Die Brücke von Remagen - Letztes Aufbäumen
Die Brücke von Remagen
Letztes Aufbäumen
Ende des Ersten Weltkriegs wurde die zweigleisige Eisenbahnbrücke, die Remagen mit Erpel über den Rhein hinweg miteinander verband, als letztes großes Projekt der Preußischen Staatseisenbahnen fertiggestellt. Die Brücke wurde seinerzeit nach General Erich Ludendorff benannt und sollte im Jahr 1945 noch einmal geschichtliche Bedeutung erlangen. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs stand die Ludendorff-Brücke noch unbeschädigt bei Remagen, während die alliierten Truppen von Frankreich aus kommend bereits in deren unmittelbare Nähe vorgedrungen waren. Für Hitler-Deutschland galt es zu diesem Zeitpunkt sehr genau abzuwägen, ob die Brücke gesprengt werden sollte oder nicht. Denn einerseits sollte sie den zurückgedrängten deutschen Fronttruppen den Rückzug ermöglichen, andererseits sollte sie nicht den Alliierten in die Hände fallen, die mit ihrer Hilfe umso schneller weiter nach Deutschland vordringen und so insbesondere das Ruhrgebiet unter ihre Kontrolle bringen konnten. Im Jahr 1969 drehte Actionspezialist John Guillermin („King Kong“, „Das flammende Inferno“) mit Stars wie George Segal, Ben Gazzara, Robert Vaughn und Bradford Dillman den Kriegsfilm „Die Brücke von Remagen“, der die strategische Bedeutung der Brücke noch einmal thematisierte. Guillermin verpackte seine eher dünne Story aber im Mantel eines großen Actionspektakels mit ungeheurem Aufwand und versuchte damit, von den schablonenhaften Figuren und Geschehnissen abzulenken. Wesentlich profunder wirkt da das bereits zwei Jahre früher entstandene ZDF-Dokumentarspiel von Wolfgang Schleif, das sich auf die Aufzeichnungen des Hauptmanns Willi Bratge stützte.
Im März 1945 ist auch den meisten Deutschen unmissverständlich klargeworden, dass der Krieg nicht mehr gewonnen werden kann. Lediglich Reichskanzler Hitler träumt weiterhin vom Endsieg und schickt mittlerweile halbe Kinder und greise Männer in den Kampf fürs Deutsche Reich. Bei Remagen hat es Volkssturmführer Möllering (Bruno W. Pantel) nicht gerade leicht, die Bevölkerung zur Mithilfe zu animieren. Die ist bitter nötig geworden, weil die Ludendorff-Brücke unbedingt vor den anrückenden Alliierten zu verteidigen ist. Weniger als zehn Prozent der Bevölkerung kommen Möllerings Volkssturm-Aufruf nach, die meisten bleiben unauffindbar oder verschanzen sich, wie Karl Emmerich (Gerhard Wollner) mit seiner Frau Luise (Ursula Diestel) im Erpeler Eisenbahntunnel. Der Kampf-Kommandant vor Ort ist Hauptmann Bratge (Claus Holm), der selbst nicht mehr so recht daran glaubt, dass man dem Aufmarsch der Alliierten noch etwas entgegensetzen kann, der aber pflichtbewusst die Befehle befolgt, die ihm von höherer Stelle zugetragen werden. Während die US-Amerikaner immer dichter an Remagen heranrücken, muss entschieden werden, ob die Brücke gesprengt werden soll…
Wolfgang Schleif („Bürgerkrieg in Russland“) hat die Vorkommnisse trotz überschaubarer finanzieller Mittel anschaulich und abwechslungsreich in Szene gesetzt. Zusammen mit Drehbuchautor Hellmut Kotschenreuther („Freispruch für Old Shatterhand – Ein Dokumentarspiel über den Prozeß Karl Mays gegen Rudolf Lebius“) hat er sich nicht nur auf die militärischen Scharmützel fokussiert, sondern widmet sich auch der einfachen Bevölkerung, die zu jenem Zeitpunkt desillusioniert auf das Ende der Kampfhandlungen wartete. Natürlich ist auch dieses Dokumentarspiel wieder sehr dialoglastig ausgefallen, aber die Macher haben an etlichen unterschiedlichen Locations gedreht und echte Dokumentaraufnahmen eingewoben und erzeugen so ein recht genaues Bild von den damaligen Vorgängen. Für geschichtlich interessierte Zuschauer auf jeden Fall eine Empfehlung, zumal diese Fassung unterhaltsamer geraten ist als die spätere Hollywood-Variante. Das Schwarz-Weiß-Bild (im Vollbildformat 1,33:1) der DVD-Erstveröffentlichung ist von einer guten Qualität, auch der deutsche Originalton (in Dolby Digital 2.0) entspricht den Erwartungen an einen rund 60 Jahre alten Fernsehfilm. Schade ist, dass trotz der kurzen Spieldauer von lediglich 63 Minuten auf die Beigabe von Bonusmaterial komplett verzichtet wurde.