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... Andreas Brandhorst über Hefte, den Tod und SF

Andreas Brandhorst ... Andreas Brandhorst ...
... über Hefte, den Tod und SF

Andreas Brandhorst gehörte Anfang der achtziger Jahre zum Autorenteam der Heftserie "Die Terranauten" und schrieb den größten Teil der Taschenbuchfortsetzung. Schon damals gehörte er zu den produktivsten deutschen SF-Autoren. Nach einer längeren Pause meldete sich der Kurd-Laßwitz-Preisträger in den letzten Jahren mit zwei Perry-Rhodan-Taschenbüchern, vor allem aber mit den beiden großartigen Kantaki-Trilogien zurück. Mit dem Zauberspiegel sprach er über alte Heftromanzeiten, seinen persönlichen Werdegang und seine neuesten Projekte.

Zauberspiegel: Andreas, wie bist du Ende der siebziger Jahre zur SF gekommen?
Andreas Brandhorst: Über viel, viel lesen.  Ich habe alles Phantastische, das ich in die Finger bekam, regelrecht verschlungen, und da war viel SF dabei. Geschrieben hatte ich schon, seit ich schreiben konnte, und nach der Erstausstrahlung von „Raumpatrouille“ habe ich dann „ernsthaft“ mit dem Verfassen von Romanen begonnen – die ersten waren so 10 Seiten lang.  Ein paar Jahre später wurden sie länger und erreichten Heftromanumfang, und dann, nach einigen vergeblichen Versuchen bei diversen Verlagen, gelang es mir, meinen ersten Roman an Zauberkreis zu verkaufen.

Zauberspiegel: Deine ersten Romane bei Zauberkreis waren für damalige Verhältnisse sehr Action betont. War das damals eine bewusste Entscheidung deinerseits oder hat sich das eher zufällig ergeben?
Andreas Brandhorst: Eigentlich waren zur damaligen Zeit alle Heftromane vor allem auf Action orientiert, auf schnelle Handlung. Die Rede war von „Spannungsromanen“.  Darauf musste man bei Aufbau, Dramaturgie und Plot achten: auf Spannung, Action, Überschaubarkeit. Man musste so schreiben, wenn man einen Roman verkaufen wollte; da blieb keine Wahl.

Zauberspiegel: Der Heftroman hat ja eigene Gesetze. Waren diese Heftromane rückblickend eine gute Fingerübung für die Entwicklung deiner schriftstellerischen Fähigkeiten oder war es mühsam später auf den anderen Taschenbuchstil umzusatteln?
Andreas Brandhorst: Auf die Gesetze des Heftromans bin ich oben ja schon eingegangen: Er ist eine besondere Publikationsform, die sich an ein bestimmtes Publikum wendet. Heftromane waren „zu meiner Zeit“, vor nunmehr über 30 Jahren, nicht nur eine gute Fingerübung für angehende Autoren, sondern überhaupt *der* Einstieg. Viele der heute etablierten Autoren, mich eingeschlossen, lernten auf diese Weise, was es bedeutet, professionell zu schreiben. Der Übergang zu anspruchsvolleren Darstellungsformen (Taschenbuch, Hardcover etc.) hing damals nicht nur von den Möglichkeiten ab (Heyne brachte schon in den siebziger Jahren deutsche Autoren), sondern auch von den Ambitionen der Betreffenden, von ihrem Bedürfnis, mehr auszudrücken, als in einem Heftroman möglich ist, Ideen weiter zu verfolgen, Personen genauer zu zeichnen. Da ist der Heftroman oft überfordert.

Zauberspiegel: Bei den Terranauten bist du erst mit Band 37 eingestiegen, warst dann aber einer der wichtigsten Autoren. Heute hat die Serie einen legendären Ruf und es ist viel von dem grünen Background die Rede. Welche Rolle haben solche Überlegungen damals für dich beim Schreiben gespielt? War die Serie tatsächlich in gewissem Sinn ein politisches Projekt?
Andreas Brandhorst: Bei den Terranauten war ich von Anfang an dabei, auch wenn mein erster Roman die Nr. 37 trägt. Ich habe damals an den ersten Autorenkonferenzen teilgenommen, und wir haben die Serie gemeinsam geplant. Der grüne Background war bewusst gewählt. Wir wollten zeigen, dass eine SF-Serie im Heftromanformat auch anders funktionieren kann, dass man sie mit einem anderen Anspruch schreiben kann. Wir sind damals mit großem Enthusiasmus an die Sache herangegangen, und ich glaube, die Romane waren für die damalige Zeit – als Heftromane – wirklich sehr fortschrittlich. Für mich war es eine sehr wichtige Phase; ich habe damals viel gelernt. 

