... mit Dr. Christian Sprang über Preisbindungen, Gesetze, digital born und Wasserzeichen
: Im Gegensatz zu anderen Kulturzweigen wie Film oder Oper erhält die Buchbranche praktisch keine staatlichen Subventionen. Dass Deutschland trotz vollständig marktwirtschaftlicher Organisation ein einzigartig vielfältiges Buchangebot und eine hohe Dichte von Buchhandlungen hat, sichert neben dem reduzierten Mehrwertsteuersatz vor allem das Buchpreisbindungsgesetz. Indem jedes in deutscher Sprache erscheinende Buch für mindestens 18 Monate einen vom Verlag festgesetzten Preis hat, der für alle Buchhandlungen verbindlich ist, ermöglicht sie Verlagen und Buchhandlungen eine Mischfinanzierung zwischen Bestsellern und anspruchsvollen Titeln. Nicht zuletzt nutzt dies dem Leser. In Ländern mit Buchpreisbindung ist der durchschnittliche Buchpreis nämlich deutlich niedriger als in Ländern ohne Buchpreisbindung, in denen Preiskämpfe bei Bestsellern durch Aufschläge auf weniger gängige Titel finanziert werden müssen. Zugleich ermöglicht es die Buchpreisbindung, auch schwierige bzw. risikoreiche Titel auf den Markt zu bringen, sodass die Titelvielfalt im deutschen Buchmarkt nachweisbar deutlich höher ist als zum Beispiel in den angloamerikanischen Ländern.
In Deutschland wurde die Buchpreisbindung Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführt und eigentlich immer von Verlagen und Buchhandel vertraglich organisiert. Erst aufgrund des Drängens der EU-Kommission ist Deutschland 2002 dem Vorbild Frankreichs gefolgt und hat die Buchpreisbindung gesetzlich geregelt. Ähnliche Gesetze wie Deutschland hat übrigens die Mehrzahl der EU-Staaten. Insofern ist die Frage, warum es die Buchpreisbindung noch gibt, falsch gestellt. Interessant wäre eher die Antwort auf die Frage, wann dieses bewährte und erfolgreiche Kulturförderungsinstrument endlich in allen europäischen Staaten eingesetzt wird.
: Weil das Buchpreisbindungsgesetz in § 2 vorsieht, dass auch Verlagserzeugnisse, die ein Buch reproduzieren oder substituieren, preiszubinden sind, wenn sie was beim E-Book der Fall ist verlags- oder buchhandelstypische Produkte sind. Diese Entscheidung des Gesetzgebers basiert übrigens auf einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus den neunziger Jahren, in dem dieser die Preisbindungsfähigkeit von CD-ROMs bejaht hat.
: Ein Verlag, der wünscht, dass seine E-Books beim Verkauf per Einzeldownload überall im Internet dasselbe kosten, kann dafür auch ohne Buchpreisbindungsgesetz sorgen. Er muss dazu einfach nur seine Wiederverkäufer, die ja beim E-Book rechtlich gesehen immer Lizenznehmer sind, verpflichten, seine Preisvorgabe zu beachten. Die Frage nach dem grenzüberschreitenden freien Waren- und Wirtschaftsverkehr innerhalb der EU, auf die Sie anspielen, ist dieser lizenzvertraglichen Ebene nachgelagert. Da die meisten Verlage ihre E-Books über ihre eigene Website auch selbst zum Verkauf anbieten, muss man wohl eher überlegen, warum ein Verlag Kunden von seiner eigenen Website fernhalten sollte, damit sie seine E-Bücher für ihn mit deutlich reduzierter Marge bei seinen ausländischen Lizenznehmern kaufen.
