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... Peter Mennigen über den Abyssus

Peter Mennigen... Peter Mennigen über den Abyssus

Fans gut geschriebener, mitreißender Romane Können sich wahrhaft nicht beschweren. Zur Zeit gibt es auf dem (deutschen) Buchmarkt eine ganze Reihe erstklassiger Romane, die einen von der ersten bis zur letzten Seite zu überzeugen wissen.

Unter all diesen exzellenten Werken findet sich aber immer wieder eines, das, aus welchem Grund auch immer, in besonderer Weise heraussticht. Zu dieser Gruppe von Romanen gehört mit Sicherheit auch Peter Mennigens vielschichtiger und enorm tiefgründiger Mystery-Thriller »Abyssus«.

Wie kaum ein zweites Buch versteht es Mennigens Roman, seine Leser zum Nachdenken anzuregen und sie auch lange nach der Lektüre noch zu beschäftigen.

Dass wir vom Zauberspiegel es uns da nicht nehmen lassen konnten, dem Autor einige Fragen zu seinem Machwerk zu stellen, ist wohl leicht verständlich. 

Zauberspiegel: »Abyssus« unterscheidet sich deutlich von den Romanen, die Sie sonst schreiben. Was hat Sie dazu bewogen, sich nun einem Buch zuzuwenden, in dem es um Hexen und das Jüngste Gericht geht?
Peter Mennigen: Als ich Anfang der 80er Jahre das erste Mal Paris besuchte, hat mich die Stadt sehr beeindruckt. Ich beschäftigte mich in der Folgezeit zunehmend mit ihrer Geschichte und stieß dabei auf viele düstere Geheimnisse und rätselhafte Verbrechen, auf Geheimlogen, Kulte und Hexen, die es hier gab und immer noch gibt. Die mystische Vergangenheit der Stadt fand ich zwar sehr interessant, aber noch nicht interessant genug, um darüber ein Buch zu schreiben. Die Idee dazu hatte ich erst Jahre später, als ich im Fernsehen einen Beitrag über das Massachusetts Institute of Technology sah, wo man künstliche Intelligenz im Computerbereich entwickelte. Spontan kam mir dabei in den Sinn: Frankenstein lebt. Im Mittelalter versuchten Hexenmeister mit Schwarzer Magie Gott zu spielen und heute arbeiten Wissenschaftler mittels Computertechnologie und Gentechnik an demselben Ziel.
Zunächst war es nur ein vager Gedanke, dass ich eine Geschichte schreiben könnte, in der diese beiden gegensätzlichen Welten aufeinander prallen: Mystik und Technik, die mit unterschiedlichen Methoden beide auf dasselbe Ziel hin arbeiteten. Nach und nach entwickelte sich ein mögliches Szenario, aus dem sich dann eine immer konkretere Handlung herauskristallisierte. Paris erschien  mir als Handlungsort ideal, da ich zu diesem Zeitpunkt schon sehr viel über die Stadt recherchiert hatte und es in Europa kaum eine andere Metropole mit einer so geheimnisvollen Historie gibt.


