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... Thomas Plischke über »Kalte Krieger«, Vorbilder, Superkräfte und Zombies

Thomas Plischke... Thomas Plischke ...
... über »Kalte Krieger«, Vorbilder, Superkräfte und Zombies

Thomas Plischke zum Dritten. Dieser Tage ist »Kalte Krieger«, der neue Roman des Autors, eine Mischung aus Superheldenthriller und Charakterdrama, im Piper-Verlag erschienen. Mit seinen Bestsellern um die »Zerrissenen Reiche« hat das Buch allerdings nicht allzu viel gemein. Wir vom Zauberspiegel haben das zum Anlass genommen, dem Schriftsteller ein wenig auf den Zahn zu fühlen.


Warum Thomas so viel Wert auf die Ausgestaltung der Protagonisten in »Kalte Krieger« gelegt hat, woran er sich beim Schreiben des Romans orientiert hat und warum sich auch jemand, der mit lebenden Toten im Grunde nichts am Hut hat, sein kommendes Werk »Die Zombies« zu Gemüte führen sollte – das und noch viel mehr erfahrt ihr im folgenden Interview. Viel Vergnügen bei der Lektüre!

Kalte Krieger Zauberspiegel: Hallo Thomas. Freut mich, dass du schon wieder ein paar Minuten findest, dem Zauberspiegel einige Fragen zu beantworten.
Fangen wir an mit einer Frage, die Autoren eher ungern gestellt bekommen, deren Antwort mich in diesem Fall aber dennoch brennend interessieren würde: Wie bist du darauf gekommen, nach deinen ja eher klassischen Fantasyromanen um die Zerrissenen Reiche nun einen Roman um Menschen mit besonderen Kräften zu schreiben?

Thomas Plischke: Also zunächst mal habe ich zu danken, dass ich mich hier bei euch schon wieder zu Wort melden darf; Interviews – noch dazu solche mit so angenehmen und interessierten Interviewern – bereiten mir immens viel Freude. Außerdem kann ich so mehr oder minder direkt Kontakt mit den Lesern aufnehmen. In diesem Sinne also: Ein herzlicher Gruß an alle, die sich dieses Interview zu Gemüte führen.
So, nun zur Frage. Die Idee zu »Kalte Krieger« spukte mir tatsächlich schon einige Jahre im Kopf herum, wahrscheinlich ausgelöst durch meine Begeisterung für Superhelden-Comics. Ich begreife die Phantastik als unglaublich weites Feld, in dem eben nicht nur die großen Subgenres wie Fantasy, Scifi und Horror zuhause sind, sondern auch die Superhelden. Der Grundgedanke war dabei, das Superhelden-Genre mit dem Thriller zusammenzubringen, und das ist mir, glaube ich, ganz gut gelungen – auch wenn es letzten Endes eher ein Psychothriller als ein Actionthriller geworden ist.

Zauberspiegel: Wie hat der Verlag die Idee zu »Kalte Krieger« im ersten Moment aufgenommen? Immerhin hat das bedeutet, dass du die Zerrissenen Reiche eine Zeit lang verlassen musstest ...
Thomas Plischke: Da spielen zwei Dinge ineinander. Einerseits möchten manche großen Publikumsverlage gar nicht, dass man eine Reihe zu schnell zu Ende bringt, denn dann überschwemmt man den Markt, und gerade Reihen brauchen eben eine gewisse Anlaufzeit. Andererseits ist man gerade bei Piper sehr offen für meine durchaus mal abstrusen Ideen. Daher fiel mein Vorschlag auf sehr fruchtbaren Boden. Gerade der Ansatz, die Phantastik mit Thriller-Elementen "aufzupeppen", kommt wohl sehr gut an und deckt sich hervorragend mit meinen Präferenzen. Immerhin hat ja auch schon »Die Zwerge von Amboss« in einigen der Handlungsstränge reichlich Thrilleratmosphäre.

