Der Vampir-Horror-Roman ist eine Legende des Heftromans. Ich bin leider erst nach Einstellung der Reihe auf die Serie gestoßen und habe in den achtziger Jahren jede Menge davon gelesen.
Dreißig Jahre später wiederhole ich das Experiment Vampir-Horror-Roman lesen nochmals. Ob es immer noch gefällt?
von Peter T. Lawrence
Vampir Horror-Roman Nr. 85
September 1974 / DM 1,20
Pabel Verlag
Die zwei Studenten staunen nicht schlecht als sie den Sarg öffnen und von einem seltsamen kleinen Wesen mit dickem grünen Körper und winzigen Augen angestarrt werden. Harry hatte schon des öfteren Aufträge für Doktor Warren erledigt, natürlich gegen gute Bezahlung, und die Leiche stets wohlbehalten übergeben. Aber diesmal wird wohl nichts daraus. Georg, der oben am Grab mit der Schaufel steht, packt das Grauen und flieht. Harry hat nicht so viel Glück: Die MORLOS zerren ihn durch ein enges Loch im Sargboden in ihr unterirdisches Reich.
Gut neunzig Jahre später zeigt sich der Londoner Sommer von seiner besten Seite. Der Schriftsteller Robert Newman trifft sich mit seiner Mitarbeiterin Laura Henders, die ihm eine seltsame Geschichte erzählt: Bei einer Sitzung des anerkannten Mediums Elena Tichles ist der Geist eines Doktor Warren aufgetaucht, der wiederum von einem anderen Geist bedroht wurde. Des weiteren hat sie im Gerichtsarchiv von einem Reich unter der Erde gelesen, dass von manchen Leuten damals auch als Jenseits bezeichnet wurde. Angeblich sollen dort die Morlos herrschen, eine menschenähnliche Rasse. Was das alles mit seinem neuen Buch über alte Kulturen zu tun hat, ist Newman noch nicht ganz klar. Er soll es aber bald herausfinden.
Wieder in der Vergangenheit macht sich Dr. Warren Gedanken über den Verbleib seiner beiden Handlanger. Wenn man sie geschnappt hat, würde das für ihn nichts Gutes bedeuten. In ihrer Studentenunterkunft trifft er schließlich auf den völlig verängstigten George, der ihm von der schrecklichen Nacht und den Morlos berichtet. Zwei dieser Gestalten waren angeblich schon an seinem Fenster um ihn zu holen. Warren bleibt die Nacht über bei dem jungen Mann. Als es dämmert wird er von Kratzgeräuschen geweckt und macht selber Bekanntschaft mit diesen seltsam kleinen, aufgedunsenen Wesen aus der Unterwelt. Ertappt verschwinden sie in die Dunkelheit, aber Warren verfolgt sie bis zum Friedhof. In der Gruft einer gewissen Claire M. Benneth entdeckt er schließlich den Zugang in die Tiefe. Von Neugier getrieben steigt er hinab.
Laura Henders und Robert Newman haben neue Erkenntnisse über den wohl längst verstorbenen Dr. Warren gesammelt und besuchen jetzt das Medium Madam Tichels. Sie überlegt nicht lang und versetzt sich in Trance. Warren erscheint und erzählt von einem riesigen Reich der Morlos und dass sie immer noch hinter ihm her sind. Damals hat ihn die Polizei geschnappt und zum Tode verurteilt. Über zehn Jahre hat er sich Leichen in sein Haus bringen lassen, so dass die Friedhöfe Nachtwächter einsetzen mussten. Einer dieser Wächter wurde ermordet, was man dem Doktor anlastete. Er erzählte seine Geschichte dem Gericht, aber man glaubte ihm erst, als er, lebendig begraben, aus seinem Sarg verschwunden war. Man schob diese Tatsache einfach auf sehr große Ratten oder einen Trick des Arztes. Irgendwann verschwanden die Berichte über den Doktor aus den Medien.
Als Laura und Robert weitere Berichte zum Fall Warren ausfindig machen und etwas über den alten, damals von den Assyrern und Phöniziern verehrten Unterwelt-Gott Moloch lesen, bekommen sie einen Anruf von Mrs. Tichels, die nochmal im Alleingang den Geist von Warren beschwor. Verängstigt bittet sie um Hilfe. Als Robert und Laura bei ihr eintreffen, ist sie verschwunden, aber eine Notiz weist auf das Grab von Claire M. Benneth hin – der letzten in England hingerichteten Hexe. Als Laura ein unheimliches Gesicht am Fenster erblickt, und Robert daraufhin das Haus umrundet, findet er Mrs. Tichels aufgeknüpft an einer Lampe baumelnd. Haben die Morlos eine Zeugin beseitigt? Es sieht so aus. Robert weiht seinen Freund Benjamin Wyngard ein. Nachdem er ihm alles erklärt hat, beschließen die Männer, bewaffnet mit Pistolen, Lampen, Feuerwerkskörpern und Kompass, in das unterirdische Reich einzudringen.
