... Oliver Buslau über Jerry Cotton, Privatdetektiv Remigius Rott und Cotton Reloaded
... Oliver Buslau...
...über Jerry Cotton, Privatdetektiv Remigius Rott und Cotton Reloaded
Ich kam 1962 zur Welt, bin vor der Schule ins Rheinland gekommen und wuchs in Koblenz auf. Durch mein Studium (Musikwissenschaft, Germanistik und Bibliothekswissenschaft) kam ich nach Köln.
Oliver Buslau: Seit 1992 wohne ich in Bergisch Gladbach. Nach meinem Magisterabschluss arbeitete ich im Produktmanagement der Schallplattenfirma EMI Classics, danach als Redakteur in einem Kölner Verlag, wo ich aber schon nach
einem guten Jahr kündigte, weil ich unbedingt als freier Autor tätig sein wollte. Als Fachmann für klassische Musik habe ich viele Zeitschriftenartikel, aber auch Unmengen von Einführungstexten für CD-Booklets und Programmheftbeiträge für klassische Konzerte geschrieben und außerdem schon damals an einigen Buchprojekten mitgearbeitet (zum Beispiel an den „Harenberg-Musikführern“).
Ende der Neunzigerjahre nahm ich dann einen lang gehegten Plan in Angriff: Ich verlegte mich aufs Krimischreiben. Bis heute habe ich aber meine „musikalische“ Seite nicht aufgegeben. Einige meiner Krimis haben auch mit Musik zu tun.
Gerade im vergangenen Jahr erschien das Sachbuch „111 Werke der klassischen Musik, die man kennen muss“. Ich schreibe auch weiterhin für einige Musikzeitschriften, zum Beispiel das Magazin „Rondo“. Einmal im Monat moderiere ich live die Sendung „Klassikwelten mit Oliver“ im Internetradiosender „SecondRadio“.
Manche, die meine Biografie lesen, stolpern da: Klassische Musik, Germanistik – ist das nicht „Hochkultur“? Was macht jemand, der das studiert hat und sich mit Bach, Beethoven und Goethe auskennt, bei den Krimis und Heftromanen? Dazu muss ich sagen, dass ich das nie getrennt habe. Und ich habe meine Magisterprüfung in Germanistik auch über die sogenannte Trivialliteratur gemacht.
Das war gleichzeitig der Auftakt zu einer Serie von Bergischen Krimis, in denen meine Hauptfigur, der Privatdetektiv Remigius Rott, die Hauptrolle spielt. Im vergangenen Jahr durfte Rott in „Wahn“ den zehnten Fall lösen.
Die Handlung in dem Erstling basiert auf meiner Vorgeschichte als Musikjournalist. Der Mord in dem Krimi findet in einem Konzertsaal statt, und zwar in der historischen Stadthalle in Wuppertal, die im Jahr des Krimierscheinens ihr 100jähriges Jubiläum hatte. Das Opfer ist eine junge Musikerin.
Ein Sturkopf, der literarisch gesehen in der Tradition von Chandlers Philip Marlowe steht. Rott ist genau so alt wie ich (er altertin jedem Buch mit).
Er lebt in Wuppertal und löst Fälle, die ihn durch das ganze Bergische Land führen, also die Gegend östlich von Köln mit weiten ländlichen Regionen, aber auch mit Städten wie (neben Wuppertal) Remscheid, Solingen, Leverkusen und Bergisch Gladbach.
Rott kämpft um seine Aufträge, hat wenig Geld und ist ein Einzelgänger, ein einsamer Wolf. Auch erzählerisch lehne ich mich ein bisschen an Chandler an. Die Krimis werden von der Hauptfigur selbst in der Ich-Perspektive erzählt.
Seine Sprache ist von Ironie und von Sarkasmus geprägt. Den Vornamen Remigius hat er übrigens von einem Großvater. Der Nachname ist der Name eines Wuppertaler Stadtquartiers.
Gelegentlich unterstützt ihn seine reiche Tante. Sie gibt ihm aber kein Geld, sondern mischt lieber in den Fällen mit. Rott wäre es lieber, es wäre umgekehrt.
