›Clash of the Cultures‹ im ›Wilden Westen‹ - Dietmar Kueglers Westwind Bände 3 und 4
›Clash of the Cultures‹ im ›Wilden Westen‹
Dietmar Kueglers »Westwind« Bände 3 und 4
Es scheint fast, als wäre der General Philip Sheridan zugeschriebene Ausspruch
Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer
Programm in den Stuben deutscher Verlage geworden. Oft genug wurde derartiges kommerziell begründet. Frei nach dem Motto: Indianer laufen nicht und wenn sie im Roman überhaupt erscheinen, dann bitte schön als Schurken und Bösewichter. Oder sie kamen schon mal gleich gar nicht vor (der Westen ist ohnehin eher sehr hellhäutig, so tauchten Afroamerikaner und Asiaten eher am Rande auf, obgleich sie keinesfalls Randerscheinungen waren). Ausnahmen - was Indianer angeht - lassen sich fast schon an zehn Fingern abzählen. Die Reihe »Die Rothaut«, Wilkens »Dan Oakland Story«, ein paar Einzelromane (unter anderem von Egli) und natürlich Dietmar Kueglers »Westwind«-Miniserie, um deren dritten und vierten Band, es in der Folge gehen wird. Aber insgesamt sind wir dabei im Promillbereich des Œuvre deutschsprachiger Western. Selten passte der Spruch von der Ausnahme, die die Regel bestätigt besser als hier.
Dietmar Kuegler dazu im Nachwort von »Der Sohn der Wildnis« (Westwind 3):
Noch heute bin ich meinem damaligen Lektor, Werner Müller-Reimann, dankbar, dass er mir die Freiheit gelassen hat, solche Romane für meine Reihe zu schreiben, die nicht dem Mainstream des deutschen Western in den 1970er und 1980er Jahren folgten, sondern Themen aufgriffen, die eine größere Bandbreite der amerikanischen Pionierzeit reflektierten.
Und im Nachwort zu »Im Banne des Donnervogels« (Westwind 4) wird Kuegler noch deutlicher:
Für einen deutschen Western-Roman war diese Thematik in den 1980er Jahren ungewöhnlich; es gab tatsächlich eine Reihe von Verlagen, die derartige Themen strikt abgelehnt haben, weil sie nicht gehen, wie ein Lektor es drastisch ausdrückte: »Indianerthemen werden nicht angenommen.«
Dietmar Kuegler hat sich in seiner Doppelfunktion als einer von Deutschlands führenden Westernautoren (unter anderem als Mastermind der Serie »Ronco«) und Experte für die Geschichte der USA im Allgemeinen - und des Westens (der ja gern mal wild genannt wird) im Besonderen, der Zeit der Trapper (die sogenannten ›Mountain Men‹), des Pelzhandels und der beginnenden Besiedlung immer wieder angenommen. Zahlreiche Artikel im »Magazin für Amerikanistik«, Biographien von ›Mountain Men‹ wie Jim Bridger und Kit Carson oder immer wieder Besuche an historischen Orten dieser Zeit auf den von ihm organisierten Reisen durch den Westen der USA legen davon ein beredtes Zeugnis ab.
Aus dieser andauernden Beschäftigung und - ja - der Faszination für diese Männer und Zeit entstand vor mehr als 30 Jahren die Mini-Serie »Westwind«, in der Kuegler diese Vorliebe fiktional aufarbeitete. Die ersten beiden Bände der sieben Romane umfassenden Serie um Abe McNott (Als der Westen noch richtig wild war ...) zeigten dabei exemplarisch den beginnenden Untergang der ›Mountain Men‹ und ihrer Welt an, wobei sie als Führer, Scout und Entdecker sich selbst daran beteiligten und so die Siedler in den Westen strömen konnten und das Leben und die Umwelt nachhaltig veränderten. Er zeigt dabei, dass die ›Mountain Men‹ durchaus in der Lage waren, sich in die bestehende Umwelt einzugewöhnen und auch mit den Ureinwohnern, den sogenannten Indianern zusammenzuleben.
Dabei wählte Kuegler (obwohl er dazu ohne jeden Zweifel in der Lage ist) nicht die Form des historischen Romans. Der Autor bediente sich stattdessen der Form des Abenteuerromans. Allerdings ist der Hintergrund dieser Abenteuer authentisch. Kuegler legte das Szenario so an, dass der Leser seine Sachkunde spürt. Die Abenteuer McNotts stehen auf einem durchaus historischen zu nennenden Fundament, sprich Kuegler schildert seine Abenteuer anhand exemplarischer und tatsächlicher Ereignisse.
