Ein Western aus Montana als Arizona Legende
Ein Western aus Montana als »Arizona Legende«
»Die Vigilanten von Montana«
Eine neue Reihe eröffnen? »Montana Histories« oder »Montana Authentic«? Oder aber man folgte einer guten alten Tradition von Verlagen und man bringt den Roman den Roman in der bereits bestehenden Reihe, eben der von Wallon gegründeten »Arizona Legenden« bringen. Immerhin gab es mal »Texas Western«, die längst nicht alle in Texas spielt, »Marshal Western«, in denen nicht nur Marshals Hauptfiguren waren usw. usf. Diese Liste ließe sich beliebig erweitern. Verschwenden wir also keinen weiteren Gedanken daran warum »Die Vigilanten von Montana« in den »Arizona Legenden« erscheinen, sondern wenden uns diesem Text zu.
Dietmar Kuegler ist bekannt dafür, dass er authentische Western schreibt, die historische Zusammenhänge in eine erfundene Geschichte einbetten. Hierfür ist exemplarisch die »Westwind«-Serie (Als der Westen noch richtig wild war ... - Dietmar Kueglers Westwind) zu nennen, aber auch viele weitere seiner Romane folgen dieser Grundidee, inklusive der »Ronco«-Serie. Der hier vorliegende Text kommt einem historischen Western (den manche immer wieder propagieren) so nahe wie nur wenige von Kueglers Texten. Explizit erzählt er die Geschichte der Vigilanten von Montana.
Allerdings bezeichnet Dietmar Kuegler auch diesen Roman nicht als einen ›historischen‹, sondern er bleibt bei ›authentisch‹, weil er sich durchaus ein paar Freiheit herausnimmt und manches verkürzt, weil ihm einst nur Heftlänge zur Verfügung stand. Eine ausführliche und historische korrekte Darstellung hätte gut 400 - 500 Seiten erfordert oder eine Miniserie wie es eben ›Westwind‹ war. Doch das gab das Heft nicht her und der Autor verdichtete die Geschichte zu einem Heft.
Er widersteht allerdings zum einen der Versuchung aus der Hauptfigur John X. Beidler einen der für den Heftroman so typischen Heldenfiguren zu machen, die größer als sechs Fuß und hager sind, blondes Haar haben und deren harte Fäuste den Sechsschüsser aus dem Holster reißen. Der historische Beidler wird so beschrieben:
Nur 165 cm groß aber von geballter Kraft und Entschlossenheit, lehrte er die Straßenräuber der Goldfelder und ihren Anführer das Fürchten.
Beidler (1831 – 1890) war Schuster von Beruf [...]
Beidler hatte also eher die Statur des Oberschurken wie er oft in Western beschrieben wurde, aber ein echter Held ist er auch nicht, denn er übt Selbstjustiz. Nach unseren heutigen Maßstäben völlig inakzeptabel. Kuegler erklärt im Roman und Nachwort nocheinmal die Geschichte der Vigilanten. Montana war noch ein Territorium und längst kein organisierter Bundesstaat mit einer funktionierenden Justiz. Zudem war der Oberschurke zum Sheriff gewählt worden und strebte an der erste Bundesmarshal zu werden. Es war nötig Widerstand zu organisieren.
Und zum anderen bleibt Kuegler bei den Fakten, die Beidler und Vigilanten zumindest im Zwielicht der Selbstjustiz erscheinen lassen. Er widersteht dem typischen Heftromankniff, im Hintergrund einen Vertreter Washingtons aufmarschieren zu lassen und die Vigilanten ihre Taten im Auftrag der Regierung vollbringen zu lassen. Weiter Klischees des Western(heftes) werden auch nicht bemüht. Der Roman ist vom Thema und Ausführung weit weg vom Durchschnitt der Westernhefte.
Dieser Widerstand wurde so organisiert, dass die Schurken nach Recht und Gesetz verurteilt und gehenkt wurden, aber es war eben trotz allem Selbstjustiz. Und doch zeigt Kuegler, dass es keinen anderen Weg gab, um die mafiösen Strukturen der Finstermänner, die sich die »Innocents« aufzubrechen. Die Justiz war hunderte von Meilen weit weg.
Es würde sich lohnen, die Rechtmäßigkeit der Vigilanten zu diskutieren. Sowas kommt in einem Heftroman zu kurz. Doch Kuegler schafft es die Taten der Vigilanten nachvollziehbar zu gestalten, ohne diese zu heroisieren. Das ist schon mehr als man erwarten kann. Wenn man sich zum Beispiel die Romane über William Clark Quantrill durchliest, in denen dieser Kriegsverbrecher und seine Taten verklärt und heroisiert werden, so kann man Kuegler für seine Distanz nahezu dankbar sein.
Der Roman an sich ist spannend und interessant geschrieben. Angesiedelt im Goldrausch in Montana zu Zeiten des Bürgerkriegs ist auch das Setting eher ungewöhnlich für den Heftroman. Wie schon gesagt, Kuegler ist weit weg vom Klischee des Western(heftes). Er ist immer gut für ungewöhnliche und für das Genre abseitige Ideen, die sehr interessant zu lesen sind. Der Roman erschien zunächst bei Pabel in der John Gray-Autorenreihe als Band 74.
Noch heute ist Dietmar Kuegler den Redakteuren bei Pabel, namentlich Werner Müller-Reymann und Rainer Delfs, dafür dankbar, dass sie ihm große Freiheiten bei der Auswahl der Themen für die neu zu schreibenden Romane eingeräumt haben. So fanden nicht nur Montanas-Vigilanten, sondern auch die Westwind-Reihe den Weg in die Verkaufsstellen und zeigten, dass der Western mehr zu bieten hatte als Cowboys, Sheriffs und Revolvermänner. Das zeichnet Kuegler mit seinen Romanen aus.
Ich habe mich gut unterhalten und habe in der Tat auch über Selbst- und Lynchjustiz nachgedacht. Und ich bin immer noch unschlüssig, ob ich den Kampf der Vigilanten gegen die Innocents wirklich gut heißen kann, obwohl ich sehr wohl die Motive nachvollziehen kann.
»Die Vigilanten von Montana«
Kommentare
Ah ja, danke.
Die "John Gray" sind relativ schwer und teuer zu bekommen. Viele der Originalromane waren "historische" Western. Das war schon anspruchsvoller als "Red River Jim" oder was auch immer gleichzeitig bei Bastei rauskam.