Sinnlose K(r)ämpfe ... oder einfach mal die Fresse halten
...oder einfach mal die Fresse halten
Das Gefieder aufplustern, ein bisschen rumdröhnen, sich über Nichtigkeiten streiten, als wäre es das Wichtigste auf der großen, weiten Welt und ordentlich vom Leder ziehen. Dabei dann auch mal diese oder jene Spitze austauschen und sich freuen wie kleine Kinder beim Schiffe versenken.
Wenn sich dann der Pulverdampf verzieht und die Überlebenden vom Schlachtfeld humpeln, gehts an den Tresen ne Tasse Bier trinken und das Ganze ist vergessen.
Gleiches gilt fürs Fußballspielen (so wie ich es kenne), neunzig Minuten wird mit (fast) allen (erlaubten) Mitteln um den Ball gerungen und versucht das Runde ins Eckige zu bugsieren, aber pfeift der Schiri ab, wars das. Schluss, Aus, Feierabend. Es folgt ein zünftiges gemeinsames Trinken (zumindest in den Ligen, in denen ich gespielt habe) und alles war wieder gut (bis zum nächsten Spiel).
Doch es geht auch anders. In den siebziger Jahren ging es im SFCD und dem SF-Fandom hoch her, weil es fast schon ideologisch geprägte Auseinandersetzungen gab. Vorstände wechselten so schnell, dass es sich kaum lohnte sich die Namen zu merken. Rolf Michael gab in einer seiner Teestunden ja ein paar Einblicke ins Innenleben eines anderen SF-Clubs, der AGSF.
Bis vor kurzem tobte in FOLLOW ein langwieriger Streit, der sich über Jahre hinzog und zunehmend persönlicher wurde. Aus diesen Streitereien habe ich mich Anfang 2006 völlig verabschiedet (ja wirklich!), weil es mir zu dämlich und zu persönlich wurde (glaubt es ruhig). Da ging es längst nicht mehr um FOLLOW oder MAGIRA (gerade darüber würde ich mich gern wieder streiten, aber mit Kultur), sondern um die persönliche Verletzung.
Wer in den letzten Tagen, unser Forum oder unsere Leserbriefe verfolgt hat, konnte wieder Zeuge solcher Hahnenkämpfe und deren Auswirkungen werden, obschon das Ganze eine Qualität angenommen hat, die mir nicht mehr gefällt, wo ich die Lust verliere und das sonnige Lächeln auf meinem herben Antlitz durch zusammengekniffene, schmale Lippen ersetzt werden und sich eine steile Falte an der Nasenwurzel bildet. Ich stelle fest, zunehmend bissiger geworden zu sein. Der Spaß an dem Streit ging mit zunehmender Dauer flöten (und ich will nicht abstreiten, dass auch ich daran meinen Anteil habe, wozu auch, wer es liest, wird das herausfinden). Von einer sachlichen Auseinandersetzung inzwischen weit entfernt, hat sich scheinbar etwas verselbständigt. Wie gesagt und wie immer gibt es nicht nur einen Schuldigen.
Werde ich nun alt und weise? Oder erreicht das Ganze auch hier wieder eine Ebene, die man nicht mehr als harte, aber lustige und faire Auseinandersetzung bezeichnen kann? In einem Anflug von Selbstkritik muss ich feststellen, dass ich zwar zunehmend älter werde, von Weisheit aber wenig zu spüren ist. Der Weg ins Nirwana ist noch weit, so weit. Daher muss ich annehmen, dieser Zoff ist eskaliert. Die noch wichtigere Erkenntnis dabei: Schuldzuweisungen führen in keiner Weise weiter oder tragen gar zur Deeskalierung bei. Ich gestehe, es juckt mich in den Fingern hier jetzt loszulegen und richtig vom Leder zu ziehen, aber manchmal darf auch der Verstand über das Gefühl triumphieren - manchmal muss der Kopf auch den Bauch überstimmen.
Ich habe nichts dagegen, wenn jemand seiner Meinung über diesen oder jenen Beitrag im Zauberspiegel freien Lauf lässt. Diese Meinungen brauchen mir auch nicht zu gefallen. Im Zweifelsfall widerspreche ich und freue mich auf einen Hahnenkampf oder - mir inzwischen noch lieber - den Austausch von Gedanken. Der muss ja nicht zwangsläufig zu einer Einigung führen. Aber ein Dritter kann daraus seine eigenen Schlüsse ziehen. Das ist doch spannend. - Aber was zuletzt von sich gegeben wurde, ist davon Lichtjahre entfernt. Und damit völlig überflüssig.
