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Große Keilereien: Crossing the T - Die Seeschlacht von Trafalgar am 21.10.1805

Große Keilereien - Nicht nur in Issos war was los

Crossing the T
Die Seeschlacht von Trafalgar (21.10.1805)

 Eine Beschreibung jener Seeschlacht, die hinlänglich gut als Trafalgar bekannt ist. Eine nichtminutiöse, überlange Geschehnisaufzählung voller Sonderbarkeiten, Wahrheiten und unglaublicher Umstände. Ich werde Dinge erzählen, die mir interessant erscheinen, werde versuchen ein Bild des „Zeitalters der Segelschiffe“ zu zeichnen und manche Zahlen erwähnen, die nicht immer so ganz genau (bekannt, verbürgt) sind. Mit einigen dieser Zahlen könnte man jeden Streit um des Kaisers Bart gewinnen.

Die Schlacht von TrafalgarGerade in historischen (Schlachten-) Berichten wurde auf allen Seiten mächtig an jener Schraube gedreht, die die Wahrheit dehnt. Bei aller Ungenauigkeit, die in einem solchen Fall unweigerlich ins Spiel kommt, habe ich mich um einen höchstmöglichen Grad an Genauigkeit bemüht.

Admiral Cuthbert CollingwoodAls am 21. Oktober 1805 die ersten Kanonenschüsse auf das führende Schiff der südlichen britischen Angriffslinie abgefeuert wurden, ahnte niemand, dass hier eine der letzten großen geschichtsträchtigen Schlachten mit Segelschiffen geschlagen werden würde - und was für eine Schlacht das war.

Entgegen den eigenen Hoffnungen war es nicht Nelson auf seinem Schlachtschiff Victory, der sich dem Feind mit rasender Fahrt (ca. 7 km/h) näherte, sondern Admiral Cuthbert Collingwood auf der Royal Souvereign. Collingwood war ein Freund von Nelson und Kommandierender der zweiten Linie von Schiffen – und die Royal Souvereign war deshalb so schnell, weil sie frisch überholt und neu mit Kupfer beschlagen worden war. Dies bremste sie gegenüber den anderen muschelüberwachsenen Schiffsrümpfen deutlich weniger ab, und dies machte gerade bei dieser unglaublich leichten Brise einen entscheidenden Unterschied – in etwa so wie die Wachsauswahl beim alpinen Skilauf. 
 
Aber vielleicht sollten wir ein bisschen früher in das Geschehen einsteigen.
Der napoleonische Krieg ist ein Landkrieg – glaubt man – aber nur deshalb, weil es den Franzosen zu keiner Zeit gelungen ist, die Seeherrschaft so an sich zu reißen. In diesem Fall hätte es ein noch größerer Krieg werden können. Die englische Flotte kämpft sehr ambitioniert gegen eine mögliche französische Flottenüberlegenheit, denn würde diese herrschen, wäre ein Landkrieg auch sehr schnell in England. Und sollte erst einmal das Mutterland fallen, wäre Napoleon unumschränkter Herrscher Europas. Mit den englischen Ressourcen in der Hinterhand, wäre dem Militärgenie Napoleon so einfach keiner gewachsen gewesen.

Napoleon BonaparteUm diese Ziele durchzusetzen, hatte Napoleon eine Landarmee  entlang der Nordküste Frankreich / Holland / Deutschland ausgerüstet und trainiert – alles eingerechnet waren es rund  200.000 Mann, die er auf die Beine stellen konnte – nichts, dem England etwas entgegenzusetzen hätte. Viele Transportschiffe sammelt er, und um England in die Knie zu zwingen würde es ihm genügen, nur ein paar Tage die Oberherrschaft über den Kanal zu haben. Dazu müssten alle kampffähigen Schiffe der Franzosen und Spanier die Engländer aus dem Kanal vertreiben. Dann wäre England eine leichte Beute des großen Strategen und Taktikers Napoleon gewesen.

Die Engländer blockierten jeden Hafen, in dem Schiffe der Franzosen und Spanier vor Anker lagen,  vor diesen Häfen kreuzten sie nun schon seit Jahren – manche Schiffe  waren bereits 2 Jahre ohne Ablösung und Unterbrechung auf See – sicher ein hartes Los, aber die Seeleute und Offiziere waren inzwischen mehr als nur eingespielt. Tägliches Training bei jedem Wetter und in jeder Jahreszeit.
 
Ob vor Toulon oder Brest, vor Cadiz oder Ferrol – sie kreuzten unermüdlich. Sicher gelang es immer wieder den Franzosen oder Spaniern bei entsprechenden Wind und Wetterverhältnissen aus den Häfen auszubrechen, aber dann  hatten sie auch schon den Feind auf den Fersen. In den daraus resultierenden Seegefechten zeigen die Engländer, dass sie den Gegner bezwingen können.

So dümpelten wunderschön gebaute Schiffe in den Häfen. Es besteht kein Zweifel daran, dass die französischen Schiffe über eine bessere Bauart verfügten. Sie waren leichter, schneller, wendiger -  aber das hat auch Nachteile: dünnere Planken sind leichter zu durchschießen. Und zu schnellem Segeln gehört auch eine ausgezeichnete Mannschaft, die trainiert sein will – was im Hafenbecken eher schwer zu bewerkstelligen ist.

Die europäischen Mächte wissen, dass Napoleon lauert, und es werden Allianzen geschmiedet, an denen England sehr interessiert ist.

Als Napoleon dessen gewahr wird, packt er seine Armee zusammen und zieht  am 26. August in den wohl genialsten Feldzug aller Zeiten, dessen Krönung Austerlitz ist. Die Legende, dass Napoleon wegen der Niederlage bei Trafalgar abgezogen ist, ist ein Märchen – aber dass er nicht mehr zu dem Vorhaben England zu erobern zurückgekehrt ist, daran ist sicher Trafalgar schuld.