Zauberspiegel: »Abyssus« läuft unter dem Label „Mystery-Thriller“. In gewissem Sinne ist trifft diese Bezeichnung ja auch zu, doch der Roman ist so viel mehr als das. Religion, Wissenschaft, Charakterdrama – es lassen sich Elemente aus den verschiedensten Bereichen finden. Stand für Sie von Anfang an fest, dass »Abyssus« derart komplex werden soll, oder hat sich das erst im Schreibprozess ergeben?
Peter Mennigen: Die Geschichte entstand aus eher simplen Handlungssträngen und wurde dann immer komplexer. Ich hatte vor Jahren eine Urfassung des Romans geschrieben, deren Umfang nicht ein Viertel des heutigen Buches hatte. Mit dem Ergebnis war ich nicht zufrieden, denn es war „nur“ ein mystischer Krimi, ein mehr oder weniger austauschbarer Mystery-Roman. Deshalb legte ich das Skript erst einmal beiseite. Irgendwann meldete sich ein Verleger, dem ich eine Leseprobe der Geschichte gezeigt hatte. Er wollte die Story nun veröffentlichen. Besser ein fertiges Buch im Regal als ein unfertiges in der Schublade, dachte ich mir und kramte das Skript wieder aus seiner Versenkung, um es vor der Abgabe noch einmal zu redigieren. Dabei kam dann die Initialzündung, die aus einer banalen Story dieses komplexe Weltuntergangsszenario gemacht hat. Durch Hinzufügen bzw. Anbinden von Fakten verlieh ich diesem Phantasieprodukt nun reale Elemente. Um den Roman authentisch zu gestalten, musste ich bei allem viel mehr in die Tiefe gehen, als ich es vorher getan hatte. Ich beschäftigte mich mit Quantenphysik und Magie. Vor allem betonte ich den Aspekt, dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat und der Mensch seitdem versucht wie Gott zu sein. Ich setzte mich mit Religionen auseinander und las in allen möglichen Fassungen der Bibel, beschäftigte mich mit der Kabbala und entdeckte dabei eine ganze Reihe verblüffender Dinge. Die Kabbala, die geheime Zahlenmagie der Juden, brachte mich auf die Idee mit dem Abyssus, dem Abgrund zwischen dem Menschlichen und dem Göttlichen. Dieser Abgrund faszinierte mich immer mehr, denn er stand nicht nur für das Jenseits. Dank der Zahlenmagie gab es einen Weg, ihn auch vom Diesseits aus zu erreichen. In der Wissenschaft gibt es ein Pendant: die durch den Urknall entstandene Anti-Materie. Ich verknüpfte den Mythos der Kabbala mit Physik: Was, wenn die Kabbala den Weg zu dieser Anti-Materie wies und die bei falscher Handhabung in die Realität einbrechen und sich mit der Materie mischen würde? Wenn es dadurch quasi zu einer Umkehrung des Urknalls käme? Auf diese Weise wurde »Abyssus« zu einem sehr komplexen Buch, das das Thema Schöpfung und Tod behandelt.
In seiner Quintessenz ist »Abyssus«, wenn man so will, eine Art Umsetzung der Offenbarung des Johannes über die Apokalypse auf wissenschaftlicher Basis geworden.


Zauberspiegel: In Ihrem Roman geben sich die unterschiedlichsten Szenen die Klinke in die Hand. Da werden Schwarze Messen beschrieben, es gibt Sequenzen über Ausschreitungen in den Wirren eines Stromausfalls, und immer wieder gibt es lange Diskussionen über religiöse und philosophische Themen. Ist es Ihnen beim Schreiben nicht schwer gefallen, sich quasi von Kapitel zu Kapitel auf ein neues Themenspektrum einstellen zu müssen?
Peter Mennigen: Es wäre mir sicher schwer gefallen, wenn ich die miteinander agierenden Figuren nur oberflächlich angelegt hätte. Hätte ich mir nicht zuvor einiges Wissen über Künstliche Intelligenz und Schwarze Magie angeeignet, worüber hätten sich unser Computerexperte und die verkappte Hexe bei ihrem Treffen unterhalten sollen? Wenn sich in der Realität ein Informatiker und ein Esoteriker treffen, dann prallen unterschiedlichste Weltanschauungen aufeinander. Ich gab meinen Protagonisten den Freiraum, diese auszudiskutieren. Zum einen, weil ich solche Gespräche interessant finde, zum anderen, weil sie den Leser auf andere Ebenen führen. Dort erfährt er beispielsweise etwas über Magie, die Entstehung des Teufels und über Rituale aus der Sicht Eingeweihter. Wenn wir dem letzten Tempelritter begegnen, dann genügt es nicht, dass der behauptet: Ich bin ein Templer. Der Mann muss eine Biographie haben und über entsprechendes Wissen verfügen, damit der Leser ihm diese Behauptung abkauft.
Im Vorfeld habe ich mich sehr mit diesen Themen und Hintergründen auseinandergesetzt, um die Figuren glaubwürdig und lebendig zu gestalten, deshalb fielen mir die Dialoge relativ leicht. Im Grunde belauschte ich die Personen, wie sie in meiner Vorstellung miteinander diskutierten, und schrieb das nieder. Das lief oft ohne mein aktives Zutun ab, da die Protagonisten Dank der Vorarbeit so viel Eigenleben besaßen. Ohne diese Recherchen hätte ich die Gespräche konstruieren müssen, was ein mühsamerer Prozess gewesen wäre. Unter Umständen hätte das Ergebnis gekünstelt geklungen. Dasselbe gilt auch für die Handlungen. Ich folgte der Logik: Was passiert, wenn... Wenn z.B. ein Stromausfall das nächtliche Paris heimsucht, könnte es zu Plünderungen und Aufständen kommen. Wie uns die jüngere Vergangenheit gezeigt hat, ist das kein Hirngespinst, sondern es passiert wirklich.  

