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...Mara Laue über dass Schreiben, ehrlich über die »neue« Sternenfaust und andere Projekte

Mara Laue ...Mara Laue ...
... über dass Schreiben,  ehrlich über die »neue« Sternenfaust und andere Projekte 

Mara Laue war die erste Autorin im STERNENFAUST-Team. Seit Band 16 schreibt sie über Dana Frosts Abenteuer und das Schicksal  der Solaren Welten, erst unter dem Pseudonym M'Raven, jetzt unter ihrem richtigen Namen. Mittlerweile ist sie das dienstälteste Mitglied im Autorenteam. Leser der Serie wissen z.B. ihre Schilderung  der Shisheni und der J'ebeem zu schätzen. Kein anderer STERNENFAUST-Autor hat soviele Figuren in die Serie eingeführt wie sie. Gleichzeitig gehört sie zu den vielseitigsten Mitgliedern in der dortigen Autorenriege.

Zauberspiegel
: Mara, mittlerweile stammen mehr als 30 STERNENFAUST-Romane aus Deiner Feder. Wie bist Du damals zur Serie gestoßen?

Mara Laue: Das war im Jahr 2004. Mensch, ist das wirklich schon so lange her??? Muss wohl, da ich dieses Jahr 51 werde. ) In jenem Jahr also schrieb Bastei einen Nachwuchswettbewerb aus „Werde Bastei-Autor“ (oder so ähnlich hieß er). Allerdings ging es da wohl primär um die Serie „Schattenreich“, die leider nach 26 Bänden wieder eingestellt wurde. Ich bewarb mich mit der Gruselgeschichte „Nachtgeschöpfe“, die dem damaligen Lektor sehr gut gefiel und bekam den „Job“ für „Schattenreich“. Und eines Tages rief mich besagter Lektor an und fragte mich, ob ich zufällig auch Science Fiction schreibe. Ein STERNENFAUST-Autor sei ausgestiegen, ob ich denn Interesse hätte, seinen Platz einzunehmen. Ich sagte zu, und seitdem (seit Band 16) bin ich dabei.

Zauberspiegel: Was macht für Dich das Besondere der STERNENFAUST aus?
Mara Laue: Hauptsächlich zwei Dinge. 1. Der Captain ist eine Frau, was mir persönlich gut gefällt, und 2. die Zeit, in der die Serie spielt, ist noch nahe genug an unserer Gegenwart, dass die in der Serie beschriebene Welt den Lesern nicht total fremd vorkommt. Obwohl so etwas natürlich auch seinen Reiz hat. Aber durch diese zeitliche (relative) Nähe denke ich, dass es den Lesern leichter fällt, sich in die Zeit einzufühlen und sich auch besser mit den Charakteren zu identifizieren. Außerdem ist/war STERNENFAUST meines Wissens (ich kenne allerdings nicht alle SF-Serien auf dem Markt oder wer sich hinter den Autoren-Pseudonymen verbirgt) die erste (oder doch eine der ersten) Science Fiction Heftreihe hierzulande, an der Frauen mitschreiben.

Zauberspiegel: Welche Elemente der Serie liegen Dir besonders am Herzen?
Mara Laue: Die liebgewonnenen Hauptfiguren natürlich und die fremden Kulturen, die wir mittlerweile sehr ausführlich entwickelt haben und die durchaus gewisse Ähnlichkeiten mit real existierenden Völkern, Gruppen oder Gesellschaftsschichten unserer Erde von heute haben ...