Zauberspiegel: Die Terranauten TBs hast du dann ja sogar praktisch allein mit Horst Pukallus geschrieben. Thomas Ziegler wechselte ja nach den ersten Bänden zu Perry Rhodan. Wieweit hast du damals die Fortschreibung der Serie bestimmt? Und wie siehst das heute, inwieweit ist es möglich, eine Heftserie in Taschenbuchform zu bringen?
Andreas Brandhorst: Eine Heftserie kann man nicht im Taschenbuchformat bringen, weil es dann Taschenbücher sind und keine Hefte mehr. Wink Taschenbücher haben einen ganz anderen Vertrieb und richten sich an ein anderes Publikum (das war zumindest damals der Fall). Auf die Fortsetzung der Serie nach Band 100 hatte ich damals den gleichen Einfluss wie die übrigen Autoren, wobei meine Zusammenarbeit mit Rainer (Thomas Ziegler) besonders eng war. Als die Serie im Heftformat eingestellt wurde, habe ich dann die meisten Taschenbücher geschrieben, weil ich Zeit und Lust hatte. Übrigens sind, wenn ich mich recht entsinne, zwei dieser Taschenbücher nie erschienen.

Zauberspiegel: In den achtziger Jahren erschienen bei allen wichtigen deutschen Taschenbuchverlagen Romane von dir. Daneben lief ja bis 1987 noch die Fortführung der Terranauten. Wie hast du das enorme Arbeitspensum damals bewältigt?
Andreas Brandhorst: Ach, so groß war das Arbeitspensum eigentlich gar nicht; das sieht nur so aus, weil manche Publikationen zeitlich zusammenfielen. Außerdem habe ich damals nicht oder nur sehr wenig übersetzt. Ich konnte meine Zeit also ganz dem  Schreiben widmen.

Zauberspiegel: Anfang der neunziger Jahre gab es dann einen Break und erst ab 2004 erschien wieder SF aus deiner Feder. Lag dies ausschließlich an deinen persönlichen Lebensumständen? Oder spielte auch die Entwicklung des Marktes für SF in Deutschland dabei eine Rolle?
Andreas Brandhorst: Nein, das lag nur an meiner persönlichen Situation. Ich war nach Italien ausgewandert, zwei Kinder wurden geboren, ich musste für eine Familie sorgen und konnte es mir einfach nicht leisten, mehrere Monate ohne Einkommen zu sein. Daher habe ich hauptsächlich übersetzt, denn Übersetzungen werden sofort bezahlt. Und so ging es weiter bis die Kinder Anfang des neuen Jahrtausends groß waren.

Zauberspiegel: 2004/2005 erschienen zwei Perry Rhodan Taschenbücher von dir. Hast du selbst vor deiner Zeit als Autor Perry Rhodan gelesen? Welche Rolle hat die Rhodan-Serie in deinem Leben bzw. deiner Entwicklung zum SF-Autoren gespielt?
Andreas Brandhorst: Natürlich habe ich damals, beginnend so etwa ab 12, Perry Rhodan gelesen. Ich weiß noch, wie begeistert ich vom MdI-Zyklus war und dann den 300er-Heften war. Wenn man so viele Hefte liest wie ich damals, hat das natürlich eine prägende Wirkung, und meine ersten Jahre als SF-Autor wurzeln sicher in dieser Zeit, keine Frage. Meine beiden Taschenbuch-Beiträge für PR sind eine Hommage an eben diese Zeit und die Bedeutung, die PR damals für mich hatte.

Zauberspiegel: Mit den beiden Kantaki-Trilogien hast du die wohl ambitioniertesten und besten deutschen SF-Romane der letzten Jahre geschrieben. Wird es in absehbarer Zeit weitere Romane aus dem Kantaki-Universum geben?
Andreas Brandhorst: Danke für das Lob. Wink Ich habe schon in anderen Interviews darauf hingewiesen: Meine Ideen-Datei ist ziemlich groß, und der Abschnitt „Kantaki“ enthält zahlreiche Ideen. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass ich noch einmal Romane schreibe, die in diesem Universum angesiedelt sind. Ganz konkret habe ich derzeit allerdings keine geplant. Zuerst einmal möchte ich mit anderen Ideen spielen, wie in „Kinder der Ewigkeit“ (erschienen April 2010), „Die Stadt“ (März 2011) und „Das Artefakt“ (Ende 2011). Alle diese Romane, zwei von ihnen SF, sind sehr ambitioniert, sowohl in Hinsicht auf die Darstellung der handelnden Personen als auch in Bezug auf das Thema. Es geht dabei immer um Dinge, die mir sehr am Herzen liegen. Wenn ich damit durch bin … Dann kehre ich vielleicht zu den Kantaki zurück.

