... Lincoln Child und Douglas Preston über Kreuzfahrtschiffe und ihre Eignung für Thriller
... Lincoln Child und Douglas Preston ...
... über Kreuzfahrtschiffe und ihre Eignung für Thriller
Zauberspiegel: Zu Beginn erst einmal: Herzlichen Glückwunsch zu The Wheel of Darkness. Es ist ein großartiges Buch, und ich habe die Lektüre wirklich genossen. War es nicht sehr schwierig, nach der beeindruckenden Diogenes-Trilogie ein neues Buch zu schreiben, das Agent Pendergast zum Hauptcharakter hat? Es war bestimmt nicht einfach eine Story zu finden, die mit den Geschehnissen eurer früheren Bücher mithalten kann...
Lincoln Child: Es war ein wenig einschüchternd, nach der Diogenes-Trilogie zu Pendergast zurückzukehren. Also haben Doug [Preston] und ich uns dazu entschlossen, Pendergast aus seiner gewohnten Umgebung herauszuholen, und ebenso aus der Umgebung, die in den vorangegangenen Büchern eine Rolle gespielt hat. Das hat es uns gewissermaßen erlaubt frisch zu starten und machte die Aufgabe ein wenig leichter.
Zauberspiegel: Eure Romane spielen immer an interessanten Orten: Ein Labor in der Wüste, ein gewaltiger Öltanker, ein kleines Dorf mitten im Nirgendwo, die Unterwelt von New York City. Dieses Mal habt ihr ein Kreuzfahrtschiff als Tatort ausgewählt. Wie kamt ihr auf diese Idee?
Lincoln Child: Wir waren beide fasziniert von der Idee, den neusten, größten und opulentesten Luxusliner der Welt zum Setting eines Thrillers zu machen. Nicht nur, dass es interessant wäre das fiktive Schiff zu entwerfen und mit Personen zu bevölkern; gleichzeitig würde sich daraus in gewissem Sinn die extremste Form einer Geschichte mit dem Effekt der geschlossenen Tür ergeben schließlich kann man von einem Schiff, das mitten auf dem Ozean schwimmt, nicht entkommen..., ob man nun der Täter, der Ermittler oder das anvisierte Opfer ist!
Zauberspiegel: Wie habt ihr Euch darauf vorbereitet, The Wheel of Darkness zu schreiben? Habt ihr eine Kreuzfahrt mitgemacht und das Schiff während der Reise erkundet? Oder habt ihr etwas ganz anderes getan?
Lincoln Child: Ich habe den Atlantik zweimal auf Passagierschiffen überquert (die zufälligerweise aus Deutschland stammten), von New York nach Southampton und wieder zurück, weshalb ich etwas an eigener Erfahrung mit den Linern habe. Die Nachforschungen, die wir zu Supertankern für The Ice Limit [deutsch: Ice Ship] angestellt haben, waren ebenfalls hilfreich. Und den Rest haben wir mit Hilfe einer Menge guter, altmodischer Recherche bewältigt: Wir haben Personen kontaktiert, die auf solchen Schiffen gearbeitet oder sie kommandiert haben und damit ihren Lebensunterhalt verdienten, und ihnen Unmengen an Fragen gestellt.
Zauberspiegel: Die Vorstellung eines Bildes, das dem Gehirn Schaden zufügen kann, ist ziemlich verstörend. Ist das eine Sache, die ihr euch nur so ausgedacht habt, oder gibt es wissenschaftliche Forschungsergebnisse, die diese Idee untermauern?
Lincoln Child: Ein wenig von beidem. Wir versuchen in unsere Romane Elemente einzubauen, die zunächst übernatürlich erscheinen, für die es letztendlich allerdings eine wissenschaftliche Erklärung gibt. In diesem Zusammenhang ist dieser Aspekt in The Wheel of Darkness vermutlich das krasseste Beispiel dieser Art, das in unseren bisher erschienenen Büchern eine Rolle spielt. In gewissem Sinne ähnelt es dem, was Diogenes Pendergast im Finale von The Book of the Dead [deutsch: Maniac], unserem vorangegangenen Roman, zu erreichen versuchte, geht dabei aber sogar darüber hinaus.
