... Michelle Stern über Pseudonyme, Schreibwerkstätten und Meerjungfrauenporno
Michelle Stern: Nein, an einer Persönlichkeitsspaltung liegt es nicht, obwohl ich je nach Pseudonym unterschiedliche Persönlichkeitsanteile besonders ausleben kann. Die Pseudonyme sind jeweils bestimmten literarischen Richtungen vorbehalten. So darf Sarah Schwartz unzüchtige Erotik verfassen und zur Tiefenentspannung der Leser beitragen, Michelle Stern begibt sich ins All und liefert Heftromane ab, und Stefanie Rafflenbeul verfasst fantastische Romane außerhalb des Heftroman-Bereichs.
Die Pseudonyme dienen der Abgrenzung. Wobei ich mit Rafflenbeul vorlieb genommen hätte, bei den Heftromanen. Doch der Redakteur von Bastei meinte, der Name sei viel zu lang. Er wollte einen Nachnamen mit weniger Silben. Deshalb entstand Michelle Stern.
: Obwohl ja Susan Schwartz eine meiner Lieblingsautorinnen und auf jeden Fall ein Vorbild ist, stammt der Vorschlag Sarah Schwartz witziger Weise von meiner Verlegerin im Erotik-Bereich. Allerdings konnte ich nicht Nein sagen.
Michelle Stern hat sich mein Mann ausgesucht.
: Ich habe jede Menge weibliche Autoren bei FanPro gelesen, deshalb nehme ich an, Du meinst die Atlan-FanPro-Domäne?
: Nein, ich finde solche Fragen spannend, gerade weil ich ab dem dritten Lebensjahr ohne direkte weibliche Bezugsperson aufwuchs und selbst immer wieder Erfahrungen sammeln konnte, wie mentale Unterschiede zwischen den Geschlechtern entstehen und welche ungeschriebenen Regeln es gibt. Oft fühlte ich mich in Kindheit und Jugend zwischen rosa Röckchen und Babypuppen wie eine Methanatmerin auf Larsaf III.
: Vielen Dank für das Kompliment. Route 66 war ein schon fast experimenteller MX. Die Grundidee des Redakteurs stellte für mich eine spannende Herausforderung dar, und ich konnte auch ein bisschen Humor unterbringen. Von daher tippe ich auf eine Kombination von Schreibe und Story.
: Nein, gar nicht. Warum auch? Fantasie habe ich genug.
: Beides kam über Uschi Zietsch (Susan Schwartz) zustande. Nachdem ich an einem ihrer sehr empfehlenswerten Schreibworkshops teilgenommen hatte, fragte sie per Mail an, ob ich bei "SunQuest" mitmachen würde. Ich war begeistert. Auch für "Elfenzeit" schlug sie mich vor. In der ersten Schreibwerkstatt an der ich teilnahm, befand sich auch ein Mensch namens Marc A. Herren. Der dürfte den Perrylesern inzwischen ein Begriff sein.
: Ich habe viele interessante Menschen getroffen, die meine Leidenschaft teilen, und das hat meinen Wunsch, Schriftstellerin zu sein, verstärkt. Darüber hinaus durfte ich einiges über das Handwerkszeug des Schreibens mitnehmen.
: Ja, sehr. Ich kann Schreibwerkstätten für alle, die ernsthaft schreiben möchten, nur anraten. Auch die letzte Schreibwerkstatt die ich besuchte, von Michael Turner und Frank Borsch, hat mir sehr gut gefallen und mich weiter auf meinem Weg unterstützt.
: Oh ja. Besonders Frank und Michael liegen überhaupt nicht auf einer Wellenlänge, was das Schreiben betrifft und hatten auch unterschiedliche Seminarvorstellungen. Aber beide Ergebnisse lassen sich mehr als sehen. Ich muss gestehen, ich fand es direkt heilsam, mal einen Menschen wie Frank Borsch kennenzulernen, der geregelt und nach Fahrplan schreibt. Mit Expos und Erzählsträngen in unterschiedlichen Farben, ganzen Extra-Programmen zum Plot und so weiter. Wenn ich Uschi Zietsch und MMT in diesem Bezug als Vorbild nehme, sieht das viel exzessiver aus. Auch was die Schreibzeiten betrifft. Das soll keine Wertung sein. Es hat mir einfach gezeigt, wie breit das Spektrum ist, und das finde ich hilfreich, um mich selbst freier zu bewegen.
: Richtig. Auch Gerry habe ich auf einer späteren Schreibwerkstatt von Uschi Zietsch getroffen. Er hat mich dann auf dem Wien-Con 2010 angesprochen, ob er nicht einen Sternenfaust-Roman mit mir machen könnte, da er die Serie ebenfalls liest und schätzt.
: Nein, überarbeiten musste ich nicht. Jeder hat seine Hälfte geschrieben, und ich stand Gerry gern mit Antworten zur Verfügung, wenn er Fragen hatte. Seinen Teil habe ich abschließend gelesen und ihm Vorschläge gemacht, was er noch ändern könnte. Überarbeitet hat er dann selbst.
