Der Ernst des Lebens: Perryfans und Fanatismus - Fantum
Der Ernst des Lebens:
Perryfans und Fanatismus - Fantum
Es ist ein kleiner Funke, der als Ursache einen großen Brand entzünden kann...ebenso kann ein unscheinbar wirkendes, wöchentlich erscheinendes Heft die Aufmerksamkeit und Kreativität erregen, die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes durch unnütze(?) Beschäftigung mit der wöchentlichen Sucht-SF-Dosis stören (oder sogar durch Motivation ankurbeln?).
Jedenfalls ist es immer wieder erstaunlich, dass im Roman gefallene Nebensätze lang und bereit diskutiert werden, oder die Fans sich in Foren ellenlang darüber auslassen, wieviele Tiuphoren nun in ein Banner passen...haben die Leute einfach zuviel Zeit? Können sie nichts Nützliches anfangen? Diese Forderung stelle ich natürlich auch an mich selbst...wer einmal Feuer gefangen hat, kann nicht mehr ab davon...man nörgelt, meckert ,lobt (ja, auch das gibt es...), aber die wöchentliche Dosis buntes Heft muss sein. Einige bevorzugen heute die e-book-Version, andere mögen eher das Haptische, das Papier, das bunte Titelbild anfassen, reinblättern, Kommentare dazu am Rande anmerken, Report und LKS lesen (oft zuerst) usw. Ja, ganze Dissertationen sind über diese Heftchenserie erschienen und von der Anzahl der Sekundärdokumentationen ist kein Ende zu sehen, dicke Bücher wurden verfasst über dieses Phänomen der ewigen (Krieger)-Heftserie...
Erstaunlich, wie intensiv etwa in Foren über die Logik der Existenz eines Zeitrisses diskutiert wird, über Multi-und Parakausalitäten, Eigenereignisse und ähnliches wie die inhärtente Logik der Hyperfrostanwendung auf Indoktriatoren. Was den Autoren nur kurze Sätze in der handlung eines Bandes sind, das blähen die Fans und Leser zu gewaltigen, verschwurbelten Überlegungstheorien auf, von denen manchmal durch Rückkopplung sogar die Serie profitiert, denn auch die Autoren lesen mitunter die Fan-Foren und übernehmen manchmal Ideen.... Denn, seien wir doch mal ehrlich und blicken der Wahrheit schonungslos ins Auge: der Autor will ja eigentlich nur Geld mit seiner Schreibe verdienen, er ist wahrscheinlich nicht in erster Linie SF-Fan...er könnte auch Horror schreiben, Western oder Liebesschmonzetten (und tut dies vielleicht sogar...).
Erstaunlich auch, wie jemand regelmäßig einmal pro Woche eine Rezension verfaßt, das steht wahrscheinlich im Terminkalender: Perry kaufen lesen, rezensieren, publizieren...
Aber der Perry-Fan, so er doch sicher auch Anderes liest (hoffentlich...) benötigt einfach seine wöchentliche Dosis Standard-SF, die ihm wichtig ist, sie ist eigentlich sogar ein integraler Bestandteil seines Lebens.Der Leser kann gar nicht mehr auskommen ohne seine Wochendosis Perry Rhodan. Zum Glück gibt es noch diejenigen, die nur am Rande das SF Heftchen lesen, weil sie auch mit anspruchsvollerer Literatur, oft sogar selbst im SF-Bereich, zufrieden sind. Für diese Leser ist der Perry nur ein Lese-Zubrot, das am Rande mal mitverschlungen wird...aber das sind ja auch nicht die echten Fans, die Fanatiker, die jede Mikro(bestien)-Handlung wochenlang mit immer neuen und alten Argumenten bis ins Kleinste totdiskutieren müssen... für diese Leser ist der Perry lebensnotwendig, da er einen großen Teil ihres Daseins ausfüllt...die Serie ist eben das Wichtigste auf der Welt neben dem eher marginalen real-life, das so nebenher mit dahinplätschert, bis der neue Band erschienen ist, über den man sich dann wieder analytisch-kritisch oder auch nur emotionell auslassen kann oder muss.
Bei wissenschaftlichen Untersuchungen zum Leseverhalten über Trivial -oder Paraliteratur geht es also weniger um das analytische sondern um die psychosoziale Situation des Einzelnen, dessen wöchentliche Perrysucht (dazu kommen noch die laufend nebenher gelesenen Alt-Zyklen...) erst sein Wohlbefinden garantiert, da er die zwei Stunden Lesevergnügen oder-Arbeit, je nach Veranlagung ebenso benötigt, wie die daraus folgenden mindestens aufgewendeten zwanzig Stunden der Diskussion, Rezension, Datensammlung, Hinweise auf inhärente Logik-oder Handlungsfehler usw.
