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... Dietmar Kuegler über Verlage, Karriere und Kollegen

Dietmar Kuegler ... Dietmar Kuegler ...
... über Verlage, Karriere und Kollegen

Dietmar Kuegler ist nicht nur der ›Mastermind‹ hinter Deutschlands wohl bester Western-Serie »Ronco«, sondern hat auch eine Karriere abseits der Serie gemacht. Wir versuchen uns ebendieser Karriere zu nähern und stellen ein paar Fragen dazu.

Dieses Interview bringen wir in zwei Teilen ob der wirklich ausführlichen Antworten. Der zweite Teil folgt am 1. Februar.

 Kuegler (l.) als Gast beim Jahresdinner des "Buffalo Bill Historical Center" in Cody (Wyoming) mit dem damaligen Direktor Dr. Robert Pickering (r.) und dem Stammesältesten und Pfeifenbewahrer der Blackfoot, Curly Bear (m.). Zauberspiegel: Sie sind Jahrgang 1951. Sind mit dem Western im Kino und in gedruckter Form (in Deutschland) vornehmlich als Heftroman aufgewachsen. Da drängt sich die Frage auf: Wie kommt man vom verklärten Mythos hin zum Experten für die Geschichte des Westens? Und wie kommt man dann dazu, Westernhefte zu schreiben?

Dietmar Kuegler: Ich bin in erster Linie mit Karl May aufgewachsen. Bevor ich den ersten Heftroman in die Finger bekam, habe ich die Bücher Karl Mays gelesen. Sein Einfluss auf mich war enorm. Parallel dazu tauchten die ersten Western-Serien im damals noch jungen Fernsehen auf, und zwar „Am Fuß der blauen Berge“ (im Original „Laramie“) und die Serie Wyatt Earp mit Hugh O’Brian. In deren Folge kamen aus dem Kelter-Verlag die Wyatt-Earp-Romane von Albrecht Kann. Mein erster Kino-Western war John Waynes „Stagecoach“ – da habe ich mir nicht träumen lassen, dass ich später Dutzende Male selbst durch das Monument Valley fahren und am John-Ford-Point auf dem Pferd eines Navajo-Indianers über die Klippe reiten würde, unter der John Waynes Postkutsche gefahren ist.
Witzigerweise ist die Entwicklung vieler amerikanischer Historiker, die sich auf die Pionierzeit spezialisiert haben, ganz ähnlich verlaufen. Wenn ich mit diesen Leuten spreche – mit denen ich teilweise eng befreundet bin –, stellen wir immer wieder starke Parallelen in unserem Heranwachsen fest.
Es war also zunächst das abenteuerliche, das romantische Amerika, das die Inspiration geliefert hat. Bei aller sachlich-wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Thematik habe ich dieses Gefühl bis heute nicht verloren. Wenn ich auf den erhaltenen Spuren der Planwagentrecks durch die Sagebrush-Plains von Wyoming wandere, umgeben von unendlicher Einsamkeit, und den Wind von den Rockies spüre, wenn ich eine Bisonherde über die Plains von South Dakota ziehen sehe, wenn ich über die knarrenden Stepwalkbohlen einer alten Geisterstadt gehe – dann habe ich noch heute dasselbe Empfinden wie damals als Junge. Dann ist mir die Wissenschaft egal und ich habe einfach das Gefühl, dass meine Träume wahr geworden sind. Ich wusste schon mit 14 oder 15 Jahren, dass ich mal nach Amerika wollte – utopisch in den 1950ern und Anfang der 1960er-Jahre, in denen meine alleinerziehende Mutter froh war, wenn sie mich und meine Schwester anständig kleiden und ernähren konnte. Aber zu dieser Zeit tauchte bei mir auch der Wunsch auf, mehr über Amerika zu erfahren. Die Romanhandlungen waren mir nicht