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... Dietmar Kuegler über Kollegen und den Western gestern, heute und morgen

Dietmar Kuegler... Dietmar Kügler ...
... über Kollegen und den Western gestern, heute und morgen

Noch mal führt uns der Reigen der Interviews mit Dietmar Kügler zu seinen Erfahrungen während seiner etwa anderthalb Jahrzehnte langen Arbeit als Heftromanautor.

Dietmar Kügler beantwortet die Fragen ausgesprochen ausführlich und lesenswert. Wir danken dafür recht herzlich ... 

 

Kuegler mit dem Historiker John Carson, Urenkel der amerikanischen Westernlegende Kit Carson (Trapper, Scout und General im US-Bürgerkrieg). Zauberspiegel: Wie waren die Kontakte zu den Kollegen? Wie war die Zusammenarbeit mit ihnen, zum Beispiel Horst Hübner oder anderen hauptberuflichen Westernautoren (oder auch mit den Randerscheinungen des Western, die dann in anderen Genres erfolgreich arbeiteten). Können Sie einmal ein paar herausragende oder auch kuriose Kollegen für unsere Leser skizzieren? Gab es über das Berufliche hinausgehende Kontakte? Wie waren die unterschiedlichen Auffassungen bei der historischen Genauigkeit der Romane?
Dietmar Kuegler: Ich habe in all den Jahren keine schlechte Zusammenarbeit erlebt. Regelrechtes Konkurrenzdenken gab es nicht. Engere menschliche Kontakte allerdings auch nicht – von den genannten Beispielen abgesehen -, weil man einfach nicht die Zeit hatte und in der Regel auch weit auseinander wohnte. In den 1970er-Jahren waren eigentlich alle Autoren darum bemüht, den Western auch historisch akkurat zu schreiben; darüber hat es gelegentlich telefonisch oder brieflich einen Austausch gegeben. Dem einen ist es mehr, dem anderen weniger gelungen. Aber das Bemühen war allgemein. Mancher hat sich mit mehr Fachliteratur beschäftigt, der andere mehr auf seine Intuition verlassen. Insgesamt waren die Ergebnisse in jenen Jahren sehr akzeptabel.
Ich will dazu etwas Grundsätzliches sagen: Durch meine vielen USA-Reisen, Recherchen an historischen Plätzen, Gespräche mit lokalen Historikern, mit amerikanischen Autoren und Wissenschaftlern muss ich das Fazit ziehen, dass die deutschen Western-Autoren in den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren sehr respektable Leistungen gebracht haben. In den Romanen steckte Herzblut und Begeisterung. Werner Dietsch habe ich schon charakterisiert. Er ragt dabei besonders hervor. Aber Mühe gegeben haben sich alle. Ich weiß, dass die meisten sich historische Atlanten besorgt haben, um geografisch akkurat zu sein, und die Schilderungen der Landschaften waren nicht weit weg von der Realität.
Falsche Klischees sind durch den Einfluss der Western-Filme entstanden, die aber aus Amerika selbst kamen. Insofern kann man niemandem einen Vorwurf machen, wenn falsche Bilder übernommen wurden – ich schlage mir hier selbst auf die Brust. Die Amerikaner haben in dieser Zeit in ihren Filmen die Besiedelung des Westens auch nicht immer historisch korrekt dargestellt, also sollte man nicht mit dem Finger auf deutsche Autoren zeigen, die versucht haben, dem amerikanischen Western gerecht zu werden.
Das Grundproblem aller Autoren – auch meines in jenen Jahren – war (und ist) die amerikanische Mentalität, die in deutschen Romanen schwer umzusetzen war (und ist). Heute, aus meiner Erfahrung im wissenschaftlichen Bereich, kann ich dieses Problem erklären. Jeder Mensch unterliegt einem „Ethnozentrismus“, d. h. man wächst in einer bestimmten Kultur heran und wird in ihr erzogen. Diese prägende Erfahrung kann man nicht abschütteln. Man beschreibt Abläufe, Vorgänge und Menschen aus dieser eigenen kulturellen Sicht. Wenn dann noch Unkenntnis historischer Abläufe hinzukommt, wird das Ergebnis eigentlich inakzeptabel. Aber auch die Kenntnis historischer Vorgänge führt noch nicht zum Verständnis dessen, was dort passiert ist und warum Menschen sich so und nicht anders verhalten haben.
Dazu muss man die eigene kulturelle Prägung überwinden und sich in die Prägung einer anderen Nationalität oder Ethnie hineinversetzen. Das gelingt eigentlich nur durch jahrelange direkte Beziehung zu Menschen dieser Kultur oder durch ein interkulturelles Studium wie etwa der Völkerkunde.
