Amazing Pulps – Pulp Treasures 10 - David Wright O'Brien - Rats in the Belfry (Amazing Stories 1943/1)
Pulp Treasures 10
David Wright O'Brien
Rats in the Belfry (Amazing Stories 1943/1)
Churchill wurde gefragt, warum er seine Bilder nicht auch ganz normal in Galerien ausstelle und sie verkaufe, kurz, warum er keine Profi-Angelegenheit daraus mache. Er sagte bescheiden: „Weil ich vieles nicht kann. Ich kann zum Beispiel keine Hände malen.“
Ich kann auch vieles nicht und möchte keine Profi-Angelegenheit daraus machen. Ich will auch keine großen weltliterarischen Texte aus dem Englischen übersetzen. Aber es gibt eine Menge Texte im Pulp-Umfeld, denen ich mich gewachsen fühle, und für die der Zauberspiegel ein guter Ort ist, um vorgestellt zu werden. Drei davon habe ich hier schon veröffentlicht, und hier kommt nun der vierte, bisher längste.
David Wright O'Brien muß ich den Zauberspiegel-Lesern vielleicht nicht mehr ausführlich vorstellen, das habe ich hier schon an anderer Stelle getan. Ihn lese ich besonders gern – ein hochtalentierter Geschichtenerfinder, der in dem Moment, als er begann, wirklich sensationell zu werden, im 2 Weltkrieg mit 26 Jahren fiel. Nicht alle seine etwa 120 Texte sind genial – kein Wunder, O'Brien schrieb sie im Akkord innerhalb von nur 5 Jahren, als wüßte er, dass er keine Zeit hat. Sein Hauptgebiet war die humorvolle Phantastik, doch mitunter konnte er auch sehr grimmige Military-SF und düstere Horror-Geschichten verfassen. Viele Geschichten enthalten Insider-Anspielungen auf klassische Musik und die Oper, manche spielen auch in diesem Umfeld – der Grund dafür dürfte sein, dass sein berühmter Onkel, Fansworth Wright, nicht nur der Herausgeber der Zeitschrift „Weird Tales“, sondern auch ein brillanter Musikkritiker war und den jungen O'Brien für dieses Genre schon früh ebenso begeistern konnte wie für phantastische Literatur.
Eines erstaunt mich beim Lesen von O'Brien immer wieder. Der Pulp-Literatur wird oft nachgesagt, dass sie der Formel huldigt, dass die Geschichten einem starren Muster folgen und nur zu oft vorhersehbar sind.
Das trifft auf O'Briens Storys kaum jemals zu. Selbst viele seiner schlechten schlagen atemberaubende Haken – und eigentlich wissen wir bis zur letzten Zeile nie, wo er mit uns hinwill. Er wäre ein grandioser Krimi-Autor geworden, hätte er sich auf dieses Gebiet verlegt. Manche Twists mögen uns etwas unplausibel erscheinen oder der Geschichte eine neue Genre-Bewertung verpassen. Doch insgesamt dürfte der Leser nie das Gefühl haben, abgestandenes ödes Lohn-Skribenten-Zeug zu bekommen.
Das „Alp-Traumhaus“ ist ein gutes Beispiel. Sie ist eine ungewöhnliche Gruselgeschichte – denn sie bricht mit der Tradition. Seltsame und unerklärliche Dinge passieren fast immer in alten, vom Verfall gekennzeichneten Häusern. Doch diese Story zeigt, dass es auch in ganz neu gebauten gehörig sonderbar zugehen kann. Besonders dann, wenn der Architekt wahnsinnig ist...
Die Geschichte war ein erklärter Leser-Liebling in Amzing Stories und wurde 2018 von den Amazing-Experten Steve Davidson und Jean Marie Stine zu den Top Ten der besten Geschichten des Jahres 1943 in der Zeitschrift gekürt. Sie erschien in der Anthologie „The Best of Amazing 1943“.
