Von Karl, Roland und Sarazenen - »Die Chroniken von Roncesvalles«
Von Karl, Roland und Sarazenen
»Die Chroniken von Roncesvalles«
Nach dem Sieg über die Sachsen verweilt der Franken-König in der Festung Paderborn, als der Sarazene Suleiman um dessen Ohr bittet. Suleiman regiert die Stadt Saragossa im islamisch besetzten Teil Spaniens. Er will sich gegen seinen Herrn, den Emir von Cordoba auflehnen und bietet Karl für seine Unterstützung die Übergabe Saragossas an.
Die Chance auf eine Erweiterung seiner Macht will er sich nicht entgehen lassen und willigt ein. Er stellt ein großes Heer auf und lässt seine Truppen in Richtung iberischer Halbinsel aufbrechen. Der Emir von Cordoba bleibt währenddessen nicht untätig und zwingt den Vertreter Suleimans die Stadt gegen die christlichen Invasoren zu verteidigen.
Das Heer der Franken überschreitet die Pyrenäen und erreicht die baskische Stadt Pamplona. Karl misstraut den Herrschenden der Stadt und nimmt zur Sicherung derer Gefolgschaft den Thronfolger und dessen Mutter als Geisel. Sie marschieren weiter nach Süden und erreichen Saragossa und erhalten, wie vom Emir verlangt, keinen Zugang zu der Stadt.
Karl lässt sein Heer die Stadt angreifen, muss die Hoffnungslosigkeit des Unterfangens aber einsehen und bricht den Kampf ab. Seine Wut steigert sich weiter, als er aus der Heimat die Nachricht erhält, dass der Sachsenfürst Widukind einen Aufstand gegen die Herrschaft der Franken anzettelt. Karl und seine Mannen beschließen nach Hause zurückzukehren und auf dem Heimweg zumindest in Pamplona Beute zu machen.
Die Stadt wird in Brand gesetzt und die mordenden Soldaten fallen über die Bevölkerung her. Die überlebenden Basken und ihre Verbündeten verstecken sich in den Wäldern von Roncesvalles und fallen über Karls Truppen her, als sich der lange Treck über die engen Waldwege nach Norden zieht. Die Franken werden vernichtend geschlagen, Karl aber kann sich und einige Getreue retten. Roland allerdings wird von den Angreifern eingekesselt. Er bläst vergeblich in seinen Olifant, um seine Soldaten zur Hilfe zu rufen, wird aber schließlich von den Angreifenden getötet.
Fazit
Der Comic berichtet über die Ereignisse, die zur Schlacht um Roncesvalles im Jahr 778 führten und Karl dem Großen eine empfindliche Niederlage beibrachten. Roland war einer der Heerführer des Königs der Franken, der in dieser Schlacht seinen Tod fand. Aus dieser Zeit heraus entstand das Rolandlied, das die Ereignisse dieser Schlacht in Versform festhält. Das Lied erlangte im Mittelalter einen hohen Bekanntheitsgrad und hat heute für Frankreich eine vergleichbare Bedeutung, wie das Nibelungenlied für Deutschland.
Der Autor des Rolandliedes nimmt sich allerdings einige künstlerische Freiheiten heraus. So wird im Lied aus Roland ein Neffe Karl des Großen, was er aber nicht war. In nahezu 250 europäischen Städten stehen Rolandstatuen, die den Heerführer darstellen. Das war ein Zeichen dafür, dass einer Stadt umfangreiche Stadtrechte vom König zugestanden worden sind. Eine der bekanntesten steht in der Hansestadt Bremen, wo Roland mit gezogenem Schwert zu sehen ist. Er trägt keine Schwertscheide am Gürtel, was ein Hinweis darauf ist, dass er nicht adeliger Abstammung ist und demzufolge kein Neffe des Frankenkönigs sein kann.
Der Comic hält sich in wesentlichen Anteilen an die historischen Abläufe, muss diese aber stark verkürzen. Es wäre eine mehrbändige Ausgabe nötig, um die korrekten historischen Gegebenheiten wiederzugeben. So konzentriert sich Autor und Zeichner Juan Luis Landa auf die Ereignisse, die in die Schlacht in Roncesvalle führten. Die Schlacht selbst ist das Finale des zweibändigen Comics und wird von Landa aus dramaturgischen Gründen thematisch ausgebreitet. Möglicherweise hat er sich hierfür doch eher am Rolandslied orientiert.