Zauberspiegel: Wie hast Du den Einschnitt ab Band 100 empfunden?
Mara Laue: Ups! Jetzt muss ich mir eine diplomatische Formulierung einfallen lassen! Aber so auf Anhieb fällt mir da keine ein ... – Okay, bin ich also ungeschminkt ehrlich. (Irgendwann wird mir mal jemand aus meiner ungeschminkten Offenheit einen Strick drehen, ich sehe es kommen!) Ich gebe zu, dass ich mit dem neuen Konzept gewisse Schwierigkeiten habe, denn es hat sich nicht nur der Inhalt der Serie verändert, sondern auch das Arbeitskonzept. Vorher (bis auf wenige Ausnahmen) hat jede/r Autor/in sein/ihr eigenes Exposé mit einer von ihm/ihr erfundenen Handlung eingereicht, das dann meistens so oder mit wenigen Änderungen genehmigt wurde. Mit anderen Worten, es waren (bis auf die wenigen besagten Ausnahmen) immer unsere eigenen Ideen, die wir dann umgesetzt haben. Jetzt wird (fast) jedes Exposé vom Lektorat vorgegeben, und zwar als Inhaltsangabe für (fast) jede einzelne Szene. Das lässt uns Autor/innen nur noch relativ wenig Handlungsfreiheit beim Schreiben (für meinen Geschmack!), und damit komme ich persönlich nicht so gut klar. Es hemmt meinen Schreibfluss, wenn ich dauernd die Vorgaben berücksichtigen muss und die Story nicht so entwickeln kann, wie ich sie gern entwickeln würde.
Andererseits hat es natürlich den Vorteil (meistens jedenfalls ...), dass die Widersprüche, die früher (nach meinem Empfinden reichlich oft!) mangels optimaler Koordination auftauchten, nun weitgehend vermieden werden und die Story des neuen Zyklus’ einen durchgehenden und größeren Roten Faden hat als vorher.
Aber eben dieser Rote Faden ist mir persönlich „zu dick“. Soll heißen: Es gibt zu viele Handlungsstränge, die erst am Ende des Zyklus aufgelöst werden sollen, was manchmal etwas verwirrend ist. Ein Neueinsteiger käme, wenn er z. B. Band 112 (oder einen anderen) als ersten in Hände bekommt, gar nicht in die Handlung rein und wird sich deshalb höchstwahrscheinlich keinen zweiten STERNENFAUST-Roman kaufen. Das war in den Bänden bis 99 noch anders. Da war (fast) jeder Einzelroman in sich verständlich und weitgehend abgeschlossen, obwohl die Roten Fäden trotzdem darin und gut erkennbar, aber überschaubar waren.
Alle (auch auf den ersten Blick scheinbar sinnlosen bzw. zusammenhanglosen) Handlungen in den einzelnen Heften laufen jetzt auf das Finale am Ende des Zyklus’ in Band 124/125 hin, wo sie dann alle aufgedröselt und (so ist es zumindest geplant) alle Fragen beantwortet werden. Aber bis es so weit ist, bleiben sie teilweise ein Rätsel und hat man hin und wieder den Eindruck, dass verschiedene scheinbar (!) zusammenhanglose Dinge in einen Roman gepackt werden, der in sich nicht einmal den Anschein einer halbwegs abgeschlossenen Handlung erweckt.
Vielmehr werden Szenen und Handlungen aneinander gereiht, bei denen man sich am Ende des Romans fragt, worauf das Ganze denn nun hinaus will. Das trifft natürlich nicht auf jeden Roman zu, aber es kommt häufig vor, weil viele Dinge „gleichzeitig“ bearbeitet werden: die Telepathie der Christophorer, die Intrigen der J’ebeem und Starr, die Erdanaar, der wackelige Waffenstillstand mit den Kridan, die Basiru-Aluun ... Ich denke, dass das alles einfach zu viel auf einmal ist und die Leserschaft – nach allem, was ich aus den Fan-Foren so mitbekommen habe – teilweise gar nicht mehr richtig durchsteigt.
Dass die neue STERNENFAUST III ein ultramodernes und vor allem großes Schiff ist, ist gut so, denn der Fortschritt der Technik musste einfach mal einen größeren Sprung machen.
Was mich aber wirklich stört ist die Tatsache, dass etliche Fragen, die sich am Ende von Band 99 ergeben haben (und auch schon davor), unbeantwortet bleiben. Allen voran die, was z. B. Dana Frost in den vergangenen 15 Jahren gemacht hat. Oder was aus Siron Talas geworden ist oder Kaishuk, der zuletzt Erster Sprecher der Starr war und seiner Vertrauten Tishaga. Und derlei Fragen mehr. Ganz ehrlich: Wenn ich nur Leserin der Serie wäre, wäre ich mehr oder weniger sauer, dass darüber kein einziges Wort verloren wurde. Ich habe in Band 110 wenigstens erklären können, was aus Siron Talas geworden ist, aber solche Antworten hätten gleich zu Beginn des neuen Zyklus’ gegeben werden müssen (auch wenn sie nur in einem einzigen Satz abgehandelt worden wären). Sie irgendwann mal einzuflechten (oder auch gar nicht!) ist einfach unbefriedigend.
Dabei hätte man diese Fragen mit einem kleinen literarischen Kunstgriff irgendwo in Band 100 beantworten können, z. B. durch eine Eintragung von Dana Frost (oder jemand anderem, der Bescheid weiß) in ihr persönliches Logbuch (=Tagebuch), in dem sie durch irgendein Ereignis dazu angeregt kurz (!) reflektiert, wie sehr sich doch „die Welt“ verändert hat und Siron heute dieses tut und Kaishuk jenes usw. Das hätte der Leserschaft dann die Veränderungen schlüssig erklärt und einen „runden“ Übergang geschaffen. So wird beinahe der Eindruck erweckt, dass es sich um eine völlig neue Serie handelt, die nur noch den Namen und Dana Frost (und ein paar wenige „alte Bekannte“) mit der vorherigen Serie gemein hat. Diese Form des „Sprungs ins Neue“ ist für mich persönlich eben wegen der offenen Fragen einfach zu abrupt.
Ob das der Serie gut getan hat und das (geplante) Ziel erreicht wurde, neue Leser zu gewinnen und alte bei der Stange zu halten, kann ich nicht beurteilen, weil ich die Verkaufszahlen nicht kenne. (Und wüsste ich sie, würde sie natürlich diskret für mich behalten.) Ich hätte die Sache jedenfalls anders aufgezogen, wenn es meine Entscheidung gewesen wäre. Allen voran hätte ich die Figur von Admiral Taglieri als Kommandant der STERNENFAUST III weggelassen. Dass Dana Frost – inzwischen Commodore und (auch vorher schon) eine der besten, vor allem erfahrensten Schiffskommandantinnen des Star Corps – jetzt plötzlich wieder auf ihrem „eigenen“ Schiff einem Kommandanten untergeordnet ist, empfinde ich als absolut nicht stimmig. Aber die Redaktion hat das nun mal so entschieden.
Und um jetzt (endlich) Deine Frage, wie ich den Einschnitt empfunden habe, ganz konkret zu beantworten: teilweise recht schmerzhaft. Aber das mag daran liegen, dass ich mich generell schwer damit tue, mich auf völlig neue Dinge einzustellen. In diesem Zyklus ist für mich persönlich aber der Charme der Serie streckenweise abhanden gekommen, und ich hoffe sehr, dass der ab Band 125/126 wieder aktiviert werden kann.

