Eine »unheimliche« Mischung - Dämonenkiller – Die Taschenbücher: Zu Gast bei Drakula
Zu Gast bei Drakula
Zu Gast bei Drakula
Der Amerikaner John Hamilton, ein Wissenschaftler, reist mit seiner Frau Victoria und seiner Schwägerin Carolyn ins kommunistische Transsylvanien. John und Victoria führen Tagebuch über die Reise, Carolyn schreibt ein paar Briefe. John ist Erdbebenforscher mit einem Forschungsauftrag. Ihr rumänischer Führer/Aufpasser bringt sie nach Schloss Drakula. Carolyn ist die Erste, die den Bezug zu dem Roman von Bram Stoker und den Dracula-Filmen herstellt, aber Hamilton als Wissenschaftler hat für solchen Unsinn genauso wenig übrig wie der kommunistische Aufpasser Skinsky, der scharfzüngig darauf hinweist, dass Stoker den Rumänen nur verunglimpft hat, indem er dessen Namen mit C schrieb.
Das Ehepaar Petrof spielt auf dem abgelegenen Schloss Verwalter. Hamilton hat an dem Ort nichts auszusetzen, die sensible Victoria findet ihn unheimlich, und Carolyn ist abenteuerlustig. Im Keller finden die Amerikaner prompt ein Skelett mit einem Pfahl im Brustkorb, den der nüchterne Wissenschaftler verächtlich rauszieht.
Die Petrofs machen sich aus dem Staub, dafür steht am Abend ein Mann vor der Tür, der sich als Graf Drakula ausgibt. Ein entfernter Erbe des einstigen Schlossbesitzers, der sich als Skinskys Nachfolger ausgibt und vier Frauen mitbringt. Hamilton findet den Mann widerlich, Victoria ihn unheimlich und Carolyn himmelt ihn an.
Bald trennt sich die mittlerweile leichenblasse Carolyn mit einem Brief von ihrem Verlobten, während Victoria fest davon überzeugt ist, dass Drakula eben Drakula ist. Hamilton droht dem Grafen Prügel an, wenn er die Finger nicht von seiner Schwägerin lässt, hat aber Angst vor den politischen Problemen, die ihm so etwas mit den Kommunisten einbringen könnte. Die Befürchtungen seiner Frau, es mit einem Vampir zu tun zu haben, nimmt er hingegen nicht ernst. Und Drakula lacht ihn aus und knabbert ungeniert an Carolyns Hals, was der jungen Frau sehr gefällt.
Tagsüber hat sie plötzlich Gedächtnislücken und kann sich an nichts mehr erinnern. Hamilton will abreisen, aber Drakula setzt ihn unter Druck. Er droht, ihn bei der Regierung anzuschwärzen. Hamilton will die Frauen wegschicken. Dagegen hat der Graf nichts einzuwenden. Kurz vor der Abreise hat Carolyn dann plötzlich Fieber und kann nicht reisen.
Hamilton entdeckt am Tag die scheinbar von Wölfen zerrissenen Petrofs. Damit konfrontiert ist das Drakula egal, die Wälder sind halt gefährlich. Als Hamilton mit seinen Frauen die Flucht ergreifen will, entdeckt er, dass Drakula sie im Schloss eingesperrt hat. Beim herumschnüffeln findet er dann den im Sarg schlafenden Vampir. Hamilton will ihn pfählen, aber Carolyn geht dazwischen und behauptet, dass auch sie dann sterben müsse.
Kurz darauf will sie ihren Schwager verführen. Drakula präsentiert dem Wissenschaftler von ihm verfasste Briefe, die seine Ausreise nach Amerika bewerkstelligen wollen. Als der Vampir wieder von Carolyns Blut trinkt, können sie ihn mit einem Kruzifix vertreiben.
Drakulas Vampirfrauen tauchen auf und nehmen sich Hamilton vor; beeinflusst unterschreibt er die Papiere. Der Graf öffnet ihnen das Schlosstor. Aber sie können nicht weg. Wölfe blockieren ihnen den Weg. Hamilton fällt der rettende Ausweg ein. Mit dem Dynamit, das er für seine Forschungen brauchte, sprengt er ihnen den Weg frei. Dann konfrontiert er den Vampir in seiner Gruft. Er kann Drakula pfählen, aber Carolyn überlebt das nicht. Hamilton und seine Frau können fliehen, das Schloss stürzt ein und begräbt das Skelett des Grafen.
Britische Rezensionen bezeichneten den Roman als überflüssigsten Vampirroman aller Zeiten. Sie haben nicht unrecht.