Zauberspiegel: Welche Möglichkeiten hat ein deutscher SF-Autor ausserhalb Deutschlands? Gibt es Übersetzungen der Kantaki-Trilogie beispielsweise in Tschechien, Polen oder Ungarn?
Andreas Brandhorst: Das Problem besteht darin, eine Trilogie, oder wie im Fall der Kantaki-Romane, gleich zwei Trilogien zu verkaufen. Dann hat der ausländische Verlag drei oder sechs Romane, ohne zu wissen, ob sich der erste verkauft. Niemand geht gern Risiken ein, und deshalb verkaufen sich Lizenzen von  Einzelromanen besser. „Äon“ erscheint am 30.11.2010 in Italien (als „Aion“), und im Lauf des kommenden Jahrs wird eine italienische Ausgabe von „Kinder der Ewigkeit“ folgen. Ich hoffe, dass das nur der Anfang ist.

Zauberspiegel: Du lebst schon seit vielen Jahren in Italien. Inwieweit findet das Niederschlag in deinen Romanen? Und wie groß ist die Distanz zu Deutschland und den Ereignissen hier geworden? Sagt dir z.B. Stuttgart 21 etwas?
Andreas Brandhorst: Ich verfolge die Ereignisse in Deutschland mit großer Aufmerksamkeit und bin stets auf dem Laufenden. Wink Andererseits lebe ich seit inzwischen 26 Jahren in Italien, und da verschiebt sich natürlich die Perspektive. Einen Teil dieser italienischen Erfahrungen (einen sehr kleinen Teil, um ganz ehrlich zu sein) habe ich in „Äon“ verarbeitet, einem Mystery-Thriller, der zum Teil in Kalabrien spielt. Abgesehen davon ist es wie mit dem Leben selbst: Erlebnisse, Erfahrungen und Reifung von Charakter und Seele fließen immer in die Romane ein. Insofern steckt ein bisschen Italien in allen meinen Texten.

Zauberspeigel: Deine letzten beiden Bücher („Äon“ und „Kinder der Ewigkeit“) waren thematisch recht unterschiedlich. Nächstes Frühjahr erscheint dein nächster Roman „Die Stadt“. Worauf darf sich der Leser freuen?
Andreas Brandhorst: Auf einen spannenden Roman, hoffe ich. „Die Stadt“ ist ein Mystery-Roman abseits der üblichen Pfade, und es steckt viel Herzblut von mir darin. Ich habe ein Thema verarbeitet, über das ich jeden Tag nachdenke, nicht einmal, sondern zehnmal, fünfzigmal. Es geht um den Tod und was danach kommt … Mehr verrate ich hier nicht. Übrigens könnte man „Die Stadt“ in gewisser Weise auch wie einen SF-Roman lesen … Ende des Jahres kommt dann wieder ein epischer SF-Roman von mir, an dem ich derzeit arbeite. Sein Arbeitstitel lautet: „Das Artefakt“.

Zauberspiegel: Momentan läuft eine Neuauflage der Terranauten in Buchform bei Mohlberg. Sind auch Neuauflagen anderer Romane von dir geplant?
Andreas Brandhorst: Bisher noch nicht. Jedenfalls ist mir nichts Konkretes zu Ohren gekommen.

Zauberspiegel: Vielen Dank Andreas für das aufschlussreiche Gespräch und viel Erfolg bei deinen nächsten Projekten!

Buchtitel von Andreas Brandhorst:

Der Netzparasit, Corian 1983

Schatten des Ich, Moewig 1983

Die Sirenen von Kalypso, Terra TB 1983

In den Städten, in den Tempeln, Ullstein 1984 (mit Horst Pukallus)

Mondsturmzeit, Goldmann 1984

Verschwörung auf Gilgam, Schneider 1984

Planet der wandernden Berge, Bastei 1985

Die Macht der Träume, Goldmann 1991

Äon, Heyne 2009

Kinder der Ewigkeit, Heyne 2010

Die Terranauten:
Der grüne Phönix, Bastei 1982
Kosmisches Labyrinth, Bastei 1983
Monument der Titanen, Bastei 1984
Der schwarze Herrscher, Bastei 1984
Der Sternenfänger, Bastei 1984
Spektrum-Jagd, Bastei 1984
Der weiße Stern, Bastei 1985
Im 176. Jahr, Bastei 1985
Die Bio-Sklaven, Bastei 1986
Das Terranautenprojekt, Bastei 1987

Das schwarze Auge:
Das eherne Schwert, Knaur 1985

Akasha:
Der Attentäter, Ullstein 1986 (mit Horst Pukallus)
Das Exil der Messianer, Ullstein 1986 (mit Horst Pukallus)
Die Renegatin der Akasha, Ulltein 1986 (mit Horst Pukallus)

Perry Rhodan:
Exodus der Generationen, Heyne 2004 (Lemuria 3)
Die Trümmersphäre, Heyne 2005 (Pan-Thau-Ra 2)

Kantaki:
Diamant, Heyne 2004
Der Metamorph, Heyne 2004
Der Zeitkrieg, Heyne 2005
Feuervögel, Heyne 2006
Feuerstürme, Heyne 2007
Feuerträume, Heyne 2008

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