... Barbara Büchner ... über ihre Droge, das Schreiben
... Barbara Büchner ...
... über ihre Droge, das Schreiben
Sie ist ein Schreib-Junkie und kann nicht von der Tastatur lassen, aktuell sind von ihr unter anderem die fünf „Totenhausromane“ sowie einige Sherlock-Holmes-Geschichten erschienen.
Ich hatte die Freude, mit ihr ein ausführliches Interview über das Schreiben an sich und ihre Werke im Besonderen zu führen. Von der allwissenden Müllhalde über Sherlock Holmes und E-Books bis hin zur Wiener BDSM-Szene hat sie offen Auskunft gegeben.
: Bei mir stimmt das hundertprozentig. Ich wusste schon in der Volksschule, dass ich nichts anderes werden will als Schriftstellerin, und mein erstes Buch – volle sechs Seiten lang – hab ich in Blockschrift geschrieben, weil wir die Kleinbuchstaben noch nicht durchgenommen hatten. Das mit dem Veröffentlichen kam erst viel, viel später. Vorerst wurde ich mal Journalistin und war es siebzehn Jahre lang. Natürlich habe ich in der Zeit viele Bücher geschrieben, aber ich dachte nicht dran die an einen Verlag zu schicken. Dann hat eine Lektorin von Ueberreuter bei mir angefragt, ob ich ein Jugendbuch schreiben könnte, und ich hab ja gesagt. Als Journalistin war ich ja gewohnt, über alles und jedes im Auftrag zu schreiben. Und das wurde dann der Anfang einer Karriere als Jugendbuchschriftstellerin – was mir sonst nie in den Sinn gekommen wäre. Privat geschrieben hab ich immer nur Horror.
: Erst war’s ein bisschen holprig. Ich musste sogar eine Weile unter Pseudonymen schreiben, weil alle Buchhändler meine Sachen automatisch in die Kinderecke stellten. Aber dann hat es sich herumgesprochen und heute steht „Barbara Büchner“ für klassischen Grusel.
: Wie oben gesagt, als Journalistin lernt man sich auf jedes gewünschte Thema einzustellen, und da ich vom Schreiben lebe, bekomme ich eben auch Aufträge angeboten, wo ich nicht gerade an die Decke springe vor Begeisterung. Aber die Hauptsache ist, dass ich beim Schreiben ein Junkie bin und eben auch mal Ersatzdrogen nehme, wenn der echte Stoff nicht zu bekommen ist. Lieber schreib ich in einem Genre, das mich nicht hundertprozentig interessiert, und mache das Beste daraus, als dass ich gar nicht schreibe. Wenn ich es mir aussuchen kann, schreibe ich natürlich historische Krimis wie meine Sherlock Holmes und „Das Totenhaus von Gremlington Village“ und meine Schauerromane.
: Definitiv JA. Reich geworden bin ich trotz meiner hohen Produktivität und meiner guten Erfolge nie, im Gegenteil, ich habe oft am und unterm Existenzminimum gelebt. Wenn einem Schreiben nicht mehr als alles andere bedeutet, sollte man – was ja viele tun – neben einem Brotberuf schreiben. Vor allem seit dem Siegeszug der E-Books ist die Lage sehr schwierig geworden, da die Print-Verlage vorsichtig geworden sind, nur mehr auf bekannte Namen setzen und generell keine deutschsprachigen Autoren wollen, schon gar keine Anfänger.
: Ich glaube, die E-Books sind ein ganz großer Schritt vorwärts zu einer wirklichen Freiheit der Kunst, ebenso wie seinerzeit der Buchdruck. Bislang musste ein Manuskript ja immer das Nadelöhr des Lektorats passieren, um überhaupt zum Leser zu gelangen. Die meisten Leute, auch Autoren, denken da sehr naiv. Sie meinen, das Lektorat führe eine Qualitätsprüfung durch, die guten Manuskripte werden angenommen, die schlechten zurückgeschickt. Das ist aber keineswegs so. Ein Verlag, der ja auch das finanzielle Risiko der Publikation trägt, ist ein gewinnorientiertes Unternehmen. Akzeptiert werden also jene – guten oder schlechten – Manuskripte, bei denen zu erwarten ist, dass die Kasse klingelt. E-Books machen den direkten Weg vom Autor zum Leser möglich, ohne Zwischenschaltung einer Stelle, die vorwiegend den finanziellen Erfolg im Auge hat. Sicherlich wird das Internet jetzt auch überschwemmt mit jämmerlichem Geschreibsel, weil jeder Möchtegern-Autor sein Buch publizieren kann, aber das muss ja keiner lesen.
