... Hans Peter Roentgen über Exposés, die ersten vier Seiten und Kaffeeflecken
: Dass ich sie wie ein Seminar aufgebaut habe.
Ich hatte vor den Büchern einige Artikel über das Schreiben verfasst. Dann hat mir jemand gesagt: Mach doch einen Schreibratgeber daraus. Aber einen zweiten Sol Stein zu schreiben, eine zweite Elisabeth George? Diese Bücher kann ich nicht toppen.
Also habe ich mir die Schreibseminare als Vorbild genommen, in denen längere Texte besprochen und diskutiert werden. Und genau das habe ich dann an Beispieltexten gemacht.
Vor allem hat mich gereizt, zu überlegen: Wie kann man diese Texte verbessern? In Deutschland gibt es da eine Entweder Oder Kultur. Entweder der Text ist toll, dann lobt man, oder er ist schlecht, dann verreißt man. Das ist die Feuilleton Kultur.
Aber jeder, der anfängt zu schreiben, schreibt zunächst erst mal unbeholfen. Wie können diese Texte besser werden? Wie kann man lernen, an den eigenen Texten zu arbeiten? Das wollte ich zeigen, sowohl fürs Exposé wie auch für die ersten vier Seiten. Und das wollte ich an praktischen Beispielen zeigen.
: Wichtig ist vor allem, was man daraus lernen kann. Das Exposé wenn gelungen - zeigt ja, was das für eine Geschichte ist. Von welchen Personen handelt sie, wo spielt sie, wie beginnt sie und ganz wichtig: Worum geht es eigentlich in der Geschichte?
Der Romananfang gibt einen Vorgeschmack auf das Buch, zeigt, ob der Autor sein Handwerk beherrscht. Die Fehler, die dort auftauchen, setzen sich in aller Regel im Rest des Textes fort.
Das ist das, was den Autor an den beiden interessiert. Aber natürlich ist es deshalb auch für Literaturagenten und Verlage so wichtig. Wenn sie bereits auf den ersten Seiten sehen, dass der Autor langweilt, müssen sie den Rest nicht lesen. Wenn im Exposé bereits haufenweise Plotlöcher auftauchen oder der Autor per Deus ex Machina seine Figuren rettet, statt dass diese das selbst tun, auch nicht.
: Die Geschichte. Was sie in Gang setzt, welche Schwierigkeiten sich dem Protagonisten, dem Helden in den Weg stellen, wer der Antagonist (Bösewicht) ist, warum der gegen den Helden agiert.
Agenten und Verlage sehen daran, ob der Roman eine potenziell spannende Geschichte erzählt, mit faszinierenden Figuren, mit einem roten Faden, mit einem Konflikt, der Leser interessieren könnte.
: Wer eine gute Idee zu einem Roman hat, hat deshalb noch lange kein fertiges Exposé, das man einem Verlag vorlegen könnte, die ersten Exposéversionen werden noch sehr unbeholfen sein. Auch Geschichten kommen nackt zur Welt, brüllen und machen in die Hose. Irgendwann werden sie erwachsen und niemand glaubt, dass sie mal furchtbar kindisch waren .
Hat der Autor dann die Geschichte in einen erwachsenen Zustand hochgepäppelt, dann kann man ein Exposé für Verlage und Agenten schreiben. Das ist kürzer, als die, die Autoren selbst benutzen. Autoren haben meist umfangreichere Szenenfolge (manchmal auch Treatment oder Storyboard genannt), mit sehr viel ausführlicheren Notizen zu Personen, mit einem Zeitplan und Hintergrundinfos. Das ist nicht für die erste Bewerbung geeignet, wohl aber, um später mit dem Lektor an dem Roman zu arbeiten oder einem Verlag, der bereits Blut geleckt hat, einen genaueren Eindruck zu geben.
Wie das Exposé für Verlage und Agenten aussehen soll: Bewährt hat sich, im ersten Satz mit dem Helden zu beginnen, der zweite Satz zeigt, was die Geschichte in Gang setzt.
: Normseite (30 Zeilen á 60 Zeichen). Keine Kaffeeflecken .
Nein, im Ernst, die Formalia werden sehr überschätzt. Abgesehen von obigen Kaffeeflecken und der Normseite gibt es nichts. Ich kenne mittlerweile eine ganze Reihe von Autoren, die es geschafft haben und die haben sich mit sehr unterschiedlichen Methoden beworben.
