...Eric Niemann über Jerry Cotton, Sherlock Holmes und zukünftige Projekte
... Eric Niemann ...
... über Jerry Cotton, Sherlock Holmes
und zukünftige Projekte
Gerne. Ich habe Soziologie, Psychologie und Neuere deutsche Literatur in Hamburg und Leicester studiert.
Nach der Promotion war ich dann Hochschullehrer in einigen deutschen Unis und bin nun in meine Wahlheimat Hamburg zurückgekehrt.
In diesen Jahren war ich an der Uni voll eingespannt, wollte aber auch Geschichten schreiben. Da meist die Zeit fehlte, begann ich mit dem Verfassen von Gedichten, die in sich auch eine kleine Geschichte darstellen können.
Außerdem lässt sich in der Lyrik ganz ausgezeichnet mit der Sprache spielen, und das hat mir sehr zugesagt.
Die klassischen Themen: Liebe, Schmerz, Verlust, Dekonstruktion, Vision.
Ich hatte in meiner Jugend Jerry Cotton-Romane gelesen, und zwar mit großer Begeisterung. Um 2010 herum habe ich mir für eine längere Zugfahrt einen Cotton in der Bahnhofsbuchhandlung gekauft und war begeistert: Das war schnell, treffsicher, hardboiled, noir.
Und dann reifte in mir der Gedanke, die Geschichten, die mir im Kopf herumspukten, in das Gewand des FBI-Agents Jerry Cotton zu kleiden. Mein erstes Exopsé wurde angenommen, die Textprobe für gut befunden, und dann stand auch schon der erste Roman.
Ein Journalist wird ermordet – einer, der gerne am Rand des Legalen operierte und gelegentlich darüber hinausging. Damit hatte sich viele Feinde gemacht, aber nur einer war es, der ihn ermordet hatte. Jerry und Phil haben den Auftrag bekommen, herauszufinden, wer das gewesen ist.
Das hat mit meiner Tätigkeit in der Uni zu tun. Ich wollte das von meinen Schreibprojekten trennen, daher das Pseudonym.
Es gibt ein sehr umfangreiches Serienexposé, an das sich alle Autor*innen halten müssen. So ist es auch bei einer Vielzahl von Autor*innen gewährleistet, dass die wiederkehrenden Charaktere sich in den Stories nicht allzu sehr unterscheiden.
Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt und lese sehr viel. Da fliegen mir die Themen zu. Manchmal sind es Kuriositäten, die ich in der Zeitung gelesen habe, oder kulturelle Besonderheiten, die der Auslöser einer Tat sein können.
Auch gesellschaftliche Unterschiede, Konflikte zwischen Interessengruppen, moralische Seiltänze – all das kann der Ursprung einer neuen Idee sein.
Zu Beginn steht die Lust, an einem neuen Fall zu arbeiten. Dann lese ich tatsächlich noch einmal das Serienexposé durch, um mir das Cotton-Universum zu verinnerlichen. Und dann sammle ich Material zu dem Thema, mit dem ich mich im Rahmen der Story beschäftigen möchte.
Es ist aber auch schon vorgekommen, dass ich in der amerikanischen Presse von einem interessanten Kriminalfall gelesen habe und mich dann entschlossen habe, daraus einen Cotton-Roman zu machen.
Das Herzstück der Romane sind für mich die Dialoge. Sie müssen authentisch sein und zum Weiterlesen animieren. In den Dialogen spiegeln sich Konflikte wider, Gemütszustände oder auch Alltagsprobleme.
Das sind für mich Elemente, die notwendig sind, um als Leser*in Teil der Geschichte zu werden. Nachempfinden zu können, wie die Leute denken und fühlen, und warum sie das in dieser Form tun.
Und was die Ereignisse, die ich dann beschreibe, mit den Figuren macht. Werden sie härter, brechen sie zusammen, ändern sie etwas oder geben ihrem Leben eine andere Richtung.