Zauberspiegel: Inwiefern unterschied sich die Arbeit an »Kalte Krieger« von der Arbeit an der Saga um die Zerrissenen Reiche? Gab es überhaupt Unterschiede?
Thomas Plischke: Oh ja, die gab es. Die hauptsächlichen Unterschiede liegen natürlich im Weltenbau. Während die Welt von »Kalte Krieger« in weiten Teilen mit der unseren deckungsgleich ist und man daher auf allerlei bereits Bestehendes zurückgreifen kann, erfordern die »Zerrissenen Reiche« unglaublich viel Arbeit beim Erstellen des Hintergrundes, damit alles möglichst weitgehend konsistent und stimmig bleibt.
Umgekehrt kann ich mir bei den »Zerrissenen Reichen« aufgrund der Länge des Gesamtplots den Luxus leisten, die Figuren in klassischen, bisweilen etwas eindimensionalen Verhaltensmustern starten zu lassen und ihnen Band für Band mehr Tiefe verleihen. Bei »Kalte Krieger« hingegen brauchte ich funktionierende Figuren, die von Beginn an ein gewisses Maß Tiefe hatten, um sie dann im Laufe eines einzigen Buches auszuloten – unter anderem deshalb, weil die Psyche der Figuren für den Verlauf des Plots von so zentraler Bedeutung ist. Oder vielleicht etwas einfacher: In den »Reichen« reagieren die Figuren ziemlich häufig auf äußere Entwicklungen – die Vorbereitung des Kriegs gegen die Menschen zum Beispiel –, während in »Kalte Krieger« die geschilderten Entwicklungen selbst anstoßen.
Eine echte Herausforderung war bei »Kalte Krieger« übrigens, als Mann über Frauen zu schreiben. Ich wollte keine wortgewordenen Männerphantasien oder billige Abziehbildchen, sondern ein Mädchen und eine junge Frau, in denen sich zumindest die Leserinnen in Teilen auch wiedererkennen können – und dafür waren viele Gespräche mit engen Freundinnen und Bekannten nötig.
Der Handlungsstrang in den Endneunzigern und das Leben in Neuengland haben natürlich auch einiges an Recherche erfordert, aber längst nicht so viel wie die Welt der »Zerrissenen Reiche«. Und es macht Spaß, in eine Vergangenheit einzutauchen, in der Boybands alter Schule noch richtig heißer Scheiß und die Batman-Filme zum Teil schmerzhaft campy waren.

Zauberspiegel: Hast du dich beim Schreiben des Buchs an klassischen „Superheldengeschichten“ (nennen wir sie der Einfachheit halber einmal so) oder Mysterygeschichten wie »Akte X« oder »Heroes« orientiert, oder hast du von Beginn an „dein eigenes Ding“ durchgezogen?
Thomas Plischke: Da ich ein großer TV-Serienfan bin und beide Serien kenne, sind von dort sicher ein paar Elemente eingeflossen. Gegen das eigene Unbewusste lässt sich schlecht ankämpfen. Zugleich erinnern viele der Kräfte in »Kalte Krieger« an die einer gewissen Mutantentruppe, die auch die Kinos gestürmt hat. Bei all diesen Einflüssen steht aber häufig die reine Action im Vordergrund (»Akte X« mal ausgeklammert). Ich wollte aber kein knalliges Spektakel (unter anderem deshalb, weil ich denke, dass visuelle Medien in diesem Aspekt gegenüber einem Roman überlegen sind). Es sollte zwar eine gute Portion Action geben, aber die Figuren und deren Psyche sollten klar im Mittelpunkt stehen.