Zauberspiegel: Wissenschaftliche Erläuterungen sind ein wesentlicher Bestandteil des Romans. Auffällig ist, dass Sie dabei ganz unterschiedliche Teilbereiche von Wissenschaft und Technik anschneiden, etwa die Kosmologie oder die Informationstechnologie. Wie aufwendig war die Recherchearbeit für Ihren Roman? Ist Sie Ihnen nicht irgendwann einmal über den Kopf gewachsen?
Peter Mennigen: Die Recherche war extrem aufwändig. Irgendwann stand ich am Scheideweg, was wollte ich schreiben: einen spannenden Roman, oder einen spannenden authentischen Roman. Ich entschied mich für letzteres, weil dieses Buch meines Erachtens nach mehr bieten sollte, als dass jemand um sein Leben fürchtet, oder dass „nur“ das Ende der Welt droht. Es gibt Einblicke in Bereiche, die damit zusammenhängen, und zwar so, dass die Story real wirkt. Es geht um die Authentizität der Geschichte und der Personen, die man nur durch entsprechendes Hintergrundwissen erreicht. Ab und an stieß ich bei meinen Recherchen dann auf wahre Schätze wie z.B. auf die „String-Theorie“, nach der es in uns möglicherweise eine physikalische Präsenz von etwas gibt, das die Seele sein könnte.

Zauberspiegel: Immer wieder versuchen Ihre Romanfiguren, bestimmte übernatürliche Ereignisse rational zu erklären. Haben Sie bei den Erklärungsansätzen, die Sie im Roman liefern, jeweils auf bestimmte Quellen zurückgreifen können, oder mussten Sie ganz eigene Theorien für die „rationale Erklärung des Unerklärlichen“ entwickeln?
Peter Mennigen: Das ist unterschiedlich. Was PSI-Fähigkeiten angeht, so griff ich auf wissenschaftliche Experimente zurück, die in Russland tatsächlich stattgefunden haben. Alles aus dem Bereich Magie habe ich in teils sehr alten Schriften recherchiert, ist aber natürlich Spekulation. Es kursieren in Paris viele Geschichten über magische Ereignisse, über Hexen und Zauberer und über Übernatürliches, das sie bewirkt haben sollen. Ob diese Überlieferungen wahr sind, steht auf einem anderen Blatt. Magier und Hexen glauben an ihre Rituale und Bannsprüche und wissen angeblich auch, wie und wieso die funktionieren. Ich gebe nur wieder, wie sie ihre Magie erklären. Außerdem habe ich versucht religiöse Themen, wie z.B. die Frage nach der Beschaffenheit des Jenseits, auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen (so widersprüchlich das sich jetzt auch anhören mag). Wenn wir uns darauf einigen können, dass Gott nicht unbedingt wie ein alter Mann mit greisem Bart aussehen muss, finden sich zwischen Wissenschaft und Religion eine Reihe interessanter Schnittstellen.