Der dritte und vierte Band unterscheiden sich dabei von den ersten beiden Romanen was das Setting angeht. Zu Beginn ging es um die ›Mountain Men‹ als Jäger und Kundschafter, die den Weg für die Siedler mehr oder minder unfreiwillig ebneten und sich in der Folge mit den Konsequenzen auseinandersetzen mussten. In den nun vom Blitz Verlag vorgelegten Folgebänden stehen Indianer, die Art sie zu behandeln und das Zusammenleben mit ihnen im Mittelpunkt.
Kuegler schreibt dazu im Nachwort zu »Der Sohn der Wildnis« (Westwind 3):
Ich habe für diese Romanhandlung einige Ereignisse zusammengezogen und typische Charaktere beschrieben: Es gab Offiziere wie Colonel Bacon, der Erfahrungen im Indianerland hatte und mit den Stämmen auf Augenhöhe verkehrte. Und es gab Männer wie Colonel Magruder, für den die Indianer nur Wilde waren, die in seiner Welt nichts zu suchen hatten.
Es gab Beamte wie Benjamin Defron, der die Indianervölker als Hindernis auf dem Weg zur Besiedelung ansah, die weichen oder untergehen mussten – aber es gab natürlich auch andere Männer, die menschlich und ehrenwert handelten.
Und im Nachwort zu »Im Banne des Donnervogels« (Westwind 4) umreißt er sein Konzept der Serie im allgemeinen und des Romans im besonderen:
In dem vorliegenden Roman habe ich – wie bei allen McNott-Erzählungen – historische Elemente verwendet und sie allerdings frei interpretiert; dieses Buch ist ein Unterhaltungsroman, kein Sachbuch.
So weiß der interessierte Konsument (vulgo: Leser) was ihn erwartet. Ein authentischer, aber keinesfalls ein historischer Roman. Bedenkt man, dass diese Bände der »Westwind«-Serie für die Autorenreihe »John Gray« als Heftroman entstanden, so erscheint der gegangene Weg mehr als konsequent. Ein historischer Roman, selbst wenn man so komprimiert arbeitet wie Kuegler in seinen Sachbüchern, braucht ein wenig mehr epische Breite. Diese Form läuft den Gegebenheiten des Heftromans zuwider. Kuegler musste - wie alle seine Kollegen - auf 64 Seiten eine knackige und spannende Story schildern, die auch (in der Regel) zum Ende kommen musste. Daher ist Keglers Anlage der Geschichten richtig. Sein Hintergrund ist stimmig, fundiert, schlüssig und - eben auch - historisch. Die Geschichte dabei ist erfunden, eine Fiktion auf solider Basis.
In »Der Sohn der Wildnis« geht es um darum, 1851 einen Vertrag mit den Indianern zu schließen, der die Trecks schützt. McNott wird in diesen Plan eingebunden. Er geht zu den Cheyenne und überzeugt diese zur Teilnahme, weil er glaubt, dass die Indianer gegen die Massen der Siedler und die Soldaten auf die Dauer nur eine Chance haben, wenn sie sich über die Bedingungen über das Zusammenleben mit den Weißen einigen.
McNott ahnt nicht, dass von Washington aus ein doppeltes Spiel getrieben wird und während die einen noch glauben, sich mit Indianern einigen zu können, wird schon deren Vertreibung und Vernichtung sowie ein doppeltes Spiel betrieben.
Es kommt wie es kommen muss, McNott und andere kommen dahinter und aus einem Plan des Friedens wird Krieg...
Liest man Kueglers Bücher über Bridger, Carson und den von ihm verlegten Band über Red Clouds Krieg, so findet man so manches Motiv, das man in »Der Sohn der Wildnis« wiederfindet. Kuegler hat diese Zeit quasi inhaliert und konnte sie dann auch exemplarisch zu einer fiktiven Geschichte bearbeiten.
Der vierte Roman »Im Banne des Donnervogels« fällt dann völlig aus der Zeit. Kuegler verzichtet darauf, die Handlung irgendwie mit einem Jahr der uns vertrauten Zeitrechnung ›n. Chr.‹ zu versehen. Die einzigen Hinweise auf den Handlungszeitraum sind McNott und das Alter seines Sohnes. Diese zeitliche Nichteinordnung ist dann letztlich auch konsequent, weil es um nichts geht was die Geschichtsschreibung wie wir sie kennen betrifft, sondern um einen Roman, der dem Leser in gewisser Weise einen Ausschnitt indianischer Kultur zeigt. Es geht um den Raub eines Heiligtums (»Medizin«), der Crow. Es ist das Kriegshemd des Häuptlings Bear Chief.
Kuegler dazu im Nachwort:
Jeder Stamm und jede Gruppe hatte Symbole, Heiligtümer, die Wohl und Wehe des Volkes repräsentierten. Die Hüter diese Reliquien waren Männer von hohem Ansehen.