Seit dem Roman „Altenberger Requiem“ hat Rott eine Freundin. Sie ist Journalistin, wodurch sich manchmal die beiden gegenseitig unterstützen. Aber auch hier gibt es Probleme, denn die Beziehung erlebt Aufs und Abs.
Ja, ich sammle ständig Material für weitere Fälle. Im Augenblick (Herbst 2018) bereite ich jedoch gerade ein anderes Projekt vor, das nichts mit dem Bergischen Land und Rott zu tun hat.
Nein, ich habe bei den anderen Büchern keine feste Serienfigur.
Die Rott-Romane sind ganz stark vom Schauplatz „Bergisches Land“ geprägt. Da kommt eine Menge vor: Neben den Städten auch Sehenswürdigkeiten wie die Müngstener Brücke, Schloss Burg, das Kloster Altenberg, das Neandertal und vieles mehr.
Die anderen Krimis haben je ein bestimmtes Thema und spielen zum Teil sogar international und in anderen Zeiten.
In „Die fünfte Passion“ und „Die Orpheus-Prophezeiung“ geht es ganz stark um mörderische Geheimnisse rund um die Musik. Im historischen Krimi „Schatten über Sanssouci“ auch: Es geht um den Preußenkönig Friedrich II. der ja auch Musiker war. In den Kreisen seiner Potsdamer Hofmusik spielt der Krimi.
Wieder ein Musikthema: Der Vampir ist ein Klaviervirtuose des 19. Jahrhunderts, den es nach Köln verschlagen hat und der nach einer Melodie sucht, die ihn erlöst. Sein Grab, aus dem er sich Nacht für Nacht erhebt, befindet sich auf dem berühmten Kölner Melatenfriedhof.
Vom Kollegen Uwe Voehl, der die Reihe betreute, wurde ich gefragt, ob ich Lust hätte, etwas dazu beizutragen. Er hatte meinen Roman „Der Vampir von Melaten“ gelesen. Ich reichte dann ein paar Exposés ein, und diese beiden Projekte wurden realisiert.
Ich habe neben meinem Krimifaible schon immer eine Schwäche für das Horrorgenre gehabt.
Ich las schon als Schüler nicht nur gerne Lovecraft, Stephen King und andere internationale Autoren, sondern ich war auch schon immer ein großer Fan der John-Sinclair-Serie und überhaupt von Heftromanen. Auch die eher für Frauen gedachten „Gaslicht“-Sachen fand ich schon immer klasse. Jerry Cotton ebenso.
Als junger Journalist habe ich mit dem John-Sinclair-Autor Jason Dark ein Interview gemacht. Als mein erster Krimi erschienen war, kam er zu meiner allerersten Lesung. Bei vielen privaten Treffen hat er mir so manchen Tipp gegeben.
Was ich von ihm gelernt habe, ist, sich als Autor selbst wirklich ernst zu nehmen und auch das nötige Pensum umzusetzen. Jason Dark ist ein unglaublich fleißiger Autor, ähnlich wie es George Simenon war, den ich ebenfalls sehr bewundere.
Das kann ich gar nicht so genau sagen. Denn Rott gibt’s so wahrscheinlich nur ein einziges Mal. Und ein Vampir, dessen Existenz von der Musik abhängt … Wahrscheinlich sind es die Stoffe.
Was mich immer sehr reizt, sind bestimmte Orte. Ich glaube, sie sind für mich der Schlüssel. Wenn ich einen Roman plane, habe ich eine mehr oder weniger bestimmte Idee, aber sie bekommt erst Gestalt, wenn ich die Schauplätze selbst gesehen habe.
Recherche gibt es immer. Manche Romane waren aber extrem rechercheintensiv. Zum Beispiel der Krimi „Schatten über Sanssouci“: Da habe ich mich sehr ausführlich mit der preußischen Geschichte, mit dem Preußenkönig selbst, mit den realen Personen am Hof und mit Potsdam samt Schloss Sanssouci befassen müssen, bevor ich die Story überhaupt entwickeln konnte.