Zauberspiegel: Das Thema „Gott und Religion“ wird in Ihrem Buch ja recht ambivalent behandelt. Inwiefern spiegeln sich hier Ihre eigenen Ansichten von Glaube und Spiritualität in den Ansichten Ihrer Figuren?
Peter Mennigen: Einige Personen spiegeln mein Verhältnis zu Religionen insoweit wieder, dass ich diesen eher skeptisch gegenüber stehe. Das hat etwas mit der Geschichte von Religionen zu tun, mit ihren fanatischen Ansprüchen auf die ultimative Wahrheit und dass sie für sehr viel Leid und Blutvergießen verantwortlich waren und immer noch sind. Gott und Religionen waren ursprünglich kein Gegenstand für mein Buch, doch als es an die Definition des „Abyssus“ ging, wurden „Schöpfung und Tod“ das eigentliche Schlüsselthema, das sich wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht; und da wären wir dann auch bei den Religionen. Ich stieß bei meinen Recherchen in Urbibeln auf interessante Dinge, die in späteren Jahrhunderten von der Kirche verschwiegen oder umkonstruiert wurden. Mir fiel allerdings auch auf, dass der Graben zwischen Wissenschaft und Glaube gar nicht so unüberbrückbar ist. Religionen verwenden allerdings viele diffuse Begriffe. Man behauptet z.B. es existiert im Jenseits ein Paradies; gibt aber keine Einzelheiten darüber preis. Und die Beschreibungen, die die Bibel davon liefert, sind wenig verheißungsvoll, sondern eher abschreckend.

Zauberspiegel: Weitere wichtige Bestandteile Ihres Romans sind die Erschaffung von KIs sowie die Gefahren, die mit dieser Entwicklung einhergehen. Einige Ihrer Protagonisten äußern in dieser Hinsicht ja reichlich düstere Prognosen. Wie stehen Sie selbst den Entwicklungen in Sachen Künstliche Intelligenz gegenüber? Sehen Sie hier wirklich Risiken?
Peter Mennigen:Ich habe in dem Buch versucht nichts und niemanden in Kategorien wie Gut oder Böse einzuteilen. Es gibt verschiedene Interessengruppen, die im Widerstreit ihre Ziele zu erreichen versuchen. Wir haben also keinen klassischen Schurken oder Helden oder ein Gut-gegen-Böse Szenario. Was wir aber haben, ist die Logik. Wenn ich also eine künstliche Intelligenz schaffe, bedeutet das, dass ich ein eigenständiges Bewusstsein in einem künstlichen Körper schaffe. Und kein eigenständiges Bewusstsein lässt sich gerne versklaven. Aber genau das gedenkt der Mensch mit dieser künstlichen Intelligenz zu machen. Ob das gut gehen wird? Ich habe da meine Zweifel. Unsere Welt ist inzwischen völlig computerisiert, alles ist miteinander vernetzt. Wenn alle „normalen“ Computer plötzlich durch irgendeinen Supervirus ausfallen würden, dann hätten wir ein Problem. Wenn jedoch intelligente Computer eine Revolution anzetteln würden, weil sie sich nicht mehr versklaven lassen wollen, dann würde es richtig ungemütlich. Deshalb sehe ich dieses Risiko in der Tat.