genug. Ich wollte die Realität über dieses Land wissen, in dem so großartige Abenteuer möglich waren. Meine erste Verbindung dahin waren die Briefe meines Patenonkels, eines deutsch-amerikanischen Pastors in Philadelphia. Mit 15 bekam ich auf verschlungenen Wegen das erste Sachbuch in die Finger, „Pictorial History of the American West“ von James D. Horan, ein Geschichts-Bildband. Das historische Bildmaterial darin konnte ich in Verbindung mit den bislang gesehenen Fernsehfilmen und den gelesenen Romanen bringen und war damit schlichtweg für jede andere Form der Beschäftigung verloren – obwohl ich zu dieser Zeit kaum kompliziertere englische Texte lesen konnte.
Ich habe übrigens auch noch Leihbücher gelesen, etwa von G. F. Unger, H. C. Nagel usw. Aber diese Form der Western-Lektüre war in meiner Kindheit stark rückläufig. Immerhin – ich habe all diese Elemente noch kennengelernt und bin davon angeregt worden.
In meinen Jungenträumen war ich – speziell nach den genannten Fernsehserien – Cowboy und habe mir eine Ranch in Montana gebaut. Ich habe Zeichnungen von dem künftigen Ranchhaus angefertigt, und, und, und … Da das alles in Wirklichkeit nicht zu erreichen war, habe ich angefangen, mir selbst Geschichten auszudenken, um mich in diese Traumwelt zu versetzen, und es stand für mich früh fest, dass ich schreiben wollte. Daher folgte dann ein journalistisches Volontariat. Aber der Gedanke, dass Amerika mein Thema und „mein Land“ war, war in meinem Kopf und meinem Herzen fest eingebrannt und hat sich nie mehr verändert.
Im Laufe der Jahre habe ich dann allerdings klar erkannt, dass es mich nicht befriedigen wird, bis an mein Lebensende Romane zu schreiben. Ich hatte den Ehrgeiz, die amerikanische Geschichte nicht nur als Abenteuer, sondern als Realität zu vermitteln – wobei die Realität noch heute abenteuerlich genug ist. (Wenn Sie am Rande des Death Valley in Nevada ohne Benzin in einer fast ausgestorbenen Stadt liegenbleiben und aus dieser Situation nur herauskommen, weil ein zufällig vorbeifahrender Sheriff Ihnen hilft, haben Sie ein Western-Abenteuer, das sich nur wenig von der alten Zeit unterscheidet. Oder Sie werden mitten in den Bighorn Mountains von Wyoming Anfang Juni von einem Blizzard überrascht, in einem Wagen ohne Winterreifen … Genau das – und andere Sachen – ist mir schon passiert.) Die Rolle eines Mitglieds der Jesse-James-Bande in einem historischen Reenactment in Minnesota am Originalschauplatz, die mir 2004 gegeben wurde, als einzigem Nicht-Amerikaner, gehört ebenfalls zu den sehr emotionalen Erfahrungen meines Lebens.
Heute, nach über 40 Jahren, geht es mir darum, die Entwicklung der amerikanischen Nationalmentalität aus der Pioniergeschichte heraus zu erklären. Die Distanz zu meiner alten Tätigkeit ist dabei gar nicht so groß. Der Western-Roman ist eine Form der Folklore, und wenn er fundiert und gut gemacht ist, kann er ebenfalls zum Verständnis der Historie beitragen. Es kommt auf das Bedürfnis des Lesers an, ob er sich akademisch mit dem Thema auseinandersetzen oder sich unterhaltsam informieren will. Der Authentic-Western, wie ihn H. J. Stammel seinerzeit einführte, hat in dieser Beziehung eine Perspektive eröffnet, die leider heute im Heft oder Taschenbuch fast nicht mehr bedient wird.

