Prüfet alles und das Gute behaltet: Die Bibliothek in der Digitalen Gesellschaft
Prüfet alles und das Gute behaltet:
Die Bibliothek in der Digitalen Gesellschaft
In Zeiten, in denen es um Digitalisierung, in denen es um das Vermitteln von Wissen geht und auch in Zeiten, in denen wir vermehrt wirtschaftlichen Organisationen unterworfen sind, wenn es die Beschaffung von Wissen anbelangt braucht es auf jeden Fall eine starke öffentliche Bibliothekslandschaft. Was Wissen und wirtschaftlichen Organisationen belangt: Google Books mag als zwiespältiges Beispiel dafür dienen, einerseits betont man seitens Googles, man würde mit Google Books kein Geschäft betreiben wollen, andererseits landet das Wissen der Welt auf den Servern einer nach wirtschaftlichen Interessen geführten Firma und wer weiß, was die Zeit bringt. Und das ist nur ein Beispiel wie die Vermittlung und die Organisation von Wissen in diesen Zeiten mehr und mehr sich verlagert. Gerade deswegen sollte die Bibliothek ihre Stimme erheben. Eine Stimme für einen Ort, an dem Wissen vermittelt wird, an dem die Stadtgesellschaft sich treffen kann, ein Ort, an der als Ideenlabor ebenso fungiert wie in der traditionellen Rolle des Verleihers von Medien - ja, Bibliotheken sollten inmitten der digitalen Revolution geschlossen auftreten und betonen, dass sie ein zentraler Bestandteil der Gesellschaft sind. Sie sollten wie eine Plattform Optionen für die Bedürfnisse der Gesellschaft und vor Ort anbieten.
Allerdings treten Bibliotheken in Debatten um gesellschaftliche Teilhabe in der digitalen Welt nicht auf. Sie erheben ihre Stimme nicht. Ihre Vertreter sitzen nicht in Talkshows, sie sind nicht auf Podien zu Gast. Wenn auf politischer Ebene in der Grundschule das Grundfach Programmieren gefordert wird, sind Bibliotheken nicht da um anzumahnen, dass vielleicht die Leseförderung genauso wichtig in Schulen sein sollte. Wenn Politiker die Gründung von Start-Ups fördern, sollten Bibliotheken zur Stelle sein und darauf hinweisen, dass sie ebenfalls Inkubatoren und Hebammen für Ideen sind. Und Bibliotheken sind Orte, an denen Menschen zusammen kommen, sie sind Orte, die für den Austausch von Gedanken, Worten und Taten wichtig sind. Das waren sie schon immer, aber der Umschwung von dem reinen Verleihen von Medien zum Kommunikationsort, dieser Umschwung hat in den Köpfen der Politik und der Wirtschaft nicht ausreichend stattgefunden. Bibliotheken bieten den Zugang nicht nur zu den Medien an - sie bieten auch das Wissen an, wie moderne Technik genutzt wird. Auch wenn nicht in jeder Bibliothek des Landes ein 3D-Drucker steht oder ein modernes Podcast-Studio. (In Köln jedenfalls gibt es sowas übrigens.)
Inmitten der digitalen Gesellschaft brauchen wir eine Agora - nicht nur für den Body Electric sondern auch für das Fleisch. Wir brauchen einen zentralen Platz, eine Anlaufstelle in diesem Land der Ideen, auf dem wir als Menschen uns austauschen können, einen Ort, an dem wir debattieren können. Von Angesicht zu Angesicht. Wir brauchen als Gegengewicht zu Facebook und Twitter, brauchen neben diesen Angeboten auch Orte, an denen wir von wirtschaftlichen Interessen, der "Shopping is Freedom"-Mentalität - siehe Marcus John Henry Brown - unbehelligt sein können und dürfen. Das Eine sollte - und muss! - neben dem Anderen existieren; man darf Facebook und Twitter jedoch nicht per se verteufeln, man sollte die geschäftlichen Aspekte im Blick haben. Einen gewissen Pragmatismus bewahren.