Vergangenheit: Nach einiger Kletterei und dem Kriechen durch finstere enge Gänge, muss sich Warren gegen einen der Morlos wehren. Nach einem verbitterten Kampf gegen die seltsam schwammige Kreatur, gelangt er schließlich wieder ans Tageslicht. Sein Freund und Arzt Harper kümmert sich um ihn, bis schließlich die Staatsgewalt auf seine Spur kommt und ihn anklagt. Warren schlägt ein Experiment vor, um seine These über die Morlos zu bestätigen und lässt sich, wie in den Zeitungen berichtet, lebendig einsargen.
Auf dem Weg zum Friedhof fällt Robert ein, dass nur Laura die genaue Lage von Claire Benneth Grab kennt, und fährt zurück zu ihrer Wohnung. Laura wurde allerdings von den Morlos, durch einen Einstieg in die Kanalisation in der Tiefgarage, entführt. Die Männer steigen in den Untergrund und treffen dort auf die Hexe Benneth. Schrecklich gealtert flüchtet sie zunächst durch die Gänge, um schließlich tot zusammen zu brechen. Über Laura hat sie nichts verraten. Sie müssen zum Friedhof.
Laura wird von den Morlos zunächst mitgeschleppt, bis sie schließlich wieder an die Oberfläche gelangen. Dort startet die junge Frau einen Fluchtversuch und steht plötzlich auf dem Friedhof – die Morlos haben sie umzingelt.
Ben und Rob finden in Clairs Gruft den Eingang zu den Morlos und müssen danach, wie einst schon Warren, durch niedrige Gänge kriechen. Ein endlos scheinendes Labyrinth. Plötzlich ziehen hunderte von den kleinen Kreaturen an ihnen vorbei, ohne dass sie von ihnen belästigt werden. Einige von ihnen tragen Leichen auf ihren kleinen Schultern und scheinen ein bestimmtes Ziel zu haben. Rob schließt sich ihnen an. Er hofft, das sie ihn zu Laura bringen. Ben bleibt zurück und versteckt sich. Schließlich endet die lange Wanderung der Morlos in einem riesigen Gewölbe, in dem sich eine große Götzen-Statue befindet. Sie legen die Toten in die geöffneten Hände. Kurze Zeit später steigt ein grünlicher Nebel auf und aus den Leichen werden lebendige grüne Männchen. Rob hat die Wiege der Morlos gefunden.
Von Schwefeldämpfen geschwächt, tritt Rob nun den Rückweg an und steht plötzlich vor Laura. Aber Laura ist nicht mehr sie selbst, sondern nur noch eine Hülle in die der Geist von Yraha, Priesterin des Maleek, der auch Moloch genannt wird, gefahren ist. Robert Newman gelingt es mit einem Trick den Geist Yrahas zu vertreiben, aber in Laura kehrt kein Leben zurück. Für sie kommt jede Hilfe zu spät. Dann kommen sie, diese kleinen Biester. Einige von ihnen erschlägt Robert noch mit einer Eisenstange, doch es sind einfach zu viele. Er verliert das Bewusstsein.
Benjamin Wyngard hat sich in eine Nische geflüchtet, die sich als eine Art Wohnhöhle entpuppt. Als der eigentliche Bewohner erscheint und mit ihm eindeutig kommunizieren möchte, findet Ben heraus, dass es sich bei dem Morlo um Dr. Julius Warren handelt. Der damals verschwundene Arzt hat also überlebt und Bekanntschaft mit Maleek gemacht. Schließlich bringt ihn der Morlo/Warren zum Ausgang und verabschiedet sich.