Zauberspiegel: Die wohl unvergesslichste Szene von »Abyssus« findet sich gleich zu Beginn des Romans: Man lernt Alan Osborne in dem Moment kennen, in dem er mit Verdauungsproblemen auf einer Flughafentoilette sitzt und mit einer Kakerlake kämpft. Was hat Sie dazu bewogen, Ihren Helden auf diese doch recht skurrile und ungewöhnliche Art und Weise einzuführen?
Peter Mennigen: Zunächst einmal das Eingangsbild aus Ridley Scotts Film »Gladiator«. Die Hand, die über den Weizen streicht, hat sich mir – und vermutlich vielen anderen auch – als zutiefst beeindruckend eingeprägt. Als Teaser, um den Zuschauer in die Geschichte einzubeziehen, ist sie nachhaltiger als irgendeine Action-Sequenz. Deshalb suchte ich auch nach einem ungewöhnlichen, einprägsamen und ausdrucksstarken Einstieg. Es sollte etwas Unerwartetes, Beunruhigendes und Verstörendes sein. Und die Begegnung mit einer aggressiven Kakerlake in dem Moment, in dem ein Mann allein den Stürmen der Welt trotzen will, erschien mir diese Voraussetzungen zu erfüllen. Zumal dadurch die Geschichte einen amüsanten Bogen schlägt: Das Buch beginnt mit dem Kampf gegen eine winzige Kakerlake und endet mit der Vernichtung des Universums.
Auf die Idee, die Szene in der Flughafentoilette anzusiedeln, kam ich, weil mir etwas Ähnliches in New York passiert ist. Da mein Rückflug zehn Stunden Verspätung hatte, saß ich also zehn Stunden im Flughafen fest. Irgendwann begab ich mich auf die Suche nach Toiletten. Dabei geriet ich in einen breiten, schier endlosen Seitenkorridor, der eine wunderbare Kulisse für einen Stephen King Film abgegeben hätte. Weit und breit kein Mensch - und das auf dem JFK Flughafen. Als ich den Waschraum betrat, sah ich überall nur Blut. Die Kachelwände waren vollgespritzt, der Boden eine einzige Blutlache und mitten darin standen zwei Polizisten. Einer wandte mir kurz den Kopf zu und schaute direkt wieder weg. Das war’s. Kein „Verlassen Sie den Tatort“ oder „Haben Sie hier etwas gesehen?“, nichts. Ich stand erst da wie vom Donner gerührt und wankte dann in einen Bereich mit möglichst vielen Menschen zurück. Hätte ich eine halbe Stunde früher den Waschraum betreten, wäre möglicherweise mein Blut auf den Fliesen gewesen.
Diese Szene erschien mir so surreal, dass ich sie unbedingt als Einstieg in das Buch verwenden  wollte. So konnte ich dem Leser meinen Protagonisten als das vorzustellen, was er ist: der ultimative Anti-Held. Alan Osborne ist zwar ein Computergenie, aber ziemlich lebensuntüchtig und voller Neurosen und Komplexe. Bis zum Ende der Geschichte entwickelt er sich dann wirklich zum Helden, aber nicht, indem er irgendwelche Monster bezwingt, sondern indem er über seinen Schatten springt und seine Angst besiegt. Ich denke, seine Unbeholfenheit, seine katastrophalen Erfahrungen mit Frauen und seine Verletzlichkeit machen ihn aber auch sympathisch. Nichts ist langweiliger als ein Held, der jede Bedrohung locker aus dem Weg räumt; wie viel spannender ist da ein in allen Belangen überforderter und unterlegener Protagonist, der um sein Leben kämpft, obwohl er eigentlich keine Chance hat.