Zauberspiegel: Was wird aus „Deinen“ alten Figuren? Ich denke da z. B. an Brekken Dabruun oder Siron Talas.
Mara Laue: DAS würde ich auch gern wissen!!!  Und einen Teil dieser Frage habe ich ja gerade schon beantwortet. Einige „meiner“ Leute sind zum Glück dabei geblieben, z. B. Jenny Black Fox als Chefingenieurin und Dr. Ashkono Tregarde als Schiffsarzt. Und Marine Ragnarök S. Telford lebt auch noch, auch wenn er – leider – kaum noch eine Rolle spielt.
Brekken Dabruun hätte ich allerdings sehr gern in der Serie belassen. Als wir Autor/innen unsere Ideen für die Serie ab Band 100 einreichen sollten, habe ich ihn als Schiffsarzt der STERNENFAUST vorgeschlagen. Das Letzte, was man von ihm erfahren hat, war ja, dass er sich mit „GalAb-resistenter“ gefälschter Identität aber ganz offen als J’ebeem zu den Solaren Welten abgesetzt hat. Ich hatte mir gedacht, dass er in seiner immer noch intakten Tarnidentität auf der STERNENFAUST III als Schiffsarzt anheuert und irgendwann Dana Frost unter vier Augen seine wahre Identität enthüllt. Woraus sich dann (nach meiner Planung) im Laufe der Serie eine Beziehung zwischen den beiden entwickelt hätte. Leider wurde dieser Vorschlag nicht angenommen. Ich hätte gerade Dabruun aber gern irgendwann noch mal drin, nicht nur um den Lesern mitzuteilen, was aus ihm geworden ist, sondern weil er als Charakter ein interessantes Entwicklungs- und Konfliktpotenzial hat. Eine solche Handlung passt allerdings gegenwärtig nicht in das Konzept. Vielleicht hat Brekken Dabruun ja in dem nächsten Zyklus eine Chance. Aber bis dahin lebt er in meiner Vorstellung als praktizierender Arzt unter den Menschen, hat – nach anfänglichen Ressentiments und Dauerbespitzelung durch die GalAb – Freunde gefunden und fühlt sich ganz wohl in seinem neuen Leben. Und er hat Dana Frost keineswegs vergessen ...
An dieser Stelle verrate ich mal ein kleines Geheimnis. Ursprünglich, als Frost und Dabruun sich in der Gefangenschaft bei den Morax kennenlernten, hatte ich denen eine richtig schöne Affäre verpassen wollen. LEIDER wurde die vom Lektor ersatzlos gestrichen nach der Prämisse: „Kein Sex mit Aliens!“ Die durften sich nicht mal ganz keusch küssen! Sch... aber auch!!! Und das war wieder mal eine jener Situationen, wo ich eine neue Krimistory geschrieben habe, in der ein Lektor die (übelst zugerichtete!) Leiche war ...  Das ist meine Art, mit dieser Form von Frust umzugehen.
Siron Talas ist weitgehend ausgereizt, aber ich hatte geplant, seine Tochter Tanera als Austauschoffizierin oder auch ganz regulär als Star Corps Offizierin auf die STERNENFAUST zu versetzen. Leider wurde auch diese Idee vom Lektorat abgelehnt. Ich hoffe auch hier, dass sie später vielleicht aufgegriffen wird. Die Shisheni haben noch Potenzial. Allerdings sind sie von Lektorenseite nicht ganz so beliebt wie bei mir. Ist aber auch kein Wunder, sie sind schließlich „meine Babys“. Und die Idee mit der IU, der Interstellaren Union, in der sich die Völker von Cisalpha zusammenschließen, habe ich auch noch nicht abgeschrieben und hoffe, dass die noch mal eine Chance bekommt. Denn meiner Meinung nach sind die Konflikte zwischen Solaren Welten und den J’ebeem, Starr und Kridan inzwischen ausgereizt. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, noch einen Zyklus zu haben, in dem die Querelen zwischen denen in weitgehend derselben Form ungebremst weitergehen. Irgendwann muss mal Schluss und die Konflikte gelöst sein und ein neuer „Feind“ auftauchen, der die alten Differenzen dann ins Hintertreffen geraten lässt bzw. die beseitigt.

