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Ringos Plattenkiste: Ken Hensley - Proud Words on a dusty Shelf

 

Ken Hensley - Proud Words on a dusty Shelf

 »Music was my first love« sang John Miles anno 1976. Meine auch, sieht        man von Uschi L. mal ab, der blonden Nachbarstochter, mit der ich im zarten  Alter von 6 Jahren fast täglich zusammen war. Bis sie wegzog. Mit ihren Eltern natürlich.

Aber um die geht es hier nicht, sondern um Musik. -

Einzig und allein.

 

Nach den letzten Ausflügen in musikalisches Neuland kehre ich heute wieder zur gestandenen Rockmusik zurück und präsentiere ein Soloalbum eines Musikers, der zum Zeitpunkt dessen Erscheinens mit seiner Stammband bereits äußerst erfolgreich war und einfach mal etwas eigenes machen wollte. Die Rede ist von Ken Hensley, dem langmähnigen Linksträger und Mädchenschwarm der Siebziger.

Kenneth William David Hensley, wie er mit vollständigem Namen hieß, wurde 1945 im Südosten Londons geboren, bevor seine Eltern mit ihm und seinen Geschwistern nach Stevenage, Hertfordshire zog, einer ca. 40 km von London entfernten Kleinstadt. Ken lernte mit 12 Jahren Gitarre spielen und hatte bereits mit 15 einen bescheidenen ersten Live-Auftritt. Nach den üblichen Lehrjahren in Schülerbands, von denen sogar einige, inzwischen leider verschollene Aufnahmen existierten, gründete er seine eigene Band mit dem kurzen und knackigen Namen „The Gods“. Der Name war im übertragenen Sinne Programm, denn die Liste der Mitglieder liest sich wie ein Who-is-Who der Rockmusik.  Ken Hensley schrieb überwiegend die Songs, sang und malträtierte die Hammond. An der Gitarre war Mick Taylor zu hören, der später zu John Mayall wechselte und danach schließlich zu den Rolling Stones ging. Am Bass waren unter anderem abwechselnd Greg Lake, später Gründungsmitglied von Emerson, Lake & Palmer (Ringo berichtete) sowie John Glascock, der zu Jethro Tull (Ringo berichtete) ging. Auch der erste Bassmann von Uriah Heep, Paul Newton war Mitglied, ebenso wie deren späterer Drummer, Lee Kerslake. Zuvor spielte auch Alan Shacklock von Babe Ruth (Ringo berichtete) mit.

Die Gods kann man guten Gewissens als eine Art Proto-Supergroup bezeichnen, bzw. als Karrieresprungbrett. 1966 durften die Gods das Vorprogramm von „Cream“ bestreiten, was einen gehörigen Popularitätsschub für sie bedeutete. Zwei Jahre später ergatterten sie schließlich einen Plattenvertrag und nahmen 2 LP`s und einige Singles auf. Die Band löste sich aber auf, Hensley und Kerslake gingen zu einer Band namens „Toe fat“, die 2 Alben aufnahmen. Hensley und Kerslake verließen die Band aber noch vor dem zweiten und gründeten mit Davis Byron und Mick Box ihre eigene Band: Uriah Heep (Ringo berichtete). Hensley war auch bei Heep wieder der Haupt-Songwriter, spielte Gitarre, sang gelegentlich und glänzte vor allem durch sein wildes und orgiastisches Orgelspiel. Unter anderem geht der Mega-Hit „Lady in Black“ auf sein Konto, den er auch selbst sang, da er Lead-Vocalist David Byron nicht gefiel. Was Viele nicht wissen: Hensley war nebenbei für sehr  kurze Zeit Mitglied der Krautrockband Weed, die 1971 ein einziges Album herausbrachten, das mittlerweile sehr gesucht ist. Durchaus hörenswert!

Bis 1973 veröffentlichten Uriah Heep 5 Alben, teilweise erschien sogar 2x im Jahr Neumaterial. Die Band war zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Hensley wollte aber gerne etwas Eigenes machen und so ging er ins Studio, um sein erstes Soloalbum aufzunehmen: Proud Words on a dusty Shelf – Stolze Worte in einem staubigen Regal.

Und um dieses Album geht es heute.

Produziert wurde von Gerry Bron, dem Manager von Uriah Heep und dem Gründer von Bronze-Records, Uriah Heeps damaligem Stammlabel. Bronze war ein unabhängiges Label, das seit 1971 existierte und sich im Laufe der Zeit auf Hardrock spezialisierte. Gerry kam über seinen Vater in Kontakt mit der Musikbranche und hatte die Idee, die von ihm gemanagten Acts doch auch gleich selbst zu produzieren und zu verlegen. Auf diese Art und Weise kam es zu Bronze Records. Bei Bronze waren neben Heep auch Osibisa, Hawkwind und Mötörhead unter Vertrag. Nachdem einige Zugpferde in den Achtzigern Bronze verließen, geriet Bron schnell in finanzielle Engpässe und musste schließlich aufgeben. Eine seiner ersten Arbeiten als Produzent war übrigens der Song „Ha-ha said the Clown“ von Manfred Mann. Gerry verstarb 2012.

