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Zwielicht 17 - Horrorstories

ZwielichtZwielicht 17
Horrorstories

Das Horrormagazin Zwielicht bringt wieder eine Mischung von aktuellen deutschen Geschichten und übersetzten älteren angloamerikanischen Stories. Dazu kommen noch einige Artikel und ein Rückblick auf die Ergebnisse des Vincent Preises 2020/21.

Kurz gesagt, Achim Hildebrand und Michal Schmidt bleiben ihrem Erfolgsrezept treu.

Zwielicht 17Zur Einführung

"Ob Inflation, Klimawandel, Affenpocken oder Krieg -angesichts der Bedrohungen und Gefahren der letzten und der kommenden Jahre, könnte man versucht sein zu fragen: Ist das noch zu toppen? Kann es denn überhaupt noch schlimmer kommen?
Wir von Zwielicht haben die Antwort darauf: Ja es kann!" (Vorwort von Achim Hildebrand)

Die Geschichten
Christian Blum "Arsénique"
Mit "Arsénique" geht ein Geheimtip auf Tournee. Die Occult-Rockband veröffentlicht keine Platten, spielt nur in Clubs mit jeweils wechselnden Vorgruppen. "Agent auf Distortion" hat das Glück einmal mit der Band auftreten zu dürfen. Und ihr Sänger Konstantin hat noch mehr Glück: Die zierliche Sängerin von "Arsénique" verbringt eine Nacht mit ihm. Damit ist sein Glück dann aber auch aufgebraucht. Er verliert danach seine Stimme.

Michael Schmidt hat immer wieder Stories veröffentlich - und auch selbst verfasst - die sich mit dem Thema Rockmusik befassen. Und er hat dabei ein glückliches Händchen. So auch mit Arsénique. Die Geschichte mit der bezaubernden Sängerin und ihre gruselige Band erzeugt echte Gänsehaut.

Erik Hauser "Die natürliche Widrigkeit der Dinge"
Toaster, Wecker, Waschmaschine, eigentlich alle Dinge haben sich gegen den Protagonisten dieser Story verschworen.

Subtiler Horror, der ein wenig an Franz Kafka erinnert.

Algernoon Blackwood "Traumpfade"
Zwei Wanderer unterwegs auf den Spuren der Vorfahren. Plötzlich und unerwartet stoßen sie auf eine Herberge. Die Wirtsleute sind sehr zuvorkommend und aufmerksam. Und auch ihre Tochter kümmert sich um die Gäste. Aber alles wirkt irgendwie unwirklich auf die beiden Freunde.

Ein gekonntes Spiel mit Illusion, Traum und Wirklichkeit. Die Geschichte stammt aus dem Jahr 1911 und wurde von Achim Hildebrand übersetzt.

Anita Cyprowski "Der Mann ihrer Träume"
Seit Marie von Leon verlassen wurde, verfolgt sie jede Nacht ein Alptraum. Während sie unter der Dusche steht, löst sich ein riesiger Blutropfen von der Brause und hüllt sie ein. Leon macht die Badezimmertür auf, sieht sie und grinst höhnisch. Dann geht er. Von ihrer Freundin Lucille bekommt Marie den Tip es einmal mit Image Rehearsel Therapy zu versuchen und den Inhalt ihrer Träume zu steuern und zu verändern. Doch so etwas dauert Wochen wenn nicht Monate. Um das Ganze zu beschleunigen bereitet Lucille ein wenig Hokuspokus vor. Ein geheimnisvolles Bad, brennende Kerzen usw. Es dauert nicht lange und der Erfolg stellt sich ein! Doch ist es wirklich ein Erfolg?

Ein Ausflug ins Reich des Voodoo!