Die digitale Gesellschaft besteht nicht nur aus vernetzten Computern, Cloud-Technologien, aus VPN-Verbindungen. Die Ideen für die digitale Gesellschaft entspringen nicht ALEXA und SIRI, (oder noch nicht?), sie werden im menschlichen Austausch geboren. Dazu braucht es allerdings auch einen Ort, an dem Ideen nicht nur geduldet werden, an dem Ideen wertgeschätzt werden nicht nur, weil sie wirtschaftlich das Land voranbringen könnten - die Annahme, dass durch das Grundschulfach Programmieren kleine deutsche Zuckerbergs entstehen werden ist ebenso abstrus wie die Idee, dass man durch das permanente Auswendiglernen von Tonleitern geniale Komponisten hervorbringt. Wer den Slogan des Lands der Ideen ernst nimmt, der sollte dafür sorgen, dass Ideen auch ein Zuhause bekommen. Einen Ort, an dem sie sich weiter verbreiten können, ein Ort, an dem über sie debattiert werden darf.
Das Leben von Menschen verändert sich aktuell so fließend-rasant, dass wir selbst kaum dazu kommen innezuhalten und uns zu fragen, was wir eigentlich momentan leben oder wann. Und wofür? Nicht jeder denkt darüber nach, was für Auswirkungen Algorithmen auf uns haben können. Wenn Bibliotheken allerdings in der digitalen Gesellschaft eines könnten, dann dies: Das Nachdenken fördern. Nicht nur im Anbieten von Medien, die sich mit einigen Themen der Welt kritisch befassen. Sie könnten Ideenlabore sein, in denen kritische Stimmen ebenso gehört werden wie positive Stimmen, wenn es um die digitalen Auswirkungen des Lebens im Futur geht. Neue Formate ins Leben rufen, neue Wege gehen, Anstoßgeber ebenso sein wie Vermittler.
Bibliotheken sollten wach und zur Stelle sein, wenn es in der Politik und der Gesellschaft um die Digitale Revolution geht. Dabei geht es auch Inklusion - wohlgemerkt, nicht nur darum, wie wir Menschen aus anderen Kulturen in unserer Gesellschaft aufnehmen oder diese als Teilhaber stärken können. Wobei auch dies eine Aufgabe ist, die eine Bibliothek stets geleistet hat und stets leisten wird. Die Frage der Inklusion ist auch digital zu stellen: Wie schaffen wir es, diejenigen mit dem notwendigem Rüstzeug zu versorgen, die in einer Zeit ohne Internet und ohne Smartphone aufgewachsen sind? In einer Gesellschaft, die immer älter wird, können Bibliotheken Hilfestellungen zum Umgang mit Technologien geben, die es gestern noch gar nicht gab. Dabei ist gestern durchaus im Sinne von 24 Stunden gemeint. Schon heute sind Kurse für den Umgang mit dem Smartphone auch in Bibliotheken heimisch - sogar Smartphone-Rallyes werden angeboten. Weiterdenken lässt sich dies in Hinblick auf den Umgang mit Augmentierter Realität oder Virtueller Realität. Allein schon die Frage, wie man die Geräte zu Hause anschließt und was man dann damit in Bibliotheken zukünftig machen kann - schon diese Frage zielt ja nicht nur unbedingt auf die ältere Generation ab.
Doch neben all diesen Dingen ist und bleibt Eines: Aktiv sein. Kontinuierlich sichtbar im gesellschaftlichen Dialog bleiben. Die eigenen Stärken ins Spiel bringen. Aufmerksam sein. "Alles prüfen und das Gute behalten." (1. Thessalonicher 5, 21) Vielleicht nicht immer sofort jeden Vero-Trend nachvollziehen, aber mit einem guten Auge, einem Gespür für die digitalen Themen sich als Ansprechpartner auf Augenhöhe bewegen. Die Bedürfnisse der digitalen Bewohner der Stadt, des Landes ebenso wahrnehmen wie die Bedürfnisse derjenigen, die sich nicht als Bewohner des Internets verstehen. Und vielleicht auch manchmal sich schwungvoll aus der eigenen Komfortzone bewegen, die Glieder recken und strecken und mit neuen Erkenntnissen auf die eigene Arbeit sehen.