Um es einfach auszudrücken: Fast alle Western-Autoren – ich auch – haben damals ihre Helden im Grunde handeln, denken und reden lassen wie ein Deutscher handeln, denken und reden würde, nicht wie ein Amerikaner. Diese Erfahrung fehlte in meiner Jugend – und fehlt auch heutigen Western-Autoren noch, die den amerikanischen Westen nie richtig erfahren haben. Das ist aus meiner heutigen Sicht der einzige Schwachpunkt meiner Autorengeneration.
Über keinen Autorenkollegen meiner Zeit kann ich Negatives berichten. Sie alle hatten ihre Stärken und Schwächen. Mit Horst Hübner beispielsweise habe ich sehr freundschaftliche Telefonate geführt. Gut war mein Verhältnis zu Walter Appel (Earl Waren), der ja noch immer intensiv im Geschäft ist und mich zweimal auf der Insel Föhr besucht hat. Ich habe ihn schon in seiner Anfangsphase als sehr begabten Kollegen gesehen, der sich auch eine unglaubliche Mühe gegeben hat, seine Western-Romane fundiert zu gestalten. Ich bin noch heute der Meinung, dass er trotz der Erfolge, die er hatte, noch mehr Anerkennung verdient hätte.
Mit Werner Egli bin ich sehr gut ausgekommen – vielleicht auch, weil er ebenfalls intensive Amerika-Erfahrungen hatte und wir daher gut miteinander reden konnten. (Er hat zeitweise – was viele gar nicht wissen – für H. J. Stammel gearbeitet; einige der besten „Robert-Ullman-Romane“ sind von Egli verfasst worden.) Seine „Chesterfield“-Romane gehörten mit zum Besten, was es damals im deutschen Western gab. Er hatte die amerikanische Mentalität verstanden und umgesetzt.
H. J. Stammel hat mich verständlicherweise zeitweise als direkten Rivalen gesehen, aber letztlich haben wir sehr gute Gespräche miteinander geführt, wobei ich in den letzten Jahren ein eher gemischtes Verhältnis zu ihm hatte. Wie oben erwähnt, habe ich von Werner Dietsch gelernt, jeden Leser zu respektieren. Diese Ansicht hatte Stammel nicht, was letztlich leider seinen „Absturz“ als Fachbuchautor verursachte. Auch ich war sehr enttäuscht, als ich feststellen musste, dass viele seiner historischen Angaben überhaupt nicht stimmten, reine Fantasie waren; mehr will ich dazu nicht sagen. Dabei hatte ich ihn zeitweise als „Vater des Authentic-Western“ als großes Vorbild gesehen. Das war frustrierend. Als ich Gelegenheit hatte, ihm meine Einstellung dazu direkt zu sagen, hat er solche Bedenken als „nebensächlich“ abgetan. Ich habe das als tragisch empfunden; denn noch heute bin ich der Meinung: Man muss seine Leser ernst nehmen, man lebt schließlich von ihnen. Zuletzt rief er mich ein halbes Jahr vor seinem Tod an, weil er händeringend einen Verleger suchte. Das Gespräch war für mich sehr bedrückend, da ich ihm nicht helfen konnte. Zugleich war er ein höchst unterhaltsamer Mann, der wunderbar fabulieren konnte. Münchhausen hätte von ihm lernen können. Wirklichkeit und Fantasie verschwammen bei ihm, und er konnte Menschen mit seiner starken Präsenz faszinieren. Als Persönlichkeit mit großer Leistung respektiere ich ihn noch heute, aber als Mensch war er letztlich kein Vorbild mehr für mich.
Heinz Squarra war ein liebenswürdiger Kollege, mit dem ich wegen seiner Mitarbeit bei Ronco häufig Kontakt hatte. Aber er war ein so routinierter Autor, dass bei ihm lange Erklärungen oder Diskussionen über die Exposés nicht nötig waren. Er verstand immer sofort, um was es ging und hat meine Vorgaben wunderbar umgesetzt.
Ich bedauere sehr, dass ich leider nie Albrecht Kann persönlich kennengelernt habe. Dieser Autor hat mich als Leser fasziniert. Seine Wyatt Earp-Serie hat heute zu Recht Kultstatus, und dabei ist es mir egal, ob sein Wyatt Earp nun der historischen Wirklichkeit entspricht oder nicht. Er hat ihn glorifiziert, andere haben Earp verdammt. Ich weiß, dass die historische Wahrheit in der Mitte lag; ich habe die meisten Stätten von Earps Wirken mehrfach besucht, habe mit heutigen Mitgliedern der Earp-Familie gesprochen und sage, dass man Earp in Tombstone mit Recht ein Denkmal gesetzt hat und dass die Hauptstraße von Dodge City heute mit Recht „Wyatt-Earp-Boulevard“ heißt. Unabhängig davon: Kanns Romane waren einfach gut.