: Mit etwa 12 Jahren nach einem Umzug, der mich von meiner Familie getrennt hat. Da ich niemanden kannte und aus Wut und Trauer auch erst mal niemanden kennen wollte, saß ich sehr viel in meinem Zimmer und verfasste vor allem Gedichte.
: Ich habe damals einfach losgelegt und über das geschrieben, was mich belastete. Eine längere Geschichte trug den plakativen Titel "Rauschgift betrügt", eine andere erzählte von einer Frau, die ihr Kind verloren hat. Beides hatte mit meinem damaligen Umfeld zu tun, bevor ich vierzehn Jahre alt war. Ein paar Jahre später kam der ultimative Auftakt: Ich las "Vampires Diary" im Cora-Verlag, das damals noch nicht als Serie verfilmt wurde und ja in den letzten Jahren einen neuen Boom erlebte. Das Ende hat mir nicht gefallen, also schrieb ich ein anderes. Außerdem begann ich ab da, Mystery-Romane zu verfassen. Der Verlag wollte meine Romane auch später nicht, weil ich Deutsche bin und nur amerikanische Sachen genommen wurden. Für mich erwiesen sich diese frühen Versuche trotzdem als lehrreich.
: Für die Schublade und für das Internet. Ich habe noch jede Menge alter Sachen, darunter einen komplett fertigen DSA-Roman (= Das Schwarze Auge). Leider finde ich ihn inzwischen überarbeitungswürdig, und habe ihn deshalb trotz des netten Angebots von Florian DonSchauen nicht noch einmal eingesandt. Nach der ersten Einsendung gab es auch einen Kontakt zwischen mir und FanPro, aber damals war ich noch zu unsicher, und was du ausstrahlst, das kommt ziemlich oft zu dir zurück.
: Ein Freund meinte mal zu mir, Schreiben sei für mich doch auch so was wie Sex. Das will ich an dieser Stelle lieber nicht offiziell bestätigen. Aber es macht schon verdammt viel Spaß. Ohne Schreiben wäre mein Multiversum ärmer.
: Das lässt sich gut in meinem Werkstattbericht zu ATLAN nachlesen, der auf die Verlags-Homepage gestellt werden soll. Auch bei mir gibt es Phasen, in denen ich etwas am Roman nicht mag. Ich würde das nicht Blockade nennen. Es ist das vorbewusste Wissen, dass etwas nicht stimmt, oder eben im Moment nicht so gut ist, wie es das sein sollte oder könnte. Solche Gefühle sind konstruktiv, um das Beste aus dem Text zu holen. Wichtig ist nur: Nicht in diesem Gefühl bleiben. Ich esse dann zu viel Süßigkeiten und mache weiter.
: Ich habe noch einen Nebenjob, der mich derzeit sehr fordert. Und ich habe jede Menge Freunde, Hobbys sowie einen wundervollen Ehemann. Also jede freie Minute gebe ich nicht her. Ich erstelle mir Zeitpläne, auch wenn ich mich keineswegs immer an sie halte. Oft arbeite ich auch exzessiv viele Stunden am Stück, aber das ist dann eben eine Phase oder der drängende Abgabetermin.
: Meistens komme ich gut mit meinen Schreibzeiten hin. Allerdings bin ich auch ziemlich schnell im Schreiben. Man könnte also sagen, ich leiste mir meine Faulheit. Wenn es sein müsste, könnte ich in acht Stunden bequem 40.000 Zeichen schreiben, eher mehr. Aber das gebe ich mir nicht. Vielleicht irgendwann mal als Experiment, oder wenn ein verzweifelter Redakteur anruft: "Ich brauche in vier Tagen einen Roman". Das wäre eine echte Herausforderung. Dafür würde ich dann auch mit Überarbeitung Nachtschlaf opfern. Bislang liegt meine kürzeste Heftromanzeit bei sieben Tagen. Üblicherweise nehme ich mir inklusive Überarbeitung drei Wochen. Das sind mit Recherchen zwei bis vier Stunden pro Tag unter der Woche.
: Ideen jede Menge, mit dem Entstehen gehe ich es langsam an. Ich hoffe darauf, im Winter noch einen Teil für "Elfenzeit - Schattenlord" zu machen. Außerdem erschien gerade erst ein "Meerjungfrauenporno", wie die Bildzeitung in ihren LoveNews titulierte. Darüber hinaus warten einige Erotik-Leserinnen sehnsüchtig auf den Abschluss meiner Trilogie über eine junge Frau, die dank genetisch verankerter Erinnerungen in den Brennpunkt mehrerer Vampir-Orden geraten ist.
:Das ist schon typische Frauenliteratur mit ganz viel Liebe drin *g*. Aber versuch's ruhig.
: Ich würde sehr gern langfristig bei PERRY einsteigen. Auch würde es mich natürlich freuen, wenn meine Erotikromane noch erfolgreicher werden und ich weiterhin an so spannenden Projekten wie "Elfenzeit" teilhaben darf. Außerdem würde ich verdammt gern einen Jugendroman schreiben, im Bereich Phantastik. Aber der soll so gut und so vielschichtig sein, dass ich mich wohl nie an das erste Wort herantraue.
Ende 1. Teil ... den 2. Teil am 10. August hier ...
Kommentare
Das Lob gilt natürlich meiner lieben Interviewpartnerin.