Shulman, Polly: Die geheimnisvolle Sammlung
Von den wahren Schätzen des Instituts haben allerdings nur einige Wenige Kenntnis. Tief unter der Erde, in den Kellern der ungewöhnlichen Bibliothek, lagern in verschiedenen Verliesen magische Gegenstände. Elizabeth ist fasziniert. Viel Zeit zum Staunen bleibt ihr aber nicht. Die magische Sammlung ist in Gefahr und es ist an Elizabeth, sie zu retten ...
Der phantastische Roman »Die geheimnisvolle Sammlung« aus der Feder der amerikanischen Autorin Polly Shulman bietet ein reichlich durchwachsenen Lesevergnügen. Einer originellen Grundidee und passabel charakterisierten Protagonisten steht eine schwache, unausgegorene Ausführung gegenüber.
Zunächst einmal scheint sich Shulman ziemlich unsicher gewesen zu sein, was die Ausgestaltung ihres phantastischen Universums anbelangt. Unentschlossen schwankt »Die geheimnisvolle Sammlung« zwischen zwei Polen: Ausgefallenen, märchenhafte Beschreibungen, wie sie aus »Alice im Wunderland« oder den All Age-Fantasyromanen von Ralf Isau (»Die Neschan-Trilogie«, »Die Chroniken von Mirad«) bekannt sind, einerseits, und die Darstellung eines Settings, das reale Gegebenheiten in eine phantastische Welt projiziert, andererseits (wie es etwa in den »Harry Potter«-Romanen der Fall ist, in denen das Erwachsenwerden eine ebenso große Rolle spielt wie die magischen Verwicklungen von Harry, Ron und Hermine).
Die Folge: Wild und ohne erkennbares Muster springt die Handlung von überbordenden magischen Momenten hin zu mehr oder weniger realitätsnahen Szenen, deren Geschehnisse dem Leser klar machen sollen, dass die Story gar nicht so phantastisch ist, wie es im ersten Moment den Anschein hat. Das macht es schwierig, sich entspannt auf die Geschichte einzulassen, da man immer wieder aus einer Erzählebene hinausgerissen und ohne Vorwarnung in eine andere hineingeworfen wird.
Die unstimmige Darstellung wirkt sich auch auf die Atmosphäre des Romans aus. Wahllos reihen sich ernste und heitere, magische und bodenständige Momente aneinander. Da mögen einzelne Passagen stimmungsmäßig noch so überzeugend in Szene gesetzt worden sein (wie etwa die sehr gelungene Sequenz, in der Elizabeth zum ersten Mal eines der Verliese betritt, in denen die magischen Sammlungen gelagert werden). Im Gesamteindruck wirkt die Atmosphäre des Buch sprunghaft und uneinheitlich.
Ordentlich, aber nicht überragend ist die Zeichnung der Charaktere ausgefallen. Shulman hat ein vielfältiges Figurenensemble entworfen und setzt dem Leser eine erfreulich große Bandbreite sehr verschiedener Protagonisten vor. Was den guten Eindruck stört, ist zum einen die Vielzahl an Stereotypen, die Verwendung finden, und zum anderen die erstaunlich schwache Darstellung von Elizabeth. Die Ich-Erzählerin bleibt blasser und weitaus uninteressanter als die meisten sonstigen Charaktere des Romans.
Alles in allem komme ich schlussendlich nicht umhin festzuhalten, dass mich »Die geheimnisvolle Sammlung« enttäuscht hat. Statt eines magischen All Age-Romans, der zum Träumen einlädt, habe ich einen unentschlossenes phantastisches Buch geboten bekommen, das hinsichtlich des Ausmaßes an Phantastik und der Stimmung der Geschichte einfach keine klare Linie findet. Von daher kann ich den Roman nur eingeschränkt Lesern von Tim Binding (»Sylvie und die verlorenen Stimmen«) und Ralf Isau empfehlen, die auf der Suche nach ähnlichem Lesefutter sind. Besonders mit den Werken des Letztgenannten kann Shulmans Buch aber in keinster Weise mithalten.