Zauberspiegel: Wann haben Sie Ihren ersten Roman geschrieben und wann und wo ist er erschienen?
Dietmar Kuegler: Mit 17 Jahren für den Zauberkreis-Verlag. „Terror unter weißer Kutte“ war der Arbeitstitel. Daraus wurde dann "Geisterreiter in der Nacht" (Silber Western 838). Das Thema war „Ku Klux Klan“. Der Roman erschien unter dem Verlagspseudonym „Ward Bros“.

Zauberspiegel: Für welche Serien haben Sie geschrieben und für welche Serien haben Sie Exposés oder Ideen geliefert? Haben Sie sich auch abseits des Westerns betätigt?
Dietmar Kuegler: Als Autor entdeckt hat mich eigentlich der legendäre Werner Dietsch, der als freier Redakteur für Pabel arbeitete und eines meiner Manuskripte in die Finger bekam. Er hat mir dann sofort eine Abnahmegarantie für Western-Romane gegeben, sodass ich den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt habe. Da war ich wohl zwischen 18 und 19 Jahre alt und bin von meinen Verwandten für verrückt erklärt worden. Werner Dietsch hat mir mein erstes eigenes Pseudonym gegeben – John Gilmoor. Er hat mich auch für die erste Serie gewonnen, für die „Red Rock Ranch“ beim Marken-Verlag, für den er ebenfalls als Redakteur gearbeitet hat. Dann kamen Ronco und Lobo, sowie einige Sundance-Romane. Auch das deutsche Konzept für „Fargo“ – eine Umsetzung der amerikanischen Grundlage – habe ich geschrieben. Als die Pabel-Zeit vorbei war, habe ich wieder für Werner Dietsch für alle Western-Serien des Marken-Verlags geschrieben, z. B. „Union Pacific“, „Tom Frisco“ usw.
Neben dem Western habe ich für zwei Fernfahrer-Serien gearbeitet („320-PS-Jim“ und „Trucker King“) sowie für die Serie „Teufelskerle“ im Marken-Verlag, die allerdings nicht sehr alt geworden ist. Dann gab es meine Autorenserie „John Gray“. Innerhalb dieser Reihe habe ich „Kurzserien“ begonnen, die alle paar Wochen eine Fortsetzung hatten, wie die Figur des „Coyote“ oder des Trappers „Abe McNott“. Hätte Müller-Reymann damals weitergelebt, hätte es sein können, dass eine dieser Figuren zu einer selbstständigen Serie geworden wäre. Aber das sollte wohl nicht sein. Auch für „Lassiter“ habe ich einen Roman verfasst – das war in der „Übergangszeit“, bevor die „Trucker-King“-Reihe begann. Das ist eigentlich der einzige Roman, der mir heute etwas unangenehm ist. Ich kann mich nicht mal mehr an den Titel erinnern. Aber das lukrative Angebot der „Trucker-King“-Reihe hat mich zu diesem Ausrutscher bewogen.
Ferner habe ich kurz nach Ende der Ronco-Serie das Grundkonzept einer Ritter-Serie entwickelt. Der Titel war „Camelot“. Das Konzept wurde vom Bastei-Verlag aufgekauft, aber nicht umgesetzt, weil man dort bereits die Serie „Ritter Roland“ in Vorbereitung hatte. Meine Vermutung war, dass man mir das Konzept abgekauft hat, um zu verhindern, dass ein anderer Verlag es übernimmt und eine Konkurrenzserie realisiert. Mir ist damals tatsächlich zugetragen worden, dass der zuständige Lektor bei Bastei in Panik geriet, als er mein Konzept sah, weil er es für besser als den „Ritter Roland“ hielt. Aber die Realisierung dieser Serie war schon zu weit fortgeschritten, um noch auf eine andere Idee umschalten zu können.
Ich habe mich darüber kurzfristig geärgert. Aber immerhin ist das Konzept gut bezahlt worden – auch wenn es dann in der Schublade verschwunden ist.
Im Jugendbuch habe ich später auch nicht nur Western-Themen bearbeitet. Ich habe eine Kriminalroman-Serie mit dem Titel „Edgar Wallace löst das Rätsel“ unter meinem alten Pseudonym „John Gilmoor“ geschrieben (Kibu-Verlag), habe das Grundkonzept für eine Reihe mit übersinnlichen Themen entworfen (Geisterjäger M), das im Thienemann-Verlag (Hannover) erschienen ist, und auch historische Abenteuerromane geschrieben, etwa über Marco Polo („Die Goldene Reihe“).

Zauberspiegel: Waren 320-PS-Jim und der Trucker King moderne Western? Das Pferd ersetzt durch Trucks? Kann man das so simpel sagen?
Dietmar Kuegler: Genau so kann man es ausdrücken. Die Kulisse war nach wie vor der amerikanische Westen, nur in der heutigen Zeit. Und die Trucker haben in ihrem Wesen häufig starke Züge der Frontier-Pioniere oder pflegen zumindest dieses Image.
Da ich seit 30 Jahren viel in Nordamerika unterwegs bin – ich habe die USA bis heute wohl fast 60-mal umfassend bereist – kann ich nur sagen: Die Kulisse hat sich im amerikanischen Westen fast nicht verändert. Die Atmosphäre auch nicht. Es gibt noch immer Gebiete, in denen es mehr Feldwege und Schotterpisten als asphaltierte Straßen gibt, und immerhin sind noch gut 400 Meilen Wagenspuren des alten Oregon-Trails erhalten.
Ich habe zuletzt im Juni 2011 ein längeres Gespräch mit einem Trucker geführt. Wir haben auf der Fahrt von Albuquerque nach Arizona auf der Interstate 40 unweit von Albuquerque in einem langen Stau festgesessen, und ich hatte neben mir einen großen Kenworth stehen. Wir sind ausgestiegen, haben auf Signale der Highway Patrol gewartet, und ich bin mit dem Trucker ins Gespräch gekommen und habe für mich wieder einmal festgestellt: Cowboy-Atmosphäre pur. So wie der Mann auf seinem Diesel hätten auch Weidereiter über ihre Arbeit gesprochen. Auch der Typ Mensch war genau das, was man sich für den „alten Westen“ vorstellt. Diese Erfahrung habe ich in den letzten 30 Jahren immer wieder in den USA gemacht. Faszinierend und für jemanden wie mich prägend.

Zauberspiegel: Sie haben für Pabel Moewig, Bastei und Marken gearbeitet? Dazu kommen jetzt Nachdrucke bei Kelter.
Gab es Unterschiede in der Arbeitsweise der Heftromanverlage? Wenn ja, wie haben sich diese geäußert?

