... Michael Hetzner über sein »Prager Requiem«, Major Svátek und Eva Krásná sowie zukünftige Projekte
… Michael Hetzner ...
… über sein »Prager Requiem«, Major Svátek und Eva Krásná sowie zukünftige Projekte
Ich wurde 1955 in Heilbronn am Neckar geboren. Nach der Mittleren Reife absolvierte ich eine Lehre zum Technischen Zeichner.
Danach arbeitete ich, anstatt zur Bundeswehr zu gehen, drei Jahre in einem Krankenhaus. Anschließend kam das Abi, dann ein Lehramtsstudium (Germanistik, Musik, Pädagogik).
Auf das Zweite Staatsexamen hatte ich keinen Lust, stattdessen machte ich den Magister. Dann fing ich bei einer großen deutschen Bank als Berater an, später arbeitete ich als Trainer und Coach. In dieser Zeit promovierte ich.
Zuerst zum Dr. phil., dann zum Dr. paed. Seit Dezember 2011 bin ich freigestellter Mitarbeiter. So habe ich auch mehr Zeit zum Schreiben.
Das begann mit dem wissenschaftlichen Schreiben. Zuerst mit meiner Magisterarbeit, dann mit meinen beiden Dissertationen. Dann folgten einige wissenschaftliche Essays sowie die ersten Erzählungen.
Eine überraschende Erkenntnis für mich war, dass man als ausgebildeter Germanist vom ästhetischen und belletristischen Schreiben so gut wie keine Ahnung hat.
Nein.
Seit 1991 lebe ich jeweils ein paar Monate im Jahr im Westböhmen. Von dort ist es nicht weit nach Prag und ich fahre regelmäßig dorthin. So kam mir, auch unter dem Eindruck von MilošUrbans Roman „Die Rache der Baumeister“ die Idee, einen Prag-Krimi zu schreiben.
Prag, Frühjahr 1996. Eine Mordserie erschüttert die Goldene Stadt. Der Täter mordet immer an Jahrestagen von Heiligen und liebt grausame Inszenierungen. Der ermittelnde Major Svátek und seine Assistentin Eva Krásná stehen vor einem Rätsel. Welche Rolle spielt der reiche Geschäftsmann Jan Fajn, der als Spätberufener kurz vor seiner Priesterweihe steht?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden seiner Pflegetochter und den Morden? Der Fall nimmt eine dramatische Wendung, als Eva entführt wird. Svátek muss nun schnell und unkonventionell handeln, um das Geheimnis des Prager Requiems zu lüften.
Absolut! Die Vergangenheit einiger Figuren spielt deutlich in die Gegenwart hinein. Das gilt sowohl für Svátek als auch für Eva und Eduard Rath, einen steinalten Juden. Einer von Sváteks Gegenspielern, Abbé Fajn, ist mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart zu Hause.
Sowohl die Nazizeit als auch die Herrschaft der Kommunisten,und der Umbruch von 1989 sind für die Handlung bedeutsam.
Mir ging es auch darum, zu zeigen, wie Täter und Opfer unter den drei großen totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts, dem Dritten Reich, dem Kommunismus und der katholischen Kirche, gelebt und gelitten haben.
Das war so geplant. Denn aus dem Altersunterschied ergibt sich einer der zentralen Konflikte des Romans. Svátek liebt Eva, aber er wagt es nicht, ihr seine Liebe zu gestehen.
Eva verkörpert für ihn Eigenschaften, die er bei sich aufgrund seiner Vergangenheit schmerzlich vermisst: innere Ruhe und Gelassenheit. Eva liebt Svátek auch, aber in diesem Punkt ist die sonst so moderne und aufgeschlossene Frau sehr traditionell. Svátek muss den Anfang machen.
Was beide auszeichnet, ist Mitgefühl und tiefe Empathie mit den Armen und Schwachen. Aufgrund ihrer Lebensumstände, Svátek wurde als Kind von den Nazis nach Berlin verschleppt, Eva hat einen behinderten Sohn, wissen sie, was es heißt, Opfer zu sein.
Das ist auch der Grund, weshalb sie sich gegen alle äußeren Widerstände so in den Fall verbeißen. Für beide ist ihre Arbeit auch der Versuch, diese Welt ein wenig besser und gerechter zu machen. Am Ende gelingt ihnen das ja ein Stück weit.
Svátek hat in seinem Leben viel gelitten. Das hat ihn zwar nicht verbittert, aber er wurde zum Einzelgänger. Hier gibt es deutliche Parallelen zu vielen Heiligenlegenden. Dann ist da natürlich sein Name. Svátek bedeutet wörtlich „Der Heilige“. Dazu kommt, dass er auf Hierarchien und Machtverhältnisse keine Rücksicht nimmt.
Von einem Onkel hat Svátek viel Geld und wertvolle Immobilien in Prag geerbt. Das macht ihn finanziell unabhängig. Er kann sich nicht nur Designerkleidung, sondern auch eine Prager Luxuswohnung leisten. Außerdem hat er sich seinen Traumwagen gekauft: einen Cadillac Sixty Two.
So etwas weckt natürlich Neid. Andererseits wird Svátek wegen seiner Integrität und Geradlinigkeit respektiert. Baloun, einer der Ermittler, der vor fast nichts und niemand Respekt hat, empfindet für Svátek fast schon so etwas wie Verehrung.
Das ist richtig: Svátek liebt Eva und Eva liebt Svátek ebenfalls. Aber bei ihr wird deutlich, dass diese Liebe auch etwas mit ihrer Lebenssituation und ihrer Rolle als besorgte Mutter zu tun hat.
Mit dem reichen Svátek als Mann könnte sie sich voll und ganz ihrem behinderten Sohn Robin widmen und könnte sich die teuerste medizinische Behandlung leisten. Aber bei Eva spielt nicht allein die Vernunft eine Rolle. Sie liebt Svátek auch wegen seiner Verlässlichkeit und Integrität.
Bei Svátek ist das sicher durch seine Unruhe und Einsamkeit bestimmt. Evas gelegentliches Trinken ist sicher auch durch ihre persönliche Situation, vor allem durch ihren behinderten Sohn Robin, zu erklären.
Aber auch durch den Wunsch nach Geborgenheit. Baloun ist der klassische Bier- und Knödeltscheche, da gehört das Tinken einfach zum Leben und der kulturellen Tadition. Nach wie vor sind die Tschen unter den größten Trinkern Europas, das ist statistisch erwiesen.
Das hängt in erster Linie von den Lesern und damit vom Erfolg des Romans ab. Die Hauptfiguren eigenen sich auf jeden Fall für eine Fortsetzung.
Ich habe bereits eine Krimi-Groteske in der Tradition von Wolf Hass und dem „Schwejk“ fertig, die ebenfalls in Prag spielt. Außerdem einen Lokalkrimi, der sowohl in meiner Heimatstadt Heilbronn, als auch in Leipzig und in Prag spielt.