Wir vertrauen den Usern des Zauberspiegel. Daher prüfen wir die Kommentare nicht vorab und schalten sie frei, ja wir haben nicht einmal Regeln im Forum. Dort haben wir einen Bereich, in dem sogar Gäste schreiben dürfen (was leider viel zu selten in Anspruch genommen wird). Wir freuen uns über Kommentare, auch über solche, deren Meinung wir nicht teilen. Normalerweise hat sich dieses System bewährt. Mich erfreut das. Andere Vorfälle machen mich mittlerweile wütend und führen dazu, dass ich (vielleicht überzogen) zurückschlage. Das ist nicht zielführend.
Somit wird dieser Leit(d)artikel ab hier eine echte Gratwanderung. Jedes Wort gilt es auf die Goldwaage zu legen und sorgsam abzuwägen. Das liegt mir normalerweise nicht, ist nicht mein Stil. Ich bin ein Freund einer direkten, offenen Sprache (Motto: Meine Manieren stammen vom Fußballplatz) und auch jemand, der seine Streitigkeiten auch mit Wonne ausficht, gern mal provoziert (einige meiner Leit(d)artikel geben beredtes Zeugnis über diese Leidenschaft) und kaum Jemandem etwas nachträgt. Aber andererseits wird jedes falsche Wort in diesem Artikel Öl ins Feuer gießen. Eigentlich sage ich in solchen Fällen: Holt den Tanker oder gebt mir ne Raffinerie, lasst die Flammen lodern, je heißer desto besser. Rein ins Vergnügen und ab dafür... Da fühlt man den Kampfesrausch wie Conan während einer Schlacht. Aber wird diese Schlacht zum zähen, opferreichen Grabenkampf, geht der Spaß vorbei und selbst Howards Barbar hängt seine Klinge an den Nagel und geht ins Kloster.
Doch inzwischen weiß ich: Es gibt Menschen mit denen kann ich nicht so streiten, dass es mir (und ihnen) Spaß macht. Mit denen komme ich nicht auf einen grünen Zweig und will auch gar kein Bier mit denen trinken. Ja, es gibt Menschen, die möchte man nach der Methode "Mafia" mit Zementschuhen im nächsten Fluss versenken, statt sich mit ihnen auseinander zu setzen. Normal ist, sich so was vorzustellen; unnormal ist es, so was dann auch zu tun.
Ich werde jetzt nicht beginnen, hier etwas aufzurechnen, was in der Weihnachtszeit 2006 begann, oder mich noch mal mit Privat- oder Exklusivmeinungen auseinandersetzen, egal ob sie von Menschen, Autoren, Rezensenten, Chefredakteuren oder Herausgebern kommen. Wenns nur um die und mich gehen würde, dann würde ich das wohl bis zum bitteren Ende ausfechten und mich richtig hineinsteigern. Wer wissen will, wie das aussieht, der muss nur einer Gruppe spielender Kinder anschauen, die sich in die Haare kriegen, streitenden FOLLOW-Lords zusehen oder in unser Forum gucken. Es werden metaphorische Zungen rausgestreckt und jeder nölt rum, dass er/sie aber nun Recht habe und der/die andere nicht. Der nächste Schritt wäre dann noch, dass die Beleidigungen mit der Zeit farbiger werden (Fäkal- und Abstammungsbeschreibungen, Längen von Genitalien, sowie bevorzugte Sexualpraktiken und -partner werden zu Rate gezogen) und durchaus richtig ins Persönliche gehen können.
Aber es geht nicht nur um mich. Im Falle solcher Auseinandersetzungen kann ich leider nicht sagen: Der Zauberspiegel bin ich! Dann könnte ich es nämlich bis zum bitteren Ende ausfechten. Das bringt hier und heute niemandem etwas. Ich bin aber nur, um im Bild zu bleiben, der erste Diener des Zauberspiegel (ein bißchen augenzwinkernder Pathos darfs schon sein). Die Pappnase, die vorne an der Spritze steht und das Projekt leitet. Das heißt, ich trage so was wie Verantwortung.