Zauberspiegel: Auf Deiner Homepage steht, dass fast alle Deine Hauptpersonen starke, selbstbewusste Frauen sind. Siehst Du solche Charaktere auch bei der STERNENFAUST?
Mara Laue: Ja, klar. Immerhin ist der Captain eine Frau und hat nicht umsonst den Spitznamen „Eisbiest“, Jenny Black Fox ist Chefingenieurin, Isabella Sairam (die Tochter des Verräters Joris Abenaike) soll auch noch später eine wichtige Rolle spielen (es ist aber noch offen, ob diese Idee wirklich umgesetzt wird), und es gab Dr. Simone Gardikov und ein paar weibliche Marines, stellvertretender Kommandant der Marines ist gegenwärtig auch eine Frau (Major Terry Mortimer) und eine Frau – Suzanne Gernet – ist die Chefin des Star Corps. Wenn es nach mir ginge, gäbe es bei den Hauptpersonen der STERNENFAUST-Crew aber volle Parität, das heißt, es gäbe noch ein paar kompetente Frauen mehr in leitenden Funktionen. Ich meine, dass die reale Emanzipation von Männern und Frauen auf unserer Erde zwar noch mindestens 100 Jahre brauchen wird, bis ein wirkliches Gleichgewicht erreicht ist, aber im Jahr 2260+, in der die Serie spielt, bin ich überzeugt, dass auch die Militärberufe (Star Corps) paritätisch besetzt und nicht mehr überwiegend eine männliche Domäne sein werden.