: Nun, das Problem existiert jetzt schon. „Des vielen Büchermachens ist kein Ende“, wie schon der biblische König Salomo klagte, und damals schrieb man Bücher noch mit dem Griffel. Ich nutze sehr gerne die Empfehlungsfunktion von amazon (ja, ich weiß ... amazon). Die sind wirklich pointiert und man kann sie individuell gestalten. Und dann gibt es Editionen wie die „Bibliothek des Hauses Usher“, wo man genau weiß, dass man nur Gothics drin findet, oder die violette Reihe von, glaube ich, Suhrkamp, mit H.P. Lovecraft und Co. Oder die englischen Wordsworth Editions klassischer Gruselgeschichten, die man schon am aufgeprägten Totenkopf erkennt. Gut finde ich auch Anthologien mit vielen Namen, da kaufe ich mir dann die Bücher von den einzelnen Autoren. Ich lese ja sehr viel Kurzgeschichten.
: Nein, warum? Hauptsache ist doch, dass ein Buch seine Leser findet, ob als Print, als Hörbuch, in Blindenschrift oder als E-Book ist ganz egal. Ich selber lese gerne E-Books auf dem Kindle – so kann man sich auch in einer kleinen Wohnung eine große Bibliothek zulegen.
: Mit den Ideen bin ich ununterbrochen beschäftigt, da kommen mir die besten Einfälle beim Spazierengehen mit Julchen, meinem Hund. Wenn ich einen Einfall habe, muss ich den sofort niederschreiben, dann kommt zuverlässig der nächste. Ich weiß aber am Anfang oft überhaupt nicht, wie das Buch weitergeht – deshalb hasse ich ausführliche Exposés.
Was den physischen Akt des Schreibens angeht, brauch ich absolute Ruhe und Halbdunkel. Ich schreibe am Computer, seit es überhaupt PCs gibt – mein erster war so ein kleiner Commodore-„Schokoriegel“ – und verwende sehr viel das Internet zum Recherchieren, was man bei historischen Romanen ja ständig tun muss. Außerdem habe ich eine Bildergalerie an der Wand neben meinem Schreibtisch hängen. Ich suche mir nämlich immer erst die Personen für einen Roman zusammen und zwar anhand von Fotos, die pinne ich an die Wand, und wenn die Figuren fertig sind läuft die Handlung von alleine.
: Ich arbeite nach der Zopf-Methode. Erster Handlungsstrang A bis F, zweiter Handlungsstrang B bis N, dritter Handlungsstrang A bis E, und zwar so, dass ich zuerst die Schlüsselszenen schreibe und später dann die Füllsel – das Wetter, die Landschaft und die Liebesszenen. Auf die Art habe ich eine Struktur und kann mich auch nicht verzetteln. Aber wie diese Struktur im Einzelnen aussehen wird, weiß ich vorher nie; ich schreib ja ein Buch und kein Kreuzworträtsel. Und man darf nicht vergessen, dass die Figuren sehr eigensinnig sind und ihrem Charakter gemäß handeln, auch wenn es viel praktischer wäre, ihnen einfach ein Drehbuch zu geben. Die machen, was sie wollen. Da könnte der Plot beispielsweise ganz wunderbar in einer Hochzeit kulminieren, und dann sitzt meine Hauptfigur im Eck und trotzt: „Ich heirate den blöden Kerl nicht! Mir wurscht, ob du einen Abgabetermin hast! Schaff mir einen anderen herbei, oder ich bleibe ledig!“ Dadurch wird das Buch aber auch organisch, und es kann nicht einfach irgendwas irgendwo vorkommen. Es ist wie ein Lebewesen, das langsam zu voller Reife heranwächst.
: Ich sammle ständig überall Fotos, die mich irgendwie ansprechen. Die ordne ich in Dateien, z.B. „nette Kerle“, „fiese Kerle“, „böse Weiber“, „liebe Weiber“. Das können Models oder Schauspieler sein oder Zufallsfotos von irgendwelchen Leuten. Und dann habe ich immer auch eine besondere Muse, jemand, der mich – z.B. in seiner oder ihrer Rolle in einem Film - besonders anspricht, sodass ich diese Gestalt weiter entwickeln will. Und die Namen sind überaus wichtig. Wenn ich zu schreiben anfange und mir fällt nicht gleich der passende Name ein, verwende ich den der Filmfigur oder der Schauspielerin, so lange, bis ich den hundertprozentig passenden Namen gefunden habe.
: Mann, Bücher sind doch kein Fastfood – je schneller serviert, desto besser! Nein. Kurzgeschichten schreibe ich meist in Absprache mit meiner Agentin, Alisha Bionda, die mir ein Thema vorschlägt, oft auch Text for Art – ich bekomme eine Grafik, und wenn sie mich inspiriert, schreibe ich eine Geschichte dazu. Und ansonsten schreibe ich an zehn Projekten gleichzeitig. Ich habe eine Datei auf meiner Festplatte, die „allwissende Müllhalde“ heißt, in der sammle ich Ideen, angefangene Manuskripte, Textblöcke, die ich woanders gekürzt habe, alte Manuskripte zum Überarbeiten und dergleichen Trödel. Je nachdem, was gerade anfällt, mache ich an dem einen oder anderen weiter.
