Pratchett, Terry - Dunkle Halunken

1Dunkle Halunken
von Terry Pratchett

London, 19. Jahrhundert. Man erwartet Nebel, eine dunkel plätschernde Themse, zerlumpte Menschen in den Armenvierteln einer klar zwischen Arm und Reich geteilten Welt, Pferdekutschen und Gaslaternen.

Tatsächlich ist es ziemlich genau das, was den Leser von Dunkle Halunken erwartet. Wer hingegen einen Scheibenwelt-Roman erwartet, der wird enttäuscht sein, denn das ist die Geschichte nicht.


Terry Pratchett erzählt ein Abenteuer aus der Zeit des Charles Dickens, man begegnet demselben sogar höchstpersönlich, allerdings nicht in der Hauptrolle.

Diese Hauptrolle hat nämlich Dodger inne, ein Straßenjunge, der die Londoner Unterwelt wie seine Westentasche kennt. Und "Unterwelt" ist hier durchaus wörtlich gemeint. Es handelt sich nämlich nicht um die kriminellen Subjekte und deren Gesellschaft, in der sich Dodger fast zuhause fühlt, sondern die Abwasserkanäle der ständig wachsenden Großstadt. Dodge bestreitet seinen Lebensunterhalt nämlich als Tosher und sammelt in dieser Funktion all jene Dinge ein, die absichtlich - oder unabsichtlich - in den Abwässer  landen. So findet Dodger Dinge, die sich erfolgreich zu Geld machen lassen.

Dodger ist gerade wieder auf einer seiner Unternehmunen unterwegs, als er beobachtet, wie eine junge Frau von Männern belästigt wird. Ohne zu wissen worum es geht, mischt sich Dodger ein, und es gelingt ihm, die Frau zu retten.  
                                   

Durch diese Heldentat gerät Dodger mitten in ein Abenteuer, das ihn nicht nur zur Bekanntschaft mit Charles Dickens führt, sondern auch in die Gesellschaft des blutrünstigen Sweeney Todd (vielleicht aus dem Film mit Johnny Depp bekannt). Aber dies ist beileibe nicht der vereitelte Mörder an Simplicity, die Dodger in jener Nacht gerettet hat, und somit auch nicht das Ende der Geschichte.

Die Handlung um den kleinen Helden entfaltet sich allmählich, macht Drehungen und bildet Wirbel, wie es die Wasser im Londoner Untergrund an den einen oder anderen Stellen tun, jedoch immer zielstrebig auf dem Weg zum Ziel. Terry Pratchett nimmt den Leser mit in die Welt der untersten Londoner Gesellschaftsschicht(en), wie zu erwarten ohne Mitleidsheischerei, aber auch nicht in Verklärung der "guten alten Zeiten".

Dodger als Hauptcharakter wächst einem rasch ans Herz. Er ist clever und weiß sich zu helfen in seiner Welt, hat dabei ein großes Herz und sorgt sich um die Menschen, die es gut mit ihm meinen.

Dabei holpert die deutsche Sprache das eine oder andere Mal, und ich kann mir vorstellen, dass ein Übersetzer des Sprachwitzes es nicht immer leicht hat, in Deutsch den Humor zu erhalten. Doch bleibt es unverkennbar Terry Pratchett, wie man ihn aus seinen humorvollen oder auch eher ernsthaft gehaltenen Geschichten kennt. Insofern erhält man in dem Buch, was als Autor drauf steht.

Wer "nur" die Scheibenwelt kennt, wird sich von diesem Buch vermutlich enttäuscht abwenden, da er nicht genau das erhält, was er erwartet hat. Pratchett nimmt sich jedoch glücklicherweise nicht zum ersten Mal die Freiheit, nicht nur Geschichten aus dem Scheibenwelt-Kosmos zu erzählen, und beweist sein Können auch auf anderen Feldern.

Ich will Dunkle Halunken nicht mit den Romanen von Charles Dickens vergleichen, auch wenn natürlich Geschichten wie Oliver Twist unvermeidlich vor dem Inneren Auge auftauchen. Pratchett erzählt das Abenteuer eines jungen, mutigen Schmutzfinken, eines unerschrockenen Journalisten und einer verzweifelten Heldin im so beliebten Viktorianischen London, wie es eben ein Pratchett tut, und damit ist er unverwechselbar.

Dunkle Halunken
(Dodger)
von Terry Pratchett 
übersetzt von Andreas Brandhorst
Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
Preis: 19,99€
ISBN-13: 978-3492703017
Piper

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