Eleanor Scott "Der Volkstanz"
Der Student Heyerling verbringt ein langes Wochenende zur Erholung in dem kleinen Nest Randall. Von einem Studienfreund hat er die Bitte erhalten Nachforschungen zum örtlichen Volkstanz "Randalls Round" anzustellen. Der Freund vermutet, dass der Tanz auf ein altes Opferritual zurückgeht. Heyerling stößt nach kurzer Recherche im Ratshaus auf einen abgelegenen Tanzplatz und einen alten Grabhügel. Auch die Einheimischen erfreuen ihn mit einer tänzerischen Darbietung auf dem Marktplatz. Doch als er anfängt Fragen zu stellen und eine Grabung in Aussicht stellt, schlägt ihm Ablehnung entgegen.

Die Geschichte stammt aus dem Jahr 1929 und wurde von Matthias Käther übersetzt. Sie erweckt Assoziationen zu Lovecrafts Werk.


Nele Sickel "Alina"
Der Student Chris hat sich in die hübsche Alina verguckt. Als er während einer Vorlesung zufällig neben ihrer Tasche sitzt und das Handy vibriert, kann er nicht widerstehen. Scheinbar ist das Mädchen auch in ihn verliebt. Kurz entschlossen sendet er sich selbst eine Nachricht, die abzuschicken sie sich anscheinend nicht getraut hat. Und schon am gleichen Abend hat er ein Date mit der Schönen. Immer wieder denkt er zwischendurch an seine kleine Schwester Rebecca, der er früher einen üblen Streich gespielt hat, indem er ihren Verehrern in ihrem Namen falsche Nachrichten geschickt hat.

Feine Geschichte mit Tiefgang!

Emil Petaja "Die Aussichtsplattform"
Tante Ermintrude bestimmt das Leben des Protagonisten. Diese häßliche exentrische Frau mit ihren gelben Augen und ihrem Haus mit Aussichtsplattform wird Arthur zum Schicksal. Nach dem Tode seiner Mutter lebt er von ihrem Geld und muss ihr deshalb auch in ihrer Todesstunde beistehen. Dort erfährt er ihr Geheimnis.

Eine scheinbar harmlose Geschichte, die im San Francisco des vergangenen Jahrhunderts spielt. Und für eine Story aus dem Jahre 1951 erstaunlich böse Charaktere hat. Übersetzt von Matthias Käther.

Tobias Lagemann "Unter diesem Hügel"
Sondengänger Hank wird abends in Kneipe von einem Fremden angesprochen. Dieser schlägt ihm vor, einen seit 1945 vergessenen Bunker zu öffnen und dort lagernde Minen zu verkaufen. Er Bombengeschäft, doch Hank bleibt mißtrauisch. Am Ende gibt er aber seinen Widerstand auf und man begibt sich gemeinsam in ein Waldgebiet in der Eifel, wo 1945 erbitterte Kämpfe tobten. Der Fremde warnt wiederholt vor Leuten, die nicht wollen, dass man dort gräbt. Er glaubt daran, dass die Vergangenheit uns noch immer umgibt, aber nur bestimmte Menschen wie Hank dies erkennen können.

Horror mal ganz anders. Die Geschichte baut auf reale Kriegsgräuel auf.

Karin Reddemann "Fichtennadel"
Edgar Schuhmann liebt seine Helga. Dieses Prachweib macht im Bett alles mit, was ihm gefällt. Früher hat er Stefanie geliebt. Doch leider passierte ein Unglück beim Sex. So musste er sie im Müllsack entsorgen. Er zog die Lehren daraus und achtete bei Helga mehr auf Qualität als auf den Preis. Und nun kann er sich wieder gründlich mit Fichtennadel einreiben und dann ungehemmt loslegen. Doch leider dauerte es mit der Lieferung ein paar Tage und so suchte er sich Ersatz. Doch reale Frauen haben ihre Nachteile.

Ein Angriff auf die Fetischszene? Ist das überhaupt noch erlaubt, Menschen wegen ihrer wie auch immer gearteten sexuellen Orientierung bloß zu stellen? Auf jeden Fall ist die Story aber gruselig!