: Als das Buchpreisbindungsgesetz 2002 in Kraft trat, lag ihm das erklärte gesetzgeberische Programm zugrunde, die damals in der Branche bestehende Preisbindungsregelung - den sogenannten Sammelrevers - unverändert zu übernehmen. Änderungen sollten nur dort erfolgen, wo dies zwingend durch den Systemwechsel von einer vertraglichen zu einer gesetzlichen Preisbindung erforderlich war. Hörbücher sind ein Phänomen, das es in der Branche schon seit Jahrzehnten gibt. Sie wurden von Anfang an nicht vom Preisbindungs-Sammelrevers erfasst, und in dessen Geltungsbereich auch nach dem Fall der Preisbindung für Tonträger in den 70er Jahren nicht aufgenommen. Dies wollte der Gesetzgeber 2002 nicht ändern.
Anders liegt der Sachverhalt bei E-Books, die im Jahre 2002 noch keine Marktbedeutung hatten. Die ihnen inhaltlich am nächsten stehenden Buchhandelsprodukte, nämlich CD-ROMs, waren unter dem Sammelrevers bereits preisgebunden. Vor dem Hintergrund dieser historischen Auslegung erklärt sich heute die unterschiedliche preisbindungsrechtliche Behandlung von Hörbüchern und E-Books.
: Nein. Das Buchpreisbindungsgesetz regelt, dass der Verlag den Preis von E-Book-Ausgaben selbständig frei festlegen und ggf. ändern kann. Dasselbe gilt übrigens, wenn ein Verlag ein Buch sowohl als Hardcover- wie als Taschenbuchausgabe im Programm hat. Auch hier ist der Verlag in der Preisgestaltung für die Taschenbuchausgabe frei.
: Der Börsenverein überwacht die Einhaltung des Buchpreisbindungsgesetzes gemeinsam mit spezialisierten Anwälten, den sogenannten Preisbindungstreuhändern. Zu dieser Überwachung gehört generell auch das Abmahnen von Marktverhalten, dass nach unserem Verständnis dem Buchpreisbindungsgesetz zuwider läuft. Die Hoheit über die verbindliche Auslegung des Buchpreisbindungsgesetzes haben aber die Gerichte. Diese und nicht der Börsenverein! - entscheiden letztlich darüber, ob die Preisbindungspflicht auch für E-Books gilt. Wir haben vor einigen Monaten in einer offiziellen Stellungnahme zur E-Book-Preisbindung darauf hingewiesen, dass wir im Interesse einheitlicher rechtlicher Rahmenbedingungen auf eine solche Klärung hinwirken werden, falls Marktteilnehmer Single-Download-Angebote von E-Books machen, die die Vorgaben des Buchpreisbindungsgesetzes aus unserer Sicht missachten. Dabei war allerdings weder von einer festen Frist noch von einem wettbewerbsrechtlichen Vorgehen die Rede. Hier geht es vielmehr ausschließlich um eine Frage der Anwendung des Buchpreisbindungsgesetzes.
: Mit der Formulierung in § 2 des Buchpreisbindungsgesetzes wollte der Gesetzgeber die Buchpreisbindung flexibel halten und zukunftsfähig machen. Da das Gesetz erst sechs Jahre alt ist, sind die E-Books wohl der erste größere Fall, bei dem es auf die Auslegung dieser Formulierung ankommt.
: Es ist schwierig, das so pauschal zu beantworten. Das E-Book wird sicher in den kommenden Jahren seinen Marktanteil vergrößern. Viel hängt dabei von den Lesegeräten ab, die beim Verbraucher Begeisterung wecken müssen, um genutzt zu werden. Nach groben Schätzungen kann der Marktanteil an digitalen Büchern in einigen Jahren bei fünf bis 25 Prozent liegen. Im Medium E-Book liegt also eine echte Zukunftschance für Buchhandel und Verlage.