Dietmar Kuegler: Das kann ich aus heutiger Sicht schlecht sagen, da ich ja seit über 25 Jahren nicht mehr aktiv in diesem Geschäft bin. Damals wurden Manuskripte per Schreibmaschine getippt und abgeliefert. Sie wurden einem Bearbeiter – in der Regel einem freien Außenlektor – übergeben. Dann gingen sie in Satz. Heute liefert man Manuskripte auf Datenträgern ab, die im Verlag formatiert werden. Ich kann nur vom Hörensagen kommentieren, dass auf die Bearbeitung für ein sauberes Deutsch, eine einwandfreie Orthografie, Grammatik und Interpunktion anscheinend nicht mehr so viel Wert gelegt wird wie früher – das ist ja auch ein Kostenfaktor, und die Auflagen sind heute nicht mehr so hoch.
Meine alten Romane, die bis heute bei Kelter – meist in den „Großen Western“ – erscheinen, sind durchweg Nachdrucke. Die Hefte werden eingescannt und neu umbrochen. Ich habe im Grunde gar nichts mehr damit zu tun, habe dem Verlag die Hefte zur Verfügung gestellt und freue mich sehr darüber, dass fast jeden Monat ein Roman abgenommen wird.
Wenn ich in die Belegexemplare hineinschaue, stelle ich fest, dass Kelter sich offenbar immer noch große Mühe macht, die Texte so fehlerfrei wie möglich zu gestalten. Das rechne ich diesem Verlag hoch an, wie ich überhaupt an dieser Stelle sagen muss: Gerhard Melchert, der Inhaber von Kelter, ist ein ganz hervorragender, liebenswürdiger, hoch seriöser Geschäftspartner, mit dem die Zusammenarbeit ein Vergnügen ist. Er hat zudem ein ungebrochen positives Verhältnis zum Western, was heute gar nicht mehr selbstverständlich ist. Es war vor Jahren seine Idee, die Western-Reihen des Verlags mit Informationstexten auf den inneren Umschlagseiten über die Pioniergeschichte anzureichern. Dafür habe ich wohl um die 150 Beiträge geschrieben, die bis heute regelmäßig erscheinen. Das zeigt, dass die Verlagsleitung sich wirklich Mühe gibt und auch Herzblut in die Western-Reihen steckt; denn auch dieses Extra ist ein Kostenfaktor und keineswegs selbstverständlich. Überhaupt merkt man, dass Kelter noch immer ein traditionelles Familienunternehmen ist, in dem die Mitarbeiter als Menschen gesehen werden, nicht nur als Rädchen, die zu funktionieren haben. Das ist sehr, sehr angenehm.
Ich bin dankbar dafür, dass ich in meinem Autorenleben bis auf eine Ausnahme – über die ich nicht reden werde – immer großartige Partner hatte, von Werner Dietsch angefangen über Rainer Delfs, Werner Müller-Reymann, Kurt Bernhardt bis zu Gerhard Melchert.
Bei meiner Arbeit im Fachbuchbereich war es genauso.

Zauberspiegel: Heute gilt das Heft als ein Medium, das den Mann nicht mehr ernähren kann. Wie war das Anfang der Siebziger? Wie viele Romane musste man im Monat schreiben, um sein Auskommen mit dem Einkommen zu haben?
Dietmar Kuegler: Ich habe das Glück gehabt, in der Hochphase des Heftromans Erfolg zu haben. Man konnte damals hervorragend vom Heftroman leben – wobei die Honorare natürlich sehr unterschiedlich waren. Ohne Zahlen zu nennen: In meiner Ronco-Zeit war ich nach Unger und Stammel der höchstbezahlte Western-Autor in Deutschland. Aber auch den anderen Autoren ist es nicht schlecht gegangen. Sie konnten gut leben. Es kam darauf an, wie fleißig man war.
Ich selbst habe auch vor und nach der Ronco-Serie gut verdient und manchmal bis zu 4 Romane im Monat verfasst. Diese Zahl variierte aber, da ich ja immer wieder im Sach- und Jugendbuch tätig wurde und auch redaktionelle Arbeiten gemacht habe.
Mir sind aber Autoren bekannt gewesen, die bis zu 6 Manuskripte im Monat schafften. Werner Dietsch gehörte dazu, der vermutlich mehr als 1.700 Romane als Lebenswerk hinterlassen hat. Er hat seine Romane diktiert, was viel schneller ging, und dann abschreiben lassen.
Der Job erforderte viel Disziplin, aber die Autoren, die ich kennengelernt habe, hatten alle Spaß an der Sache und haben mit Freude gearbeitet – so wie ich auch. Es gab damals schon Nebenbei-Autoren, die neben einem regulären Job alle paar Wochen mal ein Manuskript ablieferten. Die Spitzenautoren der Zeit aber waren alle Profis, und es ging ihnen finanziell gut.
Man konnte damals durchaus mit 2 bis maximal 3 Romanen im Monat ein ziemlich gutes Einkommen erzielen, wenn man gut im Geschäft war und einen guten Ruf als Autor hatte. Es kamen dann ja auch fast automatisch Nachdrucke dazu, die ein Zweit- oder Dritthonorar einbrachten.
Lassen Sie mich dazu noch bemerken: Schnell schreiben heißt nicht automatisch, flüchtig schreiben. Mit entsprechender Routine und dem Talent für den passenden Ausdruck schreiben Sie in kurzer Zeit gut lesbare, überzeugende Texte. Für mich war die Erfahrung des Heftromans eine gute Schule für konzentriertes, prägnantes, diszipliniertes Arbeiten. Es war zweifellos harte Arbeit. Man ging morgens an die Schreibmaschine und hatte ein bestimmtes Pensum zu schaffen. Danach war man aber auch geistig ausgelaugt und brauchte Erholung.

