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2023: Vorsätze? Welche Vorsätze?

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne2023
Vorsätze? Welche Vorsätze?

Pläne, räsonierte der Patrizier bei Terry Pratchett, Pläne sind einem doch nur im Weg. Gute Vorsätze ebenfalls. Oder kramt jemand wirklich dieser Tage den vor einem Jahr verfassten Zettel heraus? Gleicht wirklich ab, was er jetzt erreicht hat und was nicht? Oder ist es nicht so, dass man verlegen herumsteht, mit den Füssen schürft und sagt: „Zettel? Vorsätze? Ich kann mich gar - nicht - daran - erinnern irgendwas aufgeschrieben zu haben.“

Kratz, kratz, unschuldig guck. Warum tun wir jedes Jahr so, als würden wir ausgerechnet in diesem Jahr irgendwas von den Dingen verwirklichen, die da auf Zetteln stehen? Liegt da irgendein Sinn drin?

Die Anderen sind schuld. Natürlich. Die Anderen dröhnen unsere Ohren schon am Tag nach Weihnachten mit all den Dingen zu, die im nächsten Jahr gelassen oder getan werden müssen. Traditionsgemäß: Gewicht verlieren. Ganz oben auf der Liste. Definitiv. Ach so, mit dem Rauchen aufhören! Ja, auch wichtig. Mehr Bewegung wäre auch total super. Vielleicht doch nochmal die Sondertarife der Studios in diesen Wochen nutzen? Warum eigentlich kreisen die meisten Vorsätze um das Thema Gesundheit? Dinge wie „Ich möchte im nächsten Jahr netter zu den Kolleg*innen sein“ findet man eher selten auf der Liste. Eventuell als Fussnote. Dinge wie „Ich spiele weniger Computerspiele“ sind auf den ersten Blick nun nichts Sportives, aber die freie Zeit schwört man sich besser zu investieren und zwar - richtig - in die eigene Gesundheit. Oder man investiert dann in sein Konto.

Was so das Zweitwichtigste auf der Liste ist: In diesem Jahr lege immer Summe XYZ beiseite. In diesem Jahr kaufe ich nicht den neuesten Technikkram. Oder wenn, dann refurbed und mit Garantie. Ist ja auch besser für Klima. A apropos Klima … Endlich auf Ökostrom wechseln! Mehr Bus und Bahn nutzen! Überhaupt, wenn man mehr zu Fuss macht oder mit dem ÖPNV ist das auch super für die Gesundheit! Und je länger man nachdenkt, desto länger wird die Liste … Ein undenklicher Berg an guten Vorsätzen, die letztendlich einen erdrücken werden. Weil: Soviel Zeit um alles zu machen hat man auch nicht.

Aber dass der Mensch eine lernfähige Spezies ist, ist besonders halt bei Vorsätzen nicht unbedingt wissenschaftlich bewiesen. Der allgemeine Rat wäre: Man nehme sich einen einzigen Vorsatz und halte den einen Monat lang durch. Das Gehirn braucht ein wenig, um das dann als Routine-Handlung abzuspeichern. Wir denken ja auch nicht mehr darüber nach, in welcher Reihenfolge wir uns jetzt anziehen. Wie wir unsere Zähne putzen. Uns rasieren. Das sind halt Handlungen, die wir irgendwann abgespeichert haben, das Gehirn greift da auf Routinen zurück und muss sich nicht anstrengen. Das Gehirn, so sagen Wissenschalfter*innen, ist halt ein faules Stück.

Doch selbst, wenn wir nur einen einzigen Vorsatz auf der Liste haben - was dann beim Vergleichen mit den Anderen auch wieder so wenig erscheint … Der Enthusiasmus, in den wir uns stürzen, um den zu vollfüllen ist dann auch nach einiger Zeit abgenutzt. Es ist halt ein Ding sich zu sagen, man könne ja eher aufstehen, dann schon mal eine Runde Laufen und dann erst frühstücken. Vor allem ist es ein Dinge, wenn es draußen dunkel, kalt und regnerisch ist. Deutsche sind, so war unlängst noch zu erfahren, gegenüber Niederländern was das Fahrrad fahren in kalten Temperaturen anbelangt Luschen. Nur wenige Grad unter 10 genügen und wir lassen das Trampeln auf dem Fahrrad sein. Die Niederländer sind da abgehärteter. Vielleicht ist es dann auch für sie einfacher, solche Vorsätze umzusetzen, die irgendwas mit Bewegung in klarer Luft am frühen Morgen zu tun haben. Wer weiß.