Aber auch die Romane, die in der Jetztzeit spielen, können sehr viel Vorarbeit benötigen. Beispiel: „Die fünfte Passion“. Da geht es um eine sehr große Komposition von Bach, die wirklich existiert hat, aber verschollen ist, die sogenannte fünfte Passion.
In meinem Roman steckt in diesem Werk verschlüsselt das Datum des Jüngsten Tages. Man muss dazu wissen, dass Johann Sebastian Bach mit bestimmten mathematischen Methoden tatsächlich verschlüsselte Botschaften in seine Partituren eingebaut hat.
Ich hatte da eine Menge zu lernen: Zahlenmystik, die berühmte „heilige Geometrie“ (auf der die Proportionen der gotischen Kirchen beruhen) und vieles mehr. Da ich nicht gerade besonders gut in Mathematik bin, war das gar nicht so einfach. Bei manchen Büchern ist es leichter, etwa bei den Bergischen Krimis.
Trotzdem findet hier natürlich auch Recherche statt. Ich arbeite immer nach dem Prinzip: Was man sehen kann und was es wirklich gibt, habe ich auch wirklich selbst gesehen, wenn es im Roman vorkommt.
Ich bin ein Planer. Das heißt, ich weiß so viel wie möglich über die Handlung, bevor ich überhaupt anfange das eigentliche Manuskript zu schreiben.
Vor dem dramaturgischen Aufbau kenne ich alle Figuren, alle Schauplätze, Gegenstände und so weiter.
Erst wenn das steht, fange ich an, das alles zu erzählen. Das hilft mir, nicht steckenzubleiben. Außerdem kann ich nur so Termine einhalten, was ja immens wichtig ist.
Die Vorarbeit kann sehr lange dauern. Man weiß vorher nie so genau, wie lange. Bei der „Fünften Passion“ habe ich einige Jahre lang vorgeplant.
Dann schrieb ich sage und schreibe fünf Exposés, bis dann endlich eins genommen wurde. Erst dann war der Weg frei. Wenn ich dann mit dem Manuskript anfange, wird alles besser planbar.
Ich arbeite nach Pensum. Zehntausend Zeichen am Tag. Das sind etwa sieben Manuskriptseiten. Inklusive Korrekturen gebe ich mir für etwa 300 Seiten also etwa knapp drei Monate für das Schreiben.
Ich arbeite an einem historischen Krimi, der im Herbst 2019 erscheinen soll. Mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.
Das ist Vergangenheit. Ich habe zusammen mit einem Partner die Zeitschrift im Jahre 2000 gegründet. 2017 haben wir sie eingestellt und verkauft. Als ich Ende der 90er plante, Krimis zu schreiben, habe ich mich sehr mit der handwerklichen Seite des Schreibens befasst.
Es gab ja auch damals schon in Deutschland einige Lehrbücher. Was aber fehlte, war eine Zeitschrift zu dem Thema, wie ich sie mir vorstellte. Diese Lücke habe ich dann gefüllt.
Ich unterrichte das Plotten von Krimis mit Schwerpunkt auf dem „Who-Done-it-Krimi“. Das ist ja eine Krimiform, die besonders viel Konstruktionsarbeit erfordert. Ich habe eine Methode entwickelt, wie man das beherrschen kann. Und die gebe ich weiter.
Bei einem Projekt mitzuschreiben, in dem es um Jerry Cotton geht (auch wenn es in Reloaded ein „anderer“ Cotton ist), muss man mir nicht schmackhaft machen. Da ging ein Traum in Erfüllung.
Meine Mitarbeit bei „Cotton Reloaded“ ergab sich als Fortsetzung der oben schon genannten „Horror Factory“. Beides sind ja Reihen im Bastei-Verlag.
Es gibt ein Rahmenexposé mit allen wesentlichen Informationen für die Reihe. Sowohl inhaltlich als auch formal. Formal bedeutet Umfang, stilistische Besonderheiten und so was, im Inhalt geht es um den eigentlichen Stoff: feste Figuren und deren Umgang miteinander, Schauplätze, Waffen, Fahrzeuge und deren Ausstattung, Ermittlungsbehörden usw. Das muss man natürlich alles beherzigen, damit es keine logischen Brüche gibt.