Zauberspiegel: Sie haben mit großen Charakterköpfen des Heftromans zusammengearbeitet. Als Beispiel mögen die Namen Bernhardt, Delfs, Müller-Reyman, Wasser und Dietsch dienen. Können Sie uns diese für diese Publikationsform wichtigen Männer näherbringen und ein paar kurze Bemerkungen zu ihnen verlieren?
Dietmar Kuegler: Jeder der genannten Personen war für sich einzigartig und hatte prägende Einflüsse auf mein Leben. Von allen habe ich gelernt, wobei die persönliche Beziehung vielleicht zu Delfs und Müller-Reymann besonders eng war, weil wir altersmäßig nicht so weit voneinander entfernt waren. Delfs ist nur 10 Jahre älter als ich. Wir stehen noch heute ab und zu in Verbindung, zumal er Abonnent meines „Magazin für Amerikanistik“ ist und – wie schon einmal erwähnt – für meinen Verlag zwei Bücher geschrieben hat.
Dennoch: Der Mann mit dem größten Einfluss auf meinen Werdegang war Werner Dietsch (als Western-Autor bekannt als „Glenn Stirling“), den ich noch heute als Legende ansehe. Er hat mich nicht nur entdeckt, er hat mir auch Prinzipien mitgegeben, die mir noch immer wichtig sind. Dietsch hatte großen Ehrgeiz, dass auch die Geschichten in Heftromanen nicht nur von Fantasie diktiert waren, sondern thematisch mit solidem Wissen untermauert wurden. (Das galt bei ihm für alle Genres, und er selbst war auch in fast allen Genres tätig.) Er hat mich stark ermutigt, meine Studien zur amerikanischen Pioniergeschichte zu betreiben und zur Grundlage meiner Romane zu machen. Er hat neben seiner eigenen Autorentätigkeit jeden Roman gründlich bearbeitet und anschließend mit mir intensive Gespräche über Verbesserungen geführt. Ich habe manchmal seitenlange Briefe von ihm bekommen, in denen er mir erläutert hat, was ich falsch gemacht hatte und was ich korrigieren sollte. Er hat Texte von mir umgeschrieben, um mir zu zeigen, wie man es besser machen kann. Wann immer ich ihn angerufen habe – er hatte Zeit für mich. So etwas war damals schon selten, aber heute gibt es das vermutlich überhaupt nicht mehr. Es ist genau das, was ein junger, unerfahrener Autor braucht, um seinen Weg zu finden: Einen Redakteur, der ihn führt, ihn ermutigt oder ihn konstruktiv kritisiert.
Zudem war Dietsch ein Mann mit tausend Geschichten. Als Sohn des legendären Gründers des Leipziger Dietsch-Verlags war er ein wandelndes Lexikon der Geschichte des deutschen Western- und Abenteuerromans seit der Zeit vor dem 2. Weltkrieg. Er hat mir Anekdoten über Billy Jenkins erzählt, den er persönlich kannte, und über viele Autoren, die nach dem Krieg zu Stars im Leihbuchgeschäft wurden, auch über damals bekannte Kollegen wie H. J. Stammel und G. F. Unger. Sein Mutterwitz war umwerfend. Ein Gespräch mit ihm war wie ein Film.
Er ist vor Stolz fast geborsten, als er miterlebt hat, wie ich im Sachbuchbereich Erfolg hatte und schließlich selbst zum Verleger von Fachbüchern wurde, weil er – mit Recht – sich daran Verdienste anrechnete. Er war der festen Überzeugung, dass jemand, der ein guter Autor ist, ALLES schreiben kann. Ich war für ihn die Bestätigung seiner These.
Er hat sich sein Leben lang dagegen gewehrt, den Heftroman wegen seiner Druckform abzuwerten. Ob ein Text nun geheftet vermarktet oder zwischen zwei Buchdeckeln gedruckt wird – der Leser des Produkts musste zufriedengestellt werden. Es war immer der Leser, der für ihn im Mittelpunkt stand. Das war sein Credo, sein Berufsethos. Und wer glaubte, trotz schneller Produktion den Heftroman nur einfach „hinrotzen“ zu können, der lernte ihn von seiner unangenehmen Seite kennen. Für ihn hatte der Leser, der damals 1,-- DM für einen Roman ausgab, dasselbe Recht auf gute, schlüssige, sauber geschriebene Unterhaltung wie der Leser eines gebundenen Buches für 20 DM. Ich habe diesen Mann verehrt. Er hat mir auch das Selbstbewusstsein vermittelt, noch heute zu meiner Vergangenheit als Western-Autor zu stehen.
Ich bewege mich heute auf einem völlig anderen publizistischen Terrain, habe es in der Regel mit akademischen Fachautoren zu tun. Aber auch für mich ist entscheidend: Ein Autor muss gut sein, er muss sprachliche Fähigkeiten haben. Ob jemand gute Unterhaltung macht oder einen wissenschaftlichen Sachverhalt gekonnt vermittelt – das eine kann so schwer sein wie das andere.
Interessanterweise gibt es in den USA diese Arroganz, die bei uns oft gegenüber dem Unterhaltungsroman anzutreffen ist, fast überhaupt nicht. Meine Freunde in Amerika – teilweise Spitzenhistoriker oder Völkerkundler – finden es toll, wenn ich erzähle, dass ich erfolgreiche Western-Serien gemacht habe, bevor ich zum Fachbuch gekommen bin. Hierzulande ist das manchmal noch immer ein Problem.
Der Tag, an dem mir seine Frau mitteilte, dass Werner Dietsch mit einem Herzinfarkt vom Stuhl gefallen ist – er war gerade 70 Jahre alt –, war einer der schlimmsten Tage meines Lebens. Ich habe einen väterlichen Freund verloren, den ich noch immer vermisse.