Dass die Eroberung Englands nie stattgefunden hat ist sicher auch damit zu erklären, dass Napoleon seine Schiffe wie Armeen behandelt hat – bei seinem mangelnden Verständnis für maritime Abläufe und den Einfluss von Wind und Wetter, von Strömungen und Wellen konnte Napoleon dies nie erolgreich in seine Planungen einbeziehen. Und da er so ein dominanter Herrscher war, konnten ihm seine Berater und Admirale nicht klar machen, dass seine Pläne nicht wirklich durchführbar waren – zumindest nicht so punktgenau wie es der Kaiser wollte. Man kann eben gut gegen den Wind marschieren, man segelt aber äußerst schwierig gegen selbigen. Schon ein genaueres Studium der Schlacht gegen die spanische Armada hätte Napoleon sicher geholfen zu verstehen, was Gezeiten, Strömungen und Abwinde für entscheidende Segel- und Gefechtsfaktoren sein können.

Pierre VilleneuveNapoleon ist unzufrieden mit der Leistung seiner Marine. Er will den Oberkommandierenden  Pierre  Villeneuve (ein Adeliger, der durch Verbürgerlichung die Französische Revolution überlebt hat) durch Admiral Rosily ablösen lassen. Hiervon bekommt Villeneuve Wind und macht sich mit der Flotte aus Cadiz – einem äußerst guten, aber sehr schwer zu besegelnden Hafen – am 19. Oktober auf den Weg. Bei sich hat er eine gemischte Flotte aus 15 Spaniern unter dem Commando von Admiral Gravina (der Villneuve unterstellt ist)  und 18 Franzosen. Das gegenseitige Misstrauen ist sehr groß. Die Spanier hegen keine Sympathie für die Franzosen. Sie halten die Franzosen für feige und ihnen sind tief in ihren Herzen die Engländer „beim Arsch lieber als die Franzosen beim Gesicht“ (österr. Redewendung).
 
Bei einem Tage vorher stattfindenden Kriegsrat gehen die Herren Admirale sich fast an die Kehle – die weniger feinen Matrosen geraten immer wieder in den Straßen aneinander, und  so mancher Franzmann muss im Dunkel der  Nacht in finstren Gassen - vom Stahl durchbohrt - sein Leben lassen. Die Spanier zweifeln Villeneuves Führungsqualitäten an, und wahrlich war das einzig wirklich Bemerkenswerte in seiner Laufbahn, dass er die Schlacht bei Abukir (Nelson überrascht die ankernden Franzosen am 1./2. August 1798)  rechtzeitig verlassen und mit einem weiteren Linienschiff und zwei Fregatten nach Korfu entkommen konnte. (Übrigens wurde Nelsons Sarg aus dem Mast der L´Orient geschnitzt, die bei Abukir explodierte. Den Sarg bekam er übrigens noch zu Lebzeiten geschenkt – wozu hat man Freunde… ).
 
Andererseits ist es genau jener Villeneuve, der die kommende Taktik von Nelson vorhersagt und auch genau die richtigen Maßnahmen plant. Er gibt folgende Mitteilung aus:.

... sie werden keine Schlachtlinie formen, sie werden versuchen unsere Nachhut einzukreisen und diese abschneiden und sie zu zerstören versuchen. In diesem Fall soll jeder Kapitän seinen Mut (...) und angreifen und nicht auf Signale warten ...

 
Jetzt ist, glaube ich, ein Wort zur Seekriegstaktik fällig:
HMS VICTORY "Linienschiffe" werden die großen Segler genannt, da ihre Kanonen, im rechten Winkel moniert, mehr oder minder nur quer zur Fahrtrichtung feuern können (sozusagen schießen sie nur aus dem "Seitenfenster des Busses" hinaus). In Bug und Heck sind zwar Kanonen stationiert, aber eben nur wenige. Ein Standardlinienschiff war mit 74 Kanonen besitzt, besaß rund 33 Geschütze  nach jeder Seite, sowie zwei nach vorne und zwei nach hinten, ebenso Carronaden an Deck. Reihte man nun mehrere dieser Schiffe hintereinander und fuhr mit dem Gegner parallel oder auf entgegen gesetztem Kurs, war man eben "in Linie" unterwegs. Vor und hinter sich war man gleichzeitig gut von den eigenen Schiffen gedeckt.

Kreuzte ein Linienschiff die Fahrtrichtung, so zog das eine Schiff praktisch an allen Kanonen des Gegners vorbei – und hatte ausreichend Zeit, den Gegner entlang dessen Schiffsachse zu beharken. Das nannte man „Crossing the T“ und ist die allerwirksamste Möglichkeit dem Gegner zu schaden. Man kann am Bug wie am Heck (vorne oder hinten) vorbeiziehen.

Beim "Cross" sind die Kanonen teilweise doppelt und dreifach mit Kugeln geladen, und die spielten dann im Bauch des gegnerischen Schiffes ein Zerstörungsbillard, bei dem es einen wundert, dass da noch jemand überleben konnte. Bei einem ersten Cross konnten fast hundert Kugeln den Gegner treffen.

In dem getroffenen Schiff stürzen Kanonen um, die Menschen sterben an Kugeln und Holzsplittern. Es genügt, dass eine Kugel am Kopf vorbeizischt, um den Menschen zu töten, und selbst eine noch langsam rollende Kugel reißt einem Mann den Fuß ab. Daraus resultierend sind auch die Schiffsdecks mit Sand bestreut - um zu verhindern, dass die Seeleute im Blut ausrutschen.

