... Stefan Hilden über Gestaltung, Trends, Entwürfe und das Traumbuch
: Es ist nicht nur messbar, sondern entscheidend. Wenn man sich die Menge der Neuerscheinungen und die Verweildauer auf den Buchhandelstischen anschaut, kann man sich vorstellen das ein Buch, will es in dieser kurzen Zeit wahrgenommen werden, professionell gestaltet sein muss, ein Gefühl für die Geschichte darin vermitteln und vor allem deutlich machen, von wem es gekauft werden will.
: Bücher sind, wie jede Ware, Trends unterworfen. Ein Buch, was vor 5 Jahren ausgestattet wurde, würde heute so nicht mehr den Weg in die Buchhandlungen finden. Wir orientieren uns da stark an Filmplakaten, der Musikszene, der Gameszene und eben an Allem was ähnlichen Zyklen unterworfen ist. Wir durchforsten Fan-Foren, schauen bei Amazon nach Vorlieben und versuchen zu verstehen in welchem optischen Umfeld unsere Kunden sich bewegen. Ich erwarte von jedem meiner Mitarbeiter mit offenen Augen + Ohren durch die Welt zu gehen, Strömungen aufzunehmen und zu einer zeitgemäßen Optik zu transformieren. Stillstand ist hier ganz sicher tödlich.
: Es kommt in erster Linie darauf an, dass Genre zu gestalten. So haben wir beispielsweise mit Dan Brown eine Gestaltung vorgegeben, die nachfolgende Bücher, die ähnlich funktionierten, übernehmen mussten um deutlich zu machen Ich bin ein spekulativer Verschwörungsthriller. Generell ist es eine der Haupterwartungen der Verlage an ihre Gestalter, dass sie klare Hinweise darauf geben, wie der Buchhändler mit diesem Produkt umgehen soll.
: Es hilft, ist aber nicht zwingend notwendig. Den Profi erkennt man daran, dass er gerade auch dann Spitzenleistungen bringt, auch wenn ihm das Thema fremd ist. Manchmal macht auch gerade das den meisten Spaß wenn man sich in ein völlig unbekanntes Gebiet hineinwühlen darf.
: Frühkindliche Konditionierung. Mein Vater war und ist ein großer Fantasy-Fan und überall in unserem Haus waren Kistenweise Fantasy-Bücher zu finden. Bis zu meinem 15. Lebensjahr wusste ich nicht, dass es noch andere Sorten von Büchern gibt. Einzig gestört hatte mich, dass auf den Covern in der Regel eine großbusige Frau und ein Drachen zu sehen war und dann, zu meiner Enttäuschung, in dem ganzen Buch nicht eine einzige großbusige Frau und schon gar kein Drache vorkam. Ich denke, dass ist auch der Grund, warum wir bei der Ausgestaltung fantastischer Themen die gewohnte Bilderwelt gemieden haben und ganz neue Ansätze gewählt haben. Als wir bei Piper damit angefangen haben die klassische Illustration durch fotorealistische 3D-Illustrationen weltweit führender Game-Illustratoren zu ersetzen, war das neu.
: Wir bekommen vom Verlag in der Regel ein Exposé und eine Kurzzusammenfassung. Die Verlage erklären uns ihre Vorstellungen von der Positionierung und der Zielgruppe und damit können wir dann loslegen. Der erste Teil ist Recherche wir schauen uns, bei Lizenzausgaben, die Cover im Original an, wie haben andere Länder das Thema umgesetzt, wie ist das Konkurrenzumfeld, was gibt es sonst noch von dem Autor, u.s.w. Haben wir alle Informationen, setzen wir uns zusammen und diskutieren, welche Richtung das Ganze unserer Meinung nehmen muss. Da es immer verschiedene Möglichkeiten der Ansprache gibt präsentieren wir 2-3 Entwürfe, die aber auch eigenständig sind und nicht bloße Variationen. Es ist unsere Aufgabe dem Kunden die Essenz unserer Überlegungen vorzulegen und nicht, ihn mit einer Vielzahl von Entwürfen zu irritieren. Oft gehen wir Wege, die sich als Sackgassen erweisen die Ansätze werden dann nicht weiterverfolgt. Also steckt hinter jedem realisierten Entwurf eine ganze Menge nicht realisierter aber angedachter Ansätze. Der zuständige Designer hängt dann seine Vorschläge an die Wand und wir entscheiden im Team, welche 3 Entwürfe wir finalisieren und dem Kunden vorlegen. Das ist zwar viel Arbeit im Vorfeld, ist aber notwendig um zu vermeiden, dass man unötige Nacharbeiten und Neuansätze auf sich nehmen muß.
: Da die Bücher meistens noch nicht lektoriert oder übersetzt sind bekommen wir bei den meisten Titeln in etwa das, was man später auf der Rückseite oder in den Klappentexten finden kann. Bei wichtigen Titeln können wir auch in das Original oder den unlektorierten Text Einblick nehmen. Das ist oft hilfreich, wenn es um ein Detail oder eine bestimmte Methode geht. Seit meinen Erlebnissen mit den Büchern meines Vaters lege ich Wert auf größtmögliche Texttreue. Der Leser will sich ja nicht verschaukelt fühlen.
: Im Prinzip dürfen wir alles gestalten, sofern es gefällt und verstanden wird. Es gibt kaum typografische oder inhaltliche Vorgaben da ist das Vertrauen in uns da. Früher war das Cover das wichtigste, mittlerweile wird das Buch richtigerweise als Gesamtwerk betrachtet und auch die Gestaltung des Rückens sowie der Rückseite sind gefragt.
: Ganz sicher aber das ginge dann vermutlich schief. Bei zu großer emotionaler Bindung ist man nicht mehr neutral genug um das Große und Ganze im Blick zu halten. Es gibt viele Lieblingsbücher, bei denen man bedauert, dass der Gestalter vermutlich nicht die entscheidenden Informationen hatte Antonia S. Byatt, Besessen zum Beispiel. Das wäre etwas, da ich gerne versuchen würde zu verbessern. Viele so genannte Klassiker sind blutarm und eher langweilig verpackt auch da könnte eine zeitgemäße Umsetzung nicht schaden.
: Er muss gut assoziieren können, komplexe Sachverhalte komprimiert darstellen. Wenn ich Flucht sage, möchte ich keinen fliehenden Menschen sehen, sondern z.B. einen einsamen Schuh. Und er muss sich von dem Gedanken befreien, dass es sich bei Büchern um hehreres Kulturgut handelt. Wer Dinge gestaltet muss seine Kundschaft gut unterhalten. Am Ende sind wir vielleicht einfach gute Entertainer.
: Wie die Darreichungsform am Ende sein wird ist nicht entscheidend. Wichtig ist, dass die Verlage in ihrer Funktion als Filter der die Stoffe aussiebt und professionell umgesetzt auf dem Markt platziert, wahrgenommen werden. Ich persönlich glaube, dass das Buch, mit den zurzeit zur Verfügung stehenden Alternativen, nicht zu verdrängen sein wird. Ich Lehr- und Sachbuch mag es anders sein, aber in der Unterhaltung werden wir noch sehr lange genussvoll zum Buch greifen.
: Es muss mehr inszeniert wie gestaltet werden. Es muss den Besonderheiten des Mediums genügen und darf sich die Vorteile die eine digitale Darstellung zu Nutze machen.
: Ja!!!