Dafür ist keine exzessive Recherche notwendig, da kommt es auf die Figurenentwicklung und die Tiefenschärfe der Charaktere an. Für den eigentlichen Fall recherchiere ich dann aber umfänglich, um herauszufinden, warum etwas so ist, wie es ist, wer oder was dazu beigetragen hat, wo Weichen gestellt wurden und welche Perspektiven es gibt.
Das ist sehr unterschiedlich.
Ich bin sicherlich von den großen, amerikanischen Erzählern beeinflusst, auch natürlich von Chandler und Hammett. In der Kinder- und Jugendzeit wäre Enid Blyton zu nennen.
Die amerikanischen Ureinwohner*innen führen in den Reservaten oft ein tristes Leben: Geringe Bildung, hohe Arbeitslosigkeit, weit verbreiteter Alkoholismus. Und es gibt Menschen, die die Misere dieser Menschen auszunutzen wissen.
Ein Cotton soll in erster Linie ein Spannungsroman sein, und die Darstellung und die Folgen sozialer Ungleichheit bieten sich an, um Spannung zu erzeugen.
Im Moment arbeite ich mit einer Kollegin an einem umfangreicheren Romanprojekt; der erste Krimi ist fertig, und der zweite steht vor der Vollendung. Daher ist zur Zeit wenig Luft für den Cotton.
Aber ein neues Exposé habe ich bereits geschrieben. Es geht da um die Jazzszene in New York und die Rolle einiger der Protagonisten dieser Szene in der organisierten Kriminalität.
Es ist der immerwährende Kampf Gut gegen Böse, Moral gegen Unmoral, und die klassischen Tugenden wie Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit und Freundschaft.
In einer Welt, die offenbar immer mehr Menschen an die Macht bringt, die ihren sozialen Kompass verloren haben, wünscht man sich einen wie Jerry Cotton, der den Versuchungen des Geldes widersteht, und der unerschrocken seinen Beitrag leistet, um die Risse in seiner Welt zu kitten.
Die Motivation war ähnlich wie die beim Cotton. Ich habe seit jeher gerne Hörspiele gehört, und die Sherlock-Holmes-Reihe von Romantruhe mit den hervorragenden Stimmen von Rode und Gröger hat mir besonders gut gefallen. Daher habe ich angefragt und ein Exposé beigelegt. Und dann kam postwendend der erste Auftrag.
Das ist auch sehr unterschiedlich. Wenn ich in die Geschichte hineingezogen werde, dann steht das Skript mitunter nach vier Tagen.
Man sollte in jedem Fall ein/e Doyle/Holmes-Expert/in sein. Und man sollte Spaß an komplexen Denken haben, denn die Fälle werden schließlich von Sherlock Holmes gelöst, und der würde sich nicht mit einem Fall beschäftigen, dessen Lösung auf der Hand liegt.
Das wird nicht verraten!
Die beiden Sprecher sind mittlerweile leider verstorben, und so werden nun vermutlich nur noch diejenigen Skripte vertont, die vorliegen. Aber die „Glocken des Teufels“ ist nicht das letzte Skript, das ich eingereicht habe – so viel kann ich verraten.
Michael Koser hat ganz hervorragende Professor van Dusen-Skripte geschrieben, und als die Möglichkeit bestand, mich an dieser Serie zu beteiligen, habe ich nicht lange gezögert – zumal mich das Wissenschaftsmilieu als Hochschullehrer auch beruflich interessiert, und die Geschichten eine wunderbare Mischung aus historischem, skurrilem/humoresken und kriminalistischen Elementen enthalten, was mich ebenfalls sehr gereizt hat.
Bei einem Roman schreibe ich nach dem Exposé ein Treatment. Im Treatment wird der Handlungsablauf der Geschichte dargestellt, die Charaktere werden mit Leben gefüllt und das Surrounding wird komponiert.
Beim Hörspiel schreibe ich die Exposés umfassender, damit ich daraus bereits die Kapitel herleiten kann. Stehen die Kapitel, arbeite ich an den Cliffhangern und Twists.
Neben dem Buchprojekt schreibe ich weiterhin Hörspiele, ebenfalls unter Pseudonym, unter anderem für Pater Brown und OscarWilde/Mycroft Holmes.
Sehr gerne!