Zauberspiegel: Du bist seit kurzem auch im REX CORDA-Team. Wo siehst Du die Hauptunterschiede zur Arbeit bei der STERNENFAUST?
Mara Laue: Was die Arbeit als solche betrifft, so gibt es zwei gravierende Unterschiede. 1. Ich habe für einen Rex-Corda-Roman bei gleicher Länge in der Regel mehr Zeit, um ihn zu schreiben ca. 8 Wochen. Bei STERNENFAUST sind es oft nur 3 – 4, was je nachdem, was ich sonst noch zu tun habe (Abgabetermine), manchmal in Stress ausartet, worunter meine Arbeit natürlich – leider – leidet. 2. Auch bei REX CORDA wird der Inhalt der einzelnen Romane zwar vorgegeben, aber NUR in kurzen Handlungssträngen, nicht in jeder einzelnen Szene, sodass ich weitgehend „frei“ schreiben kann. Außerdem erhalte ich bei Rex Corda auch eigene Charaktere, die ich entwickeln kann und die schreiberisch allein in meiner Hand bleiben. So kommt es nicht zu Diskrepanzen, dass – banales Beispiel – dieselbe Person beim einen Autor blaue und beim nächsten plötzlich braune Augen hat.
Ganz wichtig ist auch, was die Arbeit für mich als „Späteinsteigerin“ in die Serie besonders erleichtert, dass es ein „Rex-Corda-Lexikon“ gibt, das für die Autoren zusammengestellt wurde. Es ist zwar noch nicht ganz fertig, aber es beantwortet fast alle Fragen, die beim Schreiben aufkommen. So etwas fehlt bei STERNENFAUST (noch! Ich arbeite gerade daran), wodurch sich so manche Widersprüche in die Serie eingeschlichen haben und immer wieder vorkommen.
Inhaltlich sind die beiden Serien natürlich ganz anders aufgebaut, und man merkt es REX CORDA an, dass sie nach dem Prinzip von Perry Rhodan entwickelt wurde. Kein Wunder, wenn man die Zeit bedenkt, aus der sie ursprünglich stammt. Sie spielt ja auch noch in 1990er Jahren, und das hat seinen ganz eigenen Reiz.

Zauberspiegel: Außerdem betreust Du jetzt die Neuauflage der STERNENFAUST im Mohlberg-Verlag. Dort erscheinen ja jeweils drei alte Romane in einem Band und Du hast die Überarbeitung übernommen. Wie darf man sich das vorstellen? Wie tiefgreifend ist die Überarbeitung? Hast Du „freie Hand“ oder gibt es Vorgaben seitens der Verlage?
Mara Laue: Ich habe weitgehend „Carte blanche“, was die Überarbeitung betrifft. Das geht natürlich NICHT so weit, dass ich halbe oder gar ganze Romane umschreiben kann/darf (obwohl es da ein paar gibt, denen das verdammt gut täte – der eine oder andere von meinen eigenen inbegriffen!), aber wenn irgendwo etwas definitiv falsch oder zu hanebüchend ist, dann darf ich das durchaus ändern. Auch wenn das bedeutet, dass ich in dem Fall tatsächlich ein paar Seiten umschreiben oder rausnehmen muss.

