Marc-Oliver Bischoff über Jerry Cotton, Tödliche Fortsetzung und seine weiteren Projekte
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... über Jerry Cotton, Tödliche Fortsetzung und seine weiteren Projekte
Ich wurde 1967 in Lemgo geboren und wuchs in einem kleinen Dorf am Stadtrand von München auf. Nach dem wirtschaftswissenschaftlichen Studium verschlug es mich zunächst an den Bodensee, in die Schweiz und nach Frankfurt.
Heute arbeite und lebe ich mit meiner Frau und zwei Kindern in Ludwigsburg und arbeitet als Softwareentwickler und Autor. Meine erste Veröffentlichung war „Lauf, du Sau!“, eine Sammlung von Glossen zum Thema Marathonlauf.
Ich schreibe mittlerweile Romane, Heftromane, Kurzgeschichten und Hörspiele, und engagiere mich beim Syndikat, dem größten Verein für deutschsprachige Krimiautorinnen und -autoren.
In meinem Debütroman geht es um das klassische Thema „Das Buch im Buch“. Hauptfigur ist Martin Kanther, dessen beste Jahre, in denen er ein gefeierter, aber auch umstrittener Bestsellerautor war, lange zurück liegen. Umstritten deshalb, weil die in seinem Thriller ›Drachentöter‹ beschriebenen Morde an Frankfurter Prostituierten bis ins Detail den Taten eines realen Serienmörders glichen.
Kanther galt sogar als Hauptverdächtiger, wurde jedoch aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Der wahre Mörder konnte nie gefasst werden.
Inzwischen bestimmen Einsamkeit und Ödnis Kanthers Leben – bis er eine ungewöhnliche Anfrage erhält. Ein Fan seines Thrillers bittet ihn per E-Mail, sein Manuskript gegenzulesen.
Als Kanther den Text bekommt, staunt er nicht schlecht: Er hält die Fortsetzung des ›Drachentöters‹ in den Händen. Aber nicht nur der Roman hat eine Fortsetzung – eine Prostituierte wird tot aufgefunden.
Diese Auszeichnung war eine überraschende, aber auch tolle Anerkennung meiner Arbeit und für mich besonders wunderbar, weil sie ein Preis von Kollegen für Kollegen ist und nicht direkt oder indirekt von Verkaufszahlen abhängig, wie andere Preise.
Außerdem hat sie mich mit dem Syndikat e.V. bekannt gemacht, in den ich mich in den letzten Jahren in verschiedenen Rollen ehrenamtlich eingebracht habe.
Das war es ganz sicher. Bücher zu schreiben ist für die meisten Autoren ökonomischer Selbstmord. Wer weiß, ob ich mich nach den überschaubaren Verkaufszahlen zu einem weiteren Roman hätte durchringen können. Immerhin ist der Arbeitsaufwand beträchtlich.
Eine Bestätigung, dass man sich mit der Qualität seines Textes gegen Kollegen durchsetzen konnte, die bei Verlagen mit großen Namen veröffentlichen, ist hilfreich beim täglichen Kampf gegen die leere Seite.
In der „Voliere“ geht es um die Sicherungsverwahrung gefährlicher Strafäter, in „Golanhöhen“ um Mütter, die ihre neugeborenen Babys töten, sog. „Neonatizide“, und in der „Sippe“ um Reichsbürger und Völkische Siedler.
Wie für viele Autoren meiner Generation ist Stephen King ein großes Vorbild. Ich habe ihn als Jugendlicher verschlungen und in den letzten Jahren wiederentdeckt. „Der Anschlag“, „Joyland“ und „Under the Dome“ gehören für mich zum Besten, was an Unterhaltungsliteratur je geschrieben wurde.
Das sollten besser meine Leser beurteilen. Ich versuche, ohne belehrend wirken zu wollen, aktuelle gesellschaftliche Themen spannend zu verpacken und eine Haltung zu vermitteln.
Besonders bei der „Voliere“ und der „Sippe“ ist mir das glaube ich gut gelungen, wie ich den Reaktionen der Leser und den Zeitungsrezensionen entnehme.
Die meisten Themen kommen mir während der Zeitungslektüre oder Internetrecherche unter. Ich sammle viel in einem kleinen schwarzen Buch.