Zauberspiegel: In euren Romanen tauchen häufig Apparate und Ereignisse auf, die recht fantastisch anmuten, wie etwa die monströse Phantasmagorie in Maniac. Versucht ihr üblicherweise wissenschaftliche Belege für diese Apparaturen zu finden, oder lasst ihr eurer Fantasie einfach freien Lauf?
Lincoln Child: Wie ich schon in der vorangegangenen Antwort gesagt habe, tauchen in unseren Romanen manchmal Apparate auf, die hin und wieder fast schon ein wenig übertrieben wirken. Wir suchen immer nach aufregenden neuen Ideen, Storywendungen oder bizarren Gefahren, die Teil der Story sind und in die unsere Protagonisten hineingeraten, aber wir versuchen dabei gleichzeitig, unsere Fantasie im Zaum zu halten wenn wir es allzu sehr übertreiben, wird es für uns letztendlich nur umso schwerer, unseren Lesern alles glaubhaft zu verkaufen.
Zauberspiegel: Aloysius Pendergast ist der beliebteste Charakter, den ihr bislang entworfen habt. Obwohl er ziemlich exzentrisch ist, lieben ihn die Leser. Habt ihr irgendeine Idee warum Pendergast so viel mehr geliebt wird als eure weniger eigenwilligen Protagonisten, wie etwa Will Smithback?
Douglas Preston: Die Leser lieben Pendergast nicht, obwohl er exzentrisch ist, sondern weil er es ist. Pendergast ist ein Mann, der abseits von Raum und Zeit steht, ein Gentleman aus dem 19. Jahrhundert in der Welt des 21. Jahrhunderts, der aber einen kalten, harten und sogar unbarmherzigen Wesenszug an sich hat, der verstörend wirkt. Ein Leser meinte, er wirke wie eine Kreuzung aus Sherlock Holmes und Hannibal Lecter, ohne den Kannibalismus... Als Charakter ist Pendergast für uns sehr real, realer sogar als viele tatsächlich lebende Menschen, die wir kennen. Wir kennen ihn sehr, sehr gut was zur Folge hat, dass er uns manchmal Angst einjagt.
Zauberspiegel: In The Wheel of Darkness geht ihr ja recht gnadenlos vor. Viele Menschen sterben, darunter auch ein Teenager, der brutal ermordet wird. Dagegen scheint es so, dass zum Ende der Diogenes-Trilogie für die Protagonisten alles so weit in Ordnung zu sein scheint (außer vielleicht für Constance Greene und natürlich für Diogenes). Das gibt mir zu denken: Habt ihr jemals daran gedacht, eine eurer Hauptfiguren im Laufe der schrecklichen Geschehnisse, die Pendergasts wahnsinniger Bruder verursacht hat, sterben zu lassen?
Douglas Preston: Dazu können wir nur sagen: Warte, bis du Cemetery Dance, unseren nächsten Roman, liest, der im Sommer 2009 erscheinen wird. In diesem Roman wird es keine Gnade geben absolut keine. In unseren Romanen ist kein Charakter sicher...
Zauberspiegel: Auf eurer Homepage erfährt man eine Menge Details dazu, wie man gemeinsam einen Roman verfasst. Es gibt da allerdings eine Sache, die nicht erwähnt wird, die mich aber trotzdem interessiert: Wenn ihr Ideen für neue Handlungen habt, wie entscheidet ihr euch, welche davon ihr für eure Einzelromane verwendet und welche für eure gemeinsamen Werke?
Douglas Preston: Oft ist das eine Sache der Vorlieben. Ein Beispiel: Linc [Child] hat zunächst angeboten, die Idee zu Utopia [deutsch: Das Patent] im Rahmen unserer Partnerschaft zu verwenden. Er hat vorgeschlagen, dass wir zusammen ein Buch schreiben, das in einem futuristischen Freizeitpark spielt. Die Idee hat mich einfach nicht gereizt ich bin einfach kein Fan von Freizeitparks. Linc hat die Idee fantastisch umgesetzt, aber ich hätte nicht allzu viel dazu beitragen können. Andererseits gehören die paläontologischen Themen und die Settings in den Wüsten des Südwestens [der USA] aus Tyrannosaur Canyon [deutsch: Canyon] ganz und gar zu meinem Interessengebiet und weniger zu dem von Linc.