Vorab ausgesondert wird höchstens noch, wer mit textfremden Mitteln versucht, Aufmerksamkeit zu erregen. Farbiges Papier, eine Grafik im Hintergrund, davon sollte man absehen.
Aussortiert wird schnell nach inhaltlichen Kriterien. Wer bereits im ersten Absatz allgemeine Behauptungen aufstellt, statt seine Geschichte zu erzählen, hat gute Chancen. Das ist die berührende Liebesgeschichte von Maria, voller Gefühle, Leidenschaft und Tragik kommt genauso schlecht wie Masterix ist ein schwarzer Lord, der mit brutaler Gewalt die Welt unterjochen möchte.
So Sätze, die auf hunderte anderer Manuskripte auch zutreffen, erhöhen die Chance, dass das Manuskript in dem Korb Ablehnen landet, deutlich.
: Was ist Besonderes an dieser Geschichte? Warum soll ich mich für sie näher interessieren und nicht für die 500 anderen, die auch auf meinem Schreibtisch liegen?
Deshalb sollte man auch konkret erzählen, was passiert. Show, don`t tell (Zeigen, nicht behaupten) ist nicht nur im Roman selbst wichtig, sondern auch im Exposé.
Ein gutes Exposé zeigt dann eben auch, ob der Roman ins Programm passt und ob der Grundkonflikt der Geschichte ausreicht, viele Leser zu finden.
: Der häufigste Fehler: Man schickt sie an Verlage, die gar keine High Fantasy im Programm haben, an eine Literaturagentur, die gar keine Fantasy betreut. Die mögen das Buch noch so gut finden, sie werden es nicht nehmen.
Also sich vorher informieren, auch wer eigentlich für Fantasy zuständig ist. Das findet sich oft im Impressum, oder unter Stichworten wie Über uns, Ansprechpartner, manchmal auch unter Presse. Eine persönliche Adressierung ist immer gut, weil sie zeigt, dass der Autor sich informiert hat. Man kann auch anrufen, um das herauszubringen. Mit Glück kriegt man sogar jemand an die Strippe, der einem sagt, ob sie an der Geschichte Interesse haben. Das ist natürlich ein Sechser im Lotto, dann weiß man bereits, an wen man sich wenden muss und kann sich auf das Telefonat beziehen.
: Schreiben. Das ist wie beim Schwimmen, Reiten und Singen auch. Man lernt dadurch, dass man´s tut. Trockenschwimmen allein hilft nicht weiter.
Natürlich schadet es nichts, sich während des Schreibens mit anderen auszutauschen, Fachliteratur zu lesen, überhaupt viel zu lesen. Aber bevor man schreibt, erst mal Theorie zu treiben, halte ich für keine gute Idee.
Profis, die bereits genügend Erfahrung haben, fangen oft mit Plot und Personen an. Überlegen, welche Geschichte kann ich verkaufen, wie müsste sie aufgebaut sein. Manche erstellen erst einen kompletten Szenenplan, bevor sie auch nur eine Szene schreiben. Das kann sich über Wochen, ja Monate hinziehen. Aber, wie gesagt, da rede ich jetzt von Profis, die bereits reichlich Erfahrung mit dem Schreiben haben.
Wer mit dem ersten Roman beginnt, sollte sich ums Schreiben bemühen. Das ist das Gesellenstück, der erste Roman findet selten einen Verlag.
: und danke für Ihre Fragen
Hans Peter Roentgen ist..
Kommentare
Ich habe da für mich zumindest erkannt, was ich bei meinem Expose richtig gemacht habe, und was nicht.
Agenturen geben ja auch selbst Tipps auf ihren Internetseiten (z.B wird meist lieber ein Kurzexpose als ein ausführliches verlangt)
Schöner Beitrag, Horst!
An Amelie: "Ich will mein Buch schreiben, nicht mich verkaufen" - Das eine geht nicht ohne das andere bis zu einem gewissen Grad. Und ja, Jobsuche ist leichter, als einen Verlag für ein Manuskript zu finden (ein BUCH ist es erst, wenn es gedruckt wurde )
Was die Verlagssuche betrifft: Im "Handbuch für Autorinnen und Autoren" gibt es hervorragend recherchierte Adressen für alle (an der entsprechenden Umfrage teilnehmenden) deutschsprachigen Verlage (auch Österreich und Schweiz) für alle Sparten, in denen man recherchieren kann, ob ein Verlag das Genre des eigenen Manuskripts vertritt und ob und in welcher Form Einsendungen erwünscht werden, wer Ansprechpartner/-in ist usw. Sehr zu empfehlen!