Sobald es an die Planung eines neuen Romans geht, versuche ich zu ergründen, welches Thema für eine große Geschichte trägt, wie gut ich mir vorstellen kann, mit der Geschichte mehr als ein Jahr zu verbringen und wieviel Raum das Thema für die Entwicklung interessanter Charaktere lässt.
Sich für ein Thema zu entscheiden ist ein schmerzhafter Prozess, da es eine Entscheidung gegen andere potentielle Themen ist. Man hat im Leben eines Nebenberufsautors leider nur Zeit für 10-20 Romane. Da muss man wählerisch sein.
Wie für alle Autoren sehr wichtig. Ich denke, man kann keinen glaubhaften welthaltigen Roman egal welchen Genres schreiben, ohne viel Zeit mit Recherche zu verbringen, außer er spielt direkt vor der eigenen Haustür.
Andererseits macht einem das Internet die Recherche heutzutage leicht. Sogar für meine Heftromane recherchiere ich viel. Ich würde mich ansonsten viel zu unsicher beim Scheiben fühlen.
Wie schon erwähnt gibt es einiges an Vorrecherche. Dann schreibe ich ein Exposé und reiche das beim Verlag ein.
Danach folgt ein detaillierter Szenenplan, in dem die Handlung, die zeitliche Einordnung, die Figuren und der Handlungsort beschrieben sind. Und dann geht es los mit dem Schreiben. Eine Szene nach der anderen.
An einem Roman ca. 15 Monate, an einem Hörspiel ca. 4 Wochen. Für eine Kurzgeschichte benötige ich ebenfalls 4 Wochen.
Derzeit an keinem Roman. Ich konzentriere mich im Moment auf Jerry Cotton und Hörspiele. Diese kürzeren Formen kommen mir als Nebenberufsautor entgegen, da ich mich nicht Monate oder gar Jahre im Voraus festlegen muss.
Der Markt für Kriminalromane ist brutal eingebrochen, ständig kommen neue Hiobsbotschaften über schließende Verlage und sinkende Auflagen herein. Mit einem dicken Manuskript unterzukommen ist auch für einen arrivierten Autor nicht einfach.
Bei Heftromanen und Hörspielen kann ich mich zudem auf das reine Schreiben konzentrieren, da in diesen Bereichen die Verlage keinerlei Engagement vom Autor bezüglich Marketing oder Lektorat etc. erwarten, wie das mittlerweile auch bei großen Verlagen üblich ist.
Da musst du als Autor überall online präsent sein, du sollst Leserunden veranstalten und Lesungen machen (die aber keine Buchhandlung bezahlen will).
Es ist nicht speziell der Markt für Kriminalliteratur eingebrochen, sondern der komplette Buchmarkt. Und darunter leidet natürlich auch das Krimigenre.
Die Ursachen sind vielfältig, z.B. die Konkurrenz durch andere Unterhaltungsformen, wie Streaming-Angebote, der Billig-Trend der Selfpublisher-E-Books etc.
Grundsätzlich reizt mich alles Neue. Nach 4 Romanen und sehr enttäuschenden Verkaufszahlen beim letzten Roman, der eigentlich genau zur rechten Zeit kam (damals gingen die Reichsbürger überall durch die Presse), musste eine Veränderung her. Da kam die Gelegenheit, in den Heftromanbereich einzusteigen, gerade recht.
Nein. Über mein ehrenamtliches Engagement beim Syndikat e.V. kannte ich die für Jerry Cotton zuständige Lektorin beim Verlag bereits persönlich. Als dann im Syndikat bekannt wurde, dass Bastei für die Reihe neue Autoren sucht, habe ich mich mit ihr in Verbindung gesetzt und über die Modalitäten informiert.
Zuerst war ich unsicher, ob diese völlig andere Art des Schreibens überhaupt für mich geeignet ist. Immerhin muss man sich an einen ganzen Haufen formelle und inhaltliche Vorgaben halten. Aber das lief von Anfang an glatt.
Die Bruchlandung kam erst mit dem dritten Manuskript, aber Scheitern gehört auch dazu und die Macken ließen sich mit „Nachsitzen“ beheben.
Es gibt ein sehr umfangreiches Rahmenexposé, in dem alle wesentlichen Informationen enthalten sind, das geht von den äußerlichen Merkmalen der Figuren, über die Organisation des FBI bis hin zu sprachlichen Vorgaben.