In den Filmen und Beschreibungen tauchen immer die schönen Kabinen für Offiziere auf. In der Tat gab es diese, aber nicht in der Schlacht. In einem solchen Fall wurden nämlich alle Trennwände abmontiert und im Bauch des Schiffes verstaut – alles was irgendwie in diesen Bauch verstaubar ist kommt hinunter, und was nicht verstaut werden oder in die ans Heck des Schiffes angeleinten Boote gegeben werden kann, geht über Bord. So ist dann schon manches liebevoll gehegte Haustier dem Meer übergeben worden, und auch manche Seekiste ist über Bord gegangen, nur um ein Schiff möglichst rasch „Klar zum Gefecht“ zu machen. Ein Deck ist dann eine freie Ebene, die nur von Kanonen gesäumt ist – mit aufgestapelten Kugeln, einigen vorbereiteten Pulverladungen (in Blechbüchsen, damit sie nicht aus Versehen angezündet werden).
 
Kanonen auf der HMS VICTORY Die weiteren Pulverladungen werden meist von den Pulveraffen (Kindern, jungen Seeleuten und Frauen !!!)  aus dem Pulverraum geholt der sich im tiefen Bauch des Schiffes im Heckteil befindet. Das Pulver wird in Säcke gefüllt, die in der Herstellung über Holzmodeln genäht werden, um eine gewisse Gleichheit der Ladung zu garantieren.

Die schwersten Ladungen für die 32 Pfünder sind nur ins untere Kanonendeck zu tragen, darüber liegen die 24-Pfünder und nochmals darüber die 12-Pfünder und die Carronaden (64-Pfünder mit kurzem Lauf - eine Art Schrotkanone) befinden sich auf dem Oberdeck.

Übrigens hatte Napoleon bei Waterloo gerade mal 246 Geschütze und Wellington 156 – die meisten waren 4,6, 8 und 12 Pfünder.

Kleine Kanonenkunde (Maße lt. Angabe der Victory Society):
32 Pfund - Länge ca. 3 m - Gewicht 3.276 kg - Bedienung: 14 Mann
24 Pfund - Länge 2,8m -    Gewicht 2.923 kg - Bedienung: 12 Mann
12 Pfund - Länge  2,7m - Gewicht 2.021 kg - Bedienung 8 Mann
09 Pfund - Länge 1,7m -  Gewicht 1.500 kg - Bedienung: 6 Mann
Carronaden - 68 Pfd. Länge 1,6 m - 1.764 kg - Bedienung 8 Mann
Die britischen Pfund haben 4,53 kg und geben das Geschoßgewicht an. Die Carronaden wurden wie Schrotgewehre mit Kartätschen verwendet, um auf kürzere Distanz in erster Linie die gegnerischen Decks von Mannschaften zu befreien. Diese gab es auch als 36, 24 und 18 Pfd. Kugelgewicht. Folgende Kaliber ergeben sich aus den Pfundangaben:
12-Pfünder: 11,50 cm
18-Pfünder: 13,10 cm
24-Pfünder: 14,40 cm
32-Pfünder: 16,10 cm
68-Pfünder: 20,40 cm

 
Laden einer Kanone Schussweiten sind so theoretische 1.800 m und mit Ricoschettieren (wie beim Steinewerfen am See schlägt die Kugel mehrmals auf dem Wasser auf) geht´s noch um einiges weiter – effektive Reichweite sind ca 450 Meter). So ein Ziel ist ja ca. 70m lang und 35m hoch – es klingt viel, aber wenn sich Ziel und Schütze bewegen, bleibt nicht mehr viel. Kernschussweite sind 320 m, mit Doppelladung 90 m – hier gilt die Flugbahn als gerade. Durch das Dosieren der Ladung und Einstellen der Erhöhung (bis ca.7°) werden Wirkung und Reichweite dosiert.
 
Die Schiffe waren nicht nur so schwer und mehrlagig gebaut um dem gegnerischen Beschuß stand zu halten, sondern auch um zu verhindern, dass die eigenen abgefeuerten Kanonen nicht die Struktur des Schiffes zerstören. Eine Breitseite, die von allen Geschiützen gleichzeitig abgefeuert wird, erschüttert das Schiff enorm und bewegt es auch!

Die nicht fest montierten Kanonen sind so festgebunden, dass sie um ihre eigene Länge zurückrollen können und dann von den Tauen abgefangen werden – sonst würden sie das Schiff nach hinten verlassen. Der Rücklauf beträgt bis zu 18 Meter. Dies birgt gewisse Risiken, hat jedoch den Vorteil, dass die Kanone so besser geladen werden, und dann mittels der Taue wieder ausgefahren werden kann. Je länger eine Kanone feuert, desto bockiger wird sie, und desto stärker ist der Rückstoß.

Die Breitseite der Victory hatte ein Kugelgewicht von rd. 500 kg, die mit einer Salve abgeschossen werden konnten – ein Standardlinienschiff  rd. 400-450 kg.

5 Schuß in drei Minuten sind angestrebt – aber im Kampf kaum durchführbar – jedenfalls lässt sich ein Durchschnitt von 3 britischen Schüssen gegenüber  2 Schüssen spanisch/französischer Schiffe errechnen – was wiederum mit der enormen See- und Kampferfahrung der Briten zu erklären ist. Während also ein Brite so 90 Schuss abgibt würde, käme sein Gegner gerade mal auf 60, und das ist schon ein wesentlicher Unterschied.
 
