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... Dirk van den Boom über kreative Freiheit, Jubiläen und neue Konzepte bei »Ikarus«

Dirk van den Boom ... Dirk van den Boom ...
... über kreative Freiheit, Jubiläen und neue Konzepte bei »Rettungskreuzer Ikarus«
»Rettungskreuzer Ikarus war in den letzten Tagen auch ein Thema, nicht nur deswegen, weil der erste Band sich beharrlich in den Top 20 der Kindle-Charts unter Science Fiction hält (in guter Gesellschaft mit aktuellen PR-Romanen) und mich demzufolge steinreich macht – sondern auch, weil die Planung für das, was in der Serie nach Band 50 geschieht, so langsam konkretere Formen annimmt. Es wird alles ganz anders, aber wie anders, dazu sage ich zu gegebener Zeit noch etwas, sowohl hier, wie auch auf der RI-Website.«
So steht es auf Dirk van den Booms Blogseite. Grund genug den »Ikarus«-Erfinder, Autor von »Kaiserkrieger« und »Tentakelkrieg« und anscheinend angehenden Millionär  einmal ausführlich zu befragen.

Zauberspiegel
: Dirk, erst mal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview genommen hast. Du warst im letzten Jahrzehnt eine der bestimmenden Figuren in der deutschen SF-Szene. Du bist nicht nur Hauptautor und Exposéschreiber für Rettungskreuzer Ikarus, sondern hast auch noch Romane für Ren Dhark Projekt 99, Mohlbergs Rex Corda, Sigam Agelon und Erde 2000 geschrieben. Dann gab es auch einen Ausflug zu Professor Zamorra. Außerdem warst Du lange Bearbeiter für die Neuauflage von Rex Corda und Erde 2000. Zuletzt hast Du mit Tentakelkrieg und Kaiserkrieger auch noch erfolgreiche Solo-Projekte verfolgt. Von der Arbeit als Herausgeber für die Anthologie Weltraumkrieger will ich gar nicht reden. Steht bei Dir zu Hause eine Zeitmaschine im Keller oder wie bewältigst Du dieses unglaubliche Arbeitspensum? 
Dirk van den Boom: Ich arbeite relativ effektiv und effizient, bin auch diszipliniert, setze mich vor den Rechner auch bei akuter Unlust. Außerdem habe ich ein recht flexibles sonstiges Berufsleben, das mir eine freie Zeiteinteilung ermöglicht. Und bei Ikarus bin ich ja nicht alleine, sondern habe mit den Kolleginnen und Kollegen eine gute und meistens auch verlässliche Kooperationsstruktur.

Zauberspiegel
: Rettungskreuzer Ikarus sollte bekanntlich eigentlich einmal ein PC-Spiel werden. Wie überführt man ein Computerspiel in eine Taschenheftserie? Da muss man doch sicher jede Menge Schwierigkeiten überwinden, oder?
Dirk van den Boom: Nein, gar nicht, denn es ging damals ja nur um die Grundidee. Das Projekt war damals noch nicht so weit, dass man großartig hätte umarbeiten müssen. Als das Projekt gestorben war, hatte ich nur so etwas wie ein Rahmenexposé, das dann relativ problemlos auch in ein anderes Medium überführt werden konnte. Deswegen ging das dann auch alles sehr schnell, nachdem mich Olaf Menke Ende der 90er-Jahre mit Guido Latz verkuppelt hatte.

Zauberspiegel: Die Serie Perry Rhodan soll ja ursprünglich nur auf 50 Hefte angelegt gewesen sein. Wie viele Titel waren es damals bei Ikarus?
Dirk van den Boom: Wir hatten da keinerlei Zeithorizont, wir haben einfach drauflos gearbeitet. Es war alles wirklich sehr neu für uns. Wir probierten das erste Mal das damals noch sehr junge „Print on demand“, also Digitaldrucktechnik, aus. Wir wussten nicht, wie es sich verkauft, aber Guido sagte mir damals, dass er erst einmal weitermacht, egal, wie der Absatz ist. Das war eine schlaue Entscheidung. Von Band 1 haben wir mittlerweile in seinen verschiedenen Darreichungsformen über 2000 Exemplare verkauft.