Der erste Band konzentriert sich auf die Figur des Roland. Auf den ersten Seiten sieht der Leser ihn in visuell ausgesprochen anspruchsvollen Zeichnungen. Die düsteren, detailverliebten Seiten sind eine wahre Augenweide, die allein es schon wert sind, sich diese beiden Ausgaben zuzulegen. Roland ist ein wilder Kämpfer, der keine Rücksicht auf die feindlichen Sachsen nimmt. Hier sieht ihn der Leser das erste Mal in seinen berühmten Olifant blasen, um seine Kameraden zu sich zu rufen. Auf vielen Statuen Rolands ist ein Olifant zu sehen. Ein Olifant ist ein Signalhorn aus Elfenbein, das im Mittelalter verwendet wurde. Im Rolandlied bläst er nur einmal ins Horn, und zwar bei der Schlacht in Roncesvalle, um Hilfe zu rufen. Historisch ist es wahrscheinlich eher richtig, dass Roland dieses Horn permanent bei sich trug. Der Comic folgt hier den historischen Abläufen.
Im weiteren Verlauf der Handlung lässt Roland keine Möglichkeit aus, sich mit anderen zu messen. Er will immer wissen, wer der stärkere ist. Ein sarazenischer General ist Karl dem Großen in die Hände gefallen und er hält ihn nun in Gefangenschaft. Roland ist permanent damit beschäftigt, ihn zu provozieren und zum Kampf herauszufordern.
Nach dem Angebot der kampflosen Übergabe Saragossas durch Suleiman, setzt sich Roland vehement für den Feldzug nach Spanien ein. Er wittert die Chance auf große Gefechte. Den machtgierigen Karl muss er nicht überzeugen, denn der träumt von einer Erweiterung seines Machtbereiches. Am Ende des ersten Bandes erreicht das Heer Saragossa und es ist Roland, der durch eine waghalsige Aktion den Angriff auf die Stadt ermöglicht.
Im zweiten Band entwickelt Roland Sympathien für die Mutter des gefangenen Thronfolgers aus Pamplona, und er lässt die beiden kurz vor der Schlacht in Roncesvalles frei. Der brutale, rücksichtslose Kämpfer zeigt Gefühle und wird kurz darauf in der Schlacht getötet.
Karl der Große wird als machtversessener Herrscher dargestellt, der am Ende seinen Feldzug verliert und zum Opfer seiner eigenen Gier wird. Er holt sich zu Beginn des Feldzuges die religiöse Unterstützung von Papst Hadrian ein. Es wird offensichtlich, dass dies nur ein Vorwand zur Legitimierung des Feldzuges ist, in dem die Heiden aus Europa vertrieben werden sollen.
Im engeren Kreis seiner Getreuen werden die Motive aller Beteiligten deutlicher. Karl ist lediglich an der Erweiterung seiner Macht interessiert und wird von Roland kräftig dabei unterstützt. Seine anderen Getreuen haben nur ein Interesse daran, ihren persönlichen Besitz zu vermehren. Einige sprechen sich gegen den Feldzug aus, aber auch nur, weil sie bereits genug Reichtümer ihr Eigen nennen.
Die Zeichnungen von Juan Luis Landa passen hervorragend zu der düsteren und brutalen Atmosphäre, die über dem Feldzug liegt. Die opulenten und teil cineastischen Zeichnungen kommen vor allem in den Schlachtszenen besonders zur Geltung, ohne dabei die Details außer Acht zu lassen. So entstehen einige Eyecatcher, die den Leser eine Weile an einem Bild hängen lassen. In den Dialogszenen entstehen Bilder, die mit vielen Details in den Hintergründen versehen sind, dabei aber nie überladen wirken. Die Kolorierung beider Bände ist ein wahrer Augenschmaus und unterstreichen den jeweiligen Handlungsabschnitt. Die Szenen in Sachsen und Paderborn sind sehr düster mit dunklen Farben gehalten und die Töne wechseln in hellere Farben, als das Heer die Pyrenäen überschreitet.
Die Chroniken von Roncesvalles