Smith, Gavin: Der Veteran
Auch wenn es die marktschreierisch anmutende erste Zeile der Ankündigung verheißen mag: Der ganz große Wurf ist Smith mit »Der Veteran« nicht gelungen. Kurzweilig und atmosphärisch dicht weiß das Buch über weite Strecken hinweg gut zu unterhalten. Diverse Schwächen lassen sich aber dennoch nicht verleugnen.
Zunächst sei hier einmal auf verschiedentliche Missgriffe in Wortwahl und Ausdrucksweise hingewiesen. Ich habe das Buch nur in der deutschen Fassung gelesen, nicht im englischsprachigen Original. Daher kann ich an dieser Stelle nicht sagen, inwiefern das Problem auf die Übersetzung oder auf den Schreibstil Smiths zurückzuführen ist. Die deutsche Fassung von »Der Veteran« jedenfalls ist voll von unglücklichen Wendungen und Umschreibungen, die der Handlung oft viel von ihrer Dramatik nehmen und ein wenig ins comichafte abgleiten lassen. Die abgehackt wirkende Erzählweise trägt das ihre dazu bei, dass die Lektüre des Romans nicht durchgängig eine echte Freude ist.
Auch inhaltlich weißt das Buch verschiedene Mängel auf. Eindimensionale Figuren, unausgegorene Wechsel des Erzähltempos sowie reichlich pseudo-philosophische Gedankengänge und Dialoge zerren mitunter ganz schön an den Nerven des Lesers.
Und doch: Aller Schwächen zum Trotz wollte ich das Buch bis zu seinem Ende nicht mehr aus der Hand legen. Hierfür gibt es vor allem zwei Gründe: das ausgefallene Setting sowie die ungemein dichte, düstere Atmosphäre, die Smith wirklich hervorragend aufbaut. Letztere steht in Ausdruckskraft der fatalistischen Grundstimmung, wie sie etwa in der Neufassung von »Battlestar Galactica« vorhanden ist, in nichts nach. (Auch wenn, und das sei hier betont, die Story als solche in eine ganz andere Richtung geht. Wo BSG hart und brutal ist und einen Blick in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele erlaubt, erscheint »Der Veteran« trotz der die Handlung prägenden Brutalität und trotz der Betonung der niederen menschlichen Instinkte mehr sarkastisch und bissig, wie eine bewusst grotesker, übertriebener Blick auf die Zukunft einer Menschheit, die sich mehr und mehr in die falsche Richtung entwickelt.)
Was die Ausgestaltung des Settings betrifft, legt Smith eine ungemeine Kreativität an den Tag. Er nimmt seine Leser mit auf eine actionbetonte Reise, die von Ghettos, die aus abgewirtschafteten Bohrinseln bestehen, über durch atomverseuchtes Gebiet wandernde Städte bis hin zu aus biotechnologischen Bestandteilen zusammengesetzten Asteroidenfeldern führt. Jede Location wird stimmig beschrieben und zum Schauplatz vieler beeindruckend inszenierter, recht blut- und bleihaltiger Actioneinlagen, bei denen die Herzen von Freunden brachial-gewaltiger Geschichten beträchtlich schneller schlagen werden.
»Der Veteran« ist alles andere als ein Meisterwerk. Die vielen kleineren und größeren Mängel machen es schwer, die düster-sarkastische Geschichte in vollem Umfang genießen zu können. Das beeindruckende Setting und die stimmungsvolle Atmosphäre sorgen allerdings dafür, dass der Roman dennoch ein echtes Erlebnis ist, das sich Fans von Markus Heitz »Collector« oder Jeff Somers »Der elektronische Mönch« keinesfalls entgehen lassen sollten. Kein Zweifel: Gavin Smith hat Potenzial! Und das ist auch gut so, endet »Der Veteran« doch in einer Art und Weise, die die Lektüre der 2012 erscheinenden Fortsetzung unerlässlich macht.