Zauberspiegel: Lange Zeit dominierte der Einzelroman das Westerngenre (im Gegensatz zum Krimi, der SF und dem Horror blieb das auch die Sechzigerjahre so). Dann kamen neben Ronco auch Lassiter und wurden zum Erfolgsmodell. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Dietmar Kuegler: Rückblickend denke ich, dass die Heftserien der 60er-Jahre eine Art Vorspiel für die vielen TV-Serien der heutigen Zeit waren. Damals spielten die elektronischen Medien noch keine so große Rolle, vor allen Dingen gab es die Vielfalt nicht. Der Heftroman aber bot dieses breite Spektrum der Unterhaltung. Die Idee war, Identifikationsfiguren zu schaffen, deren Lebensgeschichte zum Orientierungspunkt wurde. Der Einzelroman hatte seine Berechtigung, aber es war für die Leser einfach interessanter, sich jede Woche mit einer Figur, die sie in all ihren Facetten kannten, auf neue Abenteuer zu begeben, als sich ständig auf neue Gestalten einzulassen.
Bei einem Charakter wie Ronco wusste man eben genau, wie er in bestimmten Situationen reagierte, welche Meinung er hatte, welche Moral er vertrat. Das war nicht langweilig oder eintönig, sondern vermittelte Sicherheit. Der Serienheld wird gewissermaßen zum Verwandten, zum guten Bekannten. Man kann mit ihm leiden, sich mit ihm freuen. Die persönliche Bindung des Lesers wird stärker.
Dass diese Überlegung auch im Western funktionieren würde, hatten Fernsehserien wie „Bonanza“ oder „Rauchende Colts“ bewiesen.

Zauberspiegel: Wie hat sich das Westerngenre in den Siebzigerjahren verändert? Oder blieb es statisch, den Mythos des Kinos pflegend?
Dietmar Kuegler: Genre-Romane sind – ebenso wie die heutigen TV-Serien – Reflektionen auf gesellschaftliche Entwicklungen oder auf größere Trends in der Unterhaltungsindustrie. Nur ein Beispiel: Als die Fernsehserie „Fackeln im Sturm“ lief, wurden überall auch Romane mit dem Thema „US-Bürgerkrieg“ entwickelt. Als diese Welle abebbte, verschwanden auch diese Serien wieder.
Der Western-Roman zehrte immer von der Popularität des Western-Films im Kino, und er ließ in seiner Anziehungskraft nach, als diese Filme weniger wurden und die großen Schauspielerpersönlichkeiten – wie etwa James Stewart, John Wayne o. a. – verschwanden. Der Italo-Western schuf einen völlig neuen Aspekt des Genres, den ich – wie im ersten Interview schon gesagt – mit sehr gemischten Gefühlen gesehen habe. Der Heftroman hat als weit verbreitetes Massenmedium auf all diese Entwicklungen reagiert, aber er war letztlich beeinflusst von den Trends, die im Kino vorgegeben wurden. Es gab eine Art Kooperation zwischen visuellen und gedruckten Medien, die es heute auf diesem Gebiet in dieser Form kaum noch gibt.