: Auch Hörbücher können Sie allesamt legal per Download von spezialisierten Internetanbietern beziehen. Dennoch schätzen viele Kunden bei Auswahl und Kauf offensichtlich die Beratungs- und Servicekompetenz ihres Buchhändlers. Gerade weil der Download-Preis eines E-Books hierzulande aufgrund des Buchpreisbindungsgesetzes überall gleich ist, wird derjenige das Rennen machen, der den Kunden anders als nur über den Preis an sich binden kann. Die Buchpreisbindung sorgt also auch beim online-Handel mit elektronischen Büchern für einen immensen Servicewettbewerb. Wer diesen für sich entscheidet, kann derzeit niemand seriös sagen aber schlechte Startchancen hat der traditionelle Buchhandel dabei jedenfalls nicht, weil er Inhaltskompetenz besitzt.
: Das Verschenken von Büchern lässt das Buchpreisbindungsgesetz ohne Einschränkungen zu.
: Das ist eine Frage, die jeder Verlag für sich beantworten muss. Auf der von einem Tochterunternehmen des Börsenvereins als Dienstleistung für unsere Mitglieder betriebenen Volltext- und E-Book-Plattform www.libreka.de ist standardmäßig der Einsatz einer Wasserzeichentechnologie vorgesehen. Es liegt dann beim einzelnen Verlag, ob er für seine E-Bücher auch auf diesen Schutz noch verzichten will, oder ob er libreka! anweist, seine Dateien mit einem aktiven Kopierschutz zu versehen. Bislang wird meist der vorgeschlagene Standard also digitales Wasserzeichen - übernommen, aber es ist noch viel zu früh, daraus schon einen Trend abzulesen. Fakt ist aber, dass es bisher fast keine Buchtitel gibt, die ausschließlich als E-Book vertrieben werden. Ein Produkt, das nicht born digital ist, kann aber z.B. mittels Einscannen des gedruckten Buches jederzeit kopiert werden, auch wenn seine digitale Fassung sogar aktiven Kopierschutz aufweist.
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Foto Dr. Sprang Copyright (C) by Börsenverein des deutschen Buchhandels
Kommentare
Oder heißt "durchschnittlicher Buchpreis" in diesem Fall wie so oft, dass man sich die Statistik so lange schön rechnet, bis sie einem passt?
Die Buchpreisbindung nutzt den Verlagen, die somit auch Bücher publizieren können, die keiner kauft. Aha. In so ziemlich jeder Branche würde man das als Dummheit bezeichnen, nur die Verlage braten sich eine genehme Extrawurst auf Kosten der Kunden, die nämlich ebenso nachweisbar höhere Preise für Bücher die sie wollen bezahlen und das aufgrund von Büchern die sie (und andere) nicht wollen. Die Erfahrung zeigt doch deutlich, dass "Nischenbücher" oder "Special Interest" auch zu höheren Preisen gekauft werden. Warum muss ich solche Bücher aber stattdessen durch überhöhte Preise der "Massenware" sponsorn?
Und mir hat auch bislang noch keiner die Frage beantwortet, warum es keine Musikpreisbindung gibt. Es lassen sich alle Argumente eins zu eins übertragen... Und dennoch...
Ich wiederhole meine Aussage: Bücher sind in Deutschland trotz Buchpreisbindung zu teuer. Und das nicht erst seit der Euro-Einführung, wo alle Verlage nochmal kräftig aufgeschlagen haben. Ich kann inzwischen via Lulu und Co. als Privatmann preiswertere Bücher auf den Markt bringen, als ein 400-Seiten Taschenbuch eines etablierten Verlages kostet, trotzdem wird über immer höhere Preise verzweifelte Pfründesicherung betrieben.
Und ich sehe deutlich, dass das Verlagswesen die Fehler der Musikindustrie aus purer Arroganz wiederholen wird...
Und abschließend: Wenn man "die Jugend" wieder ans Lesen bekommen möchte, dann wird das sicher nicht über Mondpreise funktionieren. Aber ich glaube ernsthaft, dass das in den Chefetagen der Verlage keinen interessiert, auch da zählen nur noch Bilanzen.