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Die Western der Melanie Brosowski - »Ferner als der Horizont«

WesternDie Western der Melanie Brosowski
»Ferner als der Horizont«
„Das hohe Gras reichte Caitlin bis zu ihren Waden. Irgendwo in der Nähe blökten ein paar Schafe. Es waren Timothy O'Learys Tiere, um genau zu sein. Die Tiere des Mannes. Dessen Sohn sie morgen heiraten würde. Sie wünschte sich so sehr, dass ihre Großmutter jetzt bei ihr wäre. Aber diese war bereits vor mehreren Jahren gestorben, während eines verregneten Sommers. Caitlin trat einen Schritt näher an den Abgrund heran und kleine Steine lösten sich. Der Wind frischte auf und ließ sie frösteln ...“ (1)

Ferner der HorizontFrühjahr 1828. Irland ist von den Engländern besetzt. Caitlin O'Toole heiratet Padraig O'Leary. Die beiden bewirtschaften ein Stück Land, bauen Kartoffeln an und züchten Schafe. Es geht ihnen gut. Sie sind zufrieden. Schon bald kommt das erste Kind, ihre Tochter Eileanoir, zur Welt. Die Söhne Ryan und Ian folgen. Doch dann kommt 1846 die Kartoffelpest nach Irland. Das ohnehin schon harte Leben wird für viele unerträglich. Die Menschen hungern. Der Tod holt viele Iren weit vor ihrer Zeit. Auch die O'Learys verlieren ein neugeborenes Kind. Irgendwann sehen Caitlin und Padraig nur noch einen Ausweg. Sie wandern im Frühjahr 1848 aus, über das Meer in die Neue Welt, nach Amerika.
„John Cooper war ein schmächtiger, aber großer Junge, der für seine zehn Jahre schon viel zu erwachsen wirkte. Trotz der wenigen Jahre, die er hatte zur Schule gehen dürfen, denn schließlich wurde jede Hand auf der Farm gebraucht und sein Vater hielt die Schule sowieso für Zeitverschwendung, konnte er rechnen und sogar schwierige Texte lesen und schreiben. Er war intelligent, aber schweigsam, er redete eigentlich nur, wenn er gefragt wurde, und dann waren seine Antworten für ein Kind in seinem Alter ungewöhnlich präzise, kurz und ernst...“ (2)
Amerika, die Neue Welt. In einem harten Winter des Jahres 1828 bringt Sarah Cooper ihr einziges Kind John, genannt Johnny, zur Welt. Die junge Familie lebt auf einer sehr kleinen Farm bei Little Rock. Sie haben kaum genug zum Leben. Das wenige versäuft Howard, Johnnys Vater. Er schlägt die Mutter und später auch seinen Sohn. Der Arzt George Weston muss oft besucht werden. Noch häufiger kommt er hinaus auf die Farm, da Howard seine Familie regelmäßig halb totprügelt.

Ferner der HorizontIn Johnny wächst stetig der Hass. Bis er schließlich in seinem 18. Lebensjahr den Vater erschießt, als der gerade dabei ist, seine Mutter totzuschlagen. Das Gericht erkennt zwar auf Notwehr, doch der Makel des Vatermordes bleibt. Erst jetzt erfährt er von Sarah, dass Howard Cooper gar nicht sein Vater war, sondern George Weston.

Johnny verlässt Little Rock. Er lebt eine Weile als Cowboy auf verschiedenen Ranches. Doch eine innere Unruhe treibt ihn immer weiter. Da er schnell mit dem Revolver ist, gerät er bald in falsche Kreise. Er arbeitet als Gunman, bis er bei einer Schießerei verletzt wird. Johnny zieht weiter, bis ihn der Rancher Heath Scarid schwer verwundet findet und bei sich aufnimmt.
„Heath Scarid glitt in einer einzigen geschmeidigen Bewegung von seinem Appaloosa und kniete sich nieder. Die Blutspuren waren nicht mehr frisch. Der Rancher schob seinen Hut ein Stück tiefer in die Stirn und stieg wieder auf sein Pferd. Er folgte der Spur und ließ ständig seinen Blick schweifen, denn er hatte keine Lust, zufällig einer Kugel in den Weg zu reiten...“ (3)
Die Neue Welt, nahe Salt Lake City. Heath Scarid hat sich, gemeinsam mit seinem Freund und Vormann Sam Callahan, vor beinahe 15 Jahren eine Ranch aufgebaut. Er ist heute ein wohlhabender und angesehener Mann. Vor zehn Jahren wurden seine Frau und sein dreijähriger Sohn von Banditen getötet.