Zauberspiegel: Rainer Delfs wird eine Äußerung zugeschrieben, dass U. H. Wilken aufgrund seiner Hinwendung zu den Stilmitteln des so genannten Spaghetti- oder Italo-Westerns der Totengräber des deutschen Westerns sei. Unabhängig davon, ob der Satz von Delfs stammt oder nicht, ist da etwas Wahres dran?
Dietmar Kuegler: Mir ist diese Äußerung von Rainer Delfs nicht bekannt. Ich weiß, dass er U. H. Wilken eigentlich geschätzt hat. Ich selbst habe zweimal mit Wilken gesprochen, und zwar als er in der Serie „320-PS-Jim“ mitgeschrieben hat. Ich kann diese Charakterisierung aus meiner Erfahrung heraus auch nicht bestätigen. Wilken war sicher ein eigenwilliger Autor, aber ein Mann, der einen eigenen, unverkennbaren Stil entwickelt hatte und der daher mit Recht Erfolg hatte. Wilken war imstande, sowohl Western im Italo-, als im klassischen Stil zu schreiben.
Wie ich schon im ersten Interview sagte, habe ich mich immer mehr dem klassischen Western, allerdings in etwas modernerem Gewand, zugeneigt. Ich fand aber nie, dass Wilken in eine extrem andere Richtung marschiert ist. Er hatte zweifellos einen schnörkellosen, moderneren Stil, aber damit hat er viele Leser begeistert. So eine Leistung muss man respektieren.

Kuegler mit dem Enkel des legendären Banditen Jesse James, dem kalifornischen Bundesrichter James Ross Zauberspiegel: Haben Sie noch Ronco-Exposés und wenn ja, würden Sie uns gestatten, eines als Blick hinter die Kulissen auf der Zauberspiegel-online-Seite zu veröffentlichen?
Dietmar Kuegler: Die gesamten Unterlagen der Ronco-Serie – wie überhaupt meiner Heftroman-Zeit – sind in vielen Kisten tief im Keller verschwunden. Ich habe mich für den Zauberspiegel durch Spinnweben und Berge von Staub geschaufelt und einen Exposé-Ordner gefunden. Ich habe ein Exposé fotokopiert. Es ist per Post auf dem Weg an Sie. [und hier haben wir es veröffentlicht. Wir danken recht herzlich. Anmerk. der Red.]
So etwas habe ich erst einmal gemacht: Dem bekannten ehemaligen ZDF-Journalisten Jörg Weigand, der zahlreiche Artikel über Genre-Romane veröffentlicht und vor einigen Jahren ein Werksverzeichnis von mir angelegt hat, habe ich während der Dreharbeiten zu einem Film über meine Verlagsgründung für die ZDF-Sendung WISO ein Exposé von mir gegeben. Mit dem Zauberspiegel erhält jetzt zum zweiten Mal jemand Einblick hinter die Kulissen von Ronco, der nicht zum damaligen Team gehörte.

Zauberspiegel: Wann haben Sie Ihren letzten Heftroman geschrieben? Und welcher war das?
Dietmar Kuegler: Das war ein „Trucker King“-Roman, aber ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wann das genau war und um welchen Titel es sich gehandelt hat. Es könnte Ende der 1980er-Jahre gewesen sein, aber nageln Sie mich bitte nicht darauf fest. Ich weiß nur noch, dass es mir sehr schwer gefallen ist, den damaligen Redakteur der Serie anzurufen und ihm zu sagen: „Ich schaffe es zeitlich nicht mehr. Sie halten jetzt mein letztes Manuskript in den Händen.“ Ich erinnere mich noch daran, dass ich mich fast 4 Wochen mit diesem Manuskript herumgequält hatte, während ich „in alter Zeit“ imstande war, ein Heftmanuskript in 4-5 Tagen und ein Taschenbuch in etwa 7-8 Tagen zu schreiben.