: Mit zu engen Vorgaben habe ich ein Problem, deswegen habe ich z.B. nicht weiter für „Das schwarze Auge“ geschrieben – abgesehen davon, dass Fantasy sowieso nicht wirklich meins ist. Wenn ich immer im Regelwerk nachsehen muss, was für Kleidung die Personen tragen dürfen und wie sie zu agieren haben, dann ist das eine Zwangsjacke. Ansonsten kann ich recht gut mit Vorgaben wie etwa: „Wir hätten gerne eine Geschichte von einem Gattenmord, die in den 1930er Jahren in Monaco spielt." Aber Inspiration frei Haus ist das nicht, denn die eigentliche Geschichte muss immer noch mir einfallen.
: Die beiden Romane sind sehr verschieden, denn „Geliebt in Ewigkeit“ ist eine erotische Gruselgeschichte, die auf wahren Ereignissen beruht. Ich mache das sehr gerne so, dass ich authentisches Material als Ausgangspunkt nehme und dann selber weiter entwickle. Das war schon beim „Totenhaus von Gremlington Village“ so, das eine künstlerische Adaptation eines echten ungeklärten Mordfalles war. Auch beim neuen Sherlock Holmes habe ich einige „echte“ Geschichten verwendet. Es gibt so viele tatsächlich geschehene unglaubliche Geschichten dass man eigentlich gar keine erfinden muss. Oder wie soll man das nennen, wenn man eine erdrosselte Frau auf der schneebedeckten Heide findet – und weit und breit keine menschliche Fußspur?
Zauberspiegel: Wie findest du diese authentischen Begebenheiten? Du hast auch Sachbücher geschrieben, sind darin Keimzellen neuer Geschichten zu finden?
Barbara Büchner: Teils, ja. Meine hauptsächliche Quelle ist aber das sehr empfehlenswerte „List Universe“ im Internet, das ist proppenvoll mit authentischen, aber ganz unglaublichen Geschichten wie die der Stadt, deren Einwohner massenweise in Schokoladensoße ertranken. Es gibt auch eine Menge Bücher und Websites über ungeklärte Phänomene. Sowas lese ich gerne und versuche dann oft selbst, eine Lösung zu finden.
: Die Thematik hatte sehr viel damit zu tun, dass ich mich damals intensiv mit dem Älterwerden auseinandersetzte und Protagonisten jenseits der 50 wählte. Das machte das Schreiben zu einer großen Herausforderung. Raus kam dabei natürlich wieder ein Schauerroman...
Und was die Sexualität angeht: Ich war damals sehr aktiv in der Wiener BDSM-Szene. Das hat mir sehr viel bedeutet. Ich bin ja in der Zeit der sexuellen Revolution aufgewachsen, und gerade deshalb hatte für mich Sex immer was von Lebertran an sich: „Das ist gut und gesund, das muss man täglich einnehmen, ob es einem schmeckt oder nicht.“ Mir hat’s nicht geschmeckt. Erst als ich dann den Wiener Verein Libertine kennenlernte, hat das nicht nur meinen erotischen Nerv getroffen, es war auch eine sehr schöne Lebenswelt. Domina sein, das war für mich keine sexuelle Rolle abseits des Alltags, sondern meine Form der Lebensgestaltung. Heute gehört SM ja schon fast zu jedem Kindergeburtstag, aber damals waren wir eine sehr elitäre, sehr intellektuelle, sehr gestylte und eng verbundene Gruppe, etwa so wie die Gothics – deshalb leben in den Totenhausromanen auch alte Sados und junge Gothics im selben Haus. Wir waren natürlich keine Übermenschen, aber der Prozentsatz an Dumpfbacken war doch minimal. Bevor mir jetzt übrigens Dutzende Sklaven hoffnungsvolle Briefe schreiben – ich bin nicht mehr aktiv. Die Bandscheiben, weißt du. (lacht)
: Im Moment arbeite ich an einem Buch für den Emons-Verlag, das Alisha vermittelt hat. Darin geht es um eine schauerliche Mordserie an Wiens Psychiatern, für die ein „Basiliskenclub“ die Verantwortung übernimmt. Man findet die Weißkittel mit einer zur Schlangenzunge zweigeteilten Zunge und über und über beschriftet mit ihren eigenen dummen Sprüchen tot auf. Eine Untat wütender Patienten? Oder doch nicht? Es wird eine Kriminalgroteske, sehr makaber, die ich ganz bewusst wienerisch gestaltet habe. Natürlich wird mich jeder fragen, ob ich da persönliche Erlebnisse verarbeitet habe, und die Antwort ist JA. Ich habe dasselbe Problem wie der arme Robin Williams, Alkohol und Depressionen, und mit dem Geld, das ich solchen Leuten schon unnütz in den Rachen geworfen habe könnte ich heute eine Weltreise machen. Es war jedenfalls sehr befriedigend das Buch zu schreiben.
Herzlichen Dank für die ausführlichen und offenen Antworten und weiterhin viel Erfolg!