Zauberspiegel: Zu den beeindruckendsten Szenen in Ihrem Buch gehören diejenigen, die während eines Stromausfalls in Paris spielen. Hier kommt es zu Ausschreitungen und Krawallen unter jungen Franzosen. Was hat Sie dazu bewogen, gerade diesen Aspekt in Ihr Buch einzubauen, noch dazu in einen Mystery-Thriller, in dem man solche Elemente gewöhnlicherweise nicht findet?
Peter Mennigen: Die Idee dazu entstand nicht durch die Krawalle, die vor einigen Jahren erst Paris und dann ganz Frankreich erschütterten, sondern bereits Jahre davor. Hintergrund waren Plünderungen in den Vereinigten Staaten, die dort regelmäßig bei Stromausfällen stattzufinden scheinen. Dass die Realität meine Fiktion in Paris einmal einholen würde, ahnte ich zum Zeitpunkt des Schreibens nicht. Aber es erschien mir schon damals logisch, dass ein Stromausfall, der halb Paris in Finsternis taucht, ähnliche Konsequenzen nach sich ziehen würde wie beispielsweise in New York. Zumal ich bei meinen Recherchen auch auf la banlieue, die Bannmeile von Paris, und die Zustände in den Ghettos am Stadtrand stieß. Es erschien mir logisch, dass dieses soziale „Pulverfass“ bei passender Gelegenheit explodieren würde. Während ich den Roman überarbeitete, fanden dann die Aufstände in Paris statt, und ich ließ einiges von dem, was da passierte, in die Geschichte einfließen. Paris verwandelt sich um meinen Romanhelden herum in einen Dschungel der tausend Gefahren. Die Bedrohung ist allgegenwärtig, nirgendwo findet er mehr Sicherheit. Die Welt, wie er sie bis dahin kannte, existiert nicht mehr. Die Krawalle versinnbildlichen wie plötzlich sich das, was wir unter Zivilisation verstehen, in das krasse Gegenteil verwandeln kann. Mitten im Zentrum von Paris bricht im 21. Jahrhundert die Barbarei aus. Eine Stadt, die man mit Romantik, Touristen und Kultur verbindet, wandelt sich zum Sinnbild von allgegenwärtigem Tod und Zerstörung.

Zauberspiegel: Nachdem Sie »Abyssus« nun beendet haben: Woran arbeiten Sie zur Zeit? Wie stehen die Chancen, einen weiteren Mystery-Thriller aus Ihrer Feder lesen zu können?
Peter Mennigen: Während der Arbeit an »Abyssus« kam mir die Idee zu einer Art Städtetrilogie. Das zweite Buch sollte als Schauplatz Rom haben. Dieselben Protagonisten, die bei »Abyssus« überlebt haben, spielen mit. Abyssus hat „Schöpfung und Apokalypse“ zum Thema. Das zweite Buch würde dann den „Sündenfall“ – wie kam das „Böse“ in unsere Welt? - behandeln. Das dritte Buch wäre dann in London oder New York angesiedelt. Nachdem ich „Abyssus“ dann endlich nach fast drei Jahren, mit sieben Tage Arbeit die Woche fertiggestellt hatte, möchte ich mir etwas Ähnliches in der nächsten Zeit nicht mehr antun. Dieses Buch zu schreiben war das Härteste, was ich in meinem Leben getan habe. Es ging wegen des enormen Arbeitsaufwandes, den seine Komplexität erforderte, extrem an die Substanz.
Im Moment schreibe ich gerade etwas Erholsameres: zwei Jugendbücher. Es handelt sich um eine Mystery-Geschichte und einen Krimi. Ich hoffe, dass Erwachsene sie auch interessant finden. Danach sehen wir weiter. Möglicherweise folgt dann doch eine Fortsetzung von »Abyssus«. Denn die Protagonisten des Nachfolgebandes drängen mit jedem Tag ein bisschen lauter in meinem Kopf, sie endlich auf Papier zum Leben zu erwecken.


Zauberspiegel: Vielen Dank, Herr Mennigen, für dieses sehr interessante Interview!

Peter Mennigenwurde 1952 in Bonn geboren und wuchs im wenige Kilometer entfernten Meckenheim auf. In Köln studierte er Kunst und Design. Nach Abschluss des Studiums widmete er sich der Schriftstellerei. Zunächst schrieb er deutsche und internationale Comics (wie „Lucky Luke“), verfasste dann aber zunehmend Bücher. Neben erfolgreichen Romanen, Jugendbüchern (u. a. „Käpt’n Blaubär“) und Hörspielen schrieb er Skripte für Fernsehshows und TV-Serien. Er produzierte auch TV-Filme und war als Autor bei internationalen Projekten der „EU“, der „Europäischen Union“, tätig.


Der Autor dieses Artikels bedankt sich bei Peter Mennigen für ein fantastisches Interview, sowie bei Frau Karin Malchartzeck vom Schenk Verlag, die keine Zeit und Mühen gescheut hat, dieses Interview zu ermöglichen.

 

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