Der zweite Teil dieses Interviews folgt am 1. Februar ...

Kommentare  

#1 Alfred Wallon 2012-01-29 11:57
Was für ein nostalgischer Rückblick in die Vergangenheit! Dies habe ich mit Genuss gelesen.

Auch ich kannte Werner Dietsch alias Glenn Stirling und teile Herrn Küglers Sicht der Dinge. Werner Dietsch war mir als Autor schon seit meiner Jugendzeit bekannt. Die Westernserie RED ROCK RANCH habe ich komplett, und ich las sie mit Begeisterung. Sie war angelehnt an die TV-Serie HIGH CHAPARRAL und besaß auch ein ähnliches Personenpotenzial.

Werner Dietsch habe ich persönlich kennen gelernt, als ich für den Marken-Verlag für die Serien 320 PS-JIM, ZWEI TEUFELSKERLE, BRONSON und WESTERN WOLF mitschrieb. Er war ein Mann mit einem unglaublichen Fachwissen über den Wilden Westen und kümmerte sich sehr um die Autoren des Verlages. Er hat mich des öfteren angerufen und mir viele nützliche Hinweise und Ratschläge gegeben, die für mich sehr hilfreich waren. Ich erinnere mich auch noch sehr gut an den Tag, als mein Vater mir voller Stolz mitteilte, Werner Dietsch alias Glenn Stirling habe mit ihm am Telefon gesprochen. Mein Vater las sehr gerne Western und für ihn war das etwas ganz Besonderes, mit ihm über Billy Jenkins & Co. zu sprechen.

Werner Dietsch schrieb übrigens auch einige Drehbücher für die TV-Serie AUF ACHSE und war für den Marken-Verlag eine wichtige Stütze. Die Autorenkonferenzen ( an denen ich auch zwei mal teilgenommen habe ) waren sehr konstruktv. Der Mann hat sich unglaublich für seine Autoren und Serien ins Zeug gelegt und war der festen Überzeugung, dass auch ein Heftroman solide und spannende Unterhaltung haben kann.
#2 Torshavn 2012-01-29 13:08
Ein sehr informatives Interview. Vielen Dank dafür.

Unter welchen Pseudonymen erscheinen denn die Nachdrucke von Dietmar Kueglers Romanen bei Kelter?
#3 Dietmar Kuegler 2012-01-29 15:34
Bzgl. der Frage von Towshavn: Meine Western erscheinen im Kelter-Verlag unter meinem alten Pseudonym "John Gray".
D. Kuegler
#4 Harantor 2012-01-29 15:43
Dieses zweite Interview hat noch einen wundervollen zweiten Teil und ein drittes Interview ist gearde in Vorbereitung. Darin geht es um die Expertenrolle von Dietmar Kügler und den Verlag für Amerikanistik ... Auch das verspricht spannend zu werden.
#5 GoMar 2012-01-29 16:36
Ein wirklich wunderbares Interview mit einem Mann, wie es ihn eigentlich nicht geben dürfte, wenn man den einschlägigen Klischees der Buchindustrie und der sogenannten Kulturelite unter den Lesern Glauben schenken würde. Allein an der Länge seiner Antworten kann man schon erkennen, dass dieser Mann mit jeder Faser seines Herzens hinter all dem steht, was er zu sagen hatte - und nicht ein Wort davon kommt auch nur in den Randbereich von Geschwafel.