Nein, bei „Cotton Reloaded“ schreibe ich im Moment nicht mehr. Im Roman „ElDoctor“ bin ich übrigens wieder meinem Musikfaible gefolgt: Es geht um eine kolumbianische Opernsängerin, die im Verdacht steht, Chefin eines Drogenkartells zu sein – wie Pablo Escobar, den man ja auch „ElDoctor“ nannte. Sie kommt nach New York, weil sie in der Metropolitan Opera die Violetta in Verdis Oper „La Traviata“ singt. Cotton ermittelt undercover als ihr Leibwächter.
Der Aufhänger ist der Tod einer FBI-Agentin, die einem einflussreichen Boss eines IT-Unternehmens auf die Schliche kam. Er will einen extrem begabten, aber auch sehr gewalttätigen Programmierer aus dem Gefängnis befreien, weil er ihn für ein wichtiges Projekt braucht.
Der Tod fiel deshalb „vom Himmel“, weil der Gangster seine Feinde einfach vor der Küste aus dem Flugzeug werfen lässt.
Nach den beiden „Cotton-Reloaded-Titeln“ erfuhr ich, dass auch für die traditionelle Jerry-Cotton-Reihe Autoren gesucht werden. Da packte ich wieder die Gelegenheit beim Schopf.
Es folgte das normale Prozedere: Exposés schreiben. Für das Projekt, das sich als tauglich erweist, Probeseiten. Dann schließlich erhält man den Auftrag für den ganzen Roman.
Technisch nicht viel anders als bei allen anderen Krimis. Ich überlege mir immer erst das zugrundeliegende Verbrechen und entwickle eine Geschichte. Das bedeutet auch wieder Recherche und Erfindung.
Ich greife auch immer ganz gerne auf Erfahrungen von USA-Reisen zurück, die ich gemacht habe. 2017 war ich zum Beispiel eine Woche in New York und bin dort natürlich mit den Augen eines Autors herumgelaufen.
Im Jerry-Cotton-Prozedere ist man streng daran gebunden, seine Romanidee in Form eines etwa dreiseitigen Exposés einzureichen, damit sich die Redaktion ein Bild machen kann.
Das ist für mich selbst auch wichtig, weil ich gerade in dieser knappen Form auch gut sehen kann, ob die Geschichte funktioniert und ich mich nicht irgendwie verrenne. Wenn das Exposé abgenommen wird, kriegt man auch gleich einen Abgabetermin.
Die Vorarbeit nimmt vielleicht eine Woche in Anspruch, wobei ich nicht permanent daran arbeite. Nach meiner Erfahrung ist es gut, wenn man die Sachen in kleinen Arbeitshäppchen wachsen lässt.
Wenn es dann ans eigentliche Schreiben geht, kommt wieder die Zehntausend-Zeichen-Regel zum Einsatz. Bei sieben Seiten täglich schreibe ich einen Heftroman, dessen Umfang etwa 120 Seiten beträgt, alles in allem in knapp drei Wochen.
Ja, es sind weitere geplant. Zum Inhalt kann ich nur folgendes sagen: Mit den beiden Bänden 3200 und 3201 kehrt Jerry Cotton, der ja in der Zwischenzeit Inspektor bei einer FBI-Einheit in Washington war, nach New York zurück.
Hier tut sich für ihn ein neues Feld auf: die Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Daran knüpfe ich an. In meinem aktuellen Band droht die Entstehung eines besonders einflussreichen Mafia-Clans.
Es sind ja sogar über 60 Jahre! Ich kann nicht für die anderen Leser und Leserinnen sprechen, aber für mich ist Cotton eine perfekte Mischung: Actionheld und Detektivermittler zugleich, immer mit Coolness und Verstand eines guten „Schnüfflers, gleichzeitig mit kämpferischen Fähigkeiten unterwegs, die er auch physisch einsetzt. Und trotzdem ein normaler Mensch und kein Superman.
Die Cotton-Romane des Autors
Kommentare
Sag was, Ingo.
Nach Rückfrage beim Autor, wurde von Oliver Buslau nun bestätigt, dass die beiden Cotton-Romane 3200 und 3201 nicht vom ihm stammten.