Zauberspiegel: Als ich die Ankündigungen zu »Kalte Krieger« gelesen habe, stellte sich bei mir die Erwartung ein, einen knallharten, actionreichen, reichlich düsteren Superhelden-Kracher geboten zu bekommen. Nun, düster ist die Geschichte ganz zweifellos. Doch sie ist vielmehr ein Charakterdrama denn eine waschechte Superheldengeschichte. Was hat dich dazu bewogen, deine Geschichte gerade auf diese Art und Weise zu erzählen?
Thomas Plischke: Keine waschechte Superheldengeschichte? Obwohl Menschen eingefroren werden oder in Flammen aufgehen oder in Windeseile Verletzungen heilen oder Gedanken gelesen werden? Nein, im Ernst: Ich wollte mit »Kalte Krieger« einmal der Frage nachgehen, was das Vorhandensein solcher Kräfte bei im Grunde eigentlich stinknormalen Menschen wie dir und mir anrichtet – dass sie auf einmal eine Vorliebe für Spandex entwickeln und sich in selbsternannte Gesetzeshüter oder Rächer der Entrechteten verwandeln, halte ich dann doch für eher unwahrscheinlich. Wohlgemerkt: Nicht unmöglich, nur unwahrscheinlich.
Wo wir gerade von Möglichkeiten sprechen: Ich wollte bei »Kalte Krieger« die althergebrachten Stärken der Erzählform Roman nutzen. In einem Roman kann ich die Innenwelt einer Figur vernünftig und relativ unkompliziert beleuchten. Denkblasen und Voice-Over sind dafür im Comic bzw. Film meiner bescheidenen Meinung nur ein unzureichender Ersatz (was man übrigens genauso gut als Stärke definieren könnte, da dem Leser oder Zuschauer manchmal mehr Interpretationsspielraum bleibt als in einem Roman, wo einem jede innere Regung vorgekaut wird). Um besagte innere Regungen ging es mir nun aber in »Kalte Krieger«. Wie gesagt: Es sollte ein Psycho- und kein Action-Thriller werden, und das scheint ja geklappt zu haben.

Zauberspiegel: Schauplatz deines neusten Romans sind die Neuenglandstaaten in Amerika. Was hat dich dazu bewogen, deine Erzählung gerade hier anzusiedeln?
Thomas Plischke: Das hatte verschiedene Gründe: Zunächst mal ist Neuengland für mich das Herz oder zumindest die Keimzelle der USA. Diese Region ist weniger in den Extremen der großen Metropolen verhaftet und bietet gleichzeitig genügend Raum, um dort allerlei Geheimnisse anzusiedeln. Des Weiteren steht dort auch eine besondere Lehranstalt, die von einem gewissen Professor Xavier gegründet wurde (und den Verweise konnte ich mir nicht entgehen lassen). Schlussendlich ist der Schauplatz auch eine Hommage an den von mir hochverehrten Stephen King, der ja eine ganze Latte von Romanen geschrieben hat, die in Maine spielen.

Zauberspiegel: Ich kann mir vorstellen, dass es nicht ganz leicht ist, sich spezielle Fähigkeiten auszudenken, mit denen man seine Protagonisten ausstatten will, ohne dabei „nur“ auf die klassischen Talente wie Telepathie oder Telekinese zurückzugreifen. Wie hast du entschieden, über welche Kräfte deine jeweiligen Figuren verfügen sollten?
Thomas Plischke: Im Rückblick betrachtet war das gar nicht so schwer: Die Kräfte spiegeln ja Eigenschaften der Figuren wider; jede hat also eine Kraft, die zu ihrem Wesen passt. Beispiele aus dem Roman kann ich an dieser Stelle nicht nennen, ohne mir eine Krone als Spoilerkönig zu verdienen, aber ich mache mal eine Übertragung ins wirkliche Leben: Wenn mein Co-Autor Ole eine Kraft hätte, dann wäre es höchstwahrscheinlich Pyrokinese. Warum? Nun, er ist ein ziemlich aufbrausender Mensch, der leicht mal über die Stränge schlägt (bis zu einem Grad, den manch einer als verstörend bezeichnen würde). Zugleich ist er aber auch ein sehr häuslicher Typ, dem Wärme und Freundlichkeit unglaublich wichtig sind. Er vereint also zwei Eigenschaften des Feuers in sich; noch dazu ist ihm gerne mal zu warm, und Kälte macht ihm nur wenig aus – ganz so als ob ein Feuer in ihm lodert. Wollen wir mal hoffen, dass er das nicht in den falschen Hals bekommt und es hier bei uns demnächst einen Flächenbrand gibt.