Zauberspiegel: Von den ersten 10 Ikarusromanen stammen 5 von Dir. Von den 10 bereits erschienenen oder schon angekündigten Titeln des aktuellen Wanderlust-Zyklus kommt dagegen nur ein einziger aus Deiner Feder. Wird sich das fortsetzen oder dürfen wir bei Ikarus in Zukunft wieder mehr Titel von Dir lesen?
Dirk van den Boom: Normalerweise versuche ich, jeden fünften Band zu schreiben. Aber die von Dir oben beschriebenen zahlreichen Aktivitäten machen das nicht immer möglich. Mein nächster Roman ist die Nr. 50, und danach stellen wir das Konzept grundsätzlich um, sodass die „Autorenverteilung“ sich nach anderen Kriterien richten wird. Ich habe mir vorgenommen, mittelfristig weiterhin etwa einen Roman im Jahr zu verfassen, aber so hundertprozentig steuern kann ich das nicht.

Zauberspiegel: Die ursprünglichen vier Ikarus-Autoren haben ausführlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eigene Figuren in die Serie einzuführen. Die beiden später hinzugekommenen Thomas Folgmann und Achim Hiltrop waren da bisher eher zurückhaltend. Liegt das an Dir? Hast Du da als Expokrat den Finger drauf?
Dirk van den Boom: Tom hat sich zurückgehalten, das stimmt, er ist ein braver Junge. Achim hat eigene Figuren entwickelt, sie aber noch nicht so prominent eingeführt und unentbehrlich gemacht wie etwa Jason und Shilla. Dazu bekommt er aber ab Band 50 Gelegenheit. Ich führe ein sehr lockeres Regiment und gebe den Autoren viele Freiheiten, damit sie weiterhin Spaß an der Sache haben. Wir zahlen nicht viel, also müssen die Leute anders motiviert werden, und kreative Freiheit zu gewähren hilft dabei ungemein.

Zauberspiegel: 2010 gab es 10 Jahre Rettungskreuzer Ikarus. Als Leser hat man aber nichts davon gespürt. Es gab keinen Weltcon ;-), keinen Jubiläumsband, ja noch nicht einmal eine fette 10 auf dem Umschlag. Wie kam das?
Dirk van den Boom: Wir sparen uns das für Band 50 auf. DAS ist ein richtig ordentliches Jubiläum, wie ich denke.

Zauberspiegel: Von 2000 bis 2010 gab es pünktlich alle drei Monate einen neuen Roman. Doch nach Band 43 kam es erstmals zu einer monatelangen Verzögerung. Woran lag es?
Dirk van den Boom: An den üblichen Problemen: Autoren wurden einfach nicht fertig, es gab private und berufliche Herausforderungen. Ich habe da kein „Druckmittel“ in der Hand – das Honorar ist nicht groß genug, um damit zu drohen, also bleibt mir nur Geduld und Diplomatie. So was ist bei einem Projekt, das auf eher bescheidener Basis läuft, auch künftig nicht zu vermeiden.

Zauberspiegel: Der Wanderlust-Zyklus wird deutlich kürzer werden als der Outsider-Zyklus. Wird es in Band 50 zum großen Finale kommen?
Dirk van den Boom: Damit rechne ich fest Wink

Zauberspiegel: Bei Perry Rhodan gibt es das Problem der Gigantonomie. Das heißt, die Gegner, Gefahren und Flotten werden immer größer, aber im Grunde wiederholt sich eigentlich alles nach Schema F. Wie umgeht ihr dieses Problem bei Rettungskreuzer Ikarus? 
Dirk van den Boom: Indem wir bei aller großen Hintergrundstory in der Handlung sehr darauf konzentriert sind, das zu beschreiben, was durch letztlich doch relativ „machtlose“ Protagonisten wie die Ikarus-Crew zu bewältigen ist. Das schiebt dem dann schon einen Riegel vor. Ab Band 50 wird es noch einen anderen Mechanismus geben, der uns mit den Füßen fest auf dem Boden verankern wird.

Zauberspiegel
: Du hast in Deinem Blog Veränderungen bei Ikarus angekündigt. Soweit ich weiß, wird es z. B. mit Volker J. Kurz einen neuen Autoren geben. Was erwartet uns sonst noch?
Dirk van den Boom: Wir haben vor allem aufgrund der jüngsten Verzögerungen die Erfahrung gemacht, dass endlos lange Zyklen für eine viermal im Jahr erscheinende Serie unkalkulierbare inhaltliche Risiken beinhaltet und die Geduld der Leser auf eine harte Bewährungsprobe stellt. Wir haben daher beschlossen, das inhaltliche Konzept der Serie ab Band 50 auf Trilogien umzustellen, deren Grundidee jeweils von einem anderen Autor gestellt wird und an der die anderen dann mitarbeiten. Das heißt nicht, dass die übergreifenden Ideen ganz wegfallen, aber es wird in den drei Romanen eine in sich zusammenhängende und relativ abgeschlossene Geschichte erzählt, sodass die Leser binnen eines Jahres so etwas wie ein „Ende“ haben und sich gleichzeitig auf etwas Neues freuen können.