Dazu kommt, dass gerade die Franzosen immer bevorzugt auf die Takelage gezielt haben, um den Gegner manövrierunfähig zu machen. Dies mit dem Ziel, ihn dann - segeltechnisch - sozusagen "abzumurksen". Die Briten wählten eher den direkten Weg in die Hülle des Gegners, versuchten ihm die Feuerkraft zu nehmen, und ihn möglichst schwer an Mannschaft und Struktur zu schädigen.

Die Wahrscheinlichkeit einen Treffer in der Hülle zu landen ist höher als jene, dem Gegner einen Mast abzuschießen – der ist einfach schwerer zu treffen weil auch dünner. Schießtests haben ergeben, dass eine 18 Pfd. Kugel auf 27 m eine 80 cm Eichenbohle durchschlägt – und die Distanzen waren in der Schlacht teilweise noch viel kürzer. Hier trägt auch die Bauweise  der Schiffe dazu bei, ein Schiff zu schützen. Die britischen Schiffe waren schwerer gebaut und dicker beplankt – aber eben meist nicht so feine Segler wie die der Franzosen.

Die Spanier hatten über Jahrhunderte eigene Erfahrungen gemacht und ihnen ist der Spagat  zwischen Feuergewalt und Schnelligkeit noch am Ehesten geglückt, sie mussten hohe Feuerkraft haben um ihre Goldkonvois aus Amerika zu schützen, und zugleich sollten sie gut segeln. In jedem Fall bauten sie die größten und mächtigsten Segler dieser Zeit.

Zurück zur Schlacht:
Die Aufstellung der Schiffe Als die Alliierte Flotte am 19. Oktober die Segel hisst und anfängt Cadiz – diesen winkeligen, schwer zu befahrenden Hafen – zu verlassen, dauert es genau 2 Stunden, bis Nelson mit seiner 50 Seemeilen (90km) entfernten Flotte über Signalschiffe in Kenntnis gesetzt ist. Die Fregatte Euryalus steht als Wachboot vor dem Hafen und gibt die Signale an weiter entfernt stehende Schiffe weiter. 
Für Nelson gilt es nun, den Feind zu erwischen. Er  muß sich nicht groß beeilen, denn der Gegner braucht auch noch den 20. Oktober um aus Cadiz hinaus zu kommen. Wind und Wetter sind launisch, und es bedarf großer Seemannschaft, um damit umzugehen.

Die Franzosen segeln südwärts Richtung Gibraltar, um im Mittelmeer zu operieren. Die Flotte besteht aus einer Vorhut unter Alva y Navarrete mit 7 Schiffen, einer Hauptmacht unter Vielleneuve mit 7 Schiffen, einer Nachhut mit 7 Schiffen unter Dumanoir de Pelley, und der eigentlichen taktischen Antwort auf die geplante Durchstoßaktion, welche die Briten durchführen wollen: Eine Parallellinie leewärts (windabgewandte Seite) aus 12 Schiffen unter Admiral Gravina. Sollten nun die Briten die Linie eins durchstoßen, würden sie sofort von Linie zwei attackiert, und gerieten selbst ins Feuer zweier Schiffe – eine perfekte Antwort, und der Beweis dafür,  dass die Taktik Nelsons weder neu noch überraschend war.

Vielleneuves Flotte war in nicht ganz perfektem Zustand – eine Gelbfieberepedemie hatte im Jahre 1804 allein in Cadiz 2.600 Männer aus den Seebaracken hingerafft, und da die Bemannung der Schiffe in allen Flotten ein Problem war, fehlten auch hier einfach die Seeleute, um auf vollen Mannschaftsstand zu kommen. So wurde auch eine Truppe Gaukler in Kostümen auf die Schiffe gepresst.
 
Ein Großteil der Schiffe hatte erst eine lange Reise in die Karibik hinter sich, mit der ursprünglich bezweckt worden war, die Engländer zu täuschen und wegzulocken, um den Kanal frei zu bekommen usw. – alles für die Katz. Stattdessen gab es viele Tote auf den Schiffen durch Krankheiten, und natürlich viele Dinge, die auf einem Schiff  ersetzt werden müssen. Einige Schiffe hatten noch Schäden eines vorhergehenden Seegefechts, bei dem die Spanier tapfer kämpften, aber irgendwie wuchs der Eindruck in ihnen, dass die Franzosen sich nicht so richtig ins Zeug gelegt hätten – ein Vorwurf,  den sie den Franzosen gerne machen. Dies ist aber eine andere Schlacht.
 
(Übrigens werfen die Spanier als gute Christen ihre Toten nicht über Bord ,sondern bringen sie in geweihter Erde unter – mit Zwischenlager im Bauch des Schiffes – auch einige Franzosen bevorzugen als letzte Ruhestatt geweihte Erde. Nun unterlagen die Toten einfach der völlig normalen Verwesung, die Kadaver verfaulten – angenagt von Ratten im tiefsten Schiffsbauch. So gesehen war die Englische Methode - jeden gefallenen in der Schlacht sofort über Bord zu werfen  - schlicht und ergreifend eine hygienische Sofortmaßnahme)

Admiral Horatio NelsonNelson war in Eile – für ihn galt, dass er eine Schlacht schlagen wollte, und zwar um jeden Preis – der Mann war nicht feige – sein ganzes Leben lang nicht.
Er erklärte seinen Kapitänen noch die Taktik, und dass es ihm einfach wichtig war 1. die Linien zu durchstoßen und 2. danach eine Pell-Mell-Schlacht zu schlagen. Pell-Mell bedeutet  ein Schiffsdurcheinander zu schaffen, in dem die höhere Feuerkraft kombiniert mit der festeren Schiffsstruktur die eigentlichen Segeleigenschaften in den Hintergrund treten ließ.
 