Zauberspiegel: Einer der wohl bekanntesten Sprüche aus dem Superheldengenre ist der, dass aus großer Macht große Verantwortung folgt. Nun agieren viele deiner Protagonisten ja nicht gerade besonders verantwortlich bzw. freundlich, sondern nutzen ihre Gaben, um reichlich Unheil anzurichten. Wie stehst du selbst zu dem gerade genannten Spruch, und was denkst du über die Einstellung deiner Protagonisten ihm gegenüber?
Thomas Plischke: Dieser Spruch von Peter Parkers Onkel ist eben ein gutmenschelndes Klischee, an das ich nicht so recht glauben mag. Und ganz nebenbei: Spidey muss ja auch Onkel Ben erst verlieren – also ein derbes persönliches Trauma erleiden –, ehe er sich dazu entschließt, das Verbrechen zu bekämpfen.
Die meisten Menschen würden meiner Meinung nach mit ihren Kräften erst mal ordentlich Blödsinn anstellen. Ich kann Wahrscheinlichkeiten manipulieren? Na, dann mal ab an den Roulette-Tisch. Ich kann mich unsichtbar machen? Hm, ich wollte doch eigentlich schon immer  mal wissen, was die scharfe Nachbarin unter der Bluse oder der leckere Nachbar in der Hose hat. Ist ja auch nur halb so schlimm und tut keinem weh; Verbrechen ohne Opfer, sozusagen.
Was man in Bezug auf »Kalte Krieger« nicht unerwähnt lassen sollte, ist der Umstand, dass viele der Figuren ja auch nicht frei von äußeren Einflüssen sind, als ihre Kräfte erwachen. Und die meisten dieser Einflüsse sind alles andere als positiv. Eigentlich ist es ein bisschen wie im guten alten Spionagethriller, der neben dem Schildern von beeindruckenden Geheimaktionen (auch und gerade der grausamen und menschenverachtenden Variante) stets die Frage stellt, was es mit einer Person anstellt, wenn sie weite Teile ihres Lebens damit zubringt, anderen von Berufs wegen etwas vorzugaukeln oder sie aktiv zu betrügen.
Übrigens würden einige der Figuren in »Kalte Krieger« durchaus von sich behaupten, dass sie ihre Kräfte verantwortungsvoll und zum Wohle aller benutzen. Ob man ihre Behauptungen indes so unkommentiert stehenlassen oder gar unterschreiben möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Zauberspiegel: Die beiden Hauptfiguren des Romans, Nina und Amy, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, schlagen ja oft reichlich sarkastische, mitunter gar zynische Töne an, wenn sie ihre Umgebung beschreiben. Was hat dich dazu bewogen, in »Kalte Krieger« gerade diesen Erzählstil zu verwenden, der sich ja doch stark von dem aus den Romanen um die Zerrissenen Reiche unterscheidet?
Thomas Plischke: Die Sprache und gerade die Beschreibung der Welt in meinen Romanen sind ja immer an die Perspektive der Figuren gebunden. Bei den »Reichen« sind einige der Figuren schlichtweg weniger zynisch und verbittert, weshalb auch ihre Weltsicht nicht so negativ ist (mit Ausnahme von Siris vielleicht).
Amy und Nina aus »Kalte Krieger« hingegen haben beide ein sehr gespanntes Verhältnis zu ihrer Umwelt, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen: Nina ist im Herzen eine Misanthropin, die noch dazu an der möglicherweise anstehenden Scheidung ihrer Eltern zu knabbern hat – und sie ist ein Teenager, und wer sagt, er oder sie habe in diesem Alter nicht Phasen durchlebt, in dem er alle oder zumindest manche Leute um ihn herum auf den Mond geschossen hätte, der hat entweder sauviel Glück gehabt oder leidet an einem schweren Fall nostalgischer Verklärung der eigenen Jugend.
Amy wiederum ist gezeichnet vom für sie ungewohnten Leben in der Großstadt, einem doch stellenweise ernüchternden Psychologie-Studiums und der Trennung von ihrem Freund. Wenn man auf derlei Interpretationsansätze abfährt, darf man ruhig mutmaßen, dass beide Figuren somit durchaus Aspekte meines eigenen Lebens widerspiegeln, die mich gelegentlich zynisch und sarkastisch sein lassen. Andererseits durchlaufen beide aber auch eine Entwicklung. So ist zumindest Amy am Ende des Buches, glaube ich, ein ganzes Stück weniger sarkastisch als noch zu Beginn ...