Zauberspiegel: Stichwort E-Book! Ikarus erscheint jetzt gleichzeitig auch als E-Book und wird gut verkauft. Sind das überwiegend Umsteiger vom Taschenheft oder erschließt ihr da gerade ganz neue Leserschichten?
Dirk van den Boom: Das kann ich so gar nicht richtig sagen. Die Printauflage ist weiterhin stabil, aber auf einem niedrigen Niveau – von den ersten Romanen in Sammelbänden einmal abgesehen, schwankt sie so um die 250 Exemplare. Durch die E-Books hat es ein irres Absatzplus gegeben – die ersten 4 - 5 Romane setzen wir derzeit monatlich über 100mal um, insgesamt geht der E-Book-Absatz in die Tausende. Und die Welle wird größer und größer, während wir fassungslos zugucken. Die E-Book-Revolution hat jedenfalls Ikarus voll erfasst, und ich glaube, es müssen angesichts der Zahlen vorwiegend Neuleser sein. Wir sind darüber sehr glücklich, denn wir verdienen jetzt auch für alte Romane noch mal Geld, und das ist für die Autoren der ersten zehn Bände eine besondere Genugtuung; die erhielten damals nämlich noch kein Honorar für ihre Arbeit.

Zauberspiegel: Du bist auch Herausgeber der Ikarus-Sonderbände, in denen Kurzgeschichten aus dem Ikarus-Universum erscheinen. Wird es beim bisherigen Erscheinungsrhythmus alle drei Jahre bleiben? Und warum steuerst Du als bekennender Kurzgeschichtenmuffel jedes Mal wieder eine Story dazu bei?
Dirk van den Boom: Für die Sonderbände hatten wir nie einen konkreten Erscheinungsrhythmus, die kamen nach Lust und Laune und so werden wir es auch weiterhin handhaben. Und was meine Beiträge dazu betrifft: Ich habe früher, in den 90ern, relativ viele Kurzgeschichten geschrieben, und die nehme ich mir nur her und wurschtel sie um, sodass sie ins Ikarus-Universum passen. Davon ist nichts neu geschrieben, nur etwas adaptiert. Die Storys sind alle damals in Fanzines publiziert worden; alte Sammler werden das leicht herausfinden können. Und mein Fundus ist mittlerweile aufgebraucht. Für einen kommenden Sonderband wird es keine Kurzgeschichte von mir mehr geben.

Zauberspiegel: Nochmals Danke, Dirk und viel Erfolg weiterhin!

Dirk van den BoomZur Person:
Dirk van den Boom wurde 1966 in Fürstenau geboren, wuchs aber an der Nordseeküste in Wilhelmshaven auf. Er studierte Politikwissenschaft an der Universität Münster und arbeitet seitdem als Consultant in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Migrationspolitik und Sozialpolitik. Seit 2005 ist er selbstständig. Heute lebt er mit seiner Frau und den beiden Kindern in Saarbrücken.

Er ist nicht nur Initiator und Expokrat des seit dem Jahre 2000 erscheinenden Rettungskreuzer Ikarus. Ab 1998 schrieb er Ren-Dhark-Romane für das “Projekt 99″ des Mohlberg-Verlages. Außerdem war er beteiligt an den Serien “Rex Corda”, “Die Abenteurer” und “Professor Zamorra”. Weiterhin ist er regelmäßiger freier Mitarbeiter des SF-Magazins “phantastisch!“. Serienunabhängige Romane sind die “Tentakelkrieg“-Trilogie (2007-2009) und der derzeit erscheinende sechsteilige “alternative History”-Zyklus “Kaiserkrieger”. Zuletzt erschien darüber hinaus im Sommer 2011 der Titel "Eobal" um den Protagonisten Casimir Daxxel im Atlantis-Verlag. Außerdem arbeitet er als Übersetzer und gehört zur Redaktion von phantastik-news.de und zu den Ausrichtern des Deutschen Phantastik Preises (DPP).

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