Vielleicht hat Lord Vetinari Recht: Pläne sind im Weg. Denn, so sein Argument: Man müsste ja ständig für jede Gelegenheit einen Plan entwickeln und einen Gegenplan für die Pläne, die nicht so toll sind. Reichlich anstrengende Sache sowas. Von daher fällt der Mensch halt gerne in seine altgeliebten Gewohnheiten zurück. Das Gehirn verbraucht nicht so viel Energie - und will das ja auch eigentlich gar nicht! Zudem: Es ist alles behaglicher, wenn man halt Dinge so tut, wie man sie immer getan hat. Schön. Und dass der Mensch nicht für alles planen und auf Alles vorbereitet sein kann hat Corona wohl bewiesen. Genauso wie man große Katastrophen nicht planen kann - die es auch gar nicht geben würde, wenn man sie planen könnte, dann würde man ja sofort was dagegen tun - genauso kann man kleine Katastrophen im Alltag nicht planen. Jeder Gang vor die Haustür ist der Schritt in ein ungewisses Land für das wir keine Karte besitzen.

Aber wir brauchen Karten. Wir brauchen zumindest den Anschein der Orientierung. Sonst säßen wir alle bibbernd vor Angst in unseren Hütten und Zivilisation wäre ein Ding, das nie erfunden worden wäre. Insofern zieht es uns immer wieder zu diesen Listen mit den guten Vorsätzen. Wir bilden uns ein, wenn wir zumindest einen meistern können, dann können wir auch den Rest des Lebens im Griff behalten. Was uns einigermaßen auch gelingt, aber gerade weil wir nicht ständig planen. Sondern weil wir im Strom der Geschehnisse intelligent genug sind zu improvisieren. Der Alltag ist eine große Improvisationsaufgabe. Das Thema: Das soziale Zusammenleben. Das gelingt mal mehr, mal weniger gut. Weil wir improvisieren. Müssen.

In diesem Sinne sind Vorsätze nichts, was uns weiterbringt. Klar, man kann schon sehr zielgerichtete Dinge aufschreiben, die im nächsten Jahr besser sein sollen … Aber dann legen wir den Zettel ja meistens beiseite, weil wir schon wieder improvisieren müssen und es nicht so läuft, wie wir es geplant hatten. Wir können planen ein Ziel zu erreichen, aber in dem Moment in dem wir die Schritte smart aufschreiben sind die Gegebenheiten schon wieder andere. Vielleicht ist Lord Vetinari zu radikal und wir brauchen schon wenigstens so etwas wie eine Richtung und einen Ort, wo wir hin wollen. Aber vielleicht hat er auch Recht, wenn wir uns eher bis zu diesem Ziel durchwursteln werden als dass wir einen großen Gesamtmasterplan einen Punkt nach dem anderen vollführen werden. Wie dem auch sei: Ein Hoch auf Vetinari! Und ein Gutes Neues Jahr.

Kommentare  

#1 Laurin 2022-12-30 10:25
Zitat:
"Wir brauchen zumindest den Anschein der Orientierung. Sonst säßen wir alle bibbernd vor Angst in unseren Hütten und Zivilisation wäre ein Ding, das nie erfunden worden wäre."

Orientierung ist etwas, was uns eh nur recht grob zur Verfügung steht, weil in der Rechnung immer zu viele Unbekannte drin stecken und Zivilisation ist eine ganz dünne Membran, die bei einer leicht höheren Schwingung besser nicht reißt. Ansonsten zeigt der Mensch nämlich sein wahres und nicht gerade schönes Gesicht, mein lieber Kollege (mit ***innen ... irgendwo :lol: ).

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