Lory's Dracula: Draculas Goldschatz (Dracula's Gold)
Draculas Goldschatz (Dracula's Gold)
Rumänien, Arefu. In der Nähe von Schloss Dracula. Fremde sind in der Stadt aufgetaucht, der mysteriöse Mister Conescu und seine schöne Nichte Dava. Sie wollen Ausgrabungen im Schloss durchführen. Ein Pärchen will sich in der Schlossruine miteinander vergnügen und wird von der leicht bekleideten Dava umgebracht.
In Bukarest wird Doktor Thorka auf die Sache aufmerksam. "Pärchen die Kehle aufgeschlitzt" lautet die Schlagzeile. Kürzlich hat er seinem Freund Professor Damien Harmon geholfen, Graf Dracula von Arefu nach Amerika zu schaffen. Ohne natürlich zu wissen, was er da eigentlich getan hat. Er informiert den Professor über die Geschehnisse. Und der Professor informiert Dracula.
Der Vampir findet es gar nicht gut, dass sich Fremde auf seinem Besitz herumtreiben. Er hat in seinem Schloss Gold gehortet und will nicht, dass sich jemand den Schatz unter den Nagel reißt.
(Der in der Übersetzung rausgestrichene Prolog des Originals erzählt, dass Dracula schon im zweiten Jahrhundert vor Christus als der Sohn des Drachen in Tibet Gold hortet. Ebenfalls in der deutschen Ausgabe herausgestrichen ist eine Szene, in der Katzenfrau Ktara dem Professor den Grund dafür erklärt, nachdem Dracula die Frage des Professors ignoriert hat. Wieder werden Reime aus dem Buch "The Runes of Ktara" bemüht. Daraus wird ersichtlich, dass der Vampir aus dem Gold Waffen gegen die ominösen Alten Götter geschmiedet hat und sich auf ihre drohende Rückkehr vorbereitet. In der Tat liegt ein Milliardenschatz im Keller von Schloss Dracula.)
Wie sich herausstellt, ist Conescu ein von Interpol gesuchter Verbrecher, Ex-Spion, Schmuggler und Mörder, der für alle möglichen Staaten gearbeitet hat. Der Goldschatz ist Milliarden wert, unklar ist nur, ob der Mann auf eigene Rechnung arbeitet oder im Auftrag der rumänischen Regierung.
Harmon fliegt mit seinem Handlanger Cameron Sanchez und Ktara nach Rumänien, wo sie bereits von Torka erwartet werden. Dracula fliegt im Sarg mit. In Arefu führt Conescu die Grabungen fort. Seine angebliche Nichte Dava ist in Wirklichkeit eine Schauspielerin, die nur eine Rolle als Vampirin gespielt und sich zum Morden hat hinreißen lassen.
In Arefu ist der Teufel los. Es gibt noch mehr Vampirmorde, Wölfe streifen durch die Wälder. Nach einigem Gerangel im Dorf mit den Arbeitern, die auf Vampirjagd sind, will Harmon die Ausgrabungspläne torpedieren, aber Conescu findet vorher den Zugang zu den unterirdischen Gewölben des Schlosses. Während sich Cam Sanchez mit weißen Wölfen herumschlagen muss, dringt Dava mit einem Arbeiter ein und findet das Gold. Sie badet erst einmal nackt darin und lässt ihrem Lover von einem Wolf die Kehle rausreißen, der für sie die Morde begangen hat. Es ist einer von fünf abgerichteten Wölfen. Da Dava nach Conescus Meinung die Kontrolle verloren hat, will er den Zugang zum Tunnel erst einmal wieder sprengen und sich später bereichern, wenn sie tot ist.
Aber vorher begegnet er Graf Dracula, den der Professor mittlerweile von der Leine gelassen hat. Dracula nimmt ihn sich vor, zwingt ihn durch Hypnose, sich selbst die Zunge herauszureißen. Als der Mob aus dem Dorf kommt, um die vermeintlichen Vampire zu pfählen, droht Dracula den Dorfbewohnern, warnt sie, sein Schloss in Ruhe zu lassen, und lässt Conescu sich vor ihren Augen selbst in die Luft springen.
Dava, die noch immer in der Schatzkammer ist, erhält ebenfalls Besuch von Dracula. In völliger Verkennung ihrer Lage hetzt sie ihren Wolf auf den Vampir, sieht mit Begeisterung zu, wie er das Tier erledigt, und macht ihn dann an und will seine Gemahlin werden. Dracula erklärt ihr, dass er sie als Wächterin seines Schatzes zurücklassen wird – mit goldenen Nägeln an die Wand genagelt.
Bewertung:
Nach den teilweise beträchtlichen Differenzen zwischen dem Original und der deutschen Ausgabe in den Vorbänden endet das in "Draculas Goldschatz" überraschend abrupt. Die einzigen erwähnenswerten (Längen)Kürzungen betreffen ausgerechnet den Plot. Die immer mal wieder in den Vorbänden angedeutete Geschichte, dass der Vampir aus Atlantis stammt und einen Krieg gegen ominöse Alte Götter führt, ist hier rausgestrichen. Nicht einmal die paar Gewaltszenen sind wirklich gekürzt. Die Pabel-Welt steht Kopf. Schließlich ist es noch immer Walter Brumm, der die Serie übersetzt. Was ist plötzlich anders?
