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... Dietmar Kuegler über die Infizierung mit einer Lebensart, die Vorliebe für englische Käuze und eine Erinnerung im Nebel

Dietmar Kuegler... Dietmar Kuegler ...
... über die Infizierung mit einer Lebensart, die Vorliebe für englische Käuze und eine Erinnerung im Nebel

Dietmar Kuegler gilt seit mehr als 40 Jahren als Kenner der amerikanischen Geschichte. Er verfasste mehrere Sachebücher und gibt das Magazin für Amerikanistik heraus. Sein Hauptbetätigungsfeld ist wohl die nordamerikanische Pionierzeit. Er schrieb allerdings auch viel Unterhaltungsliteratur. Nicht zuletzt Western-Romane.


Doch im Jugendbuchbereich versuchte er sich und mischte ähnlich wie der Egmont-Verlag 1984, eigene Geschichten mit Elementen aus Wallace-Romanen. Die Egmont-Bücher wurden von Karussell vertont. Kuegler Bücher werden nun über 30 Jahre nach ihrem Ersterscheinen von Winterzeit-Audio vertont. Grundlage sind seine sechs Bücher, die im BLITZ-Verlag in zwei Bänden neu aufgelegt wurden. Wir haben ihn dazu befragt.

Der unheimliche Pfeifer von Blending CastleZauberspiegel: Wie bist Du damals auf die Idee gekommen die Wallace-Serie heraus zu bringen? Du bist doch sonst eher dem Western verpflichtet?
Dietmar Kuegler: Vor gut 30 Jahren wurde der Name „Edgar Wallace“ verlagstechnisch „frei“. Sofort stürzten sich mehrere Jugendbuchverlage darauf. Damals erlebten Jugendkriminalromane gerade ihren ersten richtigen Boom – TKKG, Die 3 Fragezeichen, usw. Wallace schien erfolgversprechend, zumal die Ingredienzien seiner Geschichten sehr jugendgerecht erschienen: Geheimbünde, gespenstische Gebäude, skurrile Gestalten.
Der KIBU-Verlag, für den ich damals gearbeitet habe, ist dann mit der Anfrage gekommen, ob ich nicht eine Wallace-Serie kreieren könne.
Ich hatte bei KIBU schon Western geschrieben, ein Kinderbuch (Loni & Toni) und mehrere Romanbiografien von Entdeckern (Die Goldene Reihe).
Wallace war eine Herausforderung. Aber ich muss gestehen, dass ich immer ein Wallace-Fan war. Ich habe als Teenager mit Begeisterung die deutschen Wallace-Filme gesehen. Ich denke, das erkennt man auch in meinen Geschichten wieder. Diese Filme haben genaugenommen auch nur auf Wallace-Elementen aufgebaut, waren keine reinen Adaptionen seiner Romane. Das war auch für mich eine Vorgabe.
Da ich ziemlich anglophil veranlagt bin, eine Vorliebe für englische Exzentrik und englisches Landleben habe – ich war in erster Ehe mit einer Engländerin verheiratet und bin von dieser Lebensart infiziert gewesen, habe mich oft in England aufgehalten, vor allem London und Südengland – wollte ich typisch englische Atmosphäre zum Hintergrund machen. Und dann hatte ich die Idee, einen exzentrischen Scotland-Yard-Inspektor zu entwickeln, Mr. Pomeroy, der seine kriminalistischen Überlegungen aus den Romanen von Edgar Wallace bezieht. Ein bisschen englisch-liebenswert-verrückt, so wie ich viele – besonders intelligente – Engländer kennengelernt habe. Aber auf diese Weise konnte ich eigene Geschichten erfinden und mich nur an Wallace „anlehnen“, ohne seine Romane zu kopieren oder einfach nur kindgerecht umzuschreiben.
Das war es, was die anderen Verlage im Wesentlichen gemacht haben. Mein Konzept dagegen war anders. Es wurde vom Inhaber von KIBU begeistert aufgenommen. Ich denke, das ist auch der Grund, weshalb die beiden anderen Wallace-Jugendserien ziemlich sang- und klanglos verschwunden sind, während meine Reihe schon bei der Ersterscheinung zum Renner wurde und heute wieder gut läuft.
 