Zauberspiegel: Ich nehme mal ein konkretes Beispiel. Die Orsonen bringen in einem der ersten Bände des Dronte-Zyklus einen übernommenen Menschen mitten in ihr Höhlensystem zu seinen dort befindlichen Kameraden ohne seinen Zustand zu bemerken. In einem der letzten Bände des Zyklus besitzen sie auf einmal die Fähigkeit, auf den ersten Blick zu sehen, ob jemand einen Drontewirt in sich trägt oder nicht. Wird die Überarbeitung solche Widersprüche auflösen?
Mara Laue: Ja, unbedingt! Genau das ist der primäre Sinn der Überarbeitung! Denn solche Fehler gibt es – pardon, liebe Lektoren! – in jedem Band mindestens einen, oft aber mehrere. Sicherlich liegt das daran, dass in der Redaktion mehrfach ein Lektorenwechsel stattgefunden hat. Und jemand, der sich in eine neue Serie einlesen UND gleichzeitig den aktuellen Band korrigieren muss, macht zwangsläufig solche Fehler aus purer Unwissenheit. Und darum die Überarbeitung.
Einer der (wenn auch weniger gravierenden) „Klöpse“ ist z. B., dass Dana Frosts Größe am Anfang der Serie (unter anderem im „Leitfaden für die Autoren“ ...!) mit 1,79 m festgelegt wurde. Später war sie nur noch 1,75 m groß, aber in Band 100 (oder war es 101?) ist sie plötzlich nur noch ca. 1,70 m. Solche Dinge werden dann im Zuge der Überarbeitung vereinheitlicht. Oder in Band 96 hieß Ebeems Hauptstadt noch Saktara, was aber von den Lektoren beim neuen Zyklus völlig vergessen worden ist, in dem die Hauptstadt nun kommentarlos Ikendar heißt. In Band 110 habe ich dann nachträglich noch eine nachvollziehbare Erklärung für diesen Namenswechsel einfügen können, doch solche Dinge sollten Lektoren eigentlich NICHT passieren. Die zu vermeiden ist – pardon, liebe Lektoren! – neben der Korrektur von Rechtschreibung und Grammatik schließlich deren Aufgabe. Aber: Wir sind alle nur fehlbare Menschen, und so was kommt eben vor.
Noch ein Beispiel für unlogische Handlungen. In einem Roman stürzt die STERNENFAUST auf einer Dschungelwelt ab, und die Crew „versteckt“ sich vor der Suchflotte der Kridan unter dem dichten Laub des Dschungels ... Hallöchen: Die Feindschiffe haben Ortungsgeräte, mit denen sie sogar Mikroben im Erdboden orten können. Egal wie dicht die Blätter des Dschungels sind, vor den Ortungsgeräten gibt es kein Entkommen oder gar Verstecken! Leider basierte die halbe Handlung des Romans auf diesem Denkfehler (ich wundere mich immer noch, dass der damalige Lektor das unverändert hat durchgehen lassen), sodass ich das nicht rausnehmen konnte. Also musste ich eine andere halbwegs (!) plausible Erklärung einfügen, warum die Feindschiffe nicht die Umgebung nach den Überlebenden scannen. Im selben Roman stürzt ein Crewmitglied aus 20 Metern (!) Höhe vom Baum in ein Schlammloch und steckte so tief drin, dass man ihn ausbuddeln musste – und als er wieder draußen ist, hatte er sich nicht mal einen blauen Fleck geholt, geschweige denn die Beine gebrochen oder auch nur verstaucht und konnte sofort wieder „rennen“. AUA!!! Auch im 23. Jahrhundert übersteht ein Mensch einen Sturz aus 20 Metern Höhe in ein Schlammloch auf keinen Fall unverletzt. Also musste ich diese Szene natürlich umschreiben (Fallhöhe 3 Meter statt 20 und einen verstauchten Knöchel), damit die Logik gewahrt blieb. Ich bemühe mich aber grundsätzlich, so wenig wie möglich an den Originalen zu ändern. Auch wenn es mich manchmal in den Fingern juckt ... 
Oder nehmen wir den Punkt, der mich bewogen hat, mich als „Überarbeiterin“ der Neuauflage zur Verfügung zu stellen. In einem meiner Romane hat der Lektor eine der Figuren sterben lassen, was von mir nicht geplant war. Am Ende des Romans hatte er aber übers Wochenende vergessen, dass er sie hat sterben lassen, und so tauchte sie in der letzten Szene putzmunter wieder auf. Worauf es natürlich „bitterböse“ Kritiken der Leserschaft hagelte – zu Recht! Solche Dinge werden ausgemerzt. Bis auf diejenigen, die auch ich wahrscheinlich übersehen werde, denn „Nobody’s perfect and shit happens!“  Allerdings bin ich mit der Überarbeitung erst ab Band 13 eingestiegen, sodass ich also nicht dafür garantieren kann, dass solche Widersprüche und andere Fehler nicht immer noch in den ersten 12 Bänden existieren. Aber wie gesagt, ich gebe mir Mühe!
Außerdem nutze ich diese Tätigkeit, um ein STERNENFAUST-Lexikon zu erstellen, das zumindest für die Autor/innen einen Leitfaden darstellt, idealerweise später aber auch veröffentlicht wird für die Fans der Serie. In jedem Fall will ich darin – basierend auf den in den einzelnen Romanen beschriebenen „Fakten“ – die Rahmenbedingungen für die Autor/innen festlegen, dass alle von den gleichen Voraussetzungen ausgehen können. Ein Beispiel: am Anfang wurden die Kutten der Christophorer als grau festgelegt, und irgendwann trug Bruder William plötzlich eine braune Kutte. So was muss natürlich einheitlich und für alle Autor/innen verbindlich sein.
Ab Band 25, dem Beginn des Dronte-Zyklus, werden aber die jeweiligen drei Bände so aufgearbeitet, dass sie ein richtiges Buch ergeben und nicht nur drei abgeschlossene Romane in Buchform sind. Das heißt, dass sämtliche Erklärungen der Handlungen aus den vorherigen Romanen gestrichen werden, da sie dann nur überflüssige Wiederholungen wären und die Romane so zusammengefügt werden, dass man nicht mehr erkennen kann, wo der eine aufhört und der andere anfängt (außer am Schreibstil der Autoren). Ein richtiges Buch eben. Damit werden die Bücher dann auch wieder für diejenigen Leser/innen interessant, die die Serie als Heftromane bereits kennen.


