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Eine Frage an ... Dietmar Kuegler: Wie war das mit Charles F. Lambert?

Eine Frage an Dietmar KueglerWie war das mit Charles F. Lambert?

Dietmar Kuegler erinnert auf Facebook immer wieder an bestimmte Daten und Ereignisse der amerikanischen Geschichte. Diese mehr oder weniger kurzen Vignetten sind interessant und ausgesprochen informativ und auf jeden Fall lesenswert.

In Absprache mit Dietmar Kuegler wird der Zauberspiegel diese Beiträge übernehmen.

Dietmar KueglerDietmar Kuegler:Die Pionierzeit Amerikas endete nicht abrupt in den 1890er Jahren mit der „Last Frontier“ in Oklahoma. Viele Elemente der wilden Jahre der Besiedelung Amerikas waren im Westen bis weit ins 20. Jahrhundert lebendig. Zahlreiche Menschen, die an der „Frontier“ geboren wurden und die Zeit des „Wilden Westens“ miterlebt – oder sogar mitgeformt – hatten, lebten lange genug, um davon erzählen zu können, z.B. Wyatt Earp, der 1928 starb, Elizabeth Custer (die bis 1933 lebte) oder Jason Betzinez, der letzte Krieger Geronimos, der 1960 diese Welt verließ.

Zu den bemerkenswerten Personen der Ära zwischen der Pionierzeit und dem Atomzeitalter gehörte CHARLES F. LAMBERT, der am 23. Januar 1887 – vor 134 Jahren – geboren wurde. Wenige Menschen in Amerika erinnern sich an ihn – in New Mexico ist er unvergessen.

„Fred” Lambert”, wie er allgemein genannt wurde, war mit 16 Jahren der jüngste Marshal im Territorium New Mexico, das erst 1912 zum US-Staat erhoben wurde. Der blutjunge Lambert stellte allein 3 Mörder und übergab sie den Behörden. Er wurde dafür Deputy-Marshal und später Deputy-Sheriff der kleinen Stadt Cimarron in New Mexico. Heute ein verschlafenes Nest, damals ein lebhafter Kreuzungspunkt von Frachtwagentrails.

Geboren wurde Lambert im Zimmer 31 des bekannten „St. James Hotel“ in Cimarron als Sohn der Inhaber, Henri und Mary Lambert. Dieses Hotel, das 1872 erbaut wurde, hatte schon damals einen legendären Ruf. Hier übernachteten berühmte und berüchtigte Gestalten wie die Brüder Earp und Doc Holliday, Bat Masterson, Kit Carson, Clay Allison, Annie Oakley, Black Jack Ketchum, angeblich auch Jesse James u. a. Vielen dieser Personen begegnete Fred Lambert als Kind.

Sein Vater Henri Lambert hatte als junger Mann als Koch Präsident Abraham Lincolns im Weißen Haus gearbeitet.

Ob die Erfahrungen mit den legendären Gestalten der frühen Pionierzeit den kleinen Fred beeinflussten, mag Spekulation bleiben. In jedem Fall hatte er einen prominenten Taufpaten: In der Nacht seiner Geburt tobte ein schwerer Wintersturm über den Norden New Mexicos, und einer der Gäste des St. James Hotels beglückwünschte die Eltern und bemerkte, der Sohn solle den Namen „Cyclone“ erhalten = Wirbelsturm. Die Lamberts fanden die Idee nicht so gut, aber sie fragten den Gast, ob er als Taufpate für Fred fungieren würde. Es handelte sich um niemand anderen als den schon damals berühmten „Buffalo Bill“ Cody.

Cimarron war in den 1880er und 1890er Jahren noch immer ein gefährlicher Platz. In diesem Hotel wurden bei Schießereien mindestens 27 Männer getötet. Es gab damals in Cimarron einen „Morgengruß“: „Wer wurde letzte Nacht bei Lamberts erschossen?“

Als 1902 das Restaurant des Hotels renoviert wurde, zählten die Bauarbeiter nicht weniger als 400 Kugellöcher in der Decke. 22 sind noch heute zu sehen. Damals wurde eine doppelte Balkendecke eingezogen, um die Hotelgäste in den Zimmern über dem Schankraum gegen Kugeln abzusichern.

Als Fred Lambert 15 Jahre alt war, nahm er einen Job als Frachtwagenkutscher zwischen Cimarron und Taos an. Daneben fungierte der kräftige Junge zeitweise als Reservationspolizist im Taos Pueblo. Zusammen mit zwei anderen Beamten geriet er in einen Kampf mit Alkoholschmugglern. Fred und seine Kollegen hatten einen von 6 Männern geführten Maultierzug entdeckt, der Whiskey-Fässer in die Reservation transportierte. Fred Lambert versperrte den Schmugglern den Weg, konfrontierte den Anführer, Juan Gallegos, und erklärte ihn für verhaftet. Als Fred sein Pferd neben ihm zügelte, um ihn zu entwaffnen, griff Gallegos zum Revolver. Fred griff blitzschnell nach dem hochschwingenden Colt, umklammerte mit eisernem Griff die Trommel und schob dabei seinen Zeigefinger vor den zurückgezogenen Hahn, so dass sich kein Schuss lösen konnte. Er riss dem Mann die Waffe aus der Faust, zog seinen eigenen Revolver und schlug damit dem anderen zwischen die Augen.

Fred Lambert trug für den Rest seines Lebens eine Narbe auf seiner Hand, die der Schlaghahn von Gallegos‘ Revolver gerissen hatte.

Im darauffolgenden Jahr wurde er mit 16 Jahren zum Deputy Marshal in Cimarron ernannt. Er blieb von da an im Polizeidienst. Hier lehrte der Deputy Frank Harrington, der den Eisenbahnräuber „Black Jack“ Ketchum gestellt hatte, Fred Lambert das schnelle Ziehen und akkurate Schießen mit dem Revolver. Die Schießübungen fanden im Gefängnishof von Cimarron statt.

Fred Lambert wurde Beamter der Territoriums-Polizei von New Mexico und war an der Jagd auf Mitglieder der berüchtigten „Wild Bunch“ beteiligt. Später wurde er zum Sheriff des Cimarron Countys gewählt und diente als „U. S. Special Officer“ bis nach dem 2. Weltkrieg.

Aber Fred Lambert war bei weitem nicht nur ein harter Polizeibeamter. Er war ein treusorgender Familienvater, der mit seiner Frau Katie einen Navajo-Jungen adoptierte, eine Ranch aufbaute und sich um den Erhalt historischer Gebäude in Cimarron kümmerte. Er sorgte für die Einrichtung eines lokalen Museums in der alten „Aztec Mill“; damit gehörte er zu den Gründern der „Cimarron Historical Society“.

Fred war auch ein talentierter Zeichner und schrieb Gedichte, die in zahlreichen Zeitungen und Büchern erschienen. Er selbst schrieb das Buch „Bygone Days Of The Old West“ und verfasste das Vorwort zu einem Buch über die Geschichte der „New Mexico Mounted Police“ mit dem Titel „A Few Words From an Old Mountie“.

Am 3. Februar 1971 – vor 50 Jahren – starb Charles Frederick Lambert, einer der letzten traditionellen Frontier-Polizeibeamten des ausklingenden Wilden Westens, friedlich im Bett.


Dietmar Kuegler gibt viermal im Jahr das »Magazin für Amerikanistik« heraus. Bezug: amerikanistik(at)web.de

Das Magazin für Amerikanistik, September 2020Die aktuelle Ausgabe

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