Die Besetzung sah aus wie folgt:

Ken Hensley: All Instruments except:

Dave Paul: Bass Guitar

Gary Thain: Bass Guitar

Lee Kerslake: Drums

Dave Paul war ein Nobody und verschwand nach Hensleys Soloalbum auch gleich wieder in der Versenkung.

Gary Thain stieß 1972 zu Uriah Heep, nachdem er kurze Zeit bei der britischen Jazzrockband Colosseum den Bass gezupft hatte.

Lee Kerslake spielte mit Hensley schon bei den Gods und stieß Ende 1971 zu Uriah Heep.

Das fertige Album erschien 1973 im schmucken Gatefold mit einem sehr ansprechenden Cover. Die Photographie zeigt einen antiquarischen Folianten vor einem ungeordneten Haufen anderer Bücher. Der Titel auf diesem Buch ist gleichzeitig auch der Titel des Albums: Ken Hensley – Proud Words on a dusty Shelf. Wie in den Siebzigern nicht unüblich, erschien das Album auch auf Tonband.

Ein wenig Selbstironie spielte da wohl auch mit. Das Photo stammt von Fin Costello, einem gefragten Photographen in der Rockwelt, der unter anderem Deep Purple, Uriah Heep und Kiss abgelichtet hatte. In Brasilien erschien die Platte übrigens in ganz anderer Aufmachung.

Die Innenseite des Klappcovers ist in marmorierter Papieroptik und zeigt neben einigen Photos von Ken auch eine Spalte mit Liner-Notes, die zum Teil von Gary Thain stammen. Die Innentaschen sind rustikal braun und mit den Lyrics bedruckt.

 

Hier die Tracklist des Albums:

Seite 1:

  • When Evening Comes
  • From Time To Time
  • King Without A Throne
  • Rain
  • Proud Words

Seite 2:

  • Fortune
  • Black-Hearted Lady
  • Go Down
  • Cold Autumn Sunday
  • The Last Time

Sehen wir uns die Songs ein wenig genauer an

When Evening Comes eröffnet das Album mit einer schleppenden Rocknummer im ungewöhnlichen ¾-Takt. Hensley spielt hier, für ihn unüblich, die E-Gitarre. Bei Heep war er ja hauptsächlich an der Hammond zu hören, gelegentlich spielte er Akustik-Gitarre. Bei diesem Song gönnt er sich sogar ein kleines Gitarrensolo. Textlich ist der Song ein melancholisches und düsteres Liebeswehklagen. Der Song erschien mit Fortune auf der Flipside als Single.

From Time To Time ist eine wunderschöne Akustik-Ballade, die sich überwiegend auf 2-3 Akkorde beschränkt. Hensleys Akustik-Gitarre dominiert hier, allerdings ist ein dezentes, tiefes Synthesizerbrummen im Hintergrund zu hören, das dem Song eine ganz spezielle Atmosphäre verleiht. Gegen Ende des Songs, hört man ganz genau hin, kann man auch seine Hammond hören.

King Without A Throne ist eine beschwingte musikalische Träumerei, bei der sich Ken selbst am Klavier begleitet. Wenn ich meiner Phantasie freien Raum lasse, stelle ich mir einen Zeichentrickfilm vor, in dem ein Landstreicher auf einer staubigen Landstraße entlangwandert und vor sich hinsingt.

Rain kennt der Heep-Fan bereits vom 1972er Album „The Magicians Birthday“. Diese Version ist, wie auch die erste, sparsam mit Piano und Vibraphon instrumentiert und wird gegen Ende hin hymnisch mit viel Chorgesang als Zuckerguss. Im Vergleich schneidet diese Version bei mir besser ab.

Proud Words, der Titelsong, ist wieder eine gestandene Rocknummer mit dezentem Blueseinfluß. Der Text behandelt eine der Grundsäulen Sozialer Kompetenz: Das Wahrnehmen und Einfordern persönlicher Rechte.

Seite 1 ist dann zu Ende, drehen wir die Platte also um

Fortune Seite 2 beginnt mit einem langsamen Song in bester Heep-Manier. Hensley besingt das Schicksal:

Ein alter Mann wartete auf seinen Tod

Ein Teil von mir schrie auf

Da begann ich nachzudenken

Und meine Hand begann zu schreiben

Und meine Träume wurden zur Antwort

Was wie eine gewöhnliche Rocknummer beginnt, entwickelt sich bald zu einem Wechselbad zwischen E- und Akustikgitarre. Auch der Takt wechselt vom üblichen 4/4 zu ¾. Dezent ist auch hier wieder die Hammond zu hören, allerdings nicht so dominant wie bei Uriah Heep.