Zauberspiegel: Wie sehen Sie das Genre Western momentan? Was ist von dem einst dominierenden Genre noch zu erwarten? Wird es in der Nische bleiben oder wieder kommerziell interessanter für größere Verlage werden?
Dietmar Kuegler: Es gibt einige interessante Versuche und Entwicklungen im Paperback und sogar im gebundenen Buch. Der sehr rührige Persimplex-Verlag ist in dieser Beziehung sehr engagiert. Bewundernswert. Ich möchte dem Western in Deutschland auch nicht das Totenglöckchen läuten, aber ich denke, dass dieses Genre es momentan sehr, sehr schwer hat. Wie Sie richtig sagen: Es befindet sich in einer Nische. Die Gründe sind sicher vielfältig. Die neuen Medien haben das Empfinden für Abenteuer und Romantik zweifellos verändert, auch wenn ich denke, dass die Sehnsucht danach zur Natur des Menschen gehört. Mitentscheidend ist sicher: Es gibt wenig neue Stoffe aus den USA. Als seinerzeit der grandiose Film „Der mit dem Wolf tanzt“ herauskam, habe ich fast an ein Wiederaufleben der großen Western geglaubt. Dann sind Filme wie „Tombstone“ gedreht worden – toll! Zuletzt war das Remake von „True Grit“ in den USA ein sehr großer Erfolg – und wurde bei uns nur wenig beachtet. Vor einigen Jahren drehte Brad Pitt einen ganz hervorragenden Jesse James-Film, der meines Wissens noch nicht einmal in Deutschland synchronisiert wurde. Die ständige Präsenz von Filmen war – wie schon erwähnt – damals ein starker Werbeeffekt für den Western-Roman. Das könnte auch wieder so sein, wenn es denn neue starke Filme gäbe.
Eine Prognose fällt mir also sehr schwer. Ich würde mir wünschen, dass das Thema neuen Schwung bekommt. Im Western manifestieren sich alle Elemente, die das klassische Abenteuer auszeichnen: Mut, Ehrlichkeit, Ideale, Prinzipien, der ständige Widerstreit zwischen Gut und Böse in seiner archaischen Form, menschliche Größe und menschliche Niedertracht, große Emotionen und Leidenschaft. Die Bühne für diese Handlungen ist durch die grandiose Landschaft des amerikanischen Westens beeindruckend, eine Kulisse, die den Menschen in all seinen charakterlichen Facetten in eine überwältigende Natur einbettet, seine Stärken und Schwächen herausfordert. Im Grunde bietet der Western alle Elemente, die für gute Unterhaltung nötig sind, in seiner reinsten Form.
Ich denke, die gegenwärtig geringere Attraktivität hängt damit zusammen, dass die Welt durch moderne Verkehrsmittel, Hunderte von Fernsehsendern und Internet kleiner geworden ist und das Abenteuer der Eroberung des Westens nicht mehr so beeindruckend wirkt wie noch vor 20, 30 Jahren. Die Formen der Freizeitgestaltung haben sich verändert. Hinzu kommt: Die Popularität, die Amerika als Land damals noch hatte, ist ebenfalls geschrumpft – teils selbst verschuldet, teils durch Missverständnisse verursacht.
Es spielen viele Elemente eine Rolle für die Probleme, die diese Romangattung hat (gilt auch für Filme des Genres). Das gilt im Übrigen auch für die USA selbst, wobei es dort so ist, dass der westliche Teil des Landes als historische Bühne für die Prägung nationaler Eigenheiten nach wie vor Faszination ausstrahlt.
Der „Westerner“, also der Amerikaner der alten Frontier-Staaten, gilt noch immer als der eigentliche, der „typische“ Amerikaner, und er fühlt sich auch selbst so. Wenn ich dort unterwegs bin, empfinde ich ein Zuhausegefühl, weil man bis heute in Staaten wie Wyoming, Montana, den Dakotas, Idaho, Arizona, New Mexico, Kansas, Nebraska, Oklahoma und Texas den „Spirit“ fühlen kann, den Geist der Pioniere, der die Attraktivität des Western als Romangattung ausgemacht hat. Die Menschen dort sind fast alle beeinflusst von der Geschichte ihrer Region und sind sich dessen auch bewusst. Man kann den Western also noch heute physisch erleben. Das ist die Basis dafür, dass dieses Unterhaltungsgenre nicht untergehen wird. Einschränkend muss ich natürlich sagen, dass diese Facetten nicht ohne Weiteres aus den USA herauszulösen sind; dort ist der Western – auch bei stark gesunkener Popularität – noch immer Teil des Nationalmythos. In Deutschland handelt es sich „nur“ um ein Unterhaltungselement.
Was mir auch Hoffnung gibt, dass der Western überlebt, sind jüngere Autoren, die dieses Genre nicht aufgeben wollen. Entscheidend wird die Qualität sein. Sie müssen sich mit der Geschichte auseinandersetzen, sie müssen die amerikanische Mentalität für ihre Handlungen erschließen. Nicht nur Fantasie, auch authentische Handlungen, authentische Charaktere sind wichtig. Dabei müssen sie aber wissen, dass die neuen elektronischen Medien auch den Qualitätsdruck erhöhen, denn man hat die Möglichkeit, viele Fakten schnell nachzuprüfen.
Ich bin zudem nach wie vor überzeugt, dass eine Serie mit einem identifikationsstarken, verbindenden Helden größere Chancen hat als der Einzelroman. Um es ganz pathetisch zu sagen – aber das meine ich auch so: Die Autoren müssen den Western lieben. So war es bei meiner Generation und den Kollegen, die ich vor 30, 40 Jahren erlebt habe. Dann finden sich auch Leser, die sich überzeugen und mitreißen lassen. Ich habe vor einigen Jahren in den USA einen jungen Filmemacher getroffen, Eric Heisner, der mit wenig Geld, aber unglaublicher Leidenschaft immer wieder kürzere Westernfilme dreht. Er kommt aus dem Westen, er liebt den Westen, und er sieht im Western-Mythos einen Teil der amerikanischen Nationalkultur, den es zu erhalten gilt. Sein letzter Film „Friend of the Devil“ ist inzwischen vielfach auf kleinen Festivals ausgezeichnet worden.
Solche Menschen halten die Flamme am Brennen. Echte Leidenschaft ist nötig. Wir leben in Zeiten unglaublich schnellen Wechsels. Daher kann man keine endgültigen, abschließenden Urteile fällen. Ich habe es schon in meiner Jugend erlebt, dass der Western ein Ventil für die rasant fortschreitende Technisierung war, weil sich hier das Abenteuer im urtümlichen Sinn präsentierte und der Mensch umfassend mit seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten gefordert war. Nach täglicher stundenlanger Arbeit im Büro wollte man in die grenzenlose Weite der Prärie eintauchen und die endlose Freiheit spüren. Das könnte noch immer eine gute Motivation sein. Vielleicht schlägt das Pendel also mal wieder in Richtung Western. Ich würde es mir wünschen.

