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Nostalgie und Verklärung - Vergangenheit aus der Nähe betrachtet

1Nostalgie und Verklärung
Vergangenheit aus der Nähe betrachtet

Nein, damals war nicht alles besser, auch nicht schlechter … nur anders!

Tatsächlich waren die ( meist jungen) Leser von damals mit der manchmal grottenschlechten Schreibe von Ernsting&Co zufrieden. Es gab ja nicht viel anderes im deutschen SF-Bereich, wenn wir Übersetzungen aus dem Angloamerikanischen jetzt einmal vernachlässigen und nur die rein deutschsprachigen Publikationen betrachten.

Neben den anderen Heftreihen, die aber keine durchgehenden Serien bildeten oder deren Serien nur gefühlte fünfzig bis hundert Hefte durchhielten, war der Perry da schon ein Leuchtturm, an dem man nicht vorbeikam.

Betrachtet man von heute aus- und zwar ohne nostalgische Verklärung, die alten Hefte und liest sie noch einmal durch, angefangen mit Band 1 bis – sagen wir – Band 500 oder 1000, so ergibt sich erwatungsgemäß ein breites Spektrum an Beurteilungsmöglichkeiten. Ohne jetzt einzelne Autoren explizit zu erwähnen, gibt es Hefte, dieren textliche Inhalte das Alter gut überstanden haben und andere Texte oder Stile, über die man entweder schmunzelnd lächelt oder sich mit Grausen abwenden will.Einige Autoren schrieben so, dass die Texte auch heute noch gut lesbar sind, zeitlos sozusagen, solange man nicht mit den  analytischen Werkzeugen eines Germanisten darübergeht.Natürlich sieht man die erneut gelesen Hefte mit anderen Augen,da die Lebenserfahrung des Lesers zugenommen hat.

Manche Erzählung von damals würde er heute kaum noch so hinnehmen, wie siche einst plakatiert wurde. Andere Ideen können auch heute noch wirken.Es ist sogar möglich einige Texte von damals als Erholung gegenüber dem stilistischen Geschwurbel von heute zu lesen: klare, geradlinige Sprache.Andere Texte wiederum werden tunlichst überblättert. Gesagt sei, dass ich meist die Silberbände als Quelle verwende, mitunter aber auch die Einzelhefte zur Kontrolle über Auslassungen oder gezielte Veränderungen mit heranziehe.

Ein Beispiel: Rothemden im Perryversum gab es auch schon damals. Gerade bei KHS/HGE oder KM fallen die einfachen Soldaten der Raumflotte in Nebensätzen oft wie die Fliegen, während die Protagonisten überleben, wenn ein starker Impulsstrahlschuss durch die Zentrale fährt und nur die armen Funker erledigt, während Perry&Co natürlich überleben. In den Silberbänden ist diese Tendenz selbstverständlich etwas geglättet.In manchen originalen Heften wird doch arg übertrieben, wenn der Erzählfluss mit den alten Autoren durchgeht.Etwa wenn ein Impulschuss  des Feindes in einen Hangar trifft, und die halbe Besatzung des Schiffes auslöscht.

Aber auch die Terraner können das gut.Die Silberbände ersetzen ja den tödlichen Strahlschuss oft durch den Paralysator, Narkose- oder Schockstrahler (der bei Kurt Brand Paraschocker heißt). Dadurch wird so manche geschilderte Mordtat gemildert, nimmt aber auch die Spannung und die Logik weg. Natürlich soll Perry der moralisch überlegenen Gute sein, aber wenn der Feind scharf auf mich schießt, dann werde ich sicher nicht mit dem Palmzweig wedeln und mit Paralysatoren zurückschießen, denn wie heißt es so schön: wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.

Selbst der oft verklärte und viel besungene, auch von Fans nachgeahmte MdI-Zyklus erschließt sich mit seinen schwächen. Die allgemeine Verklärung kommt wohl wahrscheinlich daher, dass es sich hierbei um den ersten großen, hundert Hefte umspannenden Zyklus handelt (echte Großzyklen, die noch weitaus mehr Ausgaben umfassten, folgten dann viel später).Analysiert man aber die einzelnen Abenteuer auf innere Konsistenz, auf Stilmittel und/oder Beschreibungen oder Handlungsfortschritte, die dem Zyklus dienen, die MdI zu enttarnen, zu bekämpfen und zu besiegen, dann kommt man nicht umhin, auch hier Schwächen festzustellen, obwohl das Lesen nach wie vor Spaß macht und es auch fraglos ganz tolle Bände mit viel gutem Inhalt und Erzählkunst gibt.Rein gefühlt lassen sich aber ca. zwanzig Bände abziehen, die man damals noch Füllromane nennen durfte, weil sie dem Zyklus nicht wirklich voranhalfen. Dafür aber bedienten sie den Leser gut mit Abenteuern und mit Sense of Wonder.