Der unheimliche Pfeifer von Blending CastleZauberspiegel: Du hast einige Elemente aus den echten Wallace-Romanen übernommen, manchmal kopiert und in eigene Handlungen verpackt. In wie weit hast Du dich da von Wallace inspirieren lassen und wie gut kanntest Du die Vorlagen?
Dietmar Kuegler: Wie gesagt – ich habe eigentlich nichts kopiert, aber ich habe Elemente von Wallace adaptiert: Neblige Moorlandschaften, verschrobene Gestalten, vermoderte Adelshäuser, dubiose Spelunken im Londoner Hafenviertel oder in unheimlichen kleinen Dörfern, Geheimbünde, Verschwörungen, usw. Häufig mit einem Verbrecher mit wahnsinnigen oder überspannten Plänen im Hintergrund. Das waren die inspirativen Elemente, die von Wallace direkt gekommen sind.
Die Charaktere habe ich dann selbst entwickelt. Vor allem die Figur des Inspektors habe ich als Autor geliebt. In den Mann habe ich meine ganze Vorliebe für englische Käuze einfließen lassen.
Im Grunde habe ich die Wallace-Romane nur sehr sparsam für meine Geschichten verwendet. Ich habe mich von der Titelgebung anregen lassen, und dann gab es natürlich markante Elemente, die meinem Inspektor als Anregung und für seine kriminalistischen Überlegungen dienten.
Ich denke, die Atmosphäre in meinen Geschichten ist stärker von den Wallace-Verfilmungen beeinflusst als von den Wallace-Büchern. Und auch von eigenen Erfahrungen. Ich erinnere mich bis heute an einen frühen Morgen im Londoner Eastend unweit von Whitechapel, als vor meinem Hotel dicker Nebel durch die enge Straße waberte, so dass die Kandelaber der Straßenlaternen verschwammen und man erwartete, Jack the Ripper würde gleich aus einem Hofeingang auftauchen. Diese Atmosphäre wollte ich transportieren.
Da ich die Romane in einer Zeit angesiedelt habe, in der Wallace auch selbst noch am Leben war, als noch Pferdedroschken neben knatternden frühen Automobilen durch London rollten, konnte ich auch das altmodische England darstellen, das mir so sympathisch ist.
 
Die goldenen MöncheZauberspiegel: Wie gefällt Dir nun die Hörspielumsetzung von Winterzeit und wie nah sind die am Original?
Dietmar Kuegler: Ich bin von der professionellen Umsetzung durch Winterzeit sehr begeistert. Es mag Wallace-Puristen geben, die das eine oder andere kritisch sehen – die vergessen nur, dass diese Geschichten ursprünglich für ein junges Publikum geschrieben wurden. Winterzeit gibt auf den CDs auch ausdrücklich ein Verbreitungsalter „ab 10 Jahre“ an. Die Geschichten sind unter diesem Gesichtspunkt zu sehen. Hier gibt es keinen Blutrausch, Mord und Totschlag, explosive Action mit durch die Luft fliegenden Autos und halsbrecherischen Stunts. Diese Geschichten leben von der Verzwicktheit der Fälle, dem Scharfsinn des Inspektors – der mit kriminalistischer Raffinesse Wallace-Romane auswertet -, von der typisch englischen Atmosphäre, der Exzentrik der Figuren, abenteuerlichen Elementen und dem Charisma der Handlungsorte (Klosterruinen, Geheimgänge, maskierte Verbrecher, verschlagene, undurchsichtige Gestalten, usw.).
KIBU wollte von mir damals dialogstarke Romane, weil man schon vor 30 Jahren eine Hörspiel-Umsetzung im Sinn hatte. Das macht es heute natürlich leichter, die Geschichten auf CD zu bringen. Die gesprochenen Dialoge entsprechen fast 1 zu 1 meinen Büchern.
Mir gefällt die Musik und die Geräuschkulisse, und der Sprecher des Inspektors, Jürgen Kluckert, ist Spitze.
Gerade ist Nr. 3 erschienen – „Der schwarze Armbrustschütze“. Hier hat man weitgehend auf einen Erzähler verzichtet, sondern lässt die handelnden Figuren sprechen und die Situation aus den Dialogen verständlich machen. Das hat mir sehr gut gefallen.
 
Der unheimliche Pfeifer von Blending CastleZauberspiegel: Die Hauptfigur wurde namentlich verändert. Warum glaubst Du hat man das gemacht? 
Dietmar Kuegler: Ganz ehrlich – darüber habe ich mich zuerst geärgert, weil Inspektor Ebenezer Pommery komplett „mein Kind“ war, mit all seinen Macken und Schrullen. Mir ist dann erklärt worden, dass die Vermarktung der Hörspiele einfacher sei, wenn der Inspektor einen aus Wallace-Büchern bekannten Namen tragen würde. So wurde aus Pommery "Bliss". Da die Charakterisierung und Erscheinung des Inspektors aber nach wie vor meinen Geschichten entspricht, habe ich diese Änderung schließlich akzeptiert. Winterzeit will und muss ja auch verkaufen. Wenn das mit dem Namen „Bliss“ einfacher ist, will ich mich nicht dagegen sperren.
Ich sehe hier nur das Risiko, dass einige alte Wallace-Fans den „Bliss“ anders vor Augen haben. Mein „Pommery“ war eben die Figur für ein jugendliches Publikum. Und er ist eine Kuegler-Figur. Bliss ist eine Wallace-Figur. Trotzdem: Ich kann als Autor damit leben, ich hoffe, dass die heutigen Hörspielkunden das auch können.
 