Zauberspiegel: Besten Dank für das erneute Interview!
Dietmar Kuegler: Es war mir ein Vergnügen, mich wieder an die Zeit von vor über 30 Jahren erinnern zu dürfen.

Kommentare  

#16 Harantor 2016-03-09 22:37
zitiere Advok:
Schon richtig, Horst.
Aber Ritter Roland erschien bereits etwa um 1982 (?) herum - und in einem Zauberspiegelinterview hat Herr Kuegler ausgesagt, dass Bastei kurz vorher von ihm ein Ritter-Serienkonzept angekauft hat, so dass auch zu diesem Zeitpunkt sich vielleicht schon was zu Lassiter ergeben haben könnte ...
;-)


Nee, da war Dietmar Kuegler in Sachen Western noch bei Marken. Der Pilotroman zur Ritterserie dürfte, wie zu erfahren war, in naher Zukunft erscheinen, steht aber nicht in Zusammenhang zum Lassiter ...
#17 Harantor 2016-03-10 11:01
Von Dietmar Kuegler stammt: Lassiter 758: "Sklaven, Killer, Lassiter". - Auskunft von Dietmar Kuegler.
#18 Feldese 2016-04-20 21:25
Danke Dir! Jetzt müsste man nur noch erfahren welche Ward Bros (Verlagspseudonym) Romane von Kuegler sind und welche Nrn. sie haben. Oder steht es schon irgendwo, und ich hab es überlesen?

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