Black-Hearted Lady ist eine entspannte Bluesballade mit Slide-Guitar. Tempo und Instrumentierung passen ausgezeichnet zum wehmütigen Text, der vom Betrogensein handelt.

Go Down ist ein wenig ungewöhnlich, denn Hensleys Gitarre erinnert stilistisch an das Spiel von Pink Floyds David Gilmour. Hensley besingt hier abermals eine vergangene Liebe, allerdings aus den Augen der verlassenen Frau.

Cold Autumn Sunday. Und wieder ein Song über vergangenes Liebesglück, diesmal als Allegorie auf den Herbst. Ein wenig rockig, ein wenig bluesig und zu Beginn stark von „You can`t always get what you want“ von den Rolling Stones inspiriert. Auch hier spielt Hensley wieder ein gelungenes Solo auf der Gitarre. Der lange Song endet mit einem female Choir, der an Bob Dylans „Knockin on Heavens Door“ angelehnt ist. Auch dieser Song wurde als Single ausgekoppelt. Auf der Flipside war Rain.

Auf The Last Time schlägt Hensley abermals ungewohnte Töne an, denn diesmal verschlägt es ihn in Country-Gefilde. Der letzte Song ist wieder überwiegend akustisch instrumentiert, glänzt aber auch mit gefühlvoller Slide-Guitar.

Dann ist diese tolle Platte leider schon zu Ende.

In den Siebzigern kam man als Fan anspruchsvoller und dennoch harter Rockmusik keinesfalls an Uriah Heep vorbei. Das lag nicht nur an den für die damalige Zeit wirklich tollen Hits, sondern auch an der Tatsache, dass sie sich stets neuen Ufern zuwandten und nicht nur Hardrock spielten, sondern auch deutliche Prog-Ansätze hatten, was sich an orchestralen Longtracks wie „Salisbury“ oder ganzen Alben wie „The Magicians Birthday“ zeigte. War man Heep-Fan, wie ich, musste man natürlich auch das Hensley-Album besitzen. Und, was soll ich sagen? Mir gefiel und gefällt es sehr gut. Proud Words ist zwar kein epochales Meisterwerk und bietet im Vergleich zu Hensleys Stammband nicht viel Neues, das Album weiß aber dennoch (und vielleicht auch gerade deshalb) zu überzeugen. Gefühlvolle Balladen wechseln sich mit rockigen Nummern ab, es ist musikalisch vielseitig und abwechslungsreich. Jeder Track weist Hensleys Handschrift auf und das Album wirkt wie aus einem Guss. Leider war es aber nur mäßig erfolgreich, was wohl zum einen Teil daran lag, dass der Markt zum Zeitpunkt des Erscheinens mit Heep-Platten bereits übersättig war (1972 erschienen 2 Alben, 1973 ein weiteres. Zum anderen lag es wohl auch daran, dass die Songs auf der Platte überwiegend ruhig gehalten sind und die ansonsten brachiale Aggressivität Uriah Heeps vermissen lässt. Auch die für Hensley so typische Hammond ist kaum zu hören. Ken kehrte im Anschluss zu Uriah Heep und seinem Platz an der Hammond zurück.

Was wurde aus den Beteiligten?

Ken Hensley nahm 1975 ein zweites Soloalbum auf, das unter dem Titel „Eager to please“ erschien, sich aber leider ebenfalls nicht besonders gut verkaufte, obwohl es qualitativ ausgereifter als sein Erstling war. Vermutlich war auch die Covergestaltung ausschlaggebend, die, gerade was die Rückseite betraf, sehr dilettantisch war. Hensley verließ 1980 Uriah Heep, veröffentlichte ein drittes Soloalbum und zog in die USA, wo er sich der Southern Rock-Band Blackfoot anschloss, bei der er bis 1985 blieb. Danach wurde es ruhiger um Ken. Gelegentlich war er als Gastmusiker, z.B. auf einem Album der Band W.A.S.P. zu hören. Hensley war ab Mitte der Neunziger wieder aktiver, veröffentlichte weitere Soloalben und arbeitete kurzzeitig mit seinem früheren Bandkollegen John Lawton zusammen. Leider verstarb Hensley im Jahre 2020 überraschend.

Dave Paul verschwand nach dem Album gleich wieder in der Versenkung und blieb bis heute dort.

Gary Thain bekam 1974 bei einem Uriah Heep-Konzert einen elektrischen Schlag und trug bleibende Schäden davon, von denen er sich nicht mehr erholte. Er verstarb 1975.

Lee Kerslake verließ 1979 Uriah Heep und spielte eine Zeitlang mit Ozzy Osbourne zusammen, kehrte 3 Jahre später aber wieder zurück. 2007 verließ er die Band aufgrund gesundheitlicher Probleme und verstarb 2020 an den Folgen seiner langjährigen Krebserkrankung.

 

 © by Ringo Hienstorfer  (02/2024)

Das wars mal wieder für heute. Beim nächsten mal geht es um einen Kunstfehler, einen Laib Brot und zwei Ellbogen.

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