Flewelling, Lynn: Das Orakel von Skala
Das Orakel von Skala (2003)
Übersetzung: Frauke Meier
Bastei-Lübbe Fantasy 20467
778 Seiten; 8,90 Euro
Das Orakel von Skala hat
prophezeit, dass das Königreich geschützt sei, solange die Krieger-Königinnen
auf dem Thron sitzen. Dies ging nun Jahrhunderte lang gut, doch die letzte
Königin verfällt dem Wahnsinn, so dass Prinz Erius, zunächst als Regent für die
dreijährige Halbschwester Ariani, dann offen mit Unterstützung machtgieriger
Magier die Herrschaft okkupieren kann. Weitere Verwandte aus dem Könighaus
fallen "gehäuft unglücklichen Unfällen" zum Opfer, und als Ariani
Zwillinge entbindet, sind König und Hofmagicker binnen Minuten zur Stelle, um
festzustellen, dass von den beiden Kindern ein Mädchen totgeboren wurde.
Der Junge Tobin ist, qua Geschlecht, keine
Gefahr für seinen Onkel - wäre er denn einer, denn die ebenfalls von
Orakelvisionen heimgesuchten Magierin Iya und ihr Schüler Arkoniel haben
vorgesorgt und eine Hexe vom Alten Volk bereitgehalten, die in den wenigen
Minuten zwischen Geburt und "Kontrolle durch den König" dunkle,
unheilige Blutmagie gewirkt und beider Geschlecht vertauscht hat. So wächst
Tobin als Junge auf, doch häufen sich unerklärliche Vorfälle rund um ihn; der
Geist des toten Bruders geht um und quält nicht nur Tobin, sondern auch die
Mutter, die mehr und mehr ebenfalls dem Wahnsinn verfällt, in einer
zerschlissenen Puppe Knochen des toten Babies verbirgt und den Geist dadurch
nicht zur Ruhe kommen lässt, bis sie Selbstmord begeht.
Tobin wächst unter der Aufsicht Arkoniels in
einer abgelegenen Festung auf, während Iya die Lande bereist, um die
"guten" Magier gegen die zunehmende Diktatur des Königs und seiner
"bösen" Magicker zu einen versucht. Als auch Tobins Vater, Herzog
Rhius, im Krieg gegen die Südländer fällt (von Erius durch arrangierte Befehle
in eine ausweglose Lage gebracht), muß der/die nun Zwölfjährige zum Königshof
zurück, wo er/sie sich behauptet, bis die natürlich-biologische Entwicklung beinahe
das (auch von ihm/ihr noch nicht erahnte) Geheimnis aufzudecken drohen....
Manchmal lohnt es, jemand eine zweite Chance
zu geben. Die Autorin Lynn Flewelling debütierte mit einer Trilogie ("Die
Schattengilde", ebenfalls in der Bastei-Fantasy-Reihe erschienen; Nr.
20327/20353/20415), aber was da als "rasantes
Mantel-und-Degen-Abenteuer" apostrophiert wurde, entpuppte sich als ganz
und gar grässlicher Langeweiler ohne jeden Schwung. Dieser neue Roman spielt in
derselben Fantasywelt, 600 Jahre früher als die "Schattengilde";
dadurch hat man schon einige Vorinformationen und weiß z.B., dass die hier
beschriebene Hauptstadt Edo zerstört werden wird; was im übrigen auch das
besagte Orakel androht für den Fall, dass der Thron nicht von der rechtmäßigen
(hier: Tobin) Königin eingenommen wird.
Das Buch besteht aus drei Teilen. Im ersten
wird die allgemeine Vorgeschichte sowie Iyas und Arkoniels Orakelvisionen
geschildert, es schleppt sich auch hier alles etwas konventionell und langsam
dahin und wäre da nicht zum Abschluß der "magische
Geschlechtertausch" bei der Geburt mit seinen interessanten Folgen, würde
man nach diesen 200 Seiten auch schon aufgegeben haben. Immerhin wird hier
einem, buchstäblich biblisch-alten (Herodes und die Kinder) Plot eine recht
neue Variante abgewonnen.
Der zweite Teil, mit den Erlebnissen des
aufwachsenden Tobin, gewinnt stark an Tempo, Dramatik und erzählerischer Tiefe,
so dass man sich langsam aber sicher mit den Personen anfreunden kann und ihrem
weiteren Schicksal (so sehr es auch, siehe Orakel, vorgegeben zu sein scheint)
folgen will. Das unheimliche Geschehen um den toten, aber spukenden
Zwillingsbruder, weit über die äußerlich zu sehenden (Poltergeist-)Effekte
hinaus, schlägt den Leser in den Bann (vor allem, weil man lange Zeit nicht
genau erkennen kann, woraus die allgegenwärtige Bedrohung sich nun herleitet).
Es scheint beinahe, als wären hier diverse
Erkenntnisse in Tiefenpsychologie bei Kindern o.ä. mitverarbeitet worden; oder
geht die Autorin, laut Begleittext ebenfalls Mutter, sowieso davon aus, dass
Kinder bis zu einem bestimmten Alter wie "von Dämonen besessen" zu
sein scheinen...(Etwas weniger nett, eher peinlich, sind altkluge, aber immer
noch höchst amerikanisch-prüde Diskussionen von Zehnjährigen untereinander, wie
denn die Kinder zustande kommen...).
Der dritte Teil fällt dann wieder etwas ab.
Tobin und sein gleichaltriger Knappe und Freund Ki kommen am Königshof
(natürlich) gegen alle Fährnisse und Intrigen von Pubertierenden inklusive des
Kronprinzen sehr gut zurecht, sind sie doch die besten Schwertkämpfer
(Bogenschützen, Speerkämpfer...und so weiter); all das kennt man schon aus
diversen anderen jener "Edukations-Romanen".
Es findet sich weder eine Fantasykarte (die,
leider nur oberflächlich und durch einen dicken roten SAMPLE-Aufdruck
verunstaltet, auf der Homepage der Autorin
<www.sff.net/people/Lynn.Flewelling> zu sehen ist) noch der Hinweis, dass
es sich hier um den ersten Band einer (der sog. TAMIR-)Trilogie handelt.
Den zweiten Band gibt es bereits, ist aber dann doch nicht in deutscher Ausgabe
erschienen.
Diese
Rezension erschien zuerst in der Publikation des Fantasy Clubs (F.C.) e.V.