Die Reliquien waren auf der Grundlage von Visionen und übernatürlichen Eingebungen geschaffen worden. Es konnte sich um meisterhaft gefertigte, in bestimmter Weise bemalte Pfeile handeln, um einen besonderen Kopfschmuck, um besondere Pfeifen, Schilde, oder auch um Kleidungsstücke, wie Kriegshemden, deren Bestickung und Bemalung geheime Zeichen enthielten, die den Träger mit übernatürlichen Kräften versahen und ihn sogar kugelfest machen sollten.
Bei bestimmten Gelegenheiten, bei der Vorbereitung auf Jagd- und Kriegszüge, wurden derartige Stücke hervorgeholt und mit Zeremonien geehrt. Nur dann waren Erfolge bei den beabsichtigten Unternehmungen zu erwarten.
Es kam immer wieder vor, daß solche Stücke von feindlichen Stämmen erbeutet oder vernichtet wurden. Dann traf die Gruppe großes Unglück, und es wurde alles darangesetzt, diese spirituellen Kraftquellen zurückzuholen oder – im Notfall – auch neu anzufertigen.
Kuegler schildert also wie die ›Medizin‹ gestohlen und wiederbeschafft. Im Mittepunkt McNott und sein Sohn, die insbesondere den Drahtzieher hinter dem Diebstahl jagen. Wieder ist es kein historischer Roman, sondern ein Abenteuer vor einem solide gebauten kulturell-historischen Hintergrund.
Die Klappentexte
Das Fazit ...
... der Lektüre des dritten und vierten Bandes von Kueglers »Westwind«-Serie fällt ausgesprochen positiv aus. Flott geschriebene Abenteuerromane, deren historischen und kulturellen Hintergründe authentisch sind. Das ganze ist im höchsten Maße unterhaltend und spannend und man kann auch was lernen, wobei es weniger um historische Daten geht. Aber greift zu Kueglers geschriebenen oder verlegten Sachpublikationen (Magazin und Bücher), so stößt man darauf, dass das ganze einen realen Hintergrund hat. Das motiviert mich zum Beispiel mehr und mehr mich mit der Geschichte des Westens zu befassen.
Ich kann die Lektüre nur jedem Westernfreund ans Herz legen. Mach braucht keine Cowboys und Städte säubernden Revolverhelden für einen spannenden Western. Auf die letzten drei Bände der Serie bin ich gespannt.
WESTWIND
Blitz Verlag
Kommentare
Nach der Jugendlektüre von Karl May und seinem Winnetou-Kitsch hatte ich absolut nichts mehr für das Thema übrig, und die späteren Darstellungen konnten mich auch nicht reizen. Ich übertreibe jetzt mal bewusst, aber irgendwie schien es nur zwei Extreme zu geben. Den schurkischen Wilden a la John Wayne oder den edlen, tragisch verfolgten Wilden, der dann den esoterischen Wilden hervorbrachte. Das gipfelte in so unsäglichen Figuren wie Chakotay in ST:Voyager.
Mittlerweile ist das Klischee die reichen Spielkasino-Indianer, die einem irgendwann in jeder amerikanischen Krimiserie zu begegnen scheinen.
Aber Advoks Frage ist gut. Die McNotts sind meiner Erinnerung nach teilweise als Heft und/oder als Taschenbuch erschienen. Welche Fassung ist das?
Die hier zur Rede stehenden Bände stammen als Heft aus der Autorenreihe "John Gray". Die ersten beiden erschienen zunächst als Jugendbücher und danna ls Starwestern-Tb.
Harantor sagt: Ich habe einen "Bann des Donnervogels" dagegengesetzt ... Der Sohn ist fort
Die Aufmachung der Bücher ist schon toll - mit Lonati hat der Blitz-Verlag natürlich schon einen gewaltigen Trumpf in der Hand.
Mit Dietmar Kuegler natürlich auch. Eins der Jugendbücher habe ich damals gelesen, und ohne Zweifel, es gehört zur obersten Qualität.
Die Aufmachung des Buches hat stark an die Leihbücher erinnert. Ich glaube, es war einer der Verlage, der da vorher tätig war.
Die "John Gray"-Hefte der Autorenreihe sind auch rar, man findet sie kaum mehr. Wenn man bedenkt, dass Pabel/Moewig wohl eine höhere Auflage hatte als die Konkurrenz, spricht dies auch für die Qualität der Romane. Wenn man sie einmal hat, gibt man sie nicht mehr her.
12,95 sind natürlich schon happig, aber die Aufmachung gefällt. Der ebook-Preis ist okay. Ich denke, man muss sich bewusst sein, dass Herr Kuegler damals eher dem Heftromanleser ein Geschenk mit diesen Romanen gemacht hat. Solch guten Stoff hat man im Heft seltenst gefunden.
Ab Herbst bringt der Blitzverlag immer im Doppelband die Neuauflage von "Roncos Tagebücher"