Zauberspiegel: Wird es eine Fortsetzung zu »Kalte Krieger« geben? Wenn ja, stehen schon erste Ideen für einen Plot, und kannst du ein paar Hinweise geben, worum es gehen wird bzw. gehen könnte?
Thomas Plischke: »Kalte Krieger« ist als Einzeltitel geplant gewesen. Beim Schreiben hat man aber natürlich auch Ideen für eine mögliche Fortsetzung. Eine dieser Ideen ist inzwischen sogar sehr konkret. Ob ich aber dazu komme, sie umzusetzen, hängt auch davon ab, wie erfolgreich das Buch wird. Wenn genügend Leser Lust darauf haben, dann mache ich gerne noch einen Ausflug in "Amys Welt", in dem sich weite Teile der Handlung wohl um ihre Eltern drehen werden. Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass es da einige Andeutungen in diese Richtung gibt. Und auch die Aufarbeitung von Beaumonts Erfahrungen zu Zeiten des Kalten Kriegs wäre natürlich ungemein reizvoll ...
Diese Fortsetzung ist für mich aber in nächster Zeit kein Muss, sondern ein schönes Kann. Aktuell habe ich noch viele andere Dinge auf dem Tableau, die mir alle auch viel Spaß machen!

Zauberspiegel: Kannst du uns ein wenig über dein kommendes Projekt, »Die Zombies« verraten? Unter anderem würde mich dabei auch interessieren, warum jemand wie ich, des das Zombiegenre für ziemlich ausgelutscht hält, das Buch lesen sollte.
Thomas Plischke: Zum Glück kann ich das tatsächlich schon, da inzwischen die ersten Ankündigungen des Verlages raus sind und auch die Kataloge demnächst in Umlauf kommen. Zunächst sollte ich wohl erwähnen, dass »Die Zombies« ein absolutes Traumprojekt für Ole und mich sind. Auch wenn es sich furchtbar abgeschmackt anhört, ist es einfach so, dass der Piper Verlag uns wirklich sehr große Freiheiten gewährt – was man nicht oft genug loben kann. Zombies sind nun seit Jahren eines unserer großen Steckenpferde, und wir freuen uns, mal unsere Sicht dieser Untoten präsentieren zu können.
So, jetzt aber zum Buch: Zu Beginn des Buches steht die junge Londoner Anthropologin Lily im Mittelpunkt der Handlung. Sie schreibt gerade an ihrer Doktorarbeit zum Monomythos des Wandelnden Toten – also zur Idee, dass es in der ganzen Welt Legenden und Geschichten über Verstorbene gibt, die in stofflich fassbarer Form wiederkehren, um die Lebenden heimzusuchen. Bei ihren Nachforschungen stößt Lily dann aber auf einige Dinge, die sie vielleicht besser nicht in Erfahrung gebracht hätte. Ich sag mal: Lass dich nicht bei der Beerdigung deines Großvaters von einem Fremden anquatschen, der dir etwas zeigen will, was du noch nie gesehen hast – das führt nämlich nur dazu, dass du am Ende einen sehr ungesunden Heißhunger auf Fleisch entwickelst. Später kommen dann noch die Perspektiven zweier junger Männer hinzu, die zwei Seiten einer Medaille verkörpern und ein alles andere als einfaches Verhältnis zu ihrer Familie haben. Der eine möchte das Familienerbe nicht antreten (kann ich verstehen: Wer will heutzutage schon Privatbankier werden?); der andere fragt sich, wo eigentlich all die jungen Leute abbleiben, die die Aufnahmeprüfung in die Dorfgemeinschaft nicht bestehen.
Wenn du jetzt noch wissen willst, was das Buch anders als andere Vertreter des Zombie-Genres macht, dann habe ich selbstredend auch eine (viel zu lange) Antwort parat. Bei den ersten Arbeiten am Plot und den Figuren wurde uns relativ schnell klar, dass das klassische Zombie-Motiv – nämlich die Zombie-Apokalypse – nicht für uns in Frage kommt. Zombie-Seuchen gibt es einfach schon viel zu viele. Wir wollten wieder mal einen anderen Weg einschlagen – aber das ist man ja inzwischen schon gewohnt von uns.
Zunächst wollten wir möglichst viele Arten von Zombies im Buch zeigen. Angefangen bei den Schlurfern bis zum Sprinter ist wohl alles dabei, und auch die Intelligenz unserer Zombies variiert stark – ebenso wie die Auslöser für die "Erkrankung". Das alles verbinden wir allerdings mit einem Überbau in Form einer eigenen Zombie-Mythologie (eingestreute Interviewschnipsel aus Lilys Doktorarbeit inklusive). Auch steht nicht das genussvolle und reihenweise "Abmetzeln" von Nebenfiguren im Mittelpunkt, sondern wieder die psychologische Komponente. Natürlich gibt es auch die eine oder andere Schock- und Actionszene – unsere Lektorin sagte dazu "Das ist aber kein Buch, das man zum Frühstück lesen sollte!" –, aber das muss bei einem Buch um Zombies eben so sein. Eine Liebesgeschichte – einschließlich zärtlich angedeutetem Zombiesex – gibt es auch noch. Es ist wohl ein ziemlich vielschichtiges Buch geworden, das hoffentlich trotzdem unterhalten kann. Zumindest bei unseren Lektoren (so darf ich – hoffentlich ohne allzu prahlerisch zu klingen – sagen) wurde es recht begeistert aufgenommen, und zwar selbst von der Dame, die es nicht zum Frühstück lesen möchte.