Im Herbst 1847 findet der Rancher den verletzten Johnny Cooper auf einer seiner Weiden. Er pflegt den jungen Mann gesund, kleidet ihn neu ein und gibt ihm Arbeit. Cooper fühlt sich wohl auf der Ranch. Aber die innere Unruhe bleibt. Er macht seine Arbeit gut; Scarid behandelt ihn fast wie einen eigenen Sohn.

Gut ein Jahr später besuchen Scarid und Cooper einen befreundeten Rancher, um ihm ein paar Pferde zu verkaufen. Auf dem Rückweg stoßen die beiden auf die Überreste eines Wagentrecks, der weitab vom ursprünglichen Weg von Banditen in eine Falle gelockt wurde. Fast alle Siedler wurden getötet. Auch die O'Learys haben Opfer zu beklagen. Padraig wurde erschossen, Ryan schwer verletzt.

Der Rancher nimmt die Familie mit nach Hause, wo sie sich erholen und den Winter über bleiben können, bis sie im Frühjahr weiterziehen wollen, ihrem ursprünglichen Ziel Kalifornien entgegen. Doch der Winter des Jahres 1848 ist lang. Schließlich entscheidet sich Caitlin zu bleiben. Eine für alle schwierige Zeit beginnt ...
„Sie dachte an Padraig, an ihre Heimat, an all das, was sie verloren und zurückgelassen hatte. Hier stand ihr nun plötzlich alles offen. Sie litt keinen Hunger mehr und ihre Söhne konnten sogar die Schule besuchen. Das war mehr, als sie sich je erträumt hatte. Voller Zuversicht sah sie in Heaths Augen, Augen voller Wärme und unerschütterlicher Liebe. Sie wußte, er würde immer für sie da sein, stark und unumstößlich, wie ihre Insel immer dem Meer getrotzt hatte...“ (4)
„Ferner als der Horizont“ ist Melanie Brosowskis erster in Buchform erschienener Western, 2009 im Verlag Peter Hopf, und mit 350 Seiten ihr bisher umfangreichster Roman.

Die Geschichte nimmt in Irland und der Neuen Welt ihren Anfang. Die Autorin erzählt parallel die Lebensgeschichte von Caitlin O'Leary und Johnny Cooper. Sie wechselt zu Beginn rasch zwischen den Schauplätzen und überbrückt so in kurzen Kapiteln fast zwanzig Jahre. Das nimmt dem Roman einiges an Atmosphäre. Erst als die Autorin die einzelnen Kapitel ausbaut, weitschweifender erzählt und ihren erzählerischen Schwerpunkt nach Amerika verlegt, gewinnt die Geschichte schnell an Intensität. Die Charaktere werden plastischer, die Spannung und Dichte nimmt zu. Von nun an fesselte mich der Western bis zur letzten Seite. Was als irische Auswandererstory beginnt, ist zum überzeugenden Ranchwestern geworden.

„Ferner als der Horizont“ ist gut auf der amerikanischen Landkarte verortet und hervorragend in die Historie der USA verankert.

Melanie BrosowskiMelanie Brosowski erzählt mit großem Einfühlungsvermögen und Liebe zum Detail. So ist ein realistischer und poetischer Western entstanden, der viel zu früh endet. Doch die Autorin lässt viele Anknüpfungspunkte für eine Fortsetzung der Geschichte einfließen. Gerne würde ich wissen, ob Johnny Cooper seinen Platz im Leben findet; kommen er und Eilianoir doch noch zusammen; was wird aus Caitlins Söhnen; wird Heath Scarid noch einmal Vater werden und was wird aus Scarids Ranch?

„Ferner als der Horizont“ ist, trotz einiger sprachlicher Unfeinheiten und Stolpersteine - die das Lektorat eigentlich hätte sehen müssen -, ein rundum gelungener, sehr gut komponierter und spannender Western, der mich schon bald in seinen Bann gezogen hat.

Leider ist der Roman derzeit vergriffen und nur noch über die Autorin zu bekommen, oder als Hörbuch zum Download. Eine leicht überarbeitete Neuauflage würde ich der Autorin und dem Leser wünschen.

Quellen:
(1)    Brosowski: Ferner als der Horizont, Seite 16
(2)    ebenda Seite 22
(3)    ebenda Seite 99
(4)    ebenda Seite 348 / 349


Bibliographie:
  • Melanie Brosowski: Ferner als der Horizont, Verlag Peter Hopf 2009, ISBN: 978-3-937544-11-3
  • Melanie Brosowski: Ferner als der Horizont, Hörbuch, Action Verlag 2010, als CD und Download

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