Olsberg, Karl: Das System
Das System
von Karl Olsberg
Club Bertelsmann Taschenbuch
erschienen: Frühjahr 2008 (Club), 2007 (im Aufbau-Verlag)
403 Seiten, 8.95
ISBN (der Ausgabe aus dem Aufbau-Verlag): 978-3746623672
Bertelsmann Buchclub
Die Zukunft von Mark Helius sieht alles
andere als rosig aus. Das neue Programm, das seine Softwarefirma entwickelt
hat, erweist sich als fehlerhaft. Die Investoren sind darüber alles andere als
erfreut und drohen, Mark als Vorstand des Unternehmens ablösen zu lassen. In
finanzieller Hinsicht stehen Mark harte Zeiten bevor, und als wäre das noch
nicht genug, droht auch noch seine Ehe zu zerbrechen.
Doch Marks wirkliche Probleme beginnen
erst am Morgen nach der misslungenen Testvorführung der neuen Software. Als er
in die Firma kommt, ist die Polizei schon vor Ort: Einer seiner
Geschäftspartner wurde ermordet. Alle Indizien deuten daraufhin, dass Mark der
Täter ist.
Entschlossen, den wahren Täter zu finden, flieht Helius vor der Polizei. Bei seiner Suche stößt er auf eine unglaubliche Entwicklung: Sein Partner wurde anscheinend wegen des neuen Programms ermordet. Und genau dieses Programm ist es, das nun eine Katastrophe globalen Ausmaßes hervorrufen könnte, denn es scheint, als habe die Software ein mörderisches Eigenleben entwickelt.
Unterdessen häufen sich weltweit seltsame Zwischenfälle aufgrund von Fehlfunktionen bei computergesteuerten Vorgängen. Schon bald droht ein internationales Chaos unvorstellbaren Ausmaßes...
Techno-Thriller sind schon was Faszinierendes. Das Besondere an ihnen ist die einzigartige Verbindung von SciFi- und Thrillerelementen zu einer Handlung, die ebenso realistisch wie erschreckend anmutet. Es fällt unglaublich schwer, eine Grenze zu ziehen zwischen dem, was jetzt eigentlich Fiktion ist und was noch im Bereich des Vorstellbaren liegt. Das System von Karl Olsberg macht da keine Ausnahme.
Die Handlung des Romans ist von der ersten Seite an packend. Von Anfang an wirkt die Story realistisch und erschreckend glaubwürdig, obwohl viele Elemente rein der Fantasie des Autors entspringen (hoffe ich zumindest...). Ohne allzu grausame und blutige Szenen gelingt es Olsberg, ein Szenario zu erzeugen, das einem eine Gänsehaut über den Rücken laufen lassen kann.
Der Thriller ist spannend gemacht und gut geschrieben. Olsbergs Stil ist eingängig und enorm ansprechend, weshalb man auch als Computerlaie trotz vieler Ausflüge in die Bereiche der Informatik kein Problem hat, der Handlung zu folgen.
Schade dagegen sind die vielen verschenkten Möglichkeiten, die Olsberg hier vergibt.
Mark Helius ist eindeutig die zentrale Figur des Romans. Doch so spannend seine Flucht und der Kampf gegen ein System, das ihm haushoch überlegen ist, auch sind, die wahre Atmosphäre des Buches, die für die wohligen Schauer beim Lesen sorgt, entsteht erst durch die Handlungen in den Nebenschauplätzen. Und diese sind leider viel zu kurz geraten.
Je weiter die Story fortschreitet, desto mehr häufen sich die Zwischenfälle aufgrund von Fehlfunktionen in Computersystemen, durch die es weltweit zu chaotischen Zuständen kommt. Es sind gerade solche Momente, die enorme Spannung erzeugen und den Roman ebenso realistisch wie erschreckend erscheinen lassen. Doch zu meinem Bedauern sind diese Momente äußerst rar gesät. Viele der Geschehnisse werden auf einigen wenigen Seiten abgehandelt oder nur mal so eben erwähnt, ohne genauer ausgeführt zu werden. Hier wird eine Menge Potenzial ungenutzt gelassen. Die wenigen Szenen, die die Fehlfunktionen tatsächlich zum Thema haben, zeigen, wie gut sich Olsberg darauf versteht, ein bedrückend düsteres Szenario aufzubauen. Ein wenig mehr hiervon, und der Thriller hätte so schockierend sein können wie kaum ein anderes Buch, das ich in letzter Zeit gelesen habe. So ist er zwar sehr spannend, bleibt aber nun mal unter seinen Möglichkeiten. Schade.
Wo es ganz und gar nichts dran zu meckern gibt, ist die Haupthandlung um Mark Helius. Sie ist packend und überzeugend in Szene gesetzt und wird von einer äußerst sympathischen Hauptperson getragen, die dankenswerterweise weder jemand ist, der wie James Bond von Abenteuer zu Abenteuer jettet und dabei jede Gefahr schadlos übersteht, noch jemand, der über irgendwelche psychischen Probleme verfügt, weil er in seiner Kindheit mal irgendein belangloses aber leider nun mal unschönes Erlebnis hatte (solche Heldentypen gibt es im Thrillergenre viel zu häufig). Stattdessen hat Olsberg mit Mark Helius einen rundherum gelungenen Charakter erschaffen, der einiges wegstecken muss, aber trotzdem niemals übertrieben jämmerlich und bemitleidenswert wirkt.
Ein Wort noch zum Schluss des Romans: Wenn es etwas an der Story gibt, das Grundlage für ellenlange Diskussionen sein kann, dann ist es das Ende. Wirklich befriedigend ist es ja eigentlich nicht, unpassend allerdings auch nicht. Ob man es nun so hinnimmt und zustimmend nickt oder ob man hier nur zweifelnd oder gar ablehnend den Kopf schüttelt, bleibt jedem selbst überlassen.
Ich jedenfalls habe mich spontan an einen Film erinnert gefühlt (dessen Titel ich nicht verraten möchte, weil das zu viel vorneweg nehmen würde), dessen Ende ganz ähnlich war und der noch tagelang Gesprächsstoff für mich und meine Freunde geboten hat. Eine einheitliche Meinung darüber, ob wir das Ende nun gut fanden oder nicht, ist bis heute nicht zustande gekommen.
Das System ist, trotz einiger verpasster Chancen, ein spannender Thriller, der so manches äußerst erschreckend realistische Element besitzt und auch nach der Lektüre zum Nachdenken anregt. Wer Der Schwarm von Frank Schätzing oder Eden Inc. von Lincoln Child gelesen und gemocht hat, der wird sich auch für Das System begeistern können.