Arthur Machen "Folter"
Harrys schulische Leistungen lassen zu wünschen übrig. Als er in den Ferien nach Hause kommt, wissen sich seine Eltern keinen Rat. Er lässt sich für nichts begeistern, zieht sich zurück und wirkt irgendwie immer müde. Was die Eltern nicht ahnen, der Junge trägt sich schon seit Monaten mit einer Idee, die er zu einem Plan ausarbeitet, was ihn vollauf beschäftigt. Eines Tages will er den Plan umsetzen.

Eine kurze böse Geschichte um einen unglücklichen Außenseiter aus dem Jahre 1924. Übersetzt von Frank Duwald.

Mary Ann Dark "Das Geschenk"
Der junge Uwe träumt davon einmal ein berühmter Fotograf zu werden. Er freut sich deshalb sehr als sein Onkel ihm zu seinem Geburtstag eine Kamera schenkt. Doch dieses Teil hat so seine Tücken. Auf den Filmen erscheinen immer wieder Personen, die in eine Art Leuchten eingehüllt sind. Diese Personen sterben dann innerhalb einer Woche. Uwe und seine Frau können nichts tun um das Ende abzuwenden. Und die Kamera lässt sich nicht zerstören und kann auch nicht verloren gehen. Auf geheimnisvolle Weise findet sie immer zurück zu Uwe. Der einzige Weg sie loswerden, wäre sie zu verschenken. Doch wem kann man so ein "Geschenk" zumuten?

Eine höchst interessante Geschichte. Nur die Verzweiflung von Uwe ist für mich nicht so ganz nachzuvollziehen. Jeder Mensch verliert ständig Angehörige, Freunde und Bekannte. Damit muss man leben. Und es ist ja nicht Uwes persönliches Verschulden, dass diese Leute sterben.

Torsten Scheib "Ein besonderes Näschen"
In der Zeit Friedrichs des Großen hat Heinrich eine Art Schutzengel, der ihn wiederholt vor dem Tode rettet. Zuerst hilft er dem Jungen als der sich im Winter aufs Eis wagt und dabei einbricht. Dann wieder als er als Soldat eine wichtige Nachricht überbringen soll und dabei in gegnerisches Feuer gerät. Zwar trägt er etliche Verletzungen davon, doch der Unbekannte bringt ihn rechtzeitig ins Lazarett. Immer wird der Retter dabei von einem besonderen Duft begleitet, den Heinrich nie mehr vergessen wird. Schließlich lässt sich der inzwischen zum Familienvater gewordene Mann zum "Kaffeeschnüffler" ausbilden. Damit soll gegen den umgreifenden Kaffeekonsum vorgegangen werden. Bei Erfolg winken Heinrich Anerkennung und eine großzügige Belohnung. Und in der Tat findet er dank seiner feinen Nase immer mehr illegale Röstereien.

Beruhend auf historischen Fakten schildert Torsten Scheib Heinrichs Lebensweg und verbindet das Ganze mit einem übernatürlichen Element. Die Story gefällt mir!

Maurice Level "Babel"
Ein Versorgungsschiff für Walfänger kommt auf seiner Route immer wieder an einer kleinen verlassenen und unwirtlichen Insel vorbei. Eines Tages entdeckt die Besatzung ein künstliche Erhebung. Monate später ist daraus eine Art Turm geworden. Als das Schiff erneut vorbeikommt erlebt man wie der "Turm" zusammenstürzt. Man entsendet eine Expedition, die nach dem Rechten schauen soll.

Erinnert mich irgendwie an das Motiv vom Zauberlehrling, der Geister rief, die er nicht beherrschen konnte. Der Forscher richtet seine Unterkunft denkbar ungünstig ein. Warum? Eine französische Geschichte aus dem Jahr 1910. Übersetzt von Joe Piccol.

Joe Piccol "Trial & Error"
Ein kranker frustrierter Mann begeht Selbstmord indem er aus dem Fenster springt. Im Sterben erlebt er einige zum Teil schockierende Momente seines Lebens.

Eigentlich keine richtige Horrorgeschichte, sondern eine Story über den Kreislauf des Lebens.