Zauberspiegel: Es gibt immer wieder Stimmen, die das baldige Ende des Heftromans prophezeien. Kannst Du Dir vorstellen, dass STERNENFAUST in naher Zukunft (wie BAD EARTH) in Buchform erscheint? Wäre das aus Deiner Sicht als Autorin, ein Vor- oder ein Nachteil?
Mara Laue: Du meinst, dass die neuen STERNENFAUST-Romane dann von Anfang an in doppelter Länge gleich als Bücher erscheinen? Für mich persönlich wäre das toll, denn ich gebe zu, dass ich, um wirklich gut zu schreiben (nach meinen Maßstäben ...) und die Charaktere und Handlungen optimal entwickeln zu können, etwas mehr „Raum“ brauche, also einen größeren Seitenumfang als nur die üblichen ca. 64 beim Heftroman. Also sollte es tatsächlich STERNENFAUST irgendwann nur noch als Bücher geben, so freue ich mich schon heute auf die Arbeit an denen!

Zauberspiegel: Neben der SF widmest Du Dich auch anderen Genres, veröffentlichst etwa Gedichte oder schreibst Horror und hast zuletzt einen Kriminalroman vorgelegt. Welche Projekte hast Du zur Zeit in Arbeit?
Mara Laue: Mehrere. Da ich – wenn mir nicht gerade Abgabetermine im Genick sitzen und drücken – immer an dem Projekt arbeite, für das mich die Muse küsst (wen es interessiert: Kalliope, die Muse der epischen Dichtung = Romane und auch Thalia, die Muse der lyrischen Dichtung), habe ich immer mehrere Manuskripte in Arbeit, an denen ich unterschiedlich lange schreibe. Da die Muse recht launisch ist und mich mal für dieses und mal für jenes Projekt knutscht, kann ich selten ein Manuskript von der ersten bis zur letzten Seite kontinuierlich hinter einander weg schreiben. In dem Punkt geht es mir wie vielen anderen Kolleg/innen auch: Wenn eine Inspiration für eine Szene oder auch mal ein neues Projekt kommt und ich sie nicht sofort zu Papier bzw. in die PC-Datei bringe, ist sie nur ein paar Minuten später wieder verflogen. Danach kann ich sie zwar noch „nacherzählen“, aber diese „Nacherzählung“ wird nie so gut wie die ursprüngliche Idee. Natürlich kann ich als hauptberufliche Profi-Schreiberin (und muss es können – Stichwort: Abgabetermine) auch ohne besondere Inspiration schreiben, aber das wird dann nach meinem eigenen Empfinden suboptimal.
Da sehe ich – nebenbei bemerkt – auch für mich die größte Schwierigkeit bei den Heftromanen. Bei STERNENFAUST ist der Abgabetermin manchmal derart eng, dass ich nur 3 oder 4 Wochen Zeit habe für einen Roman. Um wirklich gute Arbeit leisten zu können, müsste ich die Rohfassung mindestens einen bis zwei Monate liegen lassen, bevor ich sie überarbeite, weil mir nur durch einen gewissen Abstand dazu meine eigenen Fehler auffallen. Aber diese Zeit bleibt nicht immer, und die Realität bei STERNENFAUST sieht meistens so aus, dass ich „heute“ die letzte Zeile der Rohfassung schreibe und „morgen“ schon mit der Überarbeitung beginnen und fertig sein muss, da „übermorgen“ das Manuskript beim Lektor sein muss.
Ups! Ich bin abgeschweift! Du hattest ja nach meinen aktuellen Projekten gefragt. Also:
„Schwarze Dame Tod“ – Kriminalroman (die Rohfassung ist fast fertig; Abgabetermin: 31.07.)
Sukkubus 8: „Die Maske aus Menschenhaut“ – Gruselroman (für den „Geisterspiegel“; Abgabetermin: 15.08.)
„Abgestürzt“ – Theaterstück (Auftragsarbeit fürs örtliche Theater; Abgabetermin: 30.09.)
„Das Werkzeug seiner Rache“ – Psychothriller
„Dáskaruns Flamme“ – High Fantasy, Trilogie, 1. Teil
„Das Zepter von Sidrak“ – Fantasyroman (Prequel zu „Dáskaruns Flamme“)
„Das Gesetz der Vampire“ – Gruselroman
 Die PHOENIX-Mission“ – Science Fiction Roman, 1. Band einer möglichen (Buch-)Serie
und in ca. 2 – 3 Wochen (je nachdem, wann ich die Exposés erhalte) fange ich mit dem nächsten STERNENFAUST-Roman sowie dem nächsten REX CORDA an (Abgabetermine: 21. und 31.07.)
Und nebenbei schreibe ich natürlich diverse Storys für Wettbewerbe und hin und wieder ein paar Gedichte. Außerdem sitze ich noch an einigen Exposés und Entwürfen für weitere Projekte und liege in den letzten Zügen mit der Überarbeitung des Fantasyromans „Die Zeit der Zauberin“, der im Sommer oder Herbst erscheint (und für den Michael Sagenhorn das Cover gemalt hat, der auch dass Titelbild für die Sukkubus-Serie entworfen hat). Ideen und ausgearbeitete Konzepte für weitere Romane habe ich allerdings insgesamt (die genannten mitgezählt, außer Sukkubus, Sternenfaust und Rex Corda) 27 Stück, die ich irgendwann umsetzen und schreiben werde – hoffentlich noch in diesem Leben ... Laughing!