Obwohl ich sonst nicht oft so lange Interviews lesen mag, hatte ich hier das Gefühl, das Interview hat ja erst begonnen - und schon ist es zu Ende! Gottseidank kommt noch ein zweiter Teil nach, und ich bin überzeugt davon, dass dieser Teil nicht minder interessant werden dürfte.

Hier wird einmal ganz klar aufgezeigt, dass die damaligen Verlage und die ach so verpönten Hefterlschreiber keineswegs lediglich Dumpfbacken waren, die nur die schnelle Mark verdienen wollten, sondern sehr wohl auch den Anspruch an Qualität gestellt bekamen und dieser auch eingefordert wurde. Vielleicht sollte so mancher von diesen Kulturexperten in Sachen Literatur dieses Interview (aber auch das vorherige) sich zu Gemüte führen, um mal ihre Überheblichkeit zu überdenken.

Ich für meinen Teil wünschte mir viel mehr von derartigen Interviews mit Leuten, die wirklich eine Ahnung haben, wie es damals war, und die diese Ahnung uns auch vermitteln können.
#6 Andreas Decker 2012-01-30 12:00
Tolles Interview.

Obwohl, eine Frage wurde nicht beantwortet, die mich schon seit Jahren umtreibt :D :D
Warum wurde aus John Grey John Gray?

Scherz beiseite, das war wirklich ausgesprochen interessant. Eine echte Perle, was Interviews angeht!
#7 McEL 2012-01-30 12:12
Zitat:
Es ist genau das, was ein junger, unerfahrener Autor braucht, um seinen Weg zu finden: Einen Redakteur, der ihn führt, ihn ermutigt oder ihn konstruktiv kritisiert.
Nicht nur als unerfahrener Anfänger, auch als fortgeschrittener Profi ist man dankbar für so einen Redakteur/Lektor! Solche Leute sind unschätzbar wertvoll. Leider gibt es sie heute viel zu wenig. :sad:

Zitat:
Für ihn hatte der Leser, der damals 1,-- DM für einen Roman ausgab, dasselbe Recht auf gute, schlüssige, sauber geschriebene Unterhaltung wie der Leser eines gebundenen Buches für 20 DM.
Das unterschreibe ich zu hundert Prozent!!! Und auch in diesem Punkt sind viele - ich wage zu behaupten der Großteil - der Lektor/-innen und Redaktuer/-innen heutzutage bedauerlicherweise anderer Meinung. Wenn ich von einem Redakteur zu hören/lesen bekomme, dass (inhaltliche und/oder orthografische, grammatikalische, sonstige) Fehler "nicht so schlimm" sind, weil wir ja "nur für Heftromanleser mit Bild-Zeitungs-Niveau" schreiben, dann kommt mir die Galle hoch. (Nicht nur, weil diese Behauptung so pauschal absolut nicht stimmt.) :-x

Dies ist in jedem Fall ein wunderbares und sehr informatives Interview! Ich freue mich auf die nächsten Teile!
#8 Dietmar Kuegler 2012-01-30 16:57
Zur Frage von Herrn Decker: Manchmal ist es ganz simpel. Mein Chefredakteur Müller-Reymann meinte nach Rücksprache mit dem Grafiker, daß "John Gray" mit "A" optisch besser darstellbar sei foni.netals "Grey" mit "E". Also wurde ich für meine Autorenreihe kurzerhand "umgetauft".
#9 Alfred Wallon 2012-01-30 19:34
Was frühere Heftromanserien im Vergleich zu heutigen Serien auszeichnet, ist ganz klar der qualitative Unterschied. Es gab in der RONCO-Serie eine Leserbriefseite, und die Zuschriften hat Herr Kügler wirklich akribisch beantwortet ( auch meine Leserbriefe von damals... ). Es gab eine Seite mit historischen Hintergrundinfos mit Fotos, und für die Leser sogar damals ein DIN A 3 großes RONCO-Poster ( Mann, wie sehr war ich damals als Leser stolz darauf, dass es in meinem Zimmer hing... ). Und dann die Idee mit den Sonderbänden aus Roncos Jugend! ( ich habe als Leser die Sache mit den Abbrucharbeiten eines Hauses in New Mexico und den zusammengebündelten Schreibheften, auf deren Inhalt die Ronco-Serie basierte, wirklich geglaubt... ).