Zauberspiegel: Eure Romane sind in Deutschland ziemlich bekannt. Gibt es eurerseits irgendwelche Pläne, hierher zu kommen und eure Bücher vorzustellen oder eine Lesung zu halten, etwa auf der Frankfurter Buchmesse?
Douglas Preston: Wir würden wahnsinnig gern nach Deutschland kommen und unsere deutschen Leser treffen. Bisher habe ich Italien, Holland, Belgien und Frankreich besucht. Es war eine wundervolle Erfahrung, Leser aus verschiedenen Ländern kennen zu treffen! Aber von allen europäischen Ländern sind unsere Bücher in Deutschland am bekanntesten. Deshalb haben wir hier unseren größten fremdsprachigen Buchmarkt! Leider spricht nur einer von uns beiden Deutsch (Linc, ich spreche Italienisch). Wir sind und sicher, dass ein Besuch in Deutschland eine höchst lohnende Erfahrung wäre.
Zauberspiegel: Okay, letzte Frage (aber eine, die einem echten Fan nicht fehlen darf): Könnt ihr mir einen kleinen Hinweis auf das geben, was ihr als nächstes plant? Ein neues Pendergast-Abenteuer oder etwas komplett anderes?
Douglas Preston: Ich habe oben schon auf unser nächstes Buch, Cemetery Dance, angespielt. Es wird in New York spielen und greift auf die Atmosphäre des alten New York aus The Cabinet of Curiosities [deutsch: Formula] zurück. Es geht um eine Reihe fremdartiger westindischer Praktiken, die als Obeye oder Obeah bekannt sind. Das könnte unser bis dato schockierendster Roman werden... Die Leser werden nicht geschont!
(Übersetzt von Jochen Adam)
Zu den Autoren:
Douglas Preston wurde 1956 in Cambridge, Massachusetts, geboren und wuchs mit zwei Brüdern im Vorort Wellesley auf. Er studierte in Kalifornien zunächst Mathematik, Biologie, Chemie, Physik, Geologie, Anthropologie und Astrologie und später Englische Literatur. Nach dem Examen startete er seine Karriere beim American Museum of Natural History in New York, das später zentraler Handlungsort vieler seiner Romane werden sollte. Dort arbeitete er als Redakteur und Autor, später als Chefredakteur; auch sein erstes Sachbuch, Dinosaurs in the Attic, stammt aus dieser Zeit.
1986 zog er von New York nach Santa Fe, um Schriftsteller zu werden. Als solcher veröffentlichte er zunächst eine Reihe von Sachbüchern. Seit den 1990ern verfasst er gemeinsam mit Lincoln Child Thriller, die weltweit große Erfolge feiern.
Douglas Preston schreibt auch Solo-Romane und verfasst Artikel für renommierte wissenschaftliche Magazine. Er forscht am Laboratory of Anthropology in Santa Fe und ist PEN-Mitglied. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.
Lincoln Childwurde 1957 in Westport, Connecticut, geboren. Seine ersten Schreibversuche machte er bereits in der Grundschule. Im Laufe seiner Schulzeit, die er zum Teil in England verbrachte, verfasste er mehrere Kurzgeschichten und zwei Romane, die heute allerdings streng unter Verschluss gehalten werden.
Lincoln Child studierte in Northfield, Minnesota und schloss 1979 in Englischer Literatur ab. Im gleichen Jahr bekam er eine Stelle als Lektoratsassistent bei St. Martin's Press, wo er 1984 Lektor wurde. Mitte der 1980er gab er einige Anthologien mit amerikanischen Geister- und Horrorgeschichten heraus. Während seiner Arbeit zu einem Buch über das American Museum of Natural History lernte er Douglas Preston kennen; gemeinsam entschlossen sie sich dazu, einen Thriller zu schreiben, der im Museum spielen sollte. Dies war der Auftakt einer langjährigen Freundschaft und Zusammenarbeit.
Nach einem kurzen Zwischenspiel als Programmierer entschloss er sich 1995, Vollzeitschriftsteller zu werden. Wie auch Douglas Preston publiziert er, neben den gemeinsamen Werken, Solo-Romane. Lincoln Child ist verheiratet und hat eine Tochter
Weitere Informationen zu den Autoren und ihren Büchern finden sich unter:
http://www.preston-child.de/index_html
Herzlichen Dank noch mal an die beiden Autoren, die meine Fragen schnell und unkompliziert beantwortet haben.