Der Bart ist ab - Der junge Inspektor Morse (Staffel 7)
Der Bart ist ab
»Der junge Inspektor Morse« (Staffel 7)
Dazu sind die "alten" Feinde der vorherigen Staffel haben entweder ihr Leben verloren oder konnten festgenommen werden, geblieben hingegen sind die Vorgesetzen weiter oben, die Politiker und Strippenzieher, die sich nicht einfach ändern lassen.
Die drei Folgen der Staffel 7 (ja, es sind tatsächlich nur drei Folgen - die Serie hat schon immer eher wenig Folgen je Staffel) drehen sich vorrangig um eine Anzahl von Morden entlang eines der Treidelpfade an einem Kanal in Oxford, die sich nicht so leicht zu lösen lassen wie es der Vorgesetzte von Morse, F. Thursday, glaubt. Sie finden zwar einen Verdächtigen, den Verlobten der ersten Toten, aber dann mehren sich die Zweifel und einzelne Hinweise. Gleichzeitig gibt es einen toten Auslieferungsfahrer eines indischen Restaurants, der einen Hinweis auf die wachsende Ausländerfeindlichkeit in einer sich verändernden Gesellschaft zu sein scheint. Die Gesellschaft des ehemaligen Empire bietet mit wirtschaftlichem Wachstum und persönlichem Wohlstand von vielen immer noch (gerade jetzt?) Raum für Angst vor möglicher "Überfremdung".
Währenddessen geht es unterschwellig um das Thema Freundschaft, Loyalität und Verrat - in verschiedenen Beziehungen.
Morse hat sich endlich zu einem Urlaub entschlossen, und nicht einfach irgendeinem. Er fährt nach Venedig, als Opernliebhaber eines seiner Traumziele. Im Opernhaus fällt ihm bei der Aufführung einer alten italienischen Oper fällt ihm eine junge Frau auf, die ihn sofort packt. In der Pause begegnen sich ihre Blicke, ihr geht es offenbar ähnlich, denn noch am gleichen Abend landen sie in seinem Zimmer - und Bett.
Fred Thursday und seine Frau haben sich einander wieder angenähert, auch wenn beide mit der Leere in ihrem Leben nach dem Wegzug der Kinder zu kämpfen haben. Währenddessen führt Chief Superintendent Reginald Bright noch immer einen ganz anderen Kampf an der Seite seiner Frau. Der Krebs seiner Frau belastet das Leben der beiden schon lange, der Vorgesetzte hat Angst davor sie zu verlieren und wirft sich vor, nicht genug für sie da gewesen zu sein. Letzte Hoffnung haben sie auf eine experimentelle Behandlung in den USA, die sie trotz enormer Kosten auf sich nehmen. Dazu greifen sie ihre letzten Besitztümer an und verkaufen eine Lebensversicherung der Frau.
Und als wäre das alles noch nicht genug, begegnet Morse einem seiner reichen Schulfreunde wieder, der ein Leben voller Parties, Auslandsreisen und Champagner führt. Ludovico stellt Morse seiner Frau vor - die sich als die geheimnisvolle Frau aus der Oper in Venedig entpuppt. Morse gelingt es nicht, sich von der Frau seines Freundes fernzuhalten.
Fred Thursday lässt das Geschehen um die Toten unter der Brücke keine Ruhe. Dies geht so weit, dass er Nachts um die Brücke herumstreift, um junge Frauen davon abzuhalten, den Weg entlang des Kanals zu nehmen.
Und wie bei Morse unvermeidlich, fliegt alles in die Luft, von Morses Liebesbeziehung bis hin zu den Toten, deren Tode sich nicht so erklären lassen wollen, wie es nach den ersten und zweiten Morde der Fall zu sein scheint. Die Presse macht der Polizei Vorwürfe, es werden mehr, die Gefahr von Trittbrettfahern besteht, es kommt zu einer Racheaktion gegen einen der Verdächtigen im Mord an dem Inder.
In der Staffel kriselt es zwischen Thursday und seinem "Ziehsohn" Morse. Sie unterscheiden sich in der Einschätzung der Mordmotive und Täter, was die Lösung nicht unbedingt voranbringt. Gleichzeitig verhält sich Morse in einer Art und Weise, die Thursday nicht billigen kann. Der Streit eskaliert über dem Tod der Frau des Chief Superintendents, die nach einer Genesung von der Krebserkrankung unerwartet bei einem Unfall stirbt. Morse ist davon überzeugt, dass es ein Komplott gibt, während Thursday seinen Vorgesetzten vor der verrückten Idee seines Mitarbeiters schützen will.
Die Handlung klingt ehrlich gesagt in der Beschreibung interessanter als sie meiner Ansicht nach am Ende wirklich ist. Die Staffel leidet in meinen Augen darunter, dass man nach dem fulminanten Finisch der vorherigen Staffel eine ähnlich aufregende Fortsetzung erhofft. Während ich während der letzten Folge von Staffel 6 dauernd dasaß und wie ein Kind im Kasperltheater rief "Ohmann, geh da nicht rein" oder "Nein, das muss er jetzt doch nicht machen...", lockte mich Staffel 7 bei weitem nicht in dieser Art. Sehr spannend war der Handlungsbogen um den Mord an dem indischen Lieferanten, dessen Auflösung angenehm spannend nicht einfach nur in mit einem Angriff von Nationalisten erklärt wird, und so die Vielschichtigkeit des Themas gut aufgreift. Umso schwieriger tat man sich bei der Erkläung der anderen Toten, was nicht unerheblich den Unterhaltungswert der ohnehin kurzen Staffel stört.
Es ist vollkommen in Ordnung, dass die Serie fortgesetzt wird, denn es ist einfach eine hervorragende Serie, die nicht nur von der Populariät der Mutterserie um den alten Inspektor Morse und die Schwesterserie Lewis lebt. Häufig gibt es neben den einzelnen Fällen über mehrere Folgen (manchmal sogar Staffeln) verlaufendene Handlungsstränge, die teilweise erhebliche Auswirkung auf die Leben der Handelnden haben. Eine solche übergreifende Geschichte gibt es auch hier. Manchmal passt sie sich hervorragend in die Handlung ein und ist in sich schlüssig. Dies gelingt der Geschichte dieses Mal nur eingeschränkt. In solchen Fällen droht die Handlung konstruiert zu wirken und verliert, wenn es nicht gut gemacht wird, viel an Freude beim Zuschauen. Dies ist in dieser Staffel leider der Fall. Sie baut ein Handlungsgebäude auf, das in der letzten Folge mit aller Gewalt eingerissen werden muss, statt der Staffel eine weitere Folge zu "spendieren", die ein besseres Auflösen bietet und nicht mit einem Eilzug durch Europa rast - wie Endeavour Morse, als er zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres nach Venedig eilt.