Als Robert Newman wieder erwacht, liegt er allein in einem Gang. In weiter Ferne hört er die Morlos singen und irgendwo queren sie einen Hauptgang. Rob will nur noch raus aus diesem Labyrinth. Als er die lange Eisenleiter erklommen hat und endlich auf dem Friedhof steht, spricht er eine Besucherin an. Als sie ohnmächtig wird, fällt ihm erst seine körperliche Veränderung auf: Er ist zu einem Morlo geworden. Scheinbar haben ihn diese kleinen Monster erstickt und in Molochs Armen wiedererweckt. Was soll er jetzt noch in der Welt der Lebenden. Als er in der Gruft der Hexe Benneth wieder hinabsteigen will, wittert er einen Menschen... Leider findet auch Benjamin Wyngard nicht mehr zu den Lebenden zurück. Verletzt und geschwächt vom langen Aufstieg, spürt er noch die kleinen, dicken Finger eines Morlos an seinem Hals...
Ein paar zarte Erinnerungen hatte ich noch an diesen Roman, irgendwann mal gelesen vor über 30 Jahren. Ich wusste noch, dass es irgendwie unter die Erde ging. Da ich als gelernter Bergmechaniker/Schachthauer auch ein paar Jahre durch dunkle Gänge kroch (zumindest in den Kohlestreben war es recht eng), kam mir das Zuhause der Morlos nicht ganz unbekannt vor. Als ich damals in die Lehre kam, lag die unterste Sohle der Zeche Zollverein schon in einer Tiefe von knapp 1300 Metern. Mit einem Sessellift (was für ein Spaß) ging es dann nochmals ein Stück weiter runter, bis man schließlich an seinem Arbeitsplatz, mit einem klangvollen Namen wie ORT 711, war. Das Reich der Morlos hatten wir aber wohl noch lange nicht erreicht. Seltsame Geräusche gab es aber dennoch. Gebirgsschläge, knacken im Gebälk oder wenn der „Tote Mann“ (abgebautes Kohlefeld) vom Gebirge wieder gefüllt wurde, ließen einen schon mal hochschrecken und an Geister denken. Unheimliche Geschichten über eingesperrte Bergleute und verschwundene Kinder, die mit Grubenpferden spielten, gab es schließlich genug. Da wir Menschen die Erdkruste aber nur ein wenig angekratzt haben, und es bis zum Erdkern noch ein paar Kilometer sind, wäre reichlich Platz für Maleek und seine Morlos vorhanden.
So langsam habe ich mich daran gewöhnt, dass die goldene Anfangszeit beim VHR, mit seinen märchenhaft düsteren Geschichten von Bruss und Co., vorbei ist und alles ein wenig moderner und beliebiger wird. Die Zeiten ändern sich halt und die deutschsprachigen Autoren der damaligen Neuzeit klangen doch ein wenig anders als noch die Übersetzungen aus den 50er/60er Jahren. Peter T. Lawrence schaffte es aber tatsächlich, dieses Flair der „alten Meister“ mit dem flotten Sprachgebrauch und den Sitten der Nach-68er-Schreibe zu verknüpfen. Dieser Mix passte hervorragend zur Story, die ja abwechselnd mal um die Jahrhundertwende und dann wieder in den 70ern spielte.
Hatte mich sein Erstling (Vampir 33 DAS VERTAUSCHTE GEHIRN) schon positiv überrascht, setzte er mit dieser Nummer noch einen drauf. Aber wer ist/war Lawrence? Diese Frage konnte bis jetzt leider nicht beantwortet werden und wird wohl auch weiter ein Geheimnis bleiben. Er kommt eindeutig aus dem deutschen Sprachraum, sonst wären seine Romane Übersetzungen und im Impressum würde nicht „Deutsche Erstveröffentlichung“ stehen. Süddeutschland oder Österreich kann man bei Luif, Vlcek und sogar Appel (Hessen) manchmal herauslesen, diese Ecke fällt also auch weg. Seine ersten Schreibversuche hat er beim VHR auch nicht getätigt, dafür ist sein Stil zu ausgefeilt. Seine Geschichten entsprechen nicht der üblichen (Mainstream) Grusel-Horror-Norm, sondern sind eher gut durchdacht und fast ohne Längen zu lesen. Sogar die etwas actionlastigeren Romanabschnitte sind noch gut nachvollziehbar, was auf einen Krimiautoren hindeuten könnte. Mit anderen Worten - ich bin ratlos.
