Der verschwundene Gerichtsvollzieher - »Ein Fall für Goron«
Der verschwundene Gerichtsvollzieher
»Ein Fall für Goron«
„Der Fall Gouffé“ heißt ein Roman von Joachim Maas, der sich darin ebenso mit den kriminalistischen Hintergründen des Falles beschäftigte wie Jürgen Thorwald in seinem Bestseller „Das Jahrhundert der Detektive“. Beide Vorlagen bleiben im Abspann von „Ein Fall für Goron“ zwar ungenannt, dienten dem Drehbuch von Robert Wolfgang Schnell aber als Grundlage. Im Œuvre des seinerzeit zuständigen ZDF-Redakteurs Wolfgang Baecker (1935-1989) finden sich noch weitere kriminalistisch angehauchte Stoffe, wie der ungefähr zeitgleich entstandene Fernsehfilm „Tod auf der Themse“, der historisch-kriminalistische Film „Cautio Criminalis“ oder „Prozeß Medusa“, der 1976 unter der Regie von Wolfgang Staudte entstand. Für „Ein Fall für Goron“ wurde als Spielleiter Oswald Döpke (1923-2011) verpflichtet, der seit 1960 zu den fleißigsten deutschen Fernseh- und Hörspielregisseuren zählte und neben Literaturklassikern wie „Phädra“ und „König Ödipus“ beispielsweise auch den Fernsehfilm „Auf den Spuren der Anarchisten“ inszenierte, der ebenfalls auf den Aufzeichnungen Jürgen Thorwalds basiert.
Im Jahr 1889 verschwindet in Paris, während dort gerade die renommierte Weltausstellung mit der Einweihung des Eiffelturms stattfindet, der Gerichtsvollzieher Alphonse Gouffé (Friedrich W. Bauschulte) spurlos. Kurz zuvor hatte er mit dem insolventen Unternehmer Michele Eyraudt (Herbert Fleischmann) zu tun, der den Beamten mit den Reizen seiner Freundin Gabrielle Bompard (Hannelore Elsner) zum Einlenken in seinem Fall bewegen wollte. Als leitender Ermittler wird Commissaire Goron (Hannes Messemer) mit der Untersuchung betraut. Gouffés Tochter Anise (Ilona Grübel) hat das Verschwinden ihres Vaters sehr mitgenommen. Als am Rhône-Ufer eine Leiche entdeckt wird, vermutet Goron hier einen Zusammenhang mit dem verschwundenen Gerichtsvollzieher. Doch die ersten Indizien sprechen eigentlich dagegen. Commissaire Goron gibt aber nicht so schnell auf, sondern geht jeder noch so kleinen Spur noch einmal nach, ordnet sogar eine Exhumierung der Leiche und eine zweite gerichtsmedizinische Untersuchung an, die nun Prof. Lacassagne (Kurt Buecheler) höchstpersönlich durchführen soll, nachdem beim ersten Mal lediglich einer seiner Studenten zum Einsatz gekommen war.
Oswald Döpke nimmt uns zunächst mit in das Paris des ausgehenden 19. Jahrhunderts, führt uns das Lebensgefühl zwischen Tanzlokalen und den anonymen Mietshäusern mit Concierge-Service anschaulich vor Augen. Nachdem die verschiedenen Charaktere auf diese Weise eingeführt wurden, erweitert sich die Geschichte mit dem Auftreten von Commissaire Goron dann schließlich um die kriminalistischen Aspekte. Diese werden mit fast schon dokumentarischer Präzision entfaltet, so dass man als Zuschauer das Vorgehen der Ermittler sehr gut nachvollziehen kann. Kriminalistische Standards wie das Abnehmen von Fingerabdrücken auf Gegenständen, die mit dem Mordfall zusammenhängen, hielten in dieser Zeit erstmals Eingang in die Ermittlungsarbeiten. Der durchweg mit renommierten Darstellern besetzte Fernsehfilm kann ein an historischen Fakten oder kriminalistischen Knobeleien interessiertes Publikum auch heute noch anderthalb Stunden bei Laune halten. Die DVD-Erstveröffentlichung weist leider nur ein mäßiges Bild (im Vollbildformat 1,33:1) auf, das sehr grobkörnig und eher blass ausgefallen ist. Der deutsche Originalton, der in Dolby Digital 2.0 vorliegt, ist hingegen stets gut zu verstehen und der Entstehungszeit angemessen. Extras sind keine vorhanden.