Achim Stößer "Qq1apYvm"
Klonkrieger von der Erde sollen einen fremden Planeten "befrieden". Wenn sie während der Mission sterben wird ein Impuls zu einer Orbitalstation geschickt und ein neuer Klon aufgeweckt. Die Einheimischen sind technologisch weit unterlegen, gleichen das aber durch ihre schiere Anzahl wieder aus.

Interessanter Plot. Aber es bleiben Fragen. Warum greift z.B. jeweils nur ein Cyborg ein Dorf an?

Die Artikel
Achim Hildebrand "Die Donner Party"
1846 brach in Missouri ein Siedlertreck mit dem Ziel Kaliforien auf. Die Siedler rechneten mit einer viermonatigen Reise. Dies erwies sich aber als zu optimistisch. Durch widrige Umstände wurden sie gezwungen ohne ausreichende Lebensmittel in einer Gebirgsregion zu überwintern. Bald begann der Kampf gegen den Hunger.

Der dritte Teil von Achim Hildebrands Reihe über die Legenden des Kannibalismus. Diesmal über einen gut dokumentierten Fall aus den USA.


Karin Reddemann "Die dunkle Muse: Die tragische Legende, der "Son of Sam" und Böses vom König"
Die Autorin widmet sich in diesem Beitrag drei verschiedenen Themen. Zuerst geht es um "I am legend" aus dem Jahre 1954. Diese düstere Endzeitgeschichte wurde dreimal verfilmt. Dann berichtet sie über den Serienkiller David Berkowitz bekannt als "Son of Sam", der angeblich unter Dämoneneinfluss hauptsächlich Liebespaare tötete. Und schließlich stellt sie die Novellensammlung "Zwischen Nacht und Dunkel" vor. Hier hat Altmeister Stephen King 2010 vier Novellen zusammengestellt, die unter der Thematik Rache und Gerechtigkeit fallen.
Eine ansprechende Zusammenstellung für Horrorfans.

"Vincentpreis 2020/21"
Hier werden die Gewinner und Shortlistteilnehmer des einzigen deutschen Horrorpreises aufgelistet. Das ergibt eine schöne Übersicht über lesenswerte Veröffentlichungen der letzten beiden Jahre.

Meine Gedanken
Es ist wieder einmal ein abwechslungsreicher bunter Strauß von Geschichten, den die beiden Herausgeber dem Leser präsentieren. 10 aktuelle Geschichten aus deutschen Landen und 5 überwiegend angloamerikanische "Klassiker" ergeben das mittlerweile typische Zwielichtflair. Dazu kommen 3 interessante Artikel und das gewohnte Extra der Autoreninfos.


Zwielicht ist die wichtigste Stütze der kleinen aber feinen deutschen Horror-Kurzgeschichtenszene. Und obwohl - oder vielleicht eher weil - es die mittlerweile 17. Ausgabe des Magazins ist, weiß sie den Leser wieder zu fesseln. Nur wer weiß, wieviel Arbeit in so einem Projekt steckt, kann die imposante Leistung der beiden Herausgeber richtig würdigen.  

Meine Empfehlung: Zugreifen und lesen!


Zwielicht 17
Achim Hildebrand/Michael Schmidt (Hrsg.)
Cover: Björn Ian Craig
Zwielicht 2022
283 Seiten
ISBN 9798831476736
EURO 11,99
defms.blogspot.com

Kommentare  

#1 mammut 2023-03-07 09:37
Zwielicht 17 ist übrigens, neben vielen anderen lesenswerten Werken, für den Vincent Preis 2022 nominiert:
vincent-preis.blogspot.com/2023/03/die-nominierungen-des-vincent-preis-2022.html
#2 Ingo Löchel 2023-03-07 09:47
Dann drücke ich mal die Daumen...
#3 mammut 2023-03-07 10:32
Danke schön. Die Konkurrenz dieses Jahr ist groß und ich bin auch gespannt wer das Rennen macht.

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