 Da eine Flotte immer nur so schnell ist wie ihr langsamstes Schiff, kam Nelson nicht so recht in Fahrt, aber ob der kurzen Distanzen reichte es letzten Endes doch, und am 21.Oktober wird des Morgens Villeneuve das Auftauchen einer gegnerischen Flotte gemeldet. Er rechnet sich aus, dass er es nicht mehr durch die Straße von Gibraltar schafften wird, und entscheidet, um 08 Uhr morgens, die Flotte umdrehen zu lassen. Ziel ist es, Cadiz im Gefecht im Lee liegen zu haben, und es eventuell sogar noch zu erreichen.

Nun wendet man ein Schiff nicht so einfach wie ein Auto. Das Manöver  verursacht ein Chaos - ein wildes Herumgesegel beginnt, und am Ende hat sich die so gut gedachte Formation in eine schlampige Linie geformt, zu der eine andere schlampige Linie  parallel läuft. Sicher ist dieses Manöverchaos auf nicht allzu gut eingespielte Mannschaften und Offiziere zurückzuführen. Die Franzosen haben im Zuge des Köpferollens der Revolution das meist adelige Marineoffizierskorps zu 80 % hingerichtet oder aus dem Land getrieben – ein Aderlass an Erfahrung und Wissen in einem Gewerbe, in dem man in England frühestens nach 20 Jahren Kapitän werden konnte (allerdings konnte man währenddessen in England einen Oberstposten in der Landarmee kaufen). Bei den Spaniern waren alle gestandene Seeleute, und doch fehlte es an Praxis und Mannschaften. Gravina bemerkt zu dem Manöver:
 

... der französische Admiral versteht sein Geschäft nicht – er wird uns alle umbringen....



So versuchen die Alliierten sich wieder zu formieren und nach Norden zurückzusegeln, als um 10 Uhr der Abstand der Flotten nur noch ca. 5 Meilen beträgt. Es entsteht also eine schlampige Linie – entgegen dem ursprünglichen Plan. Die Engländer planen in zwei Schlachtlinien den Gegner anzugreifen – ein kluger Zug, denn so hat man ein Drittel des Gegners vorerst nicht im Kampf,  kann sich auf die anderen zwei Drittel konzentrieren und möglicherweise schon eine erste Entscheidung herbeiführen.

Die nördliche Schlachtschifflinie (Weather Colummn – weil dem Wind zugewandt) führt Nelson auf der Victory (100 Kanonen, 40 Jahre, zweimal generalüberholt, alt aber gut, Kapt. Hardy) selbst an. Als ihn die schnellere Neptune (98 Kanonen) überholen will, wird sie zurückgepfiffen. Die südliche Linie wird von Nelsons Freund Collingwood auf der Royal Sovereign angeführt (100 Kanonen, Kapt. Rotheram).

Um 11:45 Uhr ergeht das Signal von Nelson welches ursprünglich lautete :

Nelson confides every man to do his duty (Nelson vertraut darauf, dass jeder Mann seine Pflicht tut)

- aber da hatte der Signalgast doch Einwände: Im Signalbuch gab es keine Kurzsymbole für "Nelson“ und „confide“, so hätten diese beiden Wörter buchstabiert werden müsse. Das hätte sehr  viel Zeit gebraucht. Und so konnte mittels raschen Zahlen/Farbmustercode das Signal

England expects every man to do his duty (England erwartet, dass jeder Mann seine Pflicht tut)

gehisst werden – berühmt, aber von einigen Zeitgenossen eher als lahm bekrittelt..
 
Jedenfalls war das allerletzte Signal der Victory kurz vor dem Touchdown

Engage the Enemy more closely (Näher ran an den Feind).

 
Es geht losWährend die Britischen Schiffe auf den Feind zufahren, werden sie natürlich beschossen. Kugeln richten auf solche Distanzen keinen allzu großen Schaden an – auch nicht im Segeltuch – größer wird der Schaden bei Balkenkugeln (zwei Halbkugeln mit einer Eisenstange verbunden) oder bei Kettenkugeln, die sich irgendwo einhängen und zu taumeln beginnen.

Der einzig wirklich wesentliche Verlust ist allerdings Kapitän Duff von der Mars (74 Kanonen), dem der Kopf weggeschossen wird. Da tritt automatisch der nächste ranghöhere Offizier in den interimistischen Kapitänsrang. Das kann bis hinunter zum Fähnrich gehen.

Collingwood ist der Erste in der Schlacht – die Royal Sovereign  gleitet um ca. 12:20 Uhr zwischen der Fougeux (74 Geschütze) und der St. Ana (112 Geschütze) durch und feuert aus allen Rohren – es wird noch 15 Minuten dauern, bis das nächste Schiff seiner Linie ihm zu Hilfe eilt – namentlich die Bellisle (74 Geschütze).
 
Der Reihe nach trudeln nun die Schiffe der Lee-Kolonne ein, und wirklich bemerkenswert ist wohl der Kampf der Bellerophon (74 Geschütze, der Mann, der in der griechischen Mythologie die Chimäre tötet). Sie muß zeitweilig gegen 5 gegnerische Schiffe bestehen – verliert Haupt- und Besanmast (das ist der hintere Mast), diverse Segel über den Hauptsegeln und einmal stürzt sogar eine Granate bis hinab in die Vorkammer des Munitionsdepots – explodiert dort so, dass sie die Türe ins Depot zuschlägt und die andere aus dem Depot aufreißt – Glück gehabt.

Diese Depots sind mit nassen Filzdecken abgehängt, es gibt kein offenes Licht , alle tragen Filz damit kein Funke entstehen kann, nichts an den Leuten dort ist aus Metall. Die einzige Lichtquelle liegt hinter dünn geschabten Schildkrötenpanzerblättchen verborgen (= Schildpatt).
 