Der Aufhänger des Romans ist die geniale – oder je nach Geschmack witzlose – Idee, den ersten Teil von Bram Stokers Roman vor einem damals zeitgenössischen Hintergrund nachzuerzählen. Und das meine ich wortwörtlich. Das ist keine Hommage an Stoker, nichts mit augenzwinkernden Anspielungen. Es ist ein Best of von "Jonathan Harkers Tagebuch", der ersten vier Kapitel von "Dracula". Im Prinzip wird jede Szene nacherzählt. Also bekommen die Hamiltons auf ihrer Reise in Bistritz Paprikahähnchen serviert, wobei der "Witz" dann ist, dass es nie wieder etwas anderes gibt, worüber sich Victoria ständig in ihrem Tagebuch beklagen kann. Auf dem Pferdekarren zum Schloss werden sie von Wölfen gejagt. Es gibt die Rasierspiegel-Szene, es werden die Briefe vordatiert, die Wölfe verhindern die Abreise, Draculas Frauen verführen Harker, Dracula klettert die Mauer herunter, Hamilton/Harker findet den schlafenden Vampir und kann ihn nicht töten. Das alles nur in veränderter Reihenfolge und verwässert. Im Original ist das sogar noch ausgeprägter, da finden sich aus dem Stoker-Roman übernommene Kerndialoge.
Über das moderne Element kann man streiten. Das Thema Kommunismus ist allgegenwärtig – der Roman erschien 1973 in Amerika. Der den ausländischen Gästen zugeteilte Führer erstattet brav schriftlichen Bericht über die Fremden, alles ist ärmlich und grau. Der Vergleich mit Kim Newmans ungleich süffisanterem und bösartigerem Portrait von Ceausescus Rumänien in "Coppola's Dracula", einem Teil seiner "Anno Dracula"-Serie, mag unfair sein, konnte Newman aus den Informationen nach dem Fall des Regimes schöpfen. Genauso unfair dürfte der Vergleich mit Dan Simmons' eindringlicher Darstellung von Land und Vampiren in "Kinder der Nacht" sein. Das kann und will der Roman nicht leisten. Trotzdem ist es schade, dass der Autor da so an der Oberfläche bleibt.
Obwohl, was gerade das angeht, muss man einige Verwässerungen den Kürzungen der Übersetzung anlasten. An einer Stelle gibt der Autor ironischerweise zu, dass das Thema viel komplizierter und Klischees immer falsch sind. Die Bemerkung ist aber das Werk des Übersetzers und steht so nicht im Original. Da wird die Geschichte der rumänischen Nachkriegszeit zumindest ansatzweise detaillierter präsentiert, aber irgendwo muss man ja kürzen. Erschwerend für eine Einschätzung kommt hinzu, dass sich der vom Autor unter dem neuen Titel "Drakula's Bride" herausgegebene Ebook-Text gegen Ende hin teilweise deutlich von dem Dämonenkillertext unterscheidet. Teile von Kapitel 23, das hauptsächlich die Konfrontation mit den Vampirfrauen und den Fluchtversuch schildert, sind nun anders. Das gilt auch für das verschlankte Ende. Ein paar eher unfreiwillig komische Absätze der Übersetzung beim finalen Kampf lassen sich ohne die Kenntnis des damaligen Originals nicht zuweisen. Möglicherweise hat der Autor den Roman für die Neuausgabe überarbeitet, vielleicht hat es auch der amerikanische Lektor damals einfach umgeschrieben, weil ihm das alles so saftlos vorkam.
Wie so oft ist der Autor hinter dem Pseudonym viel interessanter als das Buch. Denn Victor Samuels ist der amerikanische Autor Victor J. Banis, der viele Taschenbücher in vielen Genren veröffentlicht hat. Tatsächlich schrieb er zusammen mit Partnern so viele Romane, dass seine Bibliografie lückenhaft ist, weil er laut Eigenaussage selbst nicht mehr verlässlich sagen kann, was wo unter welchem Namen erschien.