Auch der Folgezyklus, der in M87 spielt, kommt noch auf seine hundert Bände als abgeschlossener Teil.Es ist schwer, die einzelnen Zyklein einzuordnen in gewollt gewählte, subjektive literarische Gruppen.Aber wenn, man es dennoch tut, dann würde ich die ersten 199 Bände als Sturm und Drang bezeichnen und die folgenden 200 als Klassik. Romantik im Sinne einer Literaturepoche finde ich im Perry eher nicht.Aber auch die mit Band 650 beginnenden, wirklich kosmischen Abenteuer, die uns als Leser langsam zu den Großzyklen führten, kann man, wenn dann denn will, als klassische Epoche zuordnen bis Band 1000. Die Einordnung ist, wie gesagt, vollkommen willkürlich. Wer anders klassifizieren will, der mag es tun.Es öffnet sich ja im Laufe der Handlung eine nach Voltz immer weiter aufklaffende schiene der kosmsichen bedeutungen, die im Grunde bereits in der ersten Hälfte des Cappinzyklus mit Kytoma bereits ihre schattenlosen Obelisken vorauswirft und mit dem schwarmzyklus in eine erste Phase der höheren  Bedeutung tritt.Bis dahin ist Perry, von ES vorsichtig hochgepäppelt, ja kosmisch gesehen, eher als Provinzler zu betrachten.Die wirklichen weiten des Kosmos und die tragfähigen, großen Abenteuer erschließen sich ihm erst stückweise, wenn er etwa als Katalysator jahrtausende alte Konflikte zum Abschluss bringt.

© 2020 by H. Döring

Kommentare  

#1 Laurin 2020-03-17 10:02
Zitat:
".Die Silberbände ersetzen ja den tödlichen Strahlschuss oft durch den Paralysator, Narkose- oder Schockstrahler (der bei Kurt Brand Paraschocker heißt). Dadurch wird so manche geschilderte Mordtat gemildert, nimmt aber auch die Spannung und die Logik weg. Natürlich soll Perry der moralisch überlegenen Gute sein, aber wenn der Feind scharf auf mich schießt, dann werde ich sicher nicht mit dem Palmzweig wedeln und mit Paralysatoren zurückschießen, denn wie heißt es so schön: wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus."

Nun ja, als ich das dann gemerkt hatte in den Silberbänden, kam ich mir schon etwas verschaukelt vor und habe es dann gelassen, weitere Bände zu lesen. :sigh:

Zitat:
"Aber auch die mit Band 650 beginnenden, wirklich kosmischen Abenteuer, die uns als Leser langsam zu den Großzyklen führten, kann man, wenn dann denn will, als klassische Epoche zuordnen bis Band 1000. "

Da war der kosmische Überbau allerdings auch noch etwas erträglicher. Spätestens mit der Invasion der Laren wechselte PR dann für mich allerdings langsam von der SF ins recht beliebige Wunderland. :cry:
#2 estrangain 2020-03-17 11:58
Derzeit lese ich den Schwarm-Zyklus, allerdings in den Silberbänden. Die Hefte wären für mich aufgrund des heldenhaften Auftretens und der markigen Sprüche der Hauptpersonen sowie des altbackenen und peinlichen "Humors" kaum erträglich.
#3 Heiko Langhans 2020-03-18 09:06
Ach - die wurden für die Silberbände rausgekürzt?

Man lernt doch nie aus.
#4 Andreas Decker 2020-03-18 09:41
zitiere estrangain:
Derzeit lese ich den Schwarm-Zyklus, allerdings in den Silberbänden. Die Hefte wären für mich aufgrund des heldenhaften Auftretens und der markigen Sprüche der Hauptpersonen sowie des altbackenen und peinlichen "Humors" kaum erträglich.


Da habe ich in die zweite Hälfte kürzlich noch mal reingesehen, in die Hefte, und kann dich nur bestätigen. Vor allem Ewers ist unlesbar geworden, seine Abschlussbände 68/69 gehören zu den schlechtesten der Serie.
#5 Cartwing 2020-03-19 21:15
Ich fand die Sandal Tolk - Bände von Kneifel damals extrem langweilig.
Keine Ahnung, ob diese Figur in den SIlberbänden auch nur erwähnt wird...
#6 Ringo Hienstorfer 2020-03-22 11:50
zitiere Cartwing:
Ich fand die Sandal Tolk - Bände von Kneifel damals extrem langweilig.
Keine Ahnung, ob diese Figur in den SIlberbänden auch nur erwähnt wird...

Der wird mehr als nur erwähnt...

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