11:43
und die alten Hefte bekommt man (z.B.) bei ebay, Sammlerecke und Harrys World.
#5 Ganthet 2022-12-28 12:15
Ja, ich weiss. Aber danke für den Hinweis. Die Tagebücher lese ich (daher habe ich auch Lust auf die Serie).
Die alten gebrauchten Hefte sind nicht so mein Ding. Oft vergilbt und zerlesen. Am schlimmsten ist Kellerlagerung, dann meldet sich meine Allergie

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