Klar, die Atmosphäre und die Bedrohung durch einen alten Kult aus dem Inneren der Erde, sowie der watschelnde Gang der Morlos plus ihre seltsamen Fischaugen erinnerten schon ein wenig an H.P. Lovecraft`s „Der Schatten über Innsmouth“ gemischt mit „An den Bergen des Wahnsinns“. Nur halt etwas moderner und nicht ganz so düster. Zudem kam noch der brüllende Gestank, wenn es in die Unterwelt ging. Aber ist es verkehrt, wenn sich ein Autor bei Granden der phantastischen Literatur bedient? Immer noch besser, als einen weiteren geisterjagenden James Bond-Ableger auf die Leser loszulassen. Das hatte PTL aber auch nicht nötig, er wusste wie es geht. Da gab es z.B. eine Szene, wo Newman in einen Kanalschacht leuchtet und eine sehr alte Frau (Hexe Benneth) ein meckerndes Lachen als Abschreckung einsetzt. Wer Sam Raimis „Tanz der Teufel“ in einer Nachtvorstellung gesehen hat, weiß was ich meine.
Gleich aus drei Richtungen stolperten die Protagonisten dem Ende des Romans entgegen, wobei Robert Newmann als Ich-Erzähler noch den Hauptteil erledigte. Dr. Warren und Benjamin Wyngard begegneten sich später sogar persönlich und kommunizierten friedlich nebeneinander sitzend miteinander. Eine Art „Enemy Mine“ der Unterwelt - sozusagen. Obwohl es für niemanden ein Happyend gab, wirkte der Roman nicht unbedingt trostlos. So wurde das Geheimnis der Morlos und Maleek (Moloch) schließlich bewahrt. Eigentlich hätte Lawrence noch ein paar Romane zu dem Thema nachschieben können. Schade eigentlich, aber auch konsequent. Keiner hat überlebt...basta. Wirklich gute Gruselgeschichten haben kein nettes Ende. Wenn schon, dann ein überraschendes. Auch hier konnte Lawrence punkten, denn nach all den Strapazen unter Tage hatten es die Protagonisten eigentlich verdient, wieder in ihr altes Leben zurückzukehren. Wäre aber langweilig gewesen. Hier kämmte der Autor lieber gegen den üblichen Strich. Bravo...
Am 24.9.1974 konnten sich die Leser bestimmt nicht über verplemperte 1,20 DM beschweren. Alles andere als langweilig kam der letzte Lawrence daher und hat für kurzweilige 2 Stunden gesorgt. Klar, man ist auch schon ein paar Nummern früher beim Dämonenkiller durch Sargböden in die Unterwelt geklettert, aber die Morlos waren keine Leichenfledderer oder Ghouls. Der Autor beschrieb sie als eine Art religiöse Lemminge, die ihrem Gott Moloch (=Morlo) huldigten. Sie bildeten eine Sammelstelle für Seelen, deren endgültiges Schicksal (Oben oder Unten) noch nicht entschieden ist. Wandelten sie einst überirdisch durch dunkle Straßen, sind sie, wie unsere Vögel und Teile der Insekten, Opfer des heutigen Licht-Smogs. Ihr Reich bezeichnet Lawrence als Jenseits, was aber nichts mit der Hölle gemein hat. Die grünen Männchen waren eher neutral. Sie hatten auch nichts mit den fiesen Morlocks aus H.G.Wells „Zeitmaschine“ zu tun und schon gar nichts mit Morlos`Aran – World of Warcraft. Vielleicht sind sie die Antwort darauf, was nach unserem Ableben auf uns zukommt... (bibber)
Wenn ich mir das Titelbild von Thole so anschaue, und dann mal mit den Bildern der alten Pulp-Magazine (danke Matthias Käther) vergleiche, sind wir gar nicht so weit weg. Vielleicht ist etwas mehr nackte Haut zu sehen, aber die „Jungfrau“ musste sich auch schon damals gegen allerlei fieses Gezücht zur Wehr setzen. Die Morlos sehen schon speziell aus und irgendwie auch ein wenig wie aus einer Haribo-Tüte entsprungen.
Auf den VAMPIR-INFORMIERT Seiten spricht mir der Leserbrief von Hermann Urbanek/Wien voll aus der Seele. Er mag die gleichen Autoren, findet den Dämonen-Killer klasse und er vermisst die Zeichnungen von Franz Berthold. Die Redaktion versucht einen Bogen zwischen Fantasy und Horror zu schlagen, nach dem Motto: Schaut doch mal bei DRAGON vorbei - es gibt viele Elemente, die in beiden Genres zum tragen kommen. Da ist was dran und wer „Game of Thrones“ verfolgt hat, weiß, dass dieser Paarlauf immer noch aktuell ist.
Die nächste Nummer (Das Grab des Vampirs) kommt von Frank Sky und spielt bestimmt wieder auf Schloss „Düsterbrunn“ oder so. Kann es kaum erwarten... okay, war ein Scherz. Was habe ich seine Hörspiele geliebt.
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