Es stützt die These, dass zumindest bei Band 2 und 3 abweichende Fassungen vielleicht aus dem Manuskript übersetzt wurden, das in Amerika dann noch überarbeitet wurde. Denn warum sollte man hier plötzlich alles durchgehen lassen, was sonst unerwünscht war? Entweder hat die Redaktion es übersehen oder es war ihr plötzlich egal. Und die Szene, in der Dracula den Schurken freundlich bittet, sich selbst die Zunge rauszureißen, was dieser dann auch tut, ist immerhin zwei Absätze lang. Die Verfahrensweise, mit der hier gearbeitet wird, kann man schizophren nennen.
Der Roman selbst ist fraglos besser als der Vorgänger, was aber nicht viel heißt. Das Konzept hat vom ersten Band an das Problem, dass der Vampirgraf viel zu mächtig ist, während die Gegner im Prinzip nur gewöhnliche Kriminelle sind, die ihm nicht das Geringste entgegenzusetzen haben. Lory gibt sich viel Mühe, die Handlung ambivalent zu halten und mit unvermuteten Wendungen mehr Spannung reinzubringen. Das funktioniert mehr oder weniger gut und ist Geschmackssache. Die Idee mit den abgerichteten Wölfen erscheint so spät in der Handlung arg aus dem Hut gezaubert. Irgendwie ergibt Conescus Plan mit seiner Dava und den trainierten Tieren nicht viel Sinn.
Dafür sind die Dracula Szenen genüsslich ausgewalzt wie immer, gewürzt mit der üblichen Prise Sadismus. Auch wenn Conescu und seine "Nichte" schwache Schurken sind, müssen sie ordentlich dafür büßen, den Grafen angepisst zu haben. Immer ein Bonus, denn so will man Dracula sehen. Hinter dem aristokratischen und kultivierten Antlitz lauert das Monster. Es ist auch immer interessant zu lesen, wie sehr Lorys Beschreibung, wenn sich der Graf in einen Vampir verwandelt und sein Gesicht zur Fratze wird, diverse spätere Filmversionen vorwegnimmt. Da fällt vor allem Buffy ein.
Die Hammer-Horror-Atmosphäre mit dem Dorf und dem fackelschwingenden Mob ist ordentlich – auch wenn der Autor die Realität des damaligen Regimes in Rumänien völlig ausblendet. Was sicherlich vernünftig war, da sonst die Handlung nicht funktioniert hätte. Will man als Leser da etwas Handfesteres, sollte man Dan Simmons (All Dracula's Children) oder Kim Newman (Coppola's Dracula) lesen. Es gibt ein paar nette Actionszenen, Cam Sanchez bekommt diesmal keine Gehirnerschütterung und darf sich mit ein paar Wölfen rumbalgen, was ordentlich auf die Seite gebracht wurde. Und Davas Nacktbad im Gold a la Dagobert Duck ist eine nette Idee. Auch wenn der Satz im Original "and [Dava] giving herself a golden shower" 1976 vom Autor vermutlich ohne Hintergedanken geschrieben wurde. Oder auch nicht.
Aber letztlich sind die Zutaten besser als der Eintopf. Daran ist nicht einmal die Tatsache schuld, dass hier die eigentliche Motivation Draculas dem Leser vorenthalten wird und der Serie damit erneut die Hintergrundgeschichte beraubt wird. Da hat man sich echt in eine Ecke gekürzt, nur weil man die Reime nicht haben wollte. Aber letztlich fällt es nicht auf, wenn man es nicht weiß. Unter dem Strich ist "Draculas Goldschatz" zweifellos besser als sein Vorgänger, was aber bei dem Rohrkrepierer Nr.3 nicht viel heißt.
Das Titelbild ist wieder eine europäische Produktion. Offenbart wollte Pabel die amerikanischen Cover nicht, aber das eigentlich ganz gelungene Bild der englischen Ausgabe – da fehlt nur noch, dass Dracula "Meeiin Schaatz!" sabbert - war noch nicht erhältlich. Der Vampir-Band erschien nur einen Monat vor der NEL-Ausgabe. Also griff man auf Thole zurück. Sicherlich kein Bild, das in seine Top 10 gehört, aber ordentlich und inhaltorientiert.
Draculas Goldschatz
Das Original:
Kommentare
Das in den frühen Siebzigern in Rumänien eine Horde Archäologen einfach auf Schatzsuche gehen konnte, kann ich mir auch schlecht vorstellen. Da wäre Dracula wohl das kleinere Problem der Truppe gewesen.
Auf dem original Titelbild sieht Dracula aus wie beim Poker: ALL IN!
Das Cover des Originals hätte - ohne die Fangzähne - besser zu Dickens Weihnachtsgeschichte gepasst. (Der noch nicht geläuterte Scrooge)