Und heute? Schnellebige Stories, weitaus schlechtere Titelcover und fast nur noch Nachdrucke - bis auf die Sex-Western, aber das sind in meinen Augen keine richtigen Western.

Ich muss hier noch eine Lanze für die Trapperromane um Abe McNott brechen, die später in der JOHN GRAY-Reihe erschienen sind. Diese Stories zählen zu den besten Mountain Men-Romanen, die jemals in Heftform erschienen sind. Wer noch eine Chance hat, diese Romane antiquarisch zu bekommen, der sollte diese Chance nutzen!
#10 Dietmar Kuegler 2012-01-30 21:58
Ich bedanke mich bei Herrn Wallon für die freundliche Beurteilung meiner "Abe McNott"-Romane. Zwei davon sind später in ausgeweiteter Form als Jugendbücher im Engelbert-Verlag erschienen: "Der Herr der großen Wälder" und "Zu den Quellen Manitous".
Bzgl. der Leserbriefe an Ronco: Es waren Hunderte jedes Jahr. Eingedenk der prägenden Einflüsse von Werner Dietsch, wonach jeder Leser Respekt verdient, habe ich jeden Brief beantwortet. Es war wirklich eine ganz andere Zeit und eine andere Pflichtauffassung gegenüber den Kunden als heute.
#11 Postman 2012-01-30 23:08
Ich gebe zu mir wird der Mund hier ganz schön wässrig gemacht, leider hat man keine Chance an die alten Hefte wie z.B. die Ronco Reihe komplett bzw. preisgünstig ranzukommen.
Auf ebay wird seit Monaten die vollständige Ronco Serie für knapp 2800 EUR angeboten :cry:

Als Jahrgang 1970 und einem Romanheft Start ab 1983 merke ich, dass ich ganz schön viel verpasst habe...
Mit Interesse verfolge ich jeden Beitrag aus der guten alten Zeit, obwohl ich primär nicht mal den Westernbereich verfolge.
#12 Andreas Decker 2012-01-30 23:54
Danke für die Antwort, Herr Kügler. :lol:

Zitat:
Es war wirklich eine ganz andere Zeit und eine andere Pflichtauffassung gegenüber den Kunden als heute.
So viele Möglichkeiten das Netz auch bietet, die Leserbriefe waren eine ganz andere Kommunikation. Nicht aus der Hüfte geschossen, mit kühlerem Kopf, sachlicher. Und Autoren mussten sich nicht derart öffentlich produzieren, um ihr Produkt zu vermarkten. (Gut, niemand zwingt sie, nur der Markt und der alltägliche Voyerismus/Exhibitionismus, die leider die Norm geworden sind. Aber das ist ein anderes Thema :-) )

Ja, man war schon stolz, wenn ein Leserbrief veröffentlicht wurde. Ich weiß noch, wie toll es war, als ich die Seewölfe aufschlug und meinen Brief entdeckte. Da hat man der Serie erst recht die Treue gehalten, auch wenn man zwischendurch mal die Lust verlor.

RONCO war immer etwas Besonderes.Aber auch die diversen Romane in der JOHN GRAY-Reihe waren toll. Da sind viele Geschichten bei mir hängen geblieben, vor allem die historischen Aufarbeitungen wie Alamo, die McNotts oder die Fox´. Gute Zeiten.
#13 andreas ecker 2012-01-31 12:30
zitiere Dietmar Kuegler:
Zur Frage von Herrn Decker: Manchmal ist es ganz simpel. Mein Chefredakteur Müller-Reymann meinte nach Rücksprache mit dem Grafiker, daß "John Gray" mit "A" optisch besser darstellbar sei foni.netals "Grey" mit "E". Also wurde ich für meine Autorenreihe kurzerhand "umgetauft".


Meines Wissens gibt es in Österreich auch einen Autor, der damals unter diesen Pseudonymen ungefähr 20 Romane für verschiedene Verlage (Bastei, Zauberkreis, Mauerhardt,...) verfasste.
#14 almeriawestern 2012-04-27 13:50
Erst recht spät bin ich auf das Intervíew aufmerksam geworden. Was mich positiv überrascht hat, ist die Haltung des Kelter-Verlagschefs Gerhard Melchert zu Westernserien. Nach viel Kritik in diversen Internetforen an den ewigen Nachdrucken erscheint seine Verlagspolitik jetzt in einem anderen Licht: Da ist jemand, der noch etwas für den Western übrig hat (wenn auch der Markt heute sehr begrenzt ist)...
#15 Loxagon 2014-10-01 16:54
Liest sich sehr toll, obwohl Western überhaupt nicht mein Genre ist. Aber wirklich ein sehr sympatischer Mann, der Herr Kügler.

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