Noch ein Wort zum Titel. Das Original heißt „Rats in the Belfry“. Wörtlich übersetzt hieße das „Ratten im Glockenturm“ - doch der Doppelsinn ist unübersetzbar. Er spielt an auf die umgangssprachliche Wendung „Bats in the Belfry“ an, (Fledermäuse im Glockenturm), was man etwa mit „nicht ganz richtig im Oberstübchen“, „nicht alle Tassen im Schrank“ übersetzen könnte.
Wegen der Länge (21 Buchseiten) habe ich sie zweigeteilt. Der Geschichte erster Teil und der Geschichte zweiter Teil.
Kommentare
Der Text im 1. Teil liest sich streckenweise ganz flott, an manchen Stellen aber auch etwas holprig, wie es beim Übersetzen schnell vorkommt, wenn man etwas zu sehr an der Ausdrucksweise der anderen Sprache hängen bleibt. (Da nehme ich mich selbst nicht aus.)
Also habe ich im Internet einmal nach dem Originaltext gesucht und bin dabei im ersten Absatz auf das hier gestoßen:
„Physically, his appearance was completely that of the inconspicuous average citizen. Baldish, fortiesh, bespectacled, with the usual behind-the-desk bay window that most office workers get at his age, he looked like nothing more than the amiable citizen you see in comic cartoons on suburban life.”
Matthias Käther übersetzt:
„Physisch jedenfalls war er die Inkarnation des durchschnittlichen amerikanischen Spießers. Glatze, Mitvierziger, Brille auf. Steck ihn zwischen den Schreibtisch und das Fenster, zwischen denen die meisten Bürohengste in seinem Alter ihre Zeit absitzen, und du hast ein wunderbares Prachtstück von Beamten, die Sorte, die du in jedem Comic mit Thema „Vorstadt“ sehen kannst. “
Für mich heißt es hingegen:
„Äußerlich machte er den vollkommenen Eindruck eines unauffälligen Durchschnittsbürgers. Um die Vierzig, mit Glatze, Brille und dem üblichen Bauch, wie ihn die meisten Büromenschen seines Alters bekommen, schien er nicht mehr zu sein als der freundliche Bürger, wie er in den Bildergeschichten über das Leben in den Vorstädten zu sehen ist.“
Da geht es nicht um irgendetwas zwischen Schreibtisch und Fenster, sondern das „bay window“ ist schlicht der „Vorbau“ am Körper des Mannes, nämlich sein Wohlstandsbauch (oder Bauchansatz).
Ansonsten habe ich nicht vor, diese alten Pulp-Texte ganz wörtlich zu übersetzen, ich versuche schon, die eher humoristisch angehauchten etwas ins Heute zu übertragen und sie lebendig klingen zu lassen (anders als bei ernsteren). Es gibt da durchaus einen erlaubten Spielbereich, denke ich, wenn ich mir zum Beispiel auch die Dickens- Übersetzungen von Meyrinck oder die SF-Übersetzungen von Tony Westermayr ansehe. "comic cartoons" würde ich nicht mit Bildergeschichten übersetzen, das wären ja eher "comic strips". Genauer wären vielleicht "Witzzeichnungen". Du wirst noch mehr Abweichungen finden, ich habe nicht immer jedes "he said" und "he hissed" wörtlich übersetzt, sondern varriiert. O'Briens Texte wurden in großer Eile getippt, er hat sie nie nachbearbeiten können, ich denke, da kann man schon einige Stereotypen rausnehmen.
Demnach ist es wirklich ziemlich abgefahren, welche Erklärung sich O’Brien für die Stimmen und Sichtungen (aus Teil 1) ausgedacht hat. Sie hat einen zur Entstehungszeit der Story hochaktuellen und noch dazu politischen Bezug, ist aber dennoch – wenn ich den von mir entdeckten Hinweis richtig verstanden habe – pure Science-Fiction.
Ich zumindest kann jetzt etwas entspannter abwarten, bis es in knapp zwei Wochen weiter geht.