Das ist unerlässlich, weil Dutzende Autoren an den Romanen schreiben und ansonsten großes Chaos ausbrechen würde. Ich empfinde die Vorgaben als Vorteil, da sie einen beim Schreiben leiten.
Genauso wie beim großen Roman. Ich betreibe Vorrecherche im Internet, schreibe ein Exposé, das der Verlag absegnet (manchmal muss ich nachbessern), dann erstelle ich den Szenenplan und danach schreibe ich den Text von vorne bis hinten herunter.
Ca. 8 Wochen. Mal mehr mal weniger. Es ginge möglicherweise schneller, aber da das Schreiben für mich nicht der Hauptberuf ist, lasse ich es ganz gerne gemütlich angehen.
Und ich lasse mir beim Abgabetermin Luft nach hinten. Mit einem Brotjob und einer Familie kann immer etwas dazwischenkommen.
Nein, aber mein Vater war ein riesiger Fan. Bei uns zuhause lagen auf dem Klo stapelweise Cotton-Heftromane herum, aber ich kann mich kurioserweise nicht daran erinnern.
Inzwischen lese ich gelegentlich besondere Ausgaben, wie z.B. das Hardcover mit den Nummern 3200 und 3201, in dem das Team von Washington nach New York zurückkehrt, oder den allerersten Cotton „Ich jagte den Diamanten-Hai“, den es seit kurzem auch als E-Book gibt.
Die meisten haben Spitznamen, das stimmt. Es gibt einen Vatikan-Cotton, einen James-Bond-Cotton, einen Revenant-Cotton, einen Furious-Five-Cotton, einen Stradivari-Cotton. Ob das so bleiben wird, wenn ich 15 oder 20 geschrieben haben werde, wer weiß das schon.
Das hat damit zu tun, dass meine Cottons keine 0815-OC-Cottons sind (OC= Organized Crime). Ich versuche immer, die Grenzen des Genres und des Heftromans auszuloten und auszudehnen. Und mir wie auch bei meinen Romanen Themen zu suchen, die abseitig sind.
Die Spitznamen orientieren sich daher an den Themen. Nicht immer kommt das themenhafte bei den Lesern an. „Im Schatten des Vatikans“ war da eine positive Ausnahme.
Vom Handlungsort (Rom) bis zum Thema (Skandale in der Katholischen Kirche) war die Story ungewöhnlich und ist bei den Lesern trotzdem gut angenommen worden, wenn man die wenigen Rezensionen ansieht.
Es geht um eine Serienmörderin und um die Rolle, die die Gerichtsmedizin bei der Aufklärung von Verbrechen spielt. Ich hatte schon früh die Idee einer doppelbödigen Gerichtsmedizinerin für einen Krimi und in der Serie endlich mal die Gelegenheit, diese Idee auszuprobieren.
Überhaupt ist die Cotton-Reihe für mich manchmal Prüfstand für Ideen, die möglicherweise auch für längere Geschichten taugen.
Im Moment nicht konkret. Ich werde bis ins Frühjahr noch einige Krimi-Hörspiele für Highscore Music schreiben und mich danach wieder dem Heftroman widmen.
In 2018 hatte ich nicht soviele Cottons geschrieben wie geplant, das soll 2019 aber wieder anders werden.
Jerry Cotton ist Kult und der Verlag betreibt ja auch Aufwand, um die Serie mit frischem Blut zu beleben, sei es durch neue Autoren, oder indem der Handlungsort wieder zurück nach New York gelegt wird, wie erst jüngstens geschehen.
Ich selbst lese die Geschichten gerne, weil sie eigentlich ganz unabsichtlich gegen den Trend in der Kriminalliteratur zu gebrochenen Protagonisten laufen.
Jerry, Phil und ihre Kollegen beim FBI sind ja grundgute, integre und psychisch gesunde Figuren, die am Schluss ohne Ausnahme gegen das Böse siegen. Das ist in der heutigen Krimiwelt nicht mehr selbstverständlich.
Ich danke für die Gelegenheit.
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Kommentare
Als neugieriger Mensch interessiert es mich allerdings brennend, was es mit der Bruchlandung beim dritten MS auf sich hat?!
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