Das irische HalstuchZauberspiegel: Wie viele Vorlagen gibt es - und wärst Du bereit die Serie weiter zu schreiben, wenn auch nur für die Hörspieladaption?
Dietmar Kuegler: Ich habe damals 6 Bände geschrieben. Es hätte eigentlich noch weiter gehen sollen, aber KIBU ging irgendwann „die Luft aus“. Die Inhaber waren nicht mehr die jüngsten und haben ihren Verlag aufgelöst. Das war schade. Ich hatte noch einige Ideen in der Schublade, die ich gern hier verwirklicht hätte. Es war ein sehr angenehmes Arbeiten mit KIBU. Zu einem der Inhaber, Herrn Tamm, hatte ich ein persönlich sehr gutes Verhältnis. Der war immer offen für Ideen. Auch meine Western-Serie „Pecos“ sollte fortgesetzt werden, sowie die „Goldene Reihe“. Es war auch ein sehr professionelles Arbeiten, bei dem ich meine Verlagserfahrungen voll einbringen konnte. Die Produktion lief schnell und reibungslos. Es ist dann leider alles im Sande verlaufen.
Es hat in der Tat schon die Anfrage gegeben, ob ich meine Wallace-Reihe noch weiterschreiben würde – das würde dann tatsächlich sowohl den Druck als auch die Hörspieladaption betreffen. Zumal der Start der Hörspielreihe offenbar sehr gut war.
Ich bin im Prinzip dazu bereit. Diese Geschichten haben mir persönlich viel Freude gemacht. Allerdings müsste ich mich doch wieder ein bisschen in die Wallace-Romane einlesen, um die Lösungen der Fälle glaubwürdig zu machen. Die „Querverweise“ zu den Wallace-Büchern müssen ja stimmig sein.
 
Der schwarze ArmbrustschützeZauberspiegel: Kennst Du andere Wallace-Hörspielumsetzungen?
Dietmar Kuegler: Nein, kenne ich nicht. Ich habe mich auch bewusst nicht von anderen Veröffentlichungen beeinflussen lassen wollen. Auch wenn man es vermeiden will – im Unterbewusstsein laufen einem die anderen Geschichten doch immer hinterher. Ich habe schon damals, bei der Entstehung meiner Serie, die Konkurrenzserien erst später angeschaut. Bei den jetzigen Hörspielumsetzungen vertraue ich auf Winterzeit. Ich denke, Herr Winter versteht sein Geschäft. Nach dem anfänglichen Ärger wegen der Namensänderung haben wir jetzt ein sehr gutes menschliches und professionelles Verhältnis. Ich kann nur noch einmal sagen: Er weiß, was er tut und hat meine Geschichten ausgezeichnet umgesetzt.
Aber um auch das noch einmal zu betonen: Diese Geschichten sind zwar von Edgar Wallace inspiriert, aber es sind Kuegler-Geschichten. Sie wurden für eine junge Leserschaft geschrieben. So sind sie vor 30 Jahren konzipiert und aufgenommen worden. Sie wurden damals sehr gut verkauft und auch mehrfach sehr gut rezensiert.
 
Zauberspiegel: Ist die Figur Mander auch von Winterzeit umbenannt worden? Und wenn ja wie hieß diese Figur bei Dir?
Dietmar Kuegler: Der Assistent von Inspektor Pommery war Sergeant Daven. Ich denke, die Umbenennung hatte dieselben Gründe wie oben mit Bezug auf den Inspektor erwähnt. Auch hier entspricht die Charakterisierung voll und ganz meinem Konzept.
 
Zauberspiegel: Welche Wallace-Romane kennst Du, und was sind Deine "Lieblinge"?
Dietmar Kuegler: In Vorbereitung auf die Serie habe ich wohl an die 30 bis 40 Wallace-Bücher gelesen.  Zu meinen Lieblingen gehörte natürlich „Der Hexer“, „Der schwarze Abt“, „Das Gasthaus an der Themse“, „Der Doppelgänger“. Wallace hat mit seinen Geschichten den Geist der Zeit getroffen, in der er gelebt hat. Sie haben bis heute ihren besonderen Reiz. Aber man muss schon ein besonderes Faible für das alte England mitbringen, um diese teils skurrilen Stories zu lieben. Das ist im Grunde bei Sherlock Holmes nicht anders, der wiederum viel komplexer angelegt ist.

Zauberspiegel: Danke, Dietmar Kuegler für das informative Interview.

G. Walt



Die Fragen für den Zauberspiegel stellte Stephan Gewalt

 

Kommentare  

#1 Erlkönig 2017-05-21 21:53
Informatives Interview. Danke.
Kueglers Wallace-Krimis sind weitaus spannender und "britischer" als die von Edgar W., die ja doch recht, ich sage mal "zäh", zu lesen sind. Die Wallace-Filme hatten zum Glück mit den Romanen von EW nur meistens den Titel gemeinsam und weniger den Inhalt. :-)
#2 G. Walt 2017-05-22 17:55
Nunja, die ersten Wallace-Filme waren noch nah an den Romanen "Der Frosch mit der Maske", "Der rote Kreis" usw. Aber es stimmt schon, irgendwann kippte das ganze. Insbesondere ab dem Jahr 1963. Spätere Filme hatten m.u. gar nichts mehr mit Wallace zutun. Nicht mal den Titel "Rätsel des silbernen Halbmondes" "tote aus der Themse" usw.

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