Zauberspiegel: Wann geht es mit den Zerrissenen Reichen weiter? Und welche anderen Projekte sind noch angedacht?
Thomas Plischke: Die »Zerrissenen Reiche« gehen selbstverständlich weiter, worauf ich mich auch schon sehr freue. Aktuell sitze ich gerade an Band 3 mit dem Arbeitstitel »Stahl« (in dem ich einer Nebenfigur aus dem ersten Band einen eigenen Handlungsstrang verpasse und zum Ausgleich dafür eine andere herzlos und brutal abserviere; ach ja, die langersehnten Elfen bekommen auch ihren ersten größeren Auftritt). Danach mache ich dann direkt mit »Westburg«, Band 4, weiter, damit es nicht noch einmal eine so lange Pause gibt. Der dritte Band dreht sich vor allem um Verschwörungen, Attentate und die Umbrüche im Zwergenbund, im vierten gibt es dann wieder mehr Action und wir erfahren so einiges über die Herren.
Eigentlich hatte ich ja noch eine weitere Fantasy-Reihe, Arbeitstitel »Asche«, geplant, aber dazu fehlt aktuell einfach die Zeit. Das Projekt ist erst mal auf Eis gelegt, bis ich die »Zerrissenen Reiche« zu einem würdigen Finale gebracht habe, was ja nach Band 4 noch einmal 3 Bände dauern wird.
Parallel dazu haben wir noch ein paar andere Projekte am Start, über die Ole und ich schon ab und an sehr intensiv sprechen (andere Leute würden das wahrscheinlich "streiten" nennen) und die auch parallel zu den Reichen laufen können. Wer da an "Phantastische Thriller" denkt, liegt wohl nicht verkehrt ...

Zauberspiegel: Einmal mehr vielen Dank, Thomas, für deine Zeit und deine Antworten, und viel Erfolg mit den »Kalten Kriegern«!

Ein paar Worte zu Thomas Plischke:
Thomas Plischke wurde 1975 in Ludwigshafen am Rhein geboren und studierte zunächst Psychologie sowie Sozialwissenschaften in Mannheim, absolvierte dann aber eine Ausbildung als Verlagskaufmann, um schließlich in Hamburg ein Studium der Amerikanistik, Anglistik und Medienkultur aufzunehmen.    
Von Kindesbeinen an faszinierte ihn das Phantastische und Unerklärliche in all seinen Spielarten; mit dem Abschluss seines Studiums der Literatur- und Kulturwissenschaft wurde diese Berufung schließlich auch zum Beruf. Er lebt als freier Autor gemeinsam mit Mann und Frau in der Hansestadt Hamburg.  Zu seinen bisherigen Werken zählen eine Reihe von Romanen, darunter die erfolgreiche Fantasysaga »Die Zerrissenen Reiche«, der im Winter 2009 erschienene phantastische Thriller »Kalte Krieger« sowie eine Reihe von Kurzgeschichten und Artikel im Bereich der Phantastik.

 

Kommentare  

#1 Tino 2015-06-24 23:52
Wird je ein 4. Teil der Zerrissenen Reiche herauskommen? Geschweige denn noch 3 weitere Teile? Wenn ja, wann?

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