 
Zauberspiegel: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei deinen Projekten!

Kommentare  

#46 Martin Flußner 2009-06-24 10:59
@ Harantor:
OK, ich gelobe Besserung und werde meinen Sarkasmus mäßigen. Aber (man sehe es mir bitte nach) ich konnte einfach nicht widerstehen, als ich Frankys Hypothesen gelesen habe. Dennoch verspreche ich, dass ich solche "Siegestänze" nicht mehr aufführe (obwohl sich dieser doch verdammt schön getanzt hat!).

Ich muss jedenfalls Laurin zustimmen, dass die Diskussion sich immer mehr in Richtung Pro und Kontra Mara Laue zu entwickeln scheint. Bei näherer Betrachtung stelle ich allerdings fest, dass das m. E. genau genommen wenig Sinn macht. Ebenso wenig Sinn wie sich darüber zu streiten, ob ein Buch/Film gut oder schlecht ist. Dem einen gefällt das Werk, dem anderen nicht. Einer mag die Werke eines Autors, einer Autorin, der andere nicht. Der eine mag menschelnde Aliens (ich zum Beispiel), ein anderer nicht (Larandil zum Beispiel). Das sagt über das betreffende WERK und/oder den Autor, die Autorin bzw. die Qualität von beiden NICHTS aus, sondern nur etwas über die Vorlieben der betreffenden Leser. Und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Deshalb werde ich mich aus der diesbezüglichen Diskussion ausklinken. Meine persönlichen Vorlieben habe ich hier bereits geäußert und werde sie nicht noch mal wiederholen.

Ferner ist, wie Hermes schon sagte, tatsächlich auffallend, wie doch relativ viele Leute hier tatsächlich so reagieren, als hätte Mara Laue SIE persönlich angegriffen, obwohl dem definitiv nicht so ist. Ich unterstütze daher Harantors Aufruf: Lassen wir alle doch einfach die Kirche im Dorf und hier Ruhe einkehren. Denn ich glaube, wir alle, die wir was (zu dem Interview) zu sagen hatten, haben das hier ausgiebig getan. Ich werde mich also weiterer Kommentare enthalten, solange nicht wieder jemand (wie Franky) persönlich gegen mich wird ?
#47 Marc A. Herren 2009-06-24 12:45
Ich hatte letzte Woche das Vergnügen, Susie Picard persönlich kennenzulernen. Sie hat mir erzählt, dass die Autoren sehr viel Mitspracherecht bei der Expoerstellung haben. Sie hat ein paar Beispiele gemacht, die mich äußerst erstaunt haben, da die Perryexpos um ein Vielfaches umfangreicher sind als diejenigen bei StF. (Klar: 100+ Romane stehen da fast 2500 Romanen gegenüber)

Ich persönlich schreibe gerne nach Expo. Hier treffen die Ideen des Expokraten mit denjenigen des Autors zusammen und können etwas völlig Neues und Spannendes ergeben. Eine Serie mit Fortsetzungscharakter hat m.E. mittel- bis langfristig nur dann eine reelle Überlebenschance, wenn die Serieninterne Logik funktioniert und die Leser auf eine spannende, weitreichende Reise mitgenommen werden. Zudem sind SF-Fans häufig äußerst ... äh ... kompetent, was Detailwissen anbelangt. :lol:

Für mich ist es eine große Herausforderung (und Teil des Schreibspaßes) MIT dem Expo meine eigene Geschichte zu erzählen. Kein Expo kann so ausführlich sein, dass man nicht noch genügend Raum für eine eigene Figuren, Gedanken und Subplots hat.

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