Es haben sich seit dem Start der Online-Version des Zauberspiegel viele alte und erfreulicherweise auch - neue Mitstreiter eingefunden, die mit mir zusammen am Zauberspiegel arbeiten, die tolle Artikel schreiben, die mit sich experimentieren lassen und spannende Dinge vollbringen. Tausend Leser kommen im Schnitt pro Tag, um sich auf unserer Seite umzutun. In etwas mehr als einem Jahr haben wir unglaublich viel erreicht (mehr als ich für möglich hielt). Da hat so ein ewiger Zoff nur einen äußerst begrenzten Unterhaltungswert. Irgendwo hat alles seine Grenzen.
Ein gewisser Weckruf in dieser Hinsicht war für mich der Leserbrief von Ingo Löchel. Ingo ist einer, der so brutal neutral ist, dass es mich als Meinungsmenschen schon fast schmerzt. Ich bewundere ihn ob dieser gnadenlosen Haltung. Ingo ist so was die Schweiz und zugleich das Rückgrat des Zauberspiegel. Gerade weil er in gewisser Weise unser wichtigster Mitarbeiter und ungeheuer fleißig ist (gerade weil er "mit allen spielt", ohne sich auf "Spielchen" einlassen zu müssen), halte ich es für Verschwendung von Talent und Zeit, dass er das Gefühl hat, sich einmischen zu müssen. Dieser Brief zeigte mir auch, dass ich mir die Rolle, in der ich wahr genommen werde, keinesfalls aussuchen kann. Das muss ich lernen und akzeptieren.
Ingo und die anderen Mitstreiter würde ich in die Pfanne hauen, wenn ich an dieser Stelle weiter mit Autoren, Menschen, Rezensenten und Herausgebern rumalbern würde bis metaphorisches Blut fließt. Zudem wäre es eine Verschwendung mentaler Energie, die ich lieber in das Schreiben von Artikeln bzw. kurzum in den Inhalt des Zauberspiegels investieren sollte. Das erfreut dann hoffentlich Leser und Mitarbeiter gleichermaßen - und hoffentlich mehr, als die voyeuristische Lust am Lesen von getippten Auseinandersetzungen.
Das heißt nicht, dass wir nun auf kontroverse Beiträge verzichten werden. Nein, mein Herr! Soweit wollen wir doch den Spaß nicht treiben. Kontrovers sein, das ist eine der Leitlinien des Zauberspiegel und ich bin nicht bereit darauf zu verzichten. Der Zauberspiegel braucht 'seine' Ecken und Kanten, muss und soll auch Widerspruch herausfordern. Also wird auch weiterhin nicht jeder Beitrag jeden erfreuen. Um es am Beipiel von Rolfs Teestunde festzumachen: Ich stehe dahinter (und das hat nichts mit Rufmord oder dem Benutzen von atmenden Werkzeugen zu tun), auch wenn das einen Haufen negativer Reaktionen mit sich bringt. Alles darf der Zauberspiegel sein, nur nicht stromlinienförmig, sorgsam darauf bedacht nirgendwo anzuecken. Bah. Das ist langweilig.
Was aber passieren wird: Nicht auf jede Meinungsäußerung zu unseren Beiträgen werde ich eine Antwort suchen und diese dann auch kundtun. Und wenn ich dafür soweit gehen muss wie der Ex-Nationaltorwart Harald Toni Schuhmacher. Der ist nach verlorenen Spielen, um seine Familie nicht zu verhauen, in den Keller gegangen und hat eine Stunde auf einen Sandsack eingeschlagen. Nach einer solchen Tortur ist bestimmt bei mir auch der Wunsch verraucht, in den textlichen Clinch zu gehen. Oder aber ich werde meinen Monitor anbrüllen, statt in die Tasten zu hauen. Einfach ins Bett gehen und schlafen. Oder wieder beginnen, selbst dem runden Leder nachzujagen... Der Möglichkeiten sind viele. Einfach mal die Fresse halten das ist das Beste was man tun kann.
Ob ich das rückfallfrei hinbekomme, weiß ich nicht. Aber eines steht fest: Lieber machen wir einen guten, lesbaren Zauberspiegel, der unterhaltsam, kontrovers und spannend ist, als uns weiter in dieser Form mit wem auch immer zu balgen.