Ist das nicht eigentlich alles völlig überflüssig und hält die Fans eigentlich davon ab, nützlichere Dinge zu tun?
Antwort natürlich: JA! Aber es macht eben einen Riesenspaß!
Es gibt eben nichts Ernsteres als das Hobby...insbesondere, wenn es sich um eine Art SF-Literatur handelt...die ganze Welt des Lesers dreht sich um Perry Rhodan...der ist also zumindest die Polachse des Universums...und vielleicht auch der Erbe...
© 2016 by H. Döring
Kommentare
Die Männer nehmen es für selbstverständlich, viel Zeit und Geld in ihre Besessenheit zu stecken. Klar, dass sie dann nicht mehr viel Zeit für anderes haben, ganz besonders nicht für Mithilfe im Haushalt. (Wenn meiner aufräumen sollte, fing er mit dem PR-Regal an und davor hockte er dann Stunden später immer noch in einem Berg aus Heftchen, die scheinbar ständig neu geordnet werden mussten. Diese Neuordnung ging meist mit dem Lesen von längeren Passagen aus den Romanen einher.)
Man(n) stelle sich aber mal vor, was los wäre, wenn eine Frau sich so in ihr Hobby verbeißt und darüber nicht mehr dazu kommt, den Haushalt zu machen oder sich um die Familie zu kümmern! Oder gar das Haushaltsgeld dafür ausgibt und dann die Sippe vor leeren Tellern sitzt.
"Man(n) stelle sich aber mal vor, was los wäre, wenn eine Frau sich so in ihr Hobby verbeißt und darüber nicht mehr dazu kommt, den Haushalt zu machen oder sich um die Familie zu kümmern! Oder gar das Haushaltsgeld dafür ausgibt und dann die Sippe vor leeren Tellern sitzt."
Das war mit ein Grund, warum ich mich von meiner Frau scheiden ließ, die hatte nur noch "Knuddels" im PC im Kopf.
Naja, als er dann die Erde endlich wieder entdeckte, fing er das Fremdgehen an. War sicher interessanter, als mir zuzugucken, wie ich seinen irdischen Scheiß organisiert und abgearbeitet hab, für den er sich zu fein war und für den er nie Zeit gehabt hatte, weil er ja das neue Heftchen lesen musste oder mit irgendwem den Handlungsstrang diskutieren.
Das war dann endgültig zu viel. Raus aus meinem Leben! Und PR gleich mitnehmen! Diesen Mitbewohner wollte ich dann auch unwiderruflich los werden.
Das hängt jetzt aber nicht an Perry Rhodan. Modelleisenbahner, Sportschützen, Autotuner oder Fußballfans können ganz genau so tief abtauchen.
@Kerstin: ich will ja nicht indiskret werden, aber wie lange warst Du denn mit dem zusammen?
11 Jahre habe ich an diesen unreifen Kasper verschwendet - 11 Jahre zu viel. Kanns heute gar nicht mehr verstehen, wie ich das ausgehalten habe.
@ larandil:
Klar, der Fetisch selbst ist austauschbar. Nur das Maß der Übertreibung und die Auswirkungen bleiben sich gleich.
Als Zweitbesessenheit entwickelte mein Ex das Mittelalterspielen. Das fand ich am Anfang noch besser, weil mich das Mittelalter auch interessiert und die Darstellung ihren Reiz hat. Aber natürlich musste er es maßlos übertreiben, bis ich auch davon nichts mehr hören wollte. Und die meisten anderen in der Umgebung auch nicht mehr.
Diese putzigen Tierchen sind wirklich was vom feinsten.
So richtig Fahrt nahm der PR-Fanatismus ja auch erst im Laufe der Zeit auf, als er die erzwungenen Einschränkungen seitens seiner Eltern (nicht genug Platz in der Wohnung für all die Bücher und Hefte, kein Geld, weil die Eltern beide Kettenraucher sind, usw.) dank meiner besseren Lebensorganisation hinter sich gelassen hatte. Ich habe allerdings verweigert, dass die Wohnung mit Raumschiffmodellen aus Plastik zugestellt wurde. Da war ich zu keinem Kompromiss bereit.
Mein Kater stand mir dabei treu zur Seite - und warf gnadenlos alles runter, was ihm bei seinen Exkursionen über Schränke und Regale im Weg stand.