Rauchverbot herrscht auf einem Kriegsschiff ja sowieso (außer in der Küche und an bestimmten Deckspositionen). Die Aigle (74 Geschütze) will die Bellerophon zweimal entern, und beide Male wird die Entermannschaft (mind. 100 Mann) von den Carronnaden an Deck weggeblasen, alsbald die Revenge (74 Geschütze) zu Hilfe kommt, und da hat dann die Bellerophon noch die Kraft die Monarca (74 Geschütze) zu entern. Als dann in dem südlichsten Abschnitt des Kampfes der Leekolonne gegen die ursprüngliche Vorhut und jetzige Nachhut noch der Reihe nach die anderen Briten eintreffen, bricht dort der Kampf schon um ca. 14:00 Uhr ab. Hiermit ist das Meiste dann  auch schon vorbei – aber wenden wir uns dem wohl heißesten Platz in der Schlacht zu.

Die Victory verliert bei der Anfahrt durch einen unglücklichen Treffer das Steuerrad – ein unangenehme Sache (vermutlich auch für den Steuermann) - denn nun müssen ca. 40 Mann unter Deck mit Seilen und mittels mündlich übermittelter Befehle das Schiff steuern. Darüber hinaus hat sie einige Treffer in der Takelage gefangen. Sie segelt hinter die Boucentaure, Villeneuves Flaggschiff (80 Geschütze, der Name hat nichts mit dem Zentauren zu tun, sondern ist in Anlehnung an die goldene Barke des Dogen von Venedig benannt) und vor der Redoutable (74 Geschütze) durch die gegnerischen Linien.

Die Geschichte vermeint, dass Nelson sich auf die Redoutable gestürzt hat, aber ich sehe es eher umgekehrt. Der Befehlshaber der Redoutable ist ein gewisser Jean Jacques Lucas, der seine Mannschaften im Hafen darauf gedrillt hat, den Gegner im Nahkampf zu besiegen (wohl aus der Not heraus geboren, dass man im Hafen eben besser Nahkampf als Kanonenkampf üben kann). Er hat seine Leute dazu ausgebildet, mit Handgranaten (Tontöpfe mit Sprengladung und Splittern) sowie mit massivem Musketenfeuer aus den Nestern im Mast maximalen Schaden am gegnerischen Oberdeck anzurichten. Als die Schiffe sich praktisch Rohr an Rohr gegenüberstehen, lässt Lucas die Luken der untersten und schwersten Batterien schließen, um die Mannschaften zum Entern bereit zu haben.

Derweil beharken die französischen Musketenschützen das Oberdeck der Victory.  Nun muß sich unsereiner vorstellen: Da spaziert ein Nelson im Sonntagsstaat und sein Kapitän - so wie jeder andere Offizier auch – in aufrechter Weise über das Deck.

Nelson wird im Getümmel der Schlacht getroffen Es war einem Offizier grundsätzlich untersagt, sich irgendwo in Deckung zu werfen oder in ähnlicher Weise Schutz zu suchen – hier war Vorbild und Mut alles – und den muss man angesichts dieses Beschusses auch haben, um nicht in einem „Fass“ Schutz zu suchen. Mannschaften durften oftmals auf Befehl in Deckung gehen, und es war sogar erwünscht, dass sie sich hinlegten, um im Eventualfall nicht unnötig dem feindlichen Feuer ausgesetzt zu sein. Das kennen wir auch von Wellington, der seine Soldaten oft niederlegen ließ, um sie nicht sinnlos erschießen zu lassen.

Tests haben ergeben, dass ein guter Schütze aus dem Besanmast zu dem Platz wo Nelson auf und ab ging, ca. 40 m zu schießen hatte, und auf diese Distanz auch mit einer glattläufigen Muskete relativ leicht treffen konnte – bei  etwa 10 Schüssen 9 Treffer. Und so wird´s wohl gewesen sein, denn um 13:20 Uhr wird Nelson getroffen, und dieser Schuß wird sich als tödlich erweisen. 1,7 mm weiches Blei mit hoher Anfangsgeschwindigkeit treffen den Admiral schräg von oben. Nelson ist sich der schwere der Verletzung bewusst. Er wird ins Orlopdeck (angeblich eine deutsche Bezeichnung – aber Genaues kann keiner sagen) gebracht, wo der Schiffsarzt  Daueramputationen bei Minimalbeleuchtung durchführt, .

Nelson stirbt Welche harten Menschen sich da versammelten, kann man sich kaum vorstellen – da gab es Leute, die nach der Amputation eines Arms wieder in die Schlacht gezogen sind – allerdings waren die Amputationsinstrumente auf Nelsons Anregung hin wenigstens vorgewärmt (als er seinen rechten Arm durch Amputation verlor war das Einzige, was ihm angeblich wirklich schmerzte, die kalten Instrumente – sprich Säge und Messer). Amputierte Teile werden ins Meer geworfen – das Orlop liegt an der Wasserlinie. Verstorbene landen auch umgehend im Wasser. Nelson stirbt, als er vom Ende der Schlacht mitgeteilt bekommt. Er hört, dass 18 Schiffe erobert sind und murmelt angeblich noch „Danke Gott, ich habe meine Pflicht getan“. Er stirbt gegen 16:30 Uhr. Zum Haltbarmachen kommt er in ein Fass Brandy, und es wird gesagt, man habe es in England den Seeleuten als "Nelson's Blood" ausgeschenkt.

Für die Schlacht hat Nelsons Tod keine Bedeutung mehr – Rauch und Lärm machen jede Kommunikation extrem schwierig. Villeneuve versucht die Vorhut unter de Pelley mittels Kommando zurückzurufen damit sie in die Schlacht eingreifen, aber angeblich sehen die das Flaggensignal nicht (und die Schlacht haben sie auch nicht wirklich bemerkt und all dieser Lärm ... 10 Schiffe, die nicht sofort umdrehen und an den Feind gehen. Nelsons  Rechnung geht auf).

Es gibt einen Zeitpunkt, da ist am Oberdeck der Victory kein Mensch mehr – die  Männer der Redoutable bereiten sich auf das Entern vor, als die Temeraire (98 Geschütze) längsseits geht und mit ihren Carronaden die Entermannschaft erledigt. Danach wird die Redoutable selbst geentert – von ihren 643 Seeleuten sind 300 tot und 200 verwundet.

Die kleine Neptune (98 Geschütze) schießt die Santissima Trinidad  - das größte Schiff seiner Zeit mit 140 Kanonen – zur Aufgabe. Ohne Masten ist dieser Riesenpott unfähig zu manövrieren. Die kleine Africa (64 Geschütze) erreicht dann die Übergabe. Ein wenig wie die Ameisen um den Käfer.

Die Boucentaur wird im Zuge des Geschehens von der Neptune (98 Geschütze), der Leviathan (74 Geschütze) und der Conqueror (74 Geschütze) im T gekreuzt und bekommt drei doppelte Breitseiten entlang der Schiffsachse ab. Danach gibt sie auf, und Villeneuve geht in Gefangenschaft.

Während der SchlachtDie Vorhut dreht nun gegen 03:00 Uhr um – viel zu spät und viel zu zaghaft. Der Wind ist sehr schwach, und somit müssen teilweise Boote ausgesetzt werden, um die Schiffe wieder in den Wind zu drehen. Dazu kommt, dass de Pelley eine halbe Meile entfernt am Schlachtgeschen vorbei südwärts steuert.

Collingwood – in Kenntnis gesetzt von der schweren Verwundung Nelsons und nun Oberbefehlshaber – schickt Spartiate und Minotaur sowie weitere 5 Schiffe, um der Bedrohung der nun kommenden Vorhut etwas entgegen zu setzen. Üblicherweise erfolgte dies mit Flaggensignalen, aber im dichten Rauch könnte es auch mittels Booten erfolgt sein.  Die Beiboote waren übrigens normalerweise an Deck,  wurden aber in der Schlacht hinten angebunden und nachgezogen. An Deck wären sie sicher zerschossen worden, und die Splitter hätten unverhältnismäßig schwere Verwundungen herbeigeführt. Es sind sowieso die Splitter, die den größten Schaden an den Seeleuten anrichten.

In dieser Gruppe der Vorhut befindet sich auch die Intrepide (74 Geschütze) unter Luis Infernet – er steuert direkt auf das Flagschiff seines Admirals zu – die Redoutable – um ihn zu retten. Man nannte ihn einen "noblen Verrückten" als er dies wagt, und er kam auch nicht allzu weit, denn der Intrepide wurden alle Masten abgeschossen, und damit war die Aktion gelaufen – aber mutig war es dennoch.

Es zeichnet sich ab, dass die Schlacht nun für die Alliierten verloren ist. und die Ersten verlassen den Schlachtort. Die Principe de Asturias (112 Geschütze) – Gravinas Flaggschiff – wird von der Fregatte Themis (40 Geschütze) abgeschleppt, und alle Schiffe, die sich lösen können, folgen nun der Asturias.

Die Aufgabe der Fregatten in der Schlacht war generell keine Kämpfende, dazu waren sie zu schwach gebaut, eine 32-er Breitseite würde sie zerstören - aber sie waren für die schnelle Übermittlung von Botschaften, Aufklärungsarbeiten, Rettungs- und Abschleppaktionen, beweglicher Seekrieg, Kaperungen usw. gemacht und so etwas wie die Falken der Meere.

 Einen Schlußpunkt hat diese Schlacht dann auch: Schiffe bestehen aus Holz, Tauen und Segel – all das brennt sehr gut. Vor allem die Taue, denn sie werden immer mit all dem Fett eingeschmiert, das am Schiff anfällt – Kochfett, das im Topf bleibt, ranzige Butter, alter schleimiger Käse und natürlich Teer – denn sonst würden sie völlig vertrocknen und spröde werden, was ihnen die Elastizität nehmen würde.

All dieses Fett brennt natürlich gut. Wenn nun ein Segel oder Tauwerk weil es abgeschossen wurde von der Takelage auf die Schiffsseite fällt, kann es passieren, dass eine Kanone abgefeuert wird, und eben solches in Brand setzt. Normalerweise achten die Kanoniere sehr darauf, dass dies nicht passiert. Es gibt Augenzeugenberichte die schildern, dass Schiffe, die Kanone an Kanone lagen und sich beharkten, sogleich die Feuer am gegnerischen Schiff löschten (sozusagen gegenseitig) und dann weiterfeuerten. Feuer wünschte man nicht mal seinen ärgsten Feind, und wer will schon, dass das gegnerische Schiff verbrennt? Wenn es die eigene Regierung dann ankauft, ist es ein Vermögen wert. Und da jeder sein Prisengeld erhält, ist dies für einen sparsamen Mann eine Möglichkeit reich zu werden – gäbe es da nicht den Alkohol und die leichten Damen...

Das Ende der Schlacht ist nahDie Achille (74 Geschütze, Französisch – es gibt auch eine englische Achille) liegt mit der Prince (98 Geschütze) im Kampf, als die Achille in der Takelage zu brennen beginnt. Mitten im Löschen erhält der Mast einen Treffer und stürzt auf das Deck, und nun bricht das Feuer richtig aus. Sofort wird der Krieg kurzfristig unterbrochen, und die Evakuierung beginnt – es werden die Seeleute des Gegners aufgenommen, zugleich muss man aber Abstand gewinnen, denn bei der Explosion sollte man nicht mehr in der Nähe sein. So konnten von den 499 Mann auf der Achille rund 100 gerettet werden. Die Achille explodiert um ca. 17:45 Uhr – allerdings gibt es auch Zeugen, die steif und fest behaupten, es war  19:00 Uhr – aber in einem Zeitalter, in dem Uhren nach dem Sonnenstand justiert wurden, und noch dazu in den relativen Wahrnehmungen während einer Schlacht, macht dies die „Wahrheitsfindung“ manchmal nicht gerade leicht und erklärt die oft so verschiedenen Berichte einer Schlacht.

Was bleibt von so einer Schlacht ? Eine blutige Bilanz in jedem Fall.
18 von 33 Alliierten Schiffen werden von den Briten zur Aufgabe gezwungen und somit Prisen. der Briten Allerdings in welchem Zustand – Emmentaler in Holz – wenn man sich vorstellt, dass der Schiffszimmermann eine gewisse Menge an Kanonenstopfen vorbereitet hat, die er in die Einschusslöcher um und unter der Wasserlinie (mit Leinen umgeben) einschlägt, damit das Wasser nicht weiter eindringt – eine unglaubliche Aufgabe nach so einem Gefecht.

Ca. 1.000 tote Spanier und derer 1.400 verwundet, bei den Franzosen sind es 3.400 Tote und 1.100 Verwundete – dazu kommen dann noch 7.000 Gefangene beider Nationen. Hingegen haben die Briten 449 Tote und 1.200 Verwundete – also nur ein Zehntel an Toten.
 
Der Erklärungen sind viele  - die Summe der taktischen Bewegungen durch das gekreuzte T, die schwereren Schiffe, die höhere Feuerkraft durch bessere Ausbildung, und viele Kanonen mit Steinschloß, Carronaden am Oberdeck, hohe Seemannschaft ... Einer der Gründe allein wird es nicht gewesen sein.

Was bleibt nach der Schlacht – der Versuch zu retten, was man gerade noch versucht hat zu zerstören. Eroberte Schiffe machen den Eroberer meist reicher, sofern sie von der Admiralität angekauft werden. Das Geld wird nach einem genauen Schlüssel aufgeteilt, und jeder am Schiff bekommt sein Teil.

Das Geld wurde zu Nelsons Zeit in Achteln verteilt:
  • 3/8 der Kapitän;
  • 1/8 Marineleutnants, Schiffsarzt, Bootsmann, Kanonenmaster, Kaplan, Mastersgehilfen, Zahlsmeister, Schiffszimmermann;
  • 1/8 für die Unteroffiziersklassse und
  • 1/8 für den Rest der Mannschaft.
 
Ein zerschossenes Linienschiff brachte nicht allzu viel, aber die legendäre Manilagalleone brachte einem Unteroffizier über 1000 Guineen.

Kaum haben die Schiffe die Schlacht beendet, werden die Prisen ins Schlepptau genommen, und man versucht sie in den nächsten Hafen (Gibraltar) zu bringen.

An sich eine langwierige aber machbare Sache, leider in diesem Fall eine beinahe unmögliche, denn ein schwerer Sturm kommt auf. Einer der letzten Befehle Nelsons war, dass nach der Schlacht gleich geankert werden sollte, dies taten sie aber nicht. Schließlich war es so, dass sich die eigenen Schiffe teilweise nur noch mit Mühe über Wasser halten können. Notmasten werden gesetzt und alles Können aufgeboten. Teilweise fehlen die Anker.

Nun begann ein Überlebenskampf, den auf allen Schiffen alle Beteiligten gemeinsam führten – Englische Prisenbesatzungen mussten versuchen, die Schiffe und sich selbst mit Hilfe von Französischen und Spanischen Feinden zu retten. Das Meer kümmert sich nicht um die kleinen Animositäten und tötet gerecht. Die Bilanz ist grausam: Nur vier Prisen kommen an und werden später auch in die Royal Navy übernommen, 11 laufen auf Grund oder gehen unter, teilweise spielen sich dramatische Szenen ab, in denen versucht wird, die Verwundeten im schweren Seegang zu bergen. 2 werden angezündet und aufgegeben. Eines der Schiffe wird zurückerobert und entkommt nach Cadiz (die nun gefangene Prisencrew wird dort auf das Allerhöflichste behandelt und später ausgetauscht). Vier Schiffe der Vorhut mit Dumanoir, die entkamen, wurden am 4. November in der Schlacht von Cap Ortegal erobert.

Das wirklich Entscheidende ist, dass nach dieser Schlacht Napoleon seine Pläne für eine Eroberung Englands vorläufig ad acta legt und sie auf Grund der nun bestehenden Überlegenheit (die eher in der Moral als in der Anzahl der Schiffe liegt) nie wieder in Erwägung zieht. Somit hat diese Schlacht England gerettet, und auch die Spanier kämpfen in näherer Zukunft gegen die Franzosen und stellen auch ihr maritimes Potenzial an die Englische Seite. Nichtsdestotrotz nehmen die Franzosen ein ehrgeiziges Programm in Angriff und bauen Schiff um Schiff – aber wirklich wirksam werden diese nicht, und die 150 geplanten Schiffe, die Napoleon nach England bringen sollen, werden nicht mehr fertig – da ist des Kaisers Zeit schon vorbei.

Diese maritime Überlegenheit macht es später Wellington möglich, Spanien von den Franzosen zu befreien – Spanien bindet viele Truppen, die Napoleon dann doch sehr fehlen werden.

Bellum Leonicum

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