Safier, David - Mieses Karma
Mieses Karma
von David Safier
283 Seiten Hardcover 16.90
ISBN 978-3-463-40508-7
Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek
Am Tag des Fernsehpreises wurde die veraltete Raumstation vom Raumfahrthafen Baikonur aus in die Erdatmosphäre geleitet, um dort zu verglühen. Doch dann mussten die Ingenieure im Kontrollzentrum feststellen, dass der Einfallwinkel von den Berechnungen abwich. Anstatt komplett in der Atmosphäre zu verglühen, wurden nur 98 Prozent der Station vernichtet. Die restlichen zwei Prozent landeten als Trümmer verstreut über Nordeuropa.
Warum ich diesen Mist erzähle? Weil das verdammte Waschbecken dieser verdammten Raumstation auf meinen Kopf fiel!
Kim Lange ist eine erfolgreiche Frau, eine bekannte Talkshowmoderatorin im TV. Dass unter den beruflichen Anspannungen ihre Ehe mit Alex nicht zum Besten steht, liegt da auf der Hand.
Nachdem sie den Fernsehpreis gewonnen hat, wird sie des Abends eben von diesem herabstürzenden Waschbecken erschlagen. Sie findet sich wieder im Körper einer Ameise und muss bald feststellen, dass ihre rücksichts- und herzlose Art während des menschlichen Daseins ihr sehr schlechtes Karma verliehen hat weshalb sie nur als niedere Lebensform wiedergeboren wird. Sie findet bald heraus, dass ihre Jugendfreundin Nina ihre Familie (zu der auch noch die Tochter Lilly gehört) zu übernehmen droht. Das kann sie doch nicht zulassen! Als Ameise hat sie jedoch kaum Chancen etwas zu unternehmen. Also muss gutes Karma her, damit sie im nächsten Leben besser dasteht. Mit der Zeit gewöhnt sie sich daran zu sterben und neu zu erwachen, mal als Meerschweinchen, als Kuh oder Eichhörnchen. Über die Existenz als Beagle schafft sie es schließlich, in den Körper einer dicken Frau zu kommen. Immer wieder versucht sie dabei ihrer Familie nahe zu kommen. Alex hat Nina inzwischen geheiratet. Aber das ist kein Grund, die Bemühungen aufzugeben...
David Safier ist ein recht bekannter Drehbuchautor der deutschen Fernsehlandschaft (u.a. für die exzellente Serie Berlin, Berlin). Mit Mieses Karma startet er einen Versuch als Buchautor. Es ist folgerichtig sein erstes Werk.
Vieles darin entspringt der Gedankenwelt des Drehbuchautors. Man merkt häufiger, dass er die visuelle Umsetzung der Sequenzen vor Augen hat. Er scheint ein Fan modernder Computeranimationsfilme und klassischer Familienslapstickstreifen zu sein, denn manches kommt dem Leser nur allzu bekannt vor, wenn er Filme dieser Art gesehen hat.
Zu Anfang ist Safier etwas überambitioniert. Er gebraucht zu viele teilweise alberne Metaphern, um Situationen und Gedanken witzig umschreiben zu wollen. Mit der Zeit gibt sich das jedoch und er gewöhnt sich einen lockeren Stil an, der zwar ohne Ecken und Kanten ist, aber dafür ein flüssiges Lesevergnügen ermöglicht.
Nachdem Kim Lange in ihrer zweiten Ameisenexistenz die Bekanntschaft mit Casanova gemacht hat (ja, genau DER Casanova), nimmt der Roman deutlich an Fahrt auf. Gerade jene Figur gibt der Geschichte den gewissen Kick, der sie dann aus der der Gewöhnlichkeit heraus treibt. Auch die Dialoge mit Buddha, der über ihre Reinkarnationen zu wachen hat, sind meist sehr erheiternd.
Nach etwa zwei Dritteln ging ihm etwas die Luft aus. Der Kunstgriff, Kim in den fetten Körper von Maria fahren zu lassen, ist eine etwas fadenscheinig herbeigeführte Möglichkeit, den Stoff zu einem Ende führen zu können, das etwas unoriginell ist. Andererseits eine Geschichte wie diese MUSS ein Happy End haben, ganz gleich, wie kitschig es auch sein mag.
Im letzten Drittel gerät auch die Komik etwas in den Hintergrund, zuweilen wird es ein wenig melancholisch. Das bringt einem den Charakter der Kim Lange dann näher. Außerdem die besten Komödien haben immer solche Momente, die dann dem Ganzen so etwas wie Gehalt geben.
So fein ich den Roman letztlich finde und so gut ich mich dabei streckenweise unterhalten habe, so sehr hat er eigentlich einen Fehler. Er ist zu sehr Filmvorlage als ein eigenständiges literarisches Werk. Beim nächsten Roman sollte Safier seinen Beruf als Drehbuchautor deutlicher in den Hintergrund schieben.
Ich freu mich drauf.