Soll doch Gunter Arentzen behaupten, der Zauberspiegel wäre ein Boulevard- oder volkstümlicher ausgedrückt ein Schmuddel- oder gar Gossenblatt. Soll doch Gunter Arentzen behaupten, ich würde Leichen schänden, Rachefeldzüge führen oder führen lassen oder was auch immer. Sollen doch andere schreien, ich könne nicht schreiben und beherrsche die deutsche Sprache nicht. Dann behaupten die das. Ich kanns ihnen nicht verbieten (obwohl ich mir das manchmal das sei freimütig eingeräumt - wünsche). Eine gesunde Gleichgültigkeit muss her. Gleichgültigkeit, die verhindert gegen Windmühlenflügel zu kämpfen. Das Motto muß lauten: In der Ruhe liegt die Kraft.
Kommentare zu unseren Beiträgen, gleich wo, gleich von wem müssen mich auch mal kalt lassen.
Der Zauberspiegel und sein Inhalt hat Priorität. Nicht das, was andere dazu meinen meinen zu müssen. Ebenso wenig muss ich auf jeder Seite und in jedem Blog aufkreuzen wo irgendwer etwas Negatives über den Zauberspiegel sagt, unabhängig vom Wahrheitsgehalt. Ich wiederhole das gerade für mich selbst, um diese Haltung zu verinnerlichen.
Das heißt selbstverständlich NICHT, dass Kritik und Anregungen grundsätzlich ins Leere laufen. Um Gottes willen: NEIN. Nie! Selbst harsche Worte stoßen in aller Regel auf ein offenes Ohr und werden beantwortet, aufgenommen oder gar umgesetzt. Ich werde mich auch weiterhin mit den Kommentaren auseinandersetzen, aber eben nicht von jedem an jedem Ort und auf Teufel komm raus. Ich wünsche mir eine lebendige Streitkultur, Widerspruch und den Austausch von Gedanken, ohne dass dabei immer einer Recht haben muss. Ich verstehe unter Meinungsaustausch nicht die Pointe eines alten Kalauers. Der besagt, dass ein Meinungsaustausch darin besteht zu mir mit einer Meinung zu kommen und mich mit mit meiner Meinung zu verlassen. Die Zeiten der Reichseinheitsmeinung sind (zum Glück) vorbei.
Solange Spamterror uns nicht zwingt anders zu handeln, werden wir auch das Gästeforum offen halten, damit wirklich jeder Leser, sich zu Wort melden kann. Die Kommentare werden nicht vorab geprüft. Meinungsfreiheit soll es weiterhin in vollem Umfang geben. Unzensiert. So ist es! So soll es bleiben.
Nun, da der Spaß für mich von mir für beendet erklärt worden ist, wollen wir zum Alltagsgeschäft zurückkehren, das da heißt: Den Zauberspiegel mit Beiträgen füllen, ihn zu einer interessanten Lektüre für alle seine Nutzer und auch unseren Mitarbeitern zu machen.
Wir lesen uns...
Kommentare
Ich habe mich lange nicht mehr hören lassen, aber diesen Artikel muss ich einfach kommentieren und somit würdigen.
Sehr schön geschrieben und treffend formuliert.
Lass die stänkernden Pappnasen einfach mal am Schild der "scheinbaren" Gleichgültigkeit abprallen, denn wenn man sich ärgert und reagiert, dann freut es sie doch bloß und ermuntert sie weiter zu nörgeln, zu nölen und besserzuwissen.
Anstatt ihnen weiteren Treibstoff für immer ausgedehntere "Feldzüge" zu liefern, einfach passiv abblocken.
Meine Unterstützung hierbei ist Dir sicher.
Da bekommt man als Neuling im aktiven Fandom fast schon Angst, einen Beitrag zu schreiben, weil man befürchten muss, dass dieser zu Mord und Totschlag führt...
In diesem Zusammenhang möchte ich in all meiner Bescheidenheit auf meine Gelassenheit hinweisen, da es ja mein Artikel war, dem Boulevard-Journalismus vorgeworfen wurde. So what?
Man könnte an dieser Stelle auch die (glaube ich) Schlusszeile von "Lass sie reden" von den Ärzten zitieren.
Nur eine Anregung noch, um das Ganze wirklich zum Abschluss zu bringen: Wäre es nicht eine weitere Maßnahmen, nun die Leserbriefe von M. Schadt und Ingo von der Startseite zu entfernen?
Was ist denn hier los?
Da liest man mal gut zwei Wochen nur kurzweilig mit und schon so etwas?
Aber wie immer, Horsti, ein sehr schöner Artikel, der zum nachdenken anregt...