Als Jan Alexander schrieb er viele Gothic Romances. Und unter anderen Namen diverse Schwulenromane, die er für Greenleaf verfasste, dem amerikanischen Verleger in den Sechzigern und frühen Siebzigern, der Hunderte von Softpornos veröffentlichte und auch diese Nische bediente. Für seinen ersten Roman "The Affairs of Gloria", einem klassischen Hetero-Liebesroman mit ein paar lesbischen Szenen, durfte sich Banis 1965 wegen angeblicher Verbreitung von Pornografie gleich vor Gericht verantworten. Aus Frust über die Zensur schrieb der homosexuelle Autor zusehends auch über die Thematik in Romanen wie "The Why Not", wofür man ihn als Paten der amerikanischen Schwulenliteratur bezeichnete. Dabei muss man immer bedenken, dass die Greenleaf-Pornos heute eine ausgesprochen zahme und eher unfreiwillig komische Lektüre darstellen, gerade wenn es um den Sex geht. Für Greenleaf schrieben viele später berühmte Autoren alle möglichen mit Softszenen angereicherte Romane, von Robert Silverberg über Laurence Block zu Harlan Ellison. Auch wenn das heute wie eine Verschwörungsgeschichte klingt, wurden die Verleger ständig von den Behörden und vom FBI schikaniert und standen mit einem Bein im Gefängnis. Manchmal landeten sie auch dort, wie Earl Kemp, der Redakteur von Greenleaf Classic. Heute sind diese Taschenbücher oft vor allem für die großartige Coverart zu begehrten Sammlerartikeln geworden.
Banis hat eine Autobiografie geschrieben, bei der es sowohl um das Handwerk des Paperbackautors, die damaligen Zeiten der sexuellen Revolution in Amerika und seine Karriere als Pulp-Autor geht. "Spine intact, some creases", so der Titel der Autobiografie, ist ein interessantes und amüsantes Buch.
Als Victor Jay schrieb er – vermutlich, muss man sagen, da sich das nicht genau verifizieren lässt - auch den Roman "Devil Soul" – Vampir Horror 7 und Luthers Horror Expert 3 -, der genauso gestrickt ist wie "Zu Gast bei Dracula". "Die Nacht mit dem Teufel" ("Engel der Hölle" bei Erber) ist in den wichtigsten Plotpunkten eine Nacherzählung von Denis Wheatleys klassischem Satanistenroman "The Devil Rides Out", so wie dieser Roman hier die Stoker-Geschichte nacherzählt. Man kann sicher darüber streiten, ob man beide Romane als Plagiat bezeichnen will oder nicht.
Für den damaligen Käufer der Dämonenkiller-Taschenbücher dürfte das alles aber nicht von Interesse gewesen sein. Er bekam einen Dracula-Roman, der sich zwar durch die Erwähnung und Verarbeitung des Stoker-Buches vorgeblich innovativ gab, letztlich aber ziemlich blutarm und langweilig war. Und weil er so blutarm war und sich so gut kürzen ließ, wurde er als VHR 348 nochmal als Heft nachgedruckt.
Die üblichen Klischees bedient Banis gekonnt, obwohl man argumentieren könnte, dass er da nur dem viktorianischen Original folgt. So verwandelt sich die vampirisierte Carolyn in eine Femme Fatale, die ihrem Schwager – zumindest in der Übersetzung, im Original ist das etwas subtiler ausgedrückt - einen Dreier vorschlägt. Dracula hat wirklich keinen guten Einfluss auf seine Opfer.
Hier handelt es sich um den Ausschnitt des englischen Taschenbuchcovers von "The Drums of Dracula", Band 5 der Lory-Serie. Von den drei Titelbildversionen dieses speziellen Romans ist dies zweifellos die Schwächste. Auch wenn man sich mittlerweile wie eine kaputte Schallplatte anhört, wenn man über diese spezielle Nische schreibt, schlägt das deutsche Thole-Cover VHR-Tb 25 die angloamerikanische Konkurrenz um Längen. Aber auch bei den "Vampire Woman" ist das Bild nur ein schwacher Ersatz für das Originalcover von Jeff Jones, das besser als der Inhalt ist. Obwohl Jones' Stil zugegebenermaßen überhaupt nicht zu der Dämonenkiller-Aufmachung passen würde.
Das Original
Copyright © by Andreas Decker
Kommentare
Der Name Drakula dürfte zu dieser Zeit noch ein Kaufargument gewesen sein, obwohl das Titelbild diesmal kein verkapptes Portrait von Christopher Lee ist.
Der 70er Jahre Dracula hat schon bei " Die Herren Dracula" und den "Minimädchen" nicht richtig funktioniert. Der Film von 78 war aber noch ganz ulkig...
V. Jay hatte ich fast schon wieder vergessen. Den muss ich ja auch noch nachholen.
Welchen Film von 78 meinst du?
Dracula ist immer ein Kaufargument
Überholt stimmt, 1972 war